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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 54/03
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 188
BGB § 288
BGB § 291
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ZPO § 222
ZPO § 519
BetrVG § 77 Abs. 6
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 54/03

verkündet am 14.01.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am LAG als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 14.11.2002 - 4 Ca 635/02 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.363,86 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 1.245,71 Euro seit dem 11.05.2002 und auf 2.128,55 Euro seit dem 19.08.2002 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Provisionszahlung.

Der Kläger war gemäß Vertrag vom 13.12.1979 seit dem 17.12.1979 bei der Fa P. beschäftigt, einem Unternehmen zur industriellen Herstellung und Vertrieb von Brot- und Backwaren. Sein Einsatz erfolgte als Frischdienstverkäufer in der Niederlassung S. in B.. Für seine Tätigkeit, zu der die Auslieferung der Waren an den Lebensmitteleinzelhandel, die Regalpflege in den Handelsgeschäften die Warendisposition und die Kontaktpflege zum Kunden gehörte, erhielt er neben dem tariflichen Festlohn eine Verkaufsprovision gemäß Betriebsvereinbarung vom 20.10.1976. Ende 1987 wurde im Zuge eines Unternehmens- und Betriebsübergangs die Großbäckerei W. GmbH & Co KG Inhaberin des Betriebes. Sämtliche Kollektivregelungen einschließlich der Betriebsvereinbarung vom 20.7.1976 wurden weiterhin angewandt. In der Betriebsvereinbarung vom 25.9.1989 über die Umsetzung der 38,5 - Stunden - Woche wurde unter § 2 vereinbart, dass die Betriebsvereinbarung vom 20.10.1976 über die Provisionsregelung bis zum Abschluss einer neuen ihre Gültigkeit behält. In einer weiteren Vereinbarung mit dem Betriebsrat vom 28.2.1990 wurde anlässlich einer Preiserhöhung die bisherige Provisionsberechnung geändert, nachdem bereits 1986 eine Änderung des Provisionssatzes erfolgt war. 1992 wurde damit begonnen, die Auslieferungstouren unter Beibehaltung der Kunden nach und nach in den seit Anfang der 90er Jahre aufgebauten Produktionsbetrieb in B. zu verlagern, in dem ein eigener Betriebsrat vorhanden war. Damit kam auch das Personal von der S. nach B., wo keine Betriebsvereinbarung über Provisionszahlungen existierte. Die dort eingestellten Frischdienstverkäufer (künftig "Ostfahrer") erhielten auf Grund einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung als Provision 2,85 % des Umsatzes für Markenware und 0,5 % des Umsatzes für Billigware sowie zur Honorierung besonders niedriger Retourenwerte 200,00 DM als Retourenprämie. Die Summe von Fixum, Gesamtprovision und Retourenprämie wurde auf den Tariflohn angerechnet. Mit Verlegung der letzten Tour Ende Februar 1999 wurde der Betrieb in der S. stillgelegt. Wegen der Verlagerung wurde mit seinem Betriebsrat am 19.6.1992 ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart, in dem hinsichtlich der anstehenden Versetzungen bestimmt wird, dass alle Betriebsvereinbarungen ihre Gültigkeit behalten, bis sie durch eine andere beim neuen Arbeitgeber ersetzt werden. Dem gemäß erhielt der Kläger wie auch die übrigen von der S. nach B. versetzten Frischdienstverkäufer ("Westfahrer") die bisherige Verkaufsprovision bis zum 31.12.2001 weitergezahlt, bei deren Berechnung der Tagessatz entsprechend der Hausmitteilung des Arbeitgebers vom 21.7.1995 von 910,00 DM auf 1.074 DM erhöht worden war. Für die "Ostfahrer" verblieb es dagegen bei der arbeitsvertraglichen Einheitsregelung.

