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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 29.07.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 107/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 305 ff.
BGB § 307
1. Bei einer zweistufigen Ausschlussfristenregelung im Formulararbeitsvertrag führt die Unwirksamkeit zur 2. Stufe nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel.

2. Eine beiderseitige Frist zur schriftlichen Geltendmachung von einem Monat im Formulararbeitsvertrag benachteiligt den Arbeitnehmer gem. § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB unangemessen.


Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 107/05

verkündet am 29.07.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 24.06.2005 durch die Vorsitzende Richterin am LAG K. als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin C. und den ehrenamtlichen Richter B.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11.01.2005 - 6 Ca 3144/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt nur noch über die Vergütung des bis zum 30.08.2004 bei der Beklagten als Produktionsarbeiter gegen einen Stundenlohn von 5,37 EUR zuzüglich eines Leistungszuschlages beschäftigten Klägers für den Monat August 2004 und die Abrechnung für diesen Monat.

Der Kläger hat mit der am 10.11.2004 beim Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen und der Beklagten am 13.11.2004 zugestellten Klage - neben Gehaltsabrechung und Aushändigung von Arbeitspapieren - die Vergütung für August in der - unstreitigen - Höhe von 945,12 EUR brutto geltend gemacht. Die Beklagte, die sich in einem vorangegangenen Rechtsstreit zu einer Zahlung der Vergütung für die Monate April bis Juli 2004 in Raten verpflichtet hatte, hat sich vorliegend auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist berufen.

In § 12 des Arbeitsvertrages vom 01.04.2004 heißt es:

"Verfallfristen

Aller beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb eines Monaten nach Fälligkeit beim Vertragspartner schriftlich geltend gemacht worden sind.

Zu einer solchen Forderung ist von der anderen Partei spätestens innerhalb von 14 Tagen Stellung zu nehmen. Lehnt eine Partei die Ansprüche der anderen Partei ab, oder äußert er sich binnen dieser Frist nicht, so muss innerhalb einer weiteren Frist von 14 Tagen (nach Ablehnung bzw. Verstreichen) Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden.

Dies gilt nicht, wenn die Einhaltung der Frist wegen unabwendbaren Zufalls nachweislich noch durch einen Beauftragten möglich war (z.B. schwerer Krankheit, zwingender Ortsabwesenheit). Die Ablehnung der Ansprüche hat ebenfalls schriftlich zu erfolgen.

Bei Nichtbeachtung dieser Bestimmungen verfallen die Ansprüche."

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch das am 11.01.2005 verkündete Urteil, auf dessen Tatbestand zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 37 bis 39 d.A.), stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die arbeitsvertragliche Klausel zur Ausschlussfrist sei gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Gegen dieses ihr am 09.02.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 22.02.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Der - erstinstanzlich anwaltlich nicht vertretene - Kläger hat mit Datum vom 29.03.2005, eingegangen am 01.04.2005, ein Schreiben an das Landesarbeitsgericht gerichtet, in dem es heißt: "laut o.g. Vorgang möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich von einer Klage für den Monat August absehe. Auf Grund meiner jetzigen Situation sehe ich mich außerstande die Angelegenheit mittels Anwalt zu erledigen. Hiermit bitte ich Sie die Klage als gegenstandslos zu betrachten und den Termin am 27. Mai aufzuheben." Auf gerichtlichen Hinweis hat der Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines nunmehr bevollmächtigten Rechtsanwaltes beantragt, die bewilligt worden ist.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klage sei durch die Erklärung des Klägers wirksam zurückgenommen. Im Übrigen ist sie weiterhin der Meinung, die vertragliche Klausel sei wirksam, da es sich bei der Vereinbarung von Ausschlussfristen um eine arbeitsrechtliche Besonderheit handele, die einer Inhaltskontrolle entgegenstehe. Der Kläger habe außerdem bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages Gelegenheit gehabt, Änderungswünsche vorzubringen.

Nach Abschluss eines Teilvergleichs in Bezug auf die Aushändigung von Arbeitspapieren beantragt die Beklagte,

zu entscheiden, dass das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11.01.2005 - 6 Ca 3144/04 - wirkungslos ist und die Klage zurückgenommen wurde,

hilfsweise,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11.01.2005 - 6 Ca 3144/04 - teilweise abzuändern und die Klage mit den Anträgen zu 1) und 3) abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 statthafte und nach dem Beschwerdewert gemäß § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG zulässige Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1, §§ 519, 520 ZPO.

