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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 11.07.2002
Aktenzeichen: 3 TaBV 2/02
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 9
BetrVG § 14 n.F.
BetrVG § 15
BetrVG § 112
BetrVG § 125 n.F.
BetrVG § 15 Abs. 2 n.F.
BetrVG § 14 Abs. 4 n.F.
BetrVG § 47 Abs. 2 n.F.
BetrVG § 125 Abs. 4 n.F.
BetrVG § 125 Abs. 3 n.F.
BetrVG § 125 Abs. 4 Nr. 2 a n.F.
ZPO § 92
ArbGG § 72
ArbGG § 92 a
Betriebsratswahlen, die vor In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes vom 23.07.2001 eingeleitet worden sind, sind nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes in seiner bis zum 27.07.2001 geltenden Fassung und der Wahlordnung vom 16.01.1972 - zuletzt geändert durch die VO vom 16.01.1995 - durchzuführen, und zwar auch dann, wenn die Wahl selbst erst nach In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes durchgeführt wurde.
Landesarbeitsgericht Bremen Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 3 TaBV 2/02 + 3 TaBV 5/02

Verkündet am: 11. Juli 2002

In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Bremen - Dritte Kammer - aufgrund der mündlichen Anhörung vom 11. Juli 2002 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen vom 20.12.2001 abgeändert.

Der Antrag des Arbeitgebers wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I

Der Antragsteller (im Folgenden: Arbeitgeber) ist ein Stahlbauunternehmen mit Sitz in Bremen. Der Antragsgegner (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei dem Arbeitgeber gebildete Betriebsrat.

Im Betrieb des Arbeitgebers werden 79 männliche Arbeitnehmer und neun weibliche Arbeitnehmer beschäftigt.

Am 11. Juli 2001 wurde ein dreiköpfiger Wahlvorstand auf Initiative der IG-Metall im Betrieb des Arbeitgebers gewählt. Dieser Wahlvorstand erließ am 16. Juli 2001 ein Wahlausschreiben nach dem zu diesem Zeitpunkt noch gültigen alten Betriebsverfassungsgesetz, das am selben Tag im Betrieb ausgelegt wurde.

In dem Wahlausschreiben heißt es u.a.:

"...

Die Wahl erfolgt in getrennten Wahlgängen der Arbeiter- und der Angestelltengruppe, wenn nicht bis zum 30.7.2001 von der Gruppe der Arbeiter und von der Gruppe der Angestellten in getrennten und geheimen Abstimmungen die gemeinsame Wahl beschlossen wird.

Die Betriebsratswahl findet am 28.8.2001 statt.

Die Stimmabgabe erfolgt für alle Mitarbeiter des Brennbetriebes am 28.8.2001 von 8.30 Uhr bis 11.00 Uhr im gekennzeichneten Sozialraum,

für alle Mitarbeiter von G + M (alle wahlberechtigten Mitarbeiter am Standort Vegesack) am 28.8.2001 von 12.30 Uhr bis 16.30 Uhr im Sitzungszimmer des Wahlvorstandes in der mech. Fertigung.

Der Betriebsrat hat aus fünf Mitgliedern zu bestehen, davon vier Arbeiter und ein Angestellter (§§ 9, 10, 11 und 12 BetrVG). Die wahlberechtigten Arbeitnehmer/innen werden hiermit aufgefordert, vor Ablauf von zwei Wochen, spätestens bis zum 30.7.2002, 12.00 Uhr, Vorschlagslisten (Wahlvorschläge) beim Wahlvorstand, Programmierbüro mech. Fertigung, einzureichen.

Nur fristgerecht eingereichte Vorschlagslisten (Wahlvorschläge) werden berücksichtigt.

..."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Wahlausschreibens für die Wahl des Betriebsrates im Betrieb des Arbeitgebers wird auf Bl. 6 und 7 d. A. verwiesen.

Am 28. Juli 2001 trat das neue Betriebsverfassungsgesetz in Kraft.