In der 2. Hälfte der 90er Jahre verschmolzen die Großbäckerei W. GmbH & Co. KG und die W. GmbH & Co. KG, die ebenfalls in B. einen Betrieb hatte, zur W. GmbH & Co. KG. Ihre beiden Betriebe wurden zu einem einheitlichen Betrieb zusammengefasst, in dem ein neuer Betriebsrat gewählt wurde. Die W. GmbH & Co. KG. kündigte mit Schreiben vom 20.9.1999 die Betriebsvereinbarung über die Provisionsregelung, um zu einem einheitlichen Abrechnungssystem für alle Frischdienstverkäufer zu kommen. Nach erneuter Unternehmensumwandlung in die W. GmbH im Juni 2001 wurde unter dem 29.1.2002 eine Betriebsvereinbarung über die Entlohnung für die Frischdienstverkäufer abgeschlossen, die am 1.1.2002 in Kraft trat und für den Kläger mit einer geringeren Provisionszahlung verbunden war. Die sich hieraus ergebenden Differenzen für die Monate Januar bis Februar 2002 hat er mit der am 29.4.2002 bei Gericht eingegangenen Klage in Höhe von 1.235,31 Euro geltend gemacht. Die Klage hat er sodann um die Differenzen für die Monate März bis Mai 2002 in Höhe von 2.128,55 Euro erweitert. Während des Rechtsstreites erfolgte die Umfirmierung der Beklagten in die K. GmbH.

Der Kläger hat vorgetragen, dass ihm Provision nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Provisionsregelung zustehe, die zwar mit Schließung des Betriebes in der S. untergegangen, aber durch betriebliche Übung zum Bestandteil seines Arbeitsvertrages geworden sei. Sie gehe nach dem anzuwendenden Günstigkeitsprinzip der Betriebsvereinbarung vom 29.1.2002 vor, die der in dem Interessenausgleich / Sozialplan vereinbarten Besitzstandswahrung sowie dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit widerspreche. Unabhängig davon sei eine rückwirkende Verschlechterung seiner Provisionsansprüche nicht möglich.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.363,86 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 1.235,71 Euro seit dem 11.5.02 und auf 2.128,55 Euro seit dem 19.8.02 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Betriebsvereinbarung vom 29.1.2002 die bisherige, kollektivrechtlich fortgeltende Provisionsregelung wirksam abgelöst habe. Auf einen Günstigkeitsvergleich komme es selbst dann nicht an, wenn sie individualrechtlich weitergegolten haben sollte. Im Rahmen der neuen Bettriebsvereinbarung seien Regelungen getroffen worden, die insgesamt den Rückgang der Provisionszahlung im Vergleich zum zahlenden Nettogehalt ausgleichen würden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.11.2002 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Betriebsvereinbarung aus 1976 in ihrer jeweiligen Fassung im Zuge eines Betriebsüberganges individualrechtlich in den Inhalt des Arbeitsverhältnisses eingegangen und durch die Betriebsvereinbarung vom 29.1.2002 wirksam abgelöst worden sei.

Gegen das ihm am 19.12.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.1.2003 Berufung eingelegt und sie am 19.3.2003 begründet. Die Begründungsfrist ist durch Beschluss vom 11.2.1003 zum 19.3.2003 verlängert worden.

