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Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 16.02.2007
Aktenzeichen: 3 Ta 4/07
Rechtsgebiete: BetrVG, RVG
Vorschriften:
BetrVG § 9 | |
RVG § 23 Abs. 3 |
Landesarbeitsgericht Bremen BESCHLUSS
Aktenzeichen: 3 Ta 4/07
In dem Beschwerdeverfahren
Tenor:
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 28.12.2006 - Az.: 8 BV 75/06 - abgeändert.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nicht gegeben.
Gründe:
I.
Der Arbeitgeber hat mit Antrag vom 31. Mai 2006 die Betriebsratswahl vom 24.05.2006 angefochten. Zur Begründung hat der Arbeitgeber angeführt, dass nur eine Person als Betriebsrat hätte gewählt werden dürfen, da weniger als 20 Arbeitnehmer im Betrieb tätig seien. Gewählt worden sind aber drei Mitglieder.
In der Güteverhandlung wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Vor der Anhörung in der streitigen Verhandlung nahm der Arbeitgeber den Antrag zurück.
Das Arbeitsgericht setzte den Wert des Streitgegenstandes gemäß § 33 RVG auf 8.000,00 € fest. Gegen den am 2. Januar 2007 zugestellten Beschluss wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Betriebsrats mit einer am 8. Januar 2007 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen Beschwerde mit dem Begehren, den Wert des Streitgegenstandes auf 10.000,00 € festzusetzen.
Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht Bremen zur Entscheidung vor.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht beim Arbeitsgericht Bremen Bremerhaven eingereicht worden.
Auch der Beschwerdewert des § 33 Abs. 3 RVG ist erreicht. Bei einem Gebührenanspruch nach Ziffer 3100 von 1,3 und nach Ziffer 3104 von 1,2 des Gebührenverzeichnisses beträgt die Differenz der zu erwartenden Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats bei einem Wert von € 8.000,00 zu einem Wert von € 10.000,00 214,60 €.
2. Die Beschwerde ist begründet.
a) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Streitwertbemessungsvorschriften auf die im anwaltlichen Gebühreninteresse gemäß § 32 RVG zurückgegriffen werden könnte, fehlen aus diesem Grunde. Für derartige Rechtsmaterien enthält § 23 Abs. 3 RVG eine Auffangvorschrift um die Streitwertfestsetzung für die Anwaltsgebührenberechnung sicher zu stellen. Sie gilt auch für die Streitwertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (vgl. GK-Wenzel, § 12 ArbGG, Rz 441). Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 RVG enthält einen Hilfs- bzw. Auffangwert, der nur dann zur Anwendung kommt, wenn keine anderen Tatsachen für die Festsetzung des Gegenstandswertes vorliegen (vgl. Hessisches LAG LAGE § 8 BRAGO Nr. 57; LAG Hamm LAGE § 8 BRAGO Nr. 50). Die Höhe des Streitwertes in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten im Sinne des § 23 Abs. 3 RVG richtet sich nach dem Schwierigkeitsgrad und dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit (vgl. LAG Berlin Entscheidung vom 16.10.2001 - 17 Ta 6150/01 - AE 2004, Seite 92). Die trotz des ungewöhnlich weitreichenden Streitwertrahmens (von 4.000,00 € bis 500.000,00 €) gänzlich undifferenzierte Streitwertgrundnorm stellt Wissenschaft und Rechtsprechung vor die Aufgabe, die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in Frage kommenden Streitgegenstände innerhalb des vorgegebenen Bewertungsrahmens in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt (vgl. LAG Bremen - 4 Ta 81/84 - AnwBl. 1985, Seite 101; LAG Hamm LAGE § 12 ArbGG 1979, Streitwert Nr. 17).