Einen Monat später, am 28. August 2001, wurde die Betriebsratswahl bei dem Arbeitgeber nach dem alten Recht durchgeführt. Es wurde ein fünköpfiger Betriebsrat gewählt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am 29. August 2001 bekannt. Gewählt wurden für die Gruppe der gewerblichen Arbeitnehmer A. W. , U. R. , H. W. und J. F. sowie für die Gruppe der Angestellten F. G. .

Mit Schriftsatz vom 30. August 2001, beim Arbeitsgericht Bremen am 03. September 2001 eingegangen, hat der Arbeitgeber die Wahl angefochten.

Der Arbeitgeber hat die Rechtsauffassung vertreten, am 28. August 2001 habe die Betriebsratswahl nicht noch nach altem Recht durchgeführt werden dürfen, da am 28. Juli 2001 das neue Betriebsverfassungsgesetz in Kraft getreten sei. Die Betriebsratswahl am 28. August 2001 habe gegen das wesentliche gesetzliche Gebot der gemeinsamen Wahl verstoßen, wie es in § 14 BetrVG n.F. verankert sei. Das neue Recht lasse eine Gruppenwahl, wie sie im Unternehmen des Arbeitgebers durchgeführt worden sei, nicht zu. Die Wahl könne deshalb keinen Bestand habe. Es liege auf der Hand, dass der Verstoß gegen das neue Betriebsverfassungsgesetz den Ausgang der Wahl beeinflusst habe. Im Falle der gesetzlich vorgesehenen gemeinsamen Wahl hätte das Wahlergebnis anders ausfallen können. Darüber hinaus verstoße die Betriebsratswahl vom 28. August 2001 gegen § 15 Abs. 2 BetrVG n.F. Nach dieser zwingenden Vorschrift müsse das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit sei, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis zur Mehrheitsbelegschaft im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern bestehe. Da der Betriebsrat aus fünf Mitgliedern und die Belegschaft zu 10,2 % aus Frauen bestehe, müsse dem Betriebsrat mindestens eine Frau angehören. Der Betriebsrat bestehe jedoch ausschließlich aus Männern. Schließlich verstoße die Betriebsratswahl vom 28. August 2001 auch gegen § 14 Abs. 4 BetrVG n.F.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die Betriebsratswahl vom 28. August 2001 für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Auffassung des Arbeitgebers, dass die Betriebsratswahl unwirksam sei, da sie bereits nach der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes hätte durchgeführt werden müssen, sei unzutreffend. Entscheidend für die Frage, welches Recht anzuwenden sei, sei der Zeitpunkt der Einleitung der Betriebsratswahl und nicht der der Durchführung der Betriebsratswahl. Dies ergebe sich aus § 125 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG n.F.. § 125 Abs. 3 BetrVG n.F. befasse sich mit der Frage, von welchem Zeitpunkt an für Betriebsratswahlen geänderte Wahlvorschriften Anwendung finden. Dabei werde auf den Zeitraum der Einleitung der Betriebsratswahl und nicht auf die Wahl des Betriebsrats abgestellt. Abgesehen davon ergebe sich aus § 125 Abs. 4 BetrVG, dass der Gesetzgeber auch bzgl. der Geltung von materiellrechtlichen Neuregelungen für die Betriebsratswahl auf den Zeitpunkt der Einleitung der Wahl abgestellt habe. § 125 Abs. 4 BetrVG n.F. regele zunächst, dass ergänzend zu den Regelungen in § 125 Abs. 3 BetrVG n.F. für das vereinfachte Wahlverfahren nach § 14 a BetrVG n.V. bestimmte Regelungen Anwendung fänden. In § 125 Abs. 4 Nr. 2 a BetrVG n.F. sei eine Modifizierung des § 3 der Wahlordnung dahingehend vorgesehen, dass nunmehr die Zahl der Mindestsitze des Geschlechts in der Minderheit enthalten sein müssten. Diese Regelung fände Anwendung für Betriebsratswahlen, die nach dem 28. Juli 2001, dem In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes, eingeleitet worden seien. Der Umkehrschluss liege auf der Hand: Betriebsratswahlen, die vor In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes bereits eingeleitet worden seien, hätten nach dem alten Wahlrecht durchgeführt werden müssen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 20. Dezember 2001 die Betriebsratswahl vom 28. August 2001 für unwirksam erklärt. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Bl. 59 bis 62 d. A. verwiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Betriebsrat am 22. Februar 2002 zugestellt. Mit einem am 01. März 2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet.