Nach Auffassung des Klägers ist die angefochtne Entscheidung bereits deswegen fehlerhaft, weil kein Fall des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB vorliege. Die normative Geltung der bisherigen Provisionsregelung habe für ihn jedenfalls mit seinem Ausscheiden aus dem Betrieb in der S. geendet. Wegen der ihm gegebenen Zusage, an der Provisionszahlung werde sich nichts ändern, gelte sie einzelvertraglich fort. Wäre sie abänderbar, sei sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen, der ebenso wenig wie das Günstigkeitsprinzip gewahrt worden sei. Sie bedeute eine Entgeltreduzierung von mehr als 20 % und sei daher unverhältnismäßig. Tatsächlich gehe es der Beklagten darum, insgesamt erheblich weniger Provision zu zahlen. Ein Anstieg der Provisionsleistungen in den letzten Jahren sei auf die Vergrößerung der Auslieferungsfahrzeuge und der Auslieferungstouren zurückzuführen, die für die Fahrer mit längeren Fahrtzeiten verbunden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 14.11.2002 - 4 Ca 635/02 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.363,86 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 1.235,71 seit dem 11.5.2002 und auf 2.128,55 Euro seit dem 19.8.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezweifelt die fristgerechte Einlegung der Berufung, die unbegründet sei. Es habe keine Zusage gegeben, an der Provisionszahlung nichts zu ändern. Die alte Provisionsregelung hätte wegen ihrer kollektivrechtlichen Grundlage durch Betriebsvereinbarung abgelöst werden können. Neben dem Bestreben, sie zu vereinheitlichen, seien die zunehmend gegenläufige Entwicklung der beiden Provisionssysteme und die Veränderung des Berufsbildes des Frischdienstverkäufers von einem Vertriebsmitarbeiter zu einem reinen Auslieferungsfahrer Anlass für die Neugestaltung gewesen, mit der auch das Verhältnis von Tarifgehalt zu Provision in einen angemessenen Rahmen zurückgeführt und die Arbeitsplätze der Frischdienstverkäufer gesichert werden sollten. Dafür sei die neue Provisionsregelung geeignet, erforderlich und proportional, weil die Provisionsansprüche der "Ostfahrer" wegen der Forcierung des Absatzes von Billigware und der Reduzierung des Provisionssatzes für Markenware auf zuletzt 2,58 % zunehmend gesunken seien, während die "Westfahrer" wegen vergrößerter Transportkapazitäten der Auslieferungsfahrzeuge und einer fortlaufenden Tourenoptimierung drastisch erhöhte Provisionen erzielt hätten. Während die "Westfahrer" Provisionseinbußen hinnehmen mussten, hätten die "Ostfahrer" von der Neuregelung profitiert. Zudem sei zu berücksichtigen, dass im Zusammenhang mit der Regelung vom 29.1.2992 eine Betriebsvereinbarung über Spesen abgeschlossen worden sei, mit der den Frischdienstverkäufern in steuerlich optimaler Weise Leistungen gewährt werden. Im Ergebnis sei damit das Nettoeinkommen der Westfahrer gehalten worden. Der Kläger selbst erziele nach der neuen Regelung netto mehr als er nach der alten beanspruchen könnte. Die Personalkosten insgesamt seien nicht gesunken. Für die Ostfahrer stelle sich die Neuregelung als günstiger dar, weil sie zu einer Erhöhung des durchschnittlichen Provisionssatzes geführt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG an sich statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Der Kläger hat die Berufungsfrist gewahrt. Nach Zustellung des Urteils am 19.12.2992 lief die Berufungsfrist gemäß §§ 222 ZPO, 188 BGB am 20.1.2003 ab. An diesem Tag ist der Berufungsschriftsatz als Telekopie bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Rechtsmitteleinlegung kann auch als Telekopie fristwahrend erfolgen (vgl. Zöller, ZPO, 23 Auflage, § 519 Rn. 18 a). Die Berufungsbegründung ist innerhalb der auf den rechtzeitigen Antrag hin verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen.

II

Die Berufung hat Erfolg, weil die zulässige Klage begründet ist. Der Kläger hat Anspruch auf Weiterzahlung der Provision nach der Provisionsregelung, die bis zum 31.12.2001 auf sein Arbeitsverhältnis angewandt worden ist. Die sich hieraus zu seinen Gunsten ergebende Vergütungsdifferenz für die Monate Januar bis Mai 2002 beträgt unstreitig den mit der Klage geltend gemachten Betrag von 3.363,86 Euro.

1. Die Provisionsformel, die für den Kläger bis zum 31.12.2001 Anwendung fand, ist zuletzt durch die Betriebsvereinbarung vom 28.2.1990 geregelt worden. Sie unterlag dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nummer 10 BetrVG, da sie auf den Umsatz des Arbeitnehmers abstellte. § 87 Abs. 1 Nummer 11 BetrVG ist dagegen dann einschlägig, wenn eine Leistung des Arbeitnehmers zu messen und mit einer Bezugsleistung zu vergleichen ist und sich die Höhe der Vergütung in irgend einer Weise nach dem Verhältnis der Leistung des Arbeitnehmers zur Bezugsleistung bemisst. Das trifft bei einer allein nach dem Umsatz zu berechnenden Vergütung nicht zu (vgl. BAG Beschluss vom 22.10.1985 - 1 ABR 67/83 - in AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG "Provision").

