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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Urteil verkündet am 17.10.2002
Aktenzeichen: 3 Sa 147/2002
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3
BGB § 613 a
ZPO § 97
ArbGG § 72 a
1. Die Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebes durch Kündigung kann auch konkludent erfolgen, z.B. dadurch, dass eines von zwei an einem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen seine Liquidation beschließt, allen seinen Arbeitnehmern kündigt und die Liquidation tatsächlich einleitet.

2. In der Liquidation und der Auflösung der Betriebsgemeinschaft ist ein betriebsbedingter Grund für die Kündigung der Arbeitsverhältnisse des sich in Liquidation befindlichen Betriebes zum geschätzten Zeitpunkt der Einstellung des Betriebes zu sehen, auch wenn die Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist andere Tätigkeiten für den Gemeinschaftsbetrieb als die, die durch die Liquidation eines Unternehmens des aus zwei Unternehmen bestehenden Gemeinschaftsbetriebes entfallen, verrichten.

3. Die Schaffung eines Gemeinschaftsbetriebes führt nicht dazu, dass im Falle seiner Auflösung durch Liquidation eines Betriebes dem verbleibenden Betrieb, der nicht Arbeitgeber ist, neue Arbeitnehmer aufgezwungen werden können, auch nicht, wenn die - gekündigten - Arbeitnehmer des liqudierten Betriebes überwiegend Tätigkeiten verrichten, die in dem verbleibenden Betrieb des ehemaligen Gemeinschaftsbetriebes auch weiterhin anfallen.


Landesarbeitsgericht Bremen Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 3 Sa 147/02

Verkündet am: 17. Oktober 2002

In dem Berufungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Bremen - Dritte Kammer - aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2002 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 20.03.2002 - Az.: 7 Ca 7530/01 - wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am 14.03.1964 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.04.1995 bei der Beklagten zu 1) als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Sein Aufgabengebiet umfasste den Bereich Materialeinkauf, telefonischer Verkauf und Kundenbesuche im jeweiligen Betrieb des Kunden, Auftragsabwicklung per EDV und Koordination des Materialversandes.

Ob und in welchem Umfang der Kläger mit der Rechnungserstellung an die Kunden bei der Beklagten und mit der Neukundenakquisition für beide Beklagten beschäftigt war, ist zwischen den Parteien streitig.

Seine durchschnittliche monatliche Bruttovergütung betrug € 4.243,72 (DM 8.300,00).

Die Beklagte zu 1), bei der mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten arbeiteten, betrieb den An- und Verkauf von Stahl, die Beklagte zu 2) betreibt einen Brennschneidbetrieb.

Stahlhandel und Stahlzuschnitt wurden von 1991 bis 1995 innerhalb eines Unternehmens durchgeführt. 1995 wurde die Beklagte zu 2) gegründet.

Beide Beklagten waren auf einem Betriebsgelände tätig. Sie verfügten über eine gemeinsame Telefon- und Telefaxnummer. Sie waren über eine gemeinsame e-mail Adresse zu erreichen und traten gemeinsam im Internet auf. Die dort benannten Ansprechpartner wurden nicht erkennbar dem einen oder dem anderen Unternehmen zugeordnet. Dies galt auch für die angebotenen Leistungen. Der Briefkopf der Beklagten zu 1) wies Dienstleistungen auf, die die Beklagte zu 2) anbietet. Ferner arbeiteten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 1) für die Beklagte zu 2), streitig ist zwischen den Parteien, in welchem Umfang. Der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) war in der Vergangenheit auch für die Beklagte zu 2) tätig.

Die Beklagte zu 2) bezog in der Vergangenheit ihren Stahl ausschließlich über die Beklagte zu 1). Die Beklagte zu 1) hat dabei das Material, das von der Beklagten zu 2) benötigt wurde, dieser mit gesonderter Rechnung weiterverkauft und zwar nicht durch Umbuchung, sondern durch steuerlich wirksame Verkäufe.