Der Betriebsrat greift den erstinstanzlichen Beschluss mit Rechtsausführungen an und fasst seinen in der ersten Instanz erfolgten Vortrag zusammen. Auf Bl. 66 und 67 d. A. wird insoweit verwiesen.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Aufhebung es angefochtenen Beschlusses den Antrag zurückzuweisen.

Die Beschwerde mit Begründung wurde dem Arbeitgeber am 04. März 2002 zugestellt.

Der Arbeitgeber legte mit Schriftsatz vom 04. April 2002 Anschlussbeschwerde ein, die er sofort begründete.

Der Arbeitgeber beantragt,

1. die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen vom 20. Dezember 2001 (Az.: 1 BV 81/01) zurückzuweisen und

2. auf die Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen vom 20. Dezember 2001 (Az.: 1 BV 81/01) abzuändern und die Betriebsratswahl vom 28. August 2001 für nichtig zu erklären.

Demgegenüber beantragt der Betriebsrat,

die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 1. zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber greift den erstinstanzlichen Beschluss, soweit seinem Antrag, die Wahl für nichtig zu erklären, nicht stattgegeben wurde, mit Rechtsausführungen an und verteidigt im Übrigen den Beschluss mit rechtlichen Erwägungen. Wegen des Vortrags im Einzelnen wird auf Bl. 82 bis 85 d. A. verwiesen.

Der Betriebsrat wendet sich mit Rechtsausführungen gegen die Anschlussbeschwerde.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, insbesondere die Beschwerde- und die Anschlussbeschwerdeschrift verwiesen.

II

1. Beschwerde und Anschlussbeschwerde sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie sind zulässig.

2. Nur die Beschwerde des Betriebsrats hatte Erfolg mit der Folge, dass die Anschlussbeschwerde erfolglos blieb.

a) Nach Art. 14 des Betriebsverfassungsreformgesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852 (1868)) treten die in Art. 1 Nr. 1 bis 81 enthaltenen Änderungen des BetrVG 1972 mit dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft. Das Betriebsverfassungsreformgesetz ist am 27. Juli 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und somit am 28. Juli 2001 in Kraft getreten.

b) Art. 14 des Betriebsverfassungsreformgesetzes vom 23. Juli 2001 bestimmt außerdem, dass die neugefassten §§ 9, 15 und 47 Abs. 2 BetrVG n.F. für die am 28. Juli 2001 bestehenden Betriebsräte erst bei deren Neuwahl gelten.

Eine weitere Übergangsvorschrift enthält § 125 Abs. 3 BetrVG n.F. Danach findet auf Wahlen des Betriebsrats, die nach dem 28. Juli 2001 eingeleitet werden, die erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 16. Januar 1972 (BGBl. I S. 49), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 16. Januar 1995 (BGBl. I S. 43), die zweite Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 24. Oktober 1972 (BGBl. I S. 2029), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 28. September 1989 (BGBl. I S. 1795) und die Verordnung zur Durchführung der Betriebsratswahlen bei den Postunternehmen vom 26. Juni 1995 (BGBl. I S. 871) bis zu deren Änderung entsprechende Anwendung.

§ 125 Abs. 4 BetrVG n.F. enthält dann Übergangsvorschriften, die sich auf das vereinfachte Wahlverfahren nach § 14 a des Betriebsverfassungsgesetzes beziehen und die bis zu der Änderung der ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes Anwendung finden sollen.