Ob die Erhöhung des Tagessatzes gemäß der Hausmitteilung auf vom 21.7.1995 auf einer Betriebsvereinbarung beruht, die wirksam zustande gekommen war, kann ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage, ob seine Änderung nach § 87 Abs. 1 Nummer 10 BetrVG überhaupt der Mitbestimmung des Betriebsrates bedurfte oder ob sie den "Geldfaktor" betraf und daher mitbestimmungsfrei war. In jedem Fall kam die Betriebsvereinbarung vom 28.2.1990 weiterhin zur Anwendung. Die Provision ist damit auch weiterhin auf Grund einer kollektivrechtlichen Regelung gezahlt worden.

2. Die Betriebsvereinbarungen gelten grundsätzlich räumlich für den Betrieb, dessen Betriebsrat sie abgeschlossen hat, und persönlich für die Arbeitnehmer dieses Betriebes (vgl. FKHES, BetrVG, 21. Auflage, § 77 Rn. 34, 35). Demnach hätten sämtliche Betriebsvereinbarungen des Betriebes S. spätestens mit der Schließung des Betriebes 1999 geendet, für den Kläger sogar vorher mit seiner Versetzung nach B. .

Der Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Es wird die Auffassung vertreten, dass einzelne Regelungen der Betriebsvereinbarung fortgelten sollen, wenn sie nicht von der Sache her infolge der Organisationsänderung des Arbeitgebers gegenstandslos werden (vgl. FKHES, a.a.O., § 77 Rn. 161; Kreutz, GK - BetrVG, 7. Auflage, Rn. 375). Dies ist für Regelungen eines Sozialplanes anerkannt. Wechselt der von ihnen begünstigte Arbeitnehmer wie im Sozialplan vorgesehen in einen anderen Betrieb des Arbeitgebers, gelten sie für ihn fort und können von dem Betriebsrat des neuen Beschäftigungsbetriebes geändert werden (vgl. BAG Urteil vom 24.3.1981 - 1 AZR 805/78 - in AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 72).

In dem Interessenausgleich und Sozialplan vom 19.6.1992 haben Arbeitgeber und Betriebsrat zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile infolge der Tourenverlagerungen nach B. die Fortgeltung aller Betriebsvereinbarungen bis zu ihrer Ersetzung vereinbart. Bis zum 31.12.2002 gab es in dem Betrieb in B. auch keine Betriebsvereinbarungen über Provisionszahlung. Ob damit die bisherige Provisionsregelung kollektivrechtlich fortgalt, kann jedoch ebenfalls dahingestellt bleiben.

Galt sie kollektivrechtlich fort, konnte sie auch nach der Kündigung vom 20.9.1999 gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG durch Betriebsvereinbarung ersetzt werden. Bis zur Ersetzung war sie weiter wirksam.