Am 23.10.2001 war der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bei seinem Prozessbevollmächtigte, hatte ihn von der Absicht berichtet, das Unternehmen der Beklagten zu 1) zu liquidieren. In diesem Zusammenhang wurden alle Einzelheiten der Liquidierung besprochen. Es wurde daraufhin in der Besprechung der Liquiditätsbeschluss befasst, der auch noch einmal mit Datum vom 29.10.2001 schriftlich niedergelegt wurde (vgl. Bl. 56 d. A.). Dieser Vortrag war in erster Instanz unstreitig. In zweiter Instanz hat der Kläger ihn mit Nichtwissen bestritten.

Die Liquidation ist durchgeführt und das Lager verkauft worden.

Laut Handelsregistereintragung vom 01.03.2002 (Bl. 53 f. d. A.) ist die Beklagte zu 1) aufgelöst. Dem Eintrag lag die Handelsregisteranmeldung vom 09.01.2002 (Bl. 55 d. A.) und der Gesellschafterbeschluss über ihre Liquidation vom 29.10.2001 (Bl. 56 d. A.) zugrunde.

Am 29.10.2001 fand bei der Beklagten zu 1) eine Betriebsversammlung statt, auf der der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) den anwesenden Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mitteilte, dass infolge der schlechten Situation auf dem Stahlmarkt die Beklagte zu 1) zum Jahresende aufgegeben werde und aus diesem Grunde alle Beschäftigten noch am selben Tag ihre Kündigung erhalten würden, was auch geschah. Die Kündigung des Klägers trägt das Datum vom 25.10.2001. Der überwiegende Teil der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wurde nach der Kündigung freigesetzt, sofern nicht Abwicklungsarbeiten anfielen. Der Kläger war noch ca. 2 Wochen nach Zugang der Kündigung tätig. Danach wurde er freigestellt. Er hat in der mündlichen Verhandlung in erster Instanz vorgetragen, in den zwei Wochen auch noch Stahl, der im Lager nicht vorhanden war, für gute Kunden hinzugekauft zu haben.

Mit seiner am 16.11.2001 beim Arbeitsgericht Bremen eingegangenen Klage wehrt der Kläger sich gegen die Kündigung der Beklagten zu 1) und verlangt die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2).

Der Kläger hat vorgetragen,

die Beklagte zu 2) führe zukünftig die Geschäfte der Beklagten zu 1) fort. Hierin liege ein Betriebsübergang. Ferner hätten die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) einen gemeinsamen Betrieb geführt, wie sich aus der Ausgestaltung der Leitungsorganisation ergebe. So habe z. B. der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) sämtliche unternehmerischen Entscheidungen getroffen, auch wenn hiervon die Beklagte zu 2) betroffen gewesen sei. Dies habe zur Folge, dass die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Beklagten zu 2) in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Hier sei der Kläger insbesondere mit der erst zum 01.10.2001 eingestellten Mitarbeiterin Heesch vergleichbar (wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 28 bis 30 d. A. Bezug genommen). Auch sei der Kläger nach seiner Kündigung angehalten worden, die Kunden zu drängen, den Stahl künftig bei der Beklagten zu 2) zu kaufen.

Der Kläger hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 25.10.2001 nicht aufgelöst wird.

2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, den Kläger als Vertriebsmitarbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben erwidert, die Gründe für die Stilllegung der Beklagten zu 1) lägen vor allem in der schlechten wirtschaftlichen Situation des Stahlhandels, was zu hohen Verlusten bei ihr geführt habe. Auch hätten die Beklagten zu 1) und 2) entgegen der Auffassung des Klägers keinen gemeinsamen Betrieb geführt. Es fehle bereits an einer gemeinsamen Führung. Ferner würden sämtliche unternehmerischen Entscheidungen, insbesondere Einstellungen und Entlassungen seitens der Beklagten zu 2) von deren Geschäftsführer selbst getroffen. Eine gemeinsame Telefon- und Faxnummer sowie e-mail Adresse habe es aus Kostengründen gegeben. Im Internet sei man lediglich aus Marketinggründen gemeinsam aufgetreten. Zumindest sei aber ein evtl. bestehender gemeinsamer Betrieb mit der Bekanntgabe der Liquidation der Beklagten zu 1) beendet worden.