Der Fall, dass die Betriebsratswahlen vor In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes vom 23. Juli 2001 eingeleitet werden und die Wahlen erst nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes beendet werden, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.

c) Die Berufungskammer ist im Gegensatz zum Arbeitsgericht der Auffassung, dass sich aus dem Betriebsverfassungsreformgesetz und insbesondere aus § 125 BetrVG n.F. ergibt, dass Betriebsratswahlen, die vor In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes eingeleitet worden sind, nach altem Recht durchgeführt werden müssen.

aa) Bei In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuches war die im 19. Jahrhundert entstandene sog. Begriffsjurisprodenz die noch herrschende juristische Methode auch für die Auslegung von Gesetzen. Ihre Anhänger waren der Ansicht, dass sich aus dem vorhandenen Normenbestand ein lückenloses System von Rechtsbegriffen entwickeln lasse. Die Ausdifferenzierung der Begriffe und ihre Zusammenfassung zu einem geschlossenen System wurde als rein logisch formaler Prozess verstanden, der von Wertungen weitgehend frei zu halten sei. Dem so erarbeiteten System von Rechtsbegriffen sei für jeden denkbaren Konflikt eine Lösung zu entnehmen. Der Rechtsanwender brauche den Lebensvorgang nur unter die einschlägigen Rechtsbegriffe zu subsumieren (vgl. Larenz, Methodenlehre 6. Aufl. 1991 S. 19 ff.).

Seit mehr als 30 Jahren bekennt sich allerdings der überwiegende Teil des privatrechtlichen Schrifttums und die Rechtsprechung zur Wertungsjurisprodenz. Die Anhänger dieser Interpretationstheorie vertreten kein einheitliches Konzept, stimmen aber in wesentlichen Grundthesen überein. Sie gehen davon aus, dass die Tätigkeit des Gesetzgebers und Rechtsanwenders letztlich wertender Natur sei. Jeder, auch der sog. bestimmte Rechtsbegriff sei Ausdruck einer Wertung und zumindest in seinen Randzonen unscharf. Bei der Auslegung sei auf die der betreffenden Norm und der Rechtsordnung zugrundeliegenden Wertentscheidungen abzustellen. Soweit das Gesetz Lücken enthalte, habe sie der Richter nach den Wertmaßstäben zu schließen, die in der Gesamtrechtsordnung, insbesondere im Grundgesetz vorgegeben seien (vgl. Larenz a.a.O.). Ein Gesetz auslegen heißt danach, seinen Sinn erforschen. Dabei kommt es nicht auf den subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers an. Maßgebend ist der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 1 S. 312, 62 S. 45; BGHZE 46 S. 74).

Ausgangspunkt der Auslegung ist die Wortbedeutung (vgl. BGHZE 46 S. 74), die sog. sprachlich grammatikalische Auslegung. Enthält das Gesetz für den Ausdruck eine gesetzliche Festlegung, ist diese maßgebend. Sonst gilt für juristische Fachausdrücke der Sprachgebrauch der Juristen, im Übrigen der allgemeine Sprachgebrauch. Ein eindeutiger Wortsinn, der allerdings durch Auslegung festgestellt werden muss, ist grundsätzlich bindend (vgl. BGHZE a.a.O.). Von ihm darf allerdings abgewichen werden, wenn der Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung nicht nur nahelegt, sondern sogar gebietet (vgl. BGHZE 2 S. 126 (184)).

Die Auslegung nach dem Bedeutungszusammenhang, die sog. systematische Auslegung geht von der Einsicht aus, dass der einzelne Rechtssatz im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung zu verstehen ist. Auch für die systematische Auslegung gilt, dass ein aus ihr gewonnenes eindeutiges Ergebnis grundsätzlich bindend ist. Abgewichen werden darf nur, wenn die ratio legis dies erfordert.

Die Entstehungsgeschichte ist vor allem für die Ermittlung des Gesetzeszweckes von Bedeutung (vgl. BGHZE 46 S. 74 (80)).

Entscheidend für das