2. Die Berufung ist mit dem Hauptantrag nicht begründet, da der Kläger seine Klage nicht wirksam zurückgenommen hat.

2.1 Gemäß § 11 Abs. 2 ArbGG sind vor dem Landesarbeitsgericht nur Rechtsanwälte und Vertreter von Gewerkschaften oder Arbeitgebervereinigungen postulationsfähig, also berechtigt, prozessuale Erklärungen abzugeben und Prozesshandlungen vorzunehmen. Daraus folgt, dass auch eine Klagerücknahme in der Berufungsinstanz grundsätzlich nicht durch die Partei selbst, sondern nur durch eine der in § 11 Abs. 2 ArbGG genannten Personen erklärt werden kann. Verstöße gegen den Anwaltszwang des § 11 Abs. 2 ArbGG bzw. § 78 ZPO sind von Amts wegen zu berücksichtigen und führen zur Unwirksamkeit der Prozesshandlung (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 78, Rdnr. 3 m.w.N.).

2.2. Unabhängig davon, ob in dem Schreiben des Klägers hinreichend deutlich der Wille zum Ausdruck kommt, die Klage zurückzunehmen, ist die Erklärung hiernach unwirksam. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in der vorliegenden Konstellation keine Ausnahme vom gesetzlichen Grundsatz zu machen.

Derartige Ausnahmen sind dann geboten, wenn eine strikte Anwendung der Vorschriften zur Postulationsfähigkeit prozessökonomisch unvertretbar wäre und der Zweck der Norm nicht in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 08.02.2001 - VII ZR 477/00 - m.w.N.).

Von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung, die teilweise durch die Neuregelungen in § 78 Abs. 1 ZPO überholt ist, sind solche Ausnahmen regelmäßig dann angenommen worden, wenn eine Prozesshandlung von einem beim Prozessgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 19.10.1988 - IVa ZR 234/87 - m.w.N.). Es wäre in diesen Fällen der Partei aus Kostengründen nicht zumutbar, einen neuen Rechtsanwalt nur dafür beauftragen zu müssen, eine Klage zurückzunehmen. Der Zweck des Anwaltszwangs, der auch neben dem Verfahrens- und Gefahrenschutz die Warn- und Beratungsfunktion beinhaltet (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 78 Rdnr. 2), ist in diesen Fällen durch die anwaltliche Vertretung nicht gefährdet.

Eine Ausnahme vom Anwaltszwang ist auch in den Fällen geboten, in denen eine Partei selbst Berufung eingelegt hat. Zur Rücknahme dieses unzulässigen Rechtsmittels noch einen Rechtsanwalt zu beauftragen, ist unzumutbar. Einer solchen Rücknahme geht regelmäßig ein gerichtlicher Hinweis voraus, in dem auf die Unzulässigkeit der Berufung sowie auf den Vertretungszwang aufmerksam gemacht wird. Es bleibt der Partei dann unbenommen, sich vor einer Rücknahme beraten zu lassen.

Anders ist die vorliegende Konstellation zu beurteilen. Der Kläger ist Berufungsbeklagter und ging nach Zustellung der Berufungsbegründung mit dem Hinweis nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG offenbar davon aus, dass eine anwaltliche Vertretung ihn finanziell überfordert. Ihm war weder bewusst, dass er Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen konnte noch war er in der Lage, die Rechtslage nicht einschätzen. Würde man in dieser Konstellation eine Ausnahme vom Vertretungszwang machen, würde dies seinem Schutzzweck entgegenstehen.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich auch von dem der Entscheidung des OLG Koblenz (Beschl. v. 17.11.1999 - 8 W 662/99) zugrunde liegenden. Dort ging es nicht um den Anwaltszwang im Berufungsverfahren, sondern um die Verweisung einer Klage an das Landgericht aufgrund einer die Zuständigkeitsstreitwertgrenze überschreitenden Klageerweiterung. Diese Konstellation ist vergleichbar mit der Einlegung eines unzulässigen Rechtsmittels.

3. Die Berufung hat auch mit dem Hauptantrag keinen Erfolg. Die Klage ist begründet, so dass ihr das Arbeitsgericht zu Recht stattgegeben hat. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung für den Monat August 2004 in der unstreitigen Höhe nach § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag sowie auf Entgeltabrechnung für diesen Monat gem. § 108 GewO. Die Ansprüche sind nicht wegen verspäteter schriftlicher Geltendmachung verfallen.