Das Geschäft der Beklagten zu 1) werde nicht fortgeführt. Die Beklagte zu 2) werde sich ausschließlich auf das Geschäft des Brennschneidbetriebs konzentrieren. Stahlhandel werde nicht mehr stattfinden.

Das Arbeitsgericht Bremen hat durch Urteil vom 20.03.2002 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Bl. 66 ff. d. A. verwiesen.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 07.06.2002 zugestellt. Mit einem am 05.07.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz legte der Kläger Berufung ein, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.09.2002 mit einem an diesem Tage beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete.

Der Kläger wendet sich mit Rechtsausführungen gegen die erstinstanzliche Entscheidung und ergänzt seinen Sachvortrag.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 20.03.2002, Az.: 7 Ca 7530/91, wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 25.10.2001 nicht aufgelöst wird.

3. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, den Kläger als Vertriebsmitarbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 20.02.2002 abzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil mit Rechtsausführungen.

Wegen des Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, insbesondere auf den Berufungsbegründungs- und den Berufungserwiderungsschriftsatz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I

Die Berufung ist bei dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Wert des Streitgegenstandes, der dem Beschwerdewert entspricht, statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig.

II

Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung ist aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Ein Betriebsübergang von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) ist schlüssig nicht dargelegt worden.

1. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.

a) Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Stilllegung des gemeinsamen Betriebs durch den Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung abgeben können, zählt.

aa) Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben. Der Beschluss zur Betriebsstilllegung ist eine durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung, die den Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer entfallen läßt (vgl. nur BAG Urt. v. 11.03.1998 - 2 AZR 414/97 m.w.N.).

bb) Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die beabsichtigte Betriebsstilllegung bereits greifbare Formen angenommen hatte. Dies ergibt sich aus der Gesamtschau der einzelnen Umstände.

Am 29.10.2001 wurde ein Liquidationsbeschluss förmlich gefasst und schriftlich niedergelegt. Die Kündigungen der Arbeitnehmer tragen das Datum vom 25.10.2001, womit dokumentiert wird, dass der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer, Herr H.-G. W. , schon an diesem Tage beschlossen hatte, seinen Betrieb einzustellen. Auf der Betriebsversammlung vom 29.10.2001 stattgefundenen informierte der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter die anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die beabsichtigte Betriebsstilllegung zum Ende des Jahres. Erst danach wurden dem Kläger und allen anwesenden Beschäftigten die Kündigungen ausgehändigt. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass in der Aushändigung der Kündigungsschreiben und der darauf erfolgten Freisetzung des überwiegenden Teils der Mitarbeiterschaft bereits der Beginn der Auflösung der Betriebseinheit von personellen Mitteln liegt. Die Bestände wurden sodann aus dem Lager verkauft, was zum Jahresende nahezu abgeschlossen war. Alle Mitarbeiter, auch der Kläger, wurden, weil keine Arbeit mehr vorhanden war, freigesetzt, es sei denn, sie waren noch mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass vereinzelt auch in der Liquidationsphase noch Zukäufe erfolgten, dies nicht gegen die Liquidationsabsicht spricht. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bl. 7 der Urteilsgründe wird verwiesen. Insbesondere ist auch die Berufungskammer mit dem Arbeitsgericht, auf dessen Ausführungen auch insoweit ergänzend verwiesen wird, der Auffassung, dass die unstreitigen Umstände und deren Gesamtschau dazu führen, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Entschluss der Betriebsstilllegung gefasst und diese geplant war und sodann unverzüglich umgesetzt worden ist.

cc) Gründe, die die Rechtsunwirksamkeit der Unternehmerentscheidung bedingen können, sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.

b) Dass eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien bzw. demnächst frei werdenden Arbeitsplatz vorliegend nicht in Betracht kommt, hat das Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht und überzeugend dargestellt. Auf die Ausführungen unter 3. (Bl. 8) der Urteilsgründe wird verwiesen.