Galt sie nicht kollektivrechtlich fort, hatte der Kläger einen individualrechtlichen Anspruch auf die Provision auf Grund einer Gesamtzusage. Bei ihr handelt es sich um eine an die Arbeitnehmer in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Der betroffene Arbeitnehmer erlangt einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistungen (vgl. BAG Urteil vom 14.8.2001 - 1 AZR 619/00 - in AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG). Die Erklärung würde vorliegend in dem Gesamtverhalten des Arbeitgebers liegen. Er wollte die Provision in der bisherigen Form den Frischdienstverkäufern auch nach deren Versetzung weiterzahlen, obwohl in dem Betrieb in B. ein Betriebsrat bestand, mit dem er auch schon vorher eine Regelung nach § 87 Abs. 1 Nummer 10 BetrVG hätte treffen können. Tatsächlich hat er sich auch an die Provisionsregelungen gehalten und seine Zahlungsverpflichtung nicht in Frage gestellt. Die Gesamtzusage ging aber nicht weiter als die Regelung selbst, an die er sich halten wollte, und damit als die Betriebsvereinbarung vom 28.2.1990 in der Abänderung gemäß der Hausmitteilung vom 21.7.1995. Diese konnte aber durch eine andere Betriebsvereinbarung abgeändert werde. Dies gilt auch angesichts der Behauptung des Klägers, ihm sei anlässlich seiner Versetzung in die S. zugesagt worden, an der Provisionszahlung werde sich nichts ändern. Damit ist lediglich gesagt, dass es bei der bisherigen Regelung verbleibt, die durch eine andere Betriebsvereinbarung ersetzbar war. Nichts anderes ergibt sich aus Ziffer 1.1 des Sozialplanes vom 16.2.1992. Die Gesamtzusage stand damit unter dem Vorbehalt einer ablösenden Neuregelung durch eine spätere Betriebsvereinbarung.

3. Im Verhältnis von Betriebsvereinbarungen zueinander gilt das Ablösungsprinzip. Die Neuregelung ersetzt die ältere auch dann, wenn sie für die Arbeitnehmer ungünstiger ist. Gleiches gilt, wenn eine unter Änderungsvorbehalt stehende Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt werden soll (vgl. BAG Urteil vom 14.8.2001 - 1 AZR 619/00 - a.a.O; Urteil vom 23.10.2001 - 3 AZR 74/01 - in AP Nr. 33 zu § 1 BetrAVG "Ablösung"). Der mit der ablösenden Betriebsvereinbarung verbundene Eingriff in die Besitzstände der Arbeitnehmer muss aber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Er muss am Zweck der Neuregelung gemessen geeignet, erforderlich und proportional sein (vgl. BAG Urteil vom 23.10.2001 - 3 AZR 74/01 - a.a.O.; Beschluss vom 16.9.1986 - GS 1/82 - in BAGE 53, 42 ff).

Mit der Betriebsvereinbarung vom 29.1.2002 sollte unstreitig eine einheitliche Provisionsregelung für alle Arbeitnehmer geschaffen und die bisherige unterschiedliche Behandlung von "Westfahrern" und "Ostfahrern" aufgehoben werden. Zwar hat die Beklagte im weiteren Verlauf des Rechtsstreites noch weitere Zielsetzungen behauptet. Die Herbeiführung einer einheitlichen Grundlage für die Provisionszahlungen blieb aber maßgebendes Ziel. Es konnte nur dann erreicht werden, wenn die Betriebsvereinbarung vom 29.1.2002 auch die für die "Ostfahrer" geltenden Provisionsregelungen wirksam ablösen konnte.

Die Provisionen der "Ostfahrer" waren nicht kollektivrechtlich geregelt. Für sie galt eine eigene arbeitsvertragliche Einhaltsregelung. Sie stand jedoch nicht unter einem Änderungsvorbehalt. Er lässt sich dem Vortag der Beklagten nicht entnehmen. Er ergibt sich auch nicht aus den Umständen der Provisionszahlung. Allein in der Tatsache, dass nach dem Vortrag der Beklagten der Provisionssatz für Markenware zunehmend durch Anrechnung auf Tariflohnerhöhungen herabgesenkt worden ist, liegt ein derartiger weitergehender Vorbehalt nicht. Bei einem Eingriff in einzelvertragliche, nicht unter Vorbehalt stehende Besitzstände der Arbeitnehmer unterliegt die ändernde Betriebsvereinbarung dem Günstigkeitsprinzip. Die Neuregelung muss insgesamt bei kollektiver Betrachtung keine Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben (vgl. BAG Urteil vom 23.10.2001 - 3 AZR 74/01 - a.a.O). Welche Leistungen und Abreden in den Günstigkeitsvergleich einzubeziehen sind, hängt wiederum von dem Regelungsziel der Kollektivvertragsparteien ab (vgl. BAG Beschluss vom 16.9.1986 - GS 1/82 - a.a.O).