3.1 Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Beklagte aufgrund ihrer Erklärungen im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Rechtsstreit, in den der Kläger die hier streitbefangene Vergütung mangels Fälligkeit noch nicht einbeziehen konnte, insbesondere im Rahmen des dortigen Vergleichs, und ihres Verhaltens bei den mehrfachen mündlichen Mahnungen des Klägers nach Treu und Glauben, § 242 BGB, überhaupt auf die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist berufen kann.

3.2 Die in § 12 des Arbeitsvertrages enthaltene Klausel zur Ausschlussfrist hält einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht stand.

3.2.1 Diese seit dem 01.01.2002 geltenden Regelungen sind auf den danach abgeschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien anzuwenden. Mit der Aufhebung der Bereichsausnahme, wie sie im AGB-Gesetz geregelt war, sollte verhindert werden, dass das Schutzniveau im Arbeitsrecht hinter dem des Zivilrechts zurückbleibt. Das Erfordernis, Besonderheiten des Arbeitsrechts angemessen zu berücksichtigen, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, schließt eine Inhaltskontrolle weder generell noch bei im Arbeitsleben üblichen Klauseln aus. Vorliegend handelt es sich auch nicht um eine Klausel, die lediglich eine - einer gesetzlichen Regelung gleichgestellte - tarifliche Vorschrift wiederholt, § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 BGB. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kein Tarifvertrag Anwendung.

3.2.2 Es liegt schon nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Formulararbeitsvertrag vor. Die Beklagte hat die Vertragsbedingungen vorformuliert, so dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt. Dabei ist unerheblich, in wie vielen Fällen die Beklagte gleichlautende Verträge verwendet, da die maßgeblichen Vorschriften der Inhaltskontrolle auch bei einmaliger Verwendung gemäß § 310 Abs. 3 BGB anzuwenden wären (vgl. BAG, Urt. v. 25.05.2005 - 5 AZR 572/04).

Die Beklagte selbst ist noch in ihrer Berufungsbegründung davon ausgegangen, dass Ausschlussfristen praktisch nie individuell ausgehandelt würden. Aus der nachgeschobenen Behauptung, der Kläger sei vor Vertragsunterzeichnung darauf hingewiesen worden, dass er den Vertrag genau durchlesen und gegebenenfalls Änderungswünsche anmelden möge, kann nicht auf eine ausgehandelte Vertragsbedingung, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, oder eine Einflussnahme gemäß § 310 Abs. 3 BGB geschlossen werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition gestellt hat.

3.2.3 Einer Einbeziehung der Klausel in den Vertragsinhalt steht § 305 c BGB nicht entgegen. Die Ausschlussfrist ist bereits in der Überschrift des § 12 erwähnt und damit nicht zu übersehen. Angesichts der Verbreitung solcher Regelungen konnte sie auch nicht überraschen (vgl. BAG, Urt. v. 25.05.2005, a.a.O.).

3.2.4 Die Unwirksamkeit der ersten Stufe der Ausschlussklausel ergibt sich auch nicht bereits daraus, dass die Frist der gerichtlichen Geltendmachung unterhalb der vom Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 25.5.2005 - 5 AZR 572/04) als Mindestfrist angesehenen drei Monate liegt. Die Klausel in § 12 ist teilbar. Auch bei Unwirksamkeit der Regelung zur zweiten Stufe würde eine sinnvolle und eigenständige Regelung zur ersten Stufe, der schriftlichen Geltendmachung verbleiben (sog. blue pencil-test, vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 307 - 309, Rdnr. 11 m.w.N.).

3.2.5 Die Klausel ist nicht nach § 309 Nr. 13 BGB unwirksam, da für die erste Stufe der Geltendmachung lediglich Schriftform vorgesehen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie einer Überprüfung nach § 309 Nr. 7 BGB standhält. Es ist bereits streitig, ob die zeitliche Begrenzung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Klauselverwender eine Haftungserleichterung darstellt (ablehnend KG Berlin, Urt. v. 10.01.1990, NJW-RR 1990, 544 ff. [554]; BAG, Urt. v. 25.05.2005, a.a.O.).

3.2.6 Die Klausel in § 12 des Arbeitsvertrags ist unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt.

3.2.6.1 Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

3.2.6.2 Vertragliche Ausschlussklauseln sind gesetzlich nicht ausgeschlossen; sie werden in § 611 a Abs. 4 BGB vorausgesetzt. Daraus folgt, dass die Vereinbarung von Ausschlussfristen auch in Formulararbeitsverträgen nicht generell ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber erlaubt einzelvertragliche Ausschlussklauseln jedoch auch nicht generell.