Auch insoweit gehen die Angriffe der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung fehlt.

c) Die Kündigung scheitert auch nicht an der Nichteinbeziehung möglicher vergleichbarer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten zu 2) in die Sozialauswahl.

aa) Gemäß § 1 Abs. 3 KSchG ist eine beabsichtigte Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse unwirksam, wenn der Arbeitgeber keine oder eine fehlerhafte Sozialauswahl getroffen hat. Wäre somit lediglich auf die Beklagte zu 1) abzustellen, besteht für die Kündigung ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, weil für den Kläger in diesem Betrieb kein freier Arbeitsplatz mehr vorhanden ist. Sämtliche Arbeitsplätzen sind durch den Liquidationsbeschluss, der umgesetzt worden ist, weggefallen, eine Sozialauswahl unter den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1) ist nicht möglich.

bb) Die Sozialauswahl hat zwar grundsätzlich betriebsbezogen zu erfolgen. Betriebsübergreifend ist sie allerdings durchzuführen, wenn mehrere Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten (vgl. BAG AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

a) Die Kammer braucht allerdings nicht endgültig zu entscheiden, ob die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten haben, weil selbst wenn dies der Fall wäre, die Kündigung nicht zu beanstanden wäre. Zwei oder mehr Unternehmen können sich auch entschließen, einen gemeinsamen Betrieb, wenn denn ein solcher bestanden haben sollte, wieder aufzulösen.

Eine solche Auflösung z.B. durch Kündigung des Gemeinschaftsbetriebes kann auch konkludent erfolgen, z.B. wenn eines von zwei Unternehmen, die einen Gemeinschaftsbetrieb betrieben haben, sich auflöst oder seinen Betrieb einstellt.

In dem Liquidationsbeschluss und der anschließenden Auflösung der Betriebseinheit liegt zumindest konkludent auch die Kündigung der Führungsvereinbarung als ihre logische Konsequenz (vgl. ArbG Bremen, Urt. v. 04.04.2002 - Az.: 8 Ca 8319/01).

Auch die Tatsache, dass einige Beschäftigte noch zeitweise mit Abwicklungsarbeiten befasst waren, bedingt nicht, dass der gemeinsame Betrieb fortgeführt worden ist. Hierbei handelt es sich um eine Folge aus dem Umstand, dass ein Arbeitgeber nicht erst kündigen kann, wenn die Stilllegung erfolgt ist, sondern bereits, wenn die beabsichtigte Maßnahme greifbare Formen angenommen hat, so dass im Falle der beabsichtigten Stilllegung die Abwicklung des Betriebes stets auch in die Kündigungsfrist der Arbeitnehmer fällt und zumindest von einigen von ihnen auch durchgeführt wird.

b) Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 13.09.1995 - AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung - zu Recht deutlich darauf hingewiesen, dies hat der Kläger bisher verkannt, dass selbst dann, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung noch eine Verpflichtung zu einer sozialen Auswahl und Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz besteht, weil auch ein Gemeinschaftsbetrieb noch existiert, der den Gemeinschaftsbetrieb aufkündigende Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigen darf, wenn er seinen Betrieb schließt, da sich an seiner Arbeitgeberstellung nichts geändert hat, auch wenn seine Arbeitnehmer Tätigkeiten für einen anderen Betrieb des Gemeinschaftsbetriebes erledigen.