b) Bei der Anfechtung einer Betriebsratswahl ist zu berücksichtigen, dass es um die Legitimation zur Wahrnehmung bedeutender Mitbestimmungsrechte geht (vgl. Wenzel DB 1977, Seite 722 (723 f.)). Aus diesem Grunde ist es nicht angemessen, die Bewertung auch bei kleineren Betrieben am Ausgangswert des § 23 Abs. 3 RVG von 4.000,00 € zu orientieren. Wenzel (vgl. GK-Wenzel, § 12 ArbGG, Rz 462) weist zu Recht darauf hin, dass andernfalls keine angemessene Relation zum Wert des Ausschlussverfahrens, das mit zwei bis drei Monatsgehältern des auszuschließenden Betriebsratsmitglieds angenommen wird, bestehen würde. In den letzten Jahren haben sich zwar keine ganz einheitlichen Bewertungsgrundsätze für derartige Fälle in der Rechtsprechung entwickelt (vgl. die ausführliche Nachweise bei GK-Wenzel, § 12 ArbGG, Rz 464). Allerdings ist festzustellen, dass überwiegend in Anlehnung an § 9 BetrVG auf Staffelsätze nach Maßgabe der Zahl der zu wählende Betriebsratsmitglieder zurückgegriffen wird (vgl. GK-Wenzel, a.a.O.). Die Ergebnisse weichen jedoch erheblich voneinander ab (vgl. die Nachweise bei GK-Wenzel, a.a.O., Rz 464).
c) Die erkennende Kammer vertritt die Auffassung, dass die vom Bundesarbeitsgericht in der nicht veröffentlichten Entscheidung vom 10.07.2001 - 7 ABR 42/99 - angestellten Erwägungen im "Regelfall" alle oben erläuterten, für die Wertfestsetzung in Anfechtungsverfahren maßgebenden Umstände berücksichtigen. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in dem es um die Anfechtung einer Betriebsratswahl geht, zunächst vom 2-fachen des Ausgangsstreitwert, bei einem auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerichteten Antrag vom 3-fachen des Ausgangsstreitwerts auszugehen, sofern es um die Anfechtung bzw. Nichtigkeit einer Wahl für einen aus einer Person bestehenden Betriebsrats geht. Mit wachsender Betriebsratsgröße orientiert sich die Erhöhung des Streitwerts an der Staffel des § 9 BetrVG, wobei sich der Streitwert für jede Stufe um den halben Ausgangswert des § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGEBO, jetzt § 23 Abs. 3 RVG, erhöht. Durch die Verdoppelung des Ausgangswertes wird die Bedeutung des Verfahrens für das wichtigste Mitbestimmungsorgan der Betriebsverfassung berücksichtigt. Es wird die Bedeutung der Sache auch im Verhältnis zu Ausschlussverfahren gegen einzelne Betriebsratsmitglieder, aber auch zu anderen Streitigkeiten, z. B. nach § 87 BetrVG deutlich gemacht und es wird durch die Staffelung die Größe des Betriebsrats und alle damit zusammenhängenden Gesichtspunkte wie Größe des Unternehmens, Anzahl der von einem eventuell betriebsratslosen Betrieb betroffenen Arbeitnehmer, Kosten einer Neuwahl des Betriebsrats etc. angemessen berücksichtigt.
Für den "Regelfall" wird auch der nach herrschender Meinung nicht außer Acht zu lassende Gesichtspunkt "Umfang der anwaltlichen Tätigkeit" (vgl. GK-Wenzel, a.a.O., Rz 441) angemessen berücksichtigt. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem es nicht nur um die Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer, sondern auch die leitende Angestellteneigenschaft von drei Arbeitnehmern ging.
Die Kammer hofft zudem mit dieser Entscheidung auch einen Beitrag zu einer einheitlichen Rechtsprechung in diesem zugegebener Maßen sehr kleinem Bereich der Streitwertfestsetzung zu leisten.
III.
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.
Da der Beschwerdeführer obsiegt hat, ist auch eine Kostenentscheidung entbehrlich.
Bremen, den 16.02.2007
Ende der Entscheidung
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