Unstreitig hatten die "Westfahrer" durch die Betriebsvereinbarung vom 29.1.2002 Provisionseinbußen hinzunehmen. Die "Ostfahrer" sind jedenfalls insoweit günstiger gestellt worden, als unter § 3 geregelt ist, dass die Provision zusätzlich zum Tarifgehalt gezahlt wird. Bisher wurde sie nur insoweit ausgezahlt, als die Summe von Fixum, Gesamtprovision und Retourenprämie über dem Tariflohn lag. Anders ist es dagegen bei der Berechnung der Provision. Ein Vergleich der bisherigen Provisionsregelung und den in der Anlage 1 zu § 3 der Betriebsvereinbarung festgelegten Provisionen ergibt, dass die "Ostfahrer" selbst dann, wenn nur der bisher für Billigware geltende Provisionssatz von 0,5 % herangezogen wird, nunmehr bei gleichem Umsatz eine geringere Provision erzielen. Hinzu kommt, dass jetzt maximal eine Provision von 435,00 Euro erreicht werden kann, während es zuvor keine Begrenzung nach oben gegeben hat. Auch wenn gegenüber der bisherigen Regelung keine Anrechnung auf den Tariflohn erfolgt, so ist dem Vorbringen der Beklagten gleichwohl nicht zu entnehmen, dass die "Ostfahrer" nicht schlechter gestellt sind. Denn auch gemäß der bis zum 31.12.2001 geltenden Regelung haben die "Ostfahrer" noch nach Anrechung auf den Tariflohn eine Provision erhalten. Soweit die Beklagte vorträgt, dass nach der Neuregelung ihre durchschnittliche Provision von 235,43 Euro im Jahre 2001 auf 316,30 Euro im Jahre 2002 und 346,02 Euro im Jahre 2003 bis zum August gestiegen sei, so ist bereits nicht erkennbar, inwieweit dies allein auf die Betriebsvereinbarung vom 29.1.2002 und nicht auch auf die von ihr ebenfalls behauptete fortlaufende Tourenoptimierung zurückzuführen ist.

Zwar hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung vom 29.1.2002 für die Frischdienstfahrer weitere Verbesserungen vorsieht, wie z.B. die Regelung des Nachtzuschlages und die Härtefallregelung. Insoweit ist bereits nicht erkennbar, inwieweit sich unter den von der Härtefallregelung begünstigten überhaupt "Ostfahrer" befinden. Sie soll zudem nicht jede Provisionseinbuße abdecken, sondern nur die angegebenen Härtefälle. Bei den Nachtzuschlägen ist nicht erkennbar, inwieweit durch ihre tatsächlichen Auswirkungen Nachteile der Neuregelung kompensiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 10 der Betriebsvereinbarung den Wegfall aller freiwilligen übertariflichen Leistungen vorsieht. Die damit verbundenen Auswirkungen und Einbußen sind nicht dargetan. Es fehlt bereits eine Darstellung all der bisherigen Leistungen und Leistungsregelungen, die durch die Betriebsvereinbarung betroffen sind und geändert werden.

Soweit die Beklagte in den Günstigkeitsvergleich die freiwillige Vereinbarung über die Spesen für Frischdienstverkäufer vom 29.1.2002 einbezieht, ist festzuhalten, dass sie mit Monatsfrist und erstmals bereits zum 30.6.2002 kündbar ist. Zudem entfaltet sie keine Nachwirkung.

Zusammenfassen hat die Beklagte behauptet, dass durch die Neuregelung die Personalkosten für die Frischdienstverkäufer nicht gestiegen seien. Pro Kopf hätten sie im Jahre 2001 36.252,00 Euro und im Jahre 2002 36.900,00 Euro betragen. Diese Angaben sind jedoch wenig aussagekräftig. Es fehlen jedwede Angaben darüber, wie die Gesamtkosten sich zusammensetzen und sich in ihrer Zusammensetzung verändert haben.

III

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB. Die Kostenentscheidung ist nach § 91 ZPO ergangen. Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nummer 1 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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