Mit der Liquidation der Beklagten zu 1) und der Auflösung der Betriebsgemeinschaft war ein betriebsbedingter Grund für die Aufkündigung des klägerischen Arbeitsverhältnisses gegeben, selbst dann, wenn der Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist andere Tätigkeiten für den Gemeinschaftsbetrieb als die, die durch die Liquidation der Beklagten zu 1) entfielen, verrichtet hätte. Denn die Schaffung eines Gemeinschaftsbetriebes führt nicht dazu, dass im Falle seiner Auflösung z.B. durch Liquidation, dem verbleibenden Betrieb - hier der Beklagten zu 2) -, der nicht Arbeitgeber des gekündigten Klägers ist, ein neuer Arbeitnehmer aufgezwungen werden kann. Davon geht auch das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) aus, wenn es darauf hinweist, dass jede andere Schlussfolgerung darauf hinausliefe, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 1) festgestellt würde, ohne dass dieser Arbeitgeber noch eine Arbeit für den Arbeitnehmer hätte.

Die rechtlich nicht zu beanstandende Unternehmerentscheidung der Beklagten zu 1), den Betrieb zu liquidieren, führt mithin zur rechtswirksamen Kündigung der Arbeitnehmer des liquidierten Betriebes.

2. Auch ein Betriebsübergang hat nicht stattgefunden.

a) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB die Bewahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebes ein. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung im Betrieb einstellen, der neue Inhaber sie im Wesentlichen unverändert fortführen (vgl. BAG Entscheidung v. 02.12.1999, AP Nr. 188 zu § 613 a BGB).

Ob die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt worden ist, hängt auch bei einem Betrieb wie dem der Beklagten zu 1) von einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller bezeichneten Umstände ab. Im Vordergrund stehen die materiellen, immateriellen sowie personellen Mittel sowie die organisatorischen Konzepte, die dem Zweck des Geschäfts in besonderer Weise dienen und für seine Fortführung von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. BAG, a.a.O.)

b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt Folgendes:

Der Zweck des Unternehmens bestand bei der Beklagten zu 1) in dem Verkauf von Stahlblechen an einen mehr oder weniger bestimmten Kundenkreis. Lieferanten- und Kundenbeziehungen machten danach das Substrat und den spezifischen Charakter des Betriebes aus.

Die Beklagte zu 2) hat jedoch keinen Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) übernommen. Dass Kundenlisten übergeben worden sind, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Dass andere Betriebsmittel von der Beklagten zu 1) zur Beklagten zu 2) übergegangen sind, ist nicht erkennbar und ebenfalls nicht vorgetragen.

Dass im Januar oder seit Januar 2002 noch an andere Firmen Stahl geliefert wurde, spricht nicht für einen Betriebsübergang. Die Beklagte zu 1) befand sich in Liquidation, sie musste ihre Restbestände verkaufen.

Schließlich kann die Beklagte zu 2) sich auch mit eigenen Mitarbeitern um ein Segment kümmern, das die Beklagte zu 1) mit ihrer Liquidation frei gemacht hat.

Weiter spricht auch die bestrittene und ohne zulässigen Beweisantritt versehene Behauptung des Klägers, der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) habe den Kläger kurz nach Ausspruch der Kündigung gedrängt, er solle die Kunden dazu anhalten, ihre Bleche in Zukunft über die Beklagte zu 2) zu beziehen, nicht für einen Betriebsübergang. Wenn die Kunden sich von sich aus an die Beklagte zu 2) wenden, die Beklagte zu 2) diese nicht auch aufgrund von übergebenen Kundenlisten anschreibt, nicht um sie wirbt, keine Mitarbeiter der Beklagten zu 1) übernimmt, kann selbst, wenn diese bestrittene Tatsache als richtig unterstellt wird, darin kein Indiz für einen Betriebsübergang gesehen werden.

Nach allem scheitert die Kündigung auch nicht an § 613 a BGB.

3. Da die Kündigung wirksam ist, besteht auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch bei der Beklagten zu 2), der ohnehin nur in Betracht käme, wenn ein Betriebsübergang vorgelegen hätte.

Nach allem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Wegen der Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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