Als gesetzliche Regelungen, an denen die Ausschlussklausel zu messen ist, sind die Verjährungsvorschriften der §§ 195 ff. BGB heranzuziehen. Diese dienen ebenso wie Ausschlussfristen dem Zweck, Rechtsfrieden herzustellen, Ansprüche möglichst zeitnah zu klären und dem Schuldner Verteidigungsmöglichkeiten zu erhalten. Zwar lässt § 202 BGB eine einzelvertragliche Verkürzung der gesetzlichen dreijährigen Regelfrist der Verjährung zu. Diese ist jedoch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen an § 305 ff. zu messen (vgl. BAG, Urt. v. 25.05.2005, a.a.O.). Den gesetzlichen Verjährungsregelungen kommt, insbesondere nach deren Reformierung zum 01.01.2002, eine Leitbildfunktion im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu, mit der Folge, dass auch Ausschlussklauseln hieran zu messen sind, was die angemessene Länge und die Ausgestaltung des Fristbeginns anbelangt.

3.2.6.3 Die vorliegend vereinbarte Frist für die schriftliche Geltendmachung von einem Monat stellt eine unangemessene Benachteiligung dar.

Soweit die Beklagte hierzu auf die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verweist (Urt. v. 13.12.2000 - 10 AZR 168/00), ist diese nach Inkrafttreten des Schuldrechtsreformgesetztes nicht mehr maßgeblich (vgl. BAG, Urt. v. 25.05.2005).

Ebenso verweist die Beklagte ohne Erfolg auf einzelne tarifliche Regelungen, in denen eine einmonatige Geltendmachungsfrist enthalten ist. Diese Regelungen sind, wie oben ausgeführt, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund von Tarifbindung oder genereller arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbar. Aus der Existenz solcher tariflicher Regelungen kann auch nicht abgeleitet werden, dass eine derartig kurze Frist als angemessener Ausgleich der Interessen der Arbeitsvertragsparteien vorliegt. Sie sind Teil eines tariflichen Gesamtkomplexes und können nicht isoliert betrachtet werden. Im Übrigen sind tarifliche Geltendmachungsfristen üblicherweise länger; sie liegen eher bei drei oder sechs Monaten.

Aus § 611 a Abs.4 Satz 2 BGB lässt sich ableiten, dass eine Geltendmachungsfrist von zwei Monaten jedenfalls nicht unterschritten werden kann. Eine vertragliche Ausschlussklausel wie die vorliegende erfasst nicht nur Ansprüche, die für den Arbeitnehmer einfach zu ermitteln sind, so dass ihm durch eine angemessene Frist eine faire Chance der Durchsetzungsmöglichkeit gegeben werden muss. Insoweit geht der Hinweis der Beklagten fehl, die Entgeltansprüche für den Monat August seinen nicht kompliziert zu berechnen und zu ermitteln gewesen. Gerade die Einbeziehung von Entgeltansprüchen gebietet eine längere Geltendmachungsfrist, weil der Arbeitnehmer, der seine Hauptpflicht bereits erfüllt hat, Gefahr läuft, seine Gegenleistung zu verlieren. Dies greift in das Synallagma ein und bedarf deshalb einer Beschränkung.

Ob eine zweimonatige Ausschlussfrist angemessen wäre oder wie bei der gerichtlichen Geltenmachung mindestens drei Monate (vgl. BAG Urt. v. 25.05.2005 - 5 AZR 572/04), kann vorliegend dahingestellt bleiben, da mit der einmonatigen Frist auch diese unterschritten ist.

3.3 Diese Unterschreitung hat zur Folge, dass die Klausel unwirksam ist und ersatzlos entfällt, § 306 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion, also eine Aufrechterhaltung der Regelung mit Ersetzung der zu kurzen Frist durch eine gerade noch zulässige Frist, ist nicht möglich (vgl. BAG, Urt. v. 25.05.2005, a.a.O.). Eine solche Vorgehensweise würde dem Zweck der Inhaltskontrolle zuwiderlaufen, weil überzogene Klauseln ohne Risiko verwendet werden könnten.

Diese Rechtsfolge kann auch nicht durch eine salvatorische Klausel, wie sie in § 14 des Arbeitsvertrages enthalten ist, nicht modifiziert werden. Diese Klausel ist ihrerseits zu unbestimmt, als dass sie Anhaltspunkte für eine ergänzende Vertragsauslegung bieten könnte.

Danach verbleibt es beim Wegfall der gesamten Klausel des § 12, so dass die verspätete Geltendmachung der Ansprüche unerheblich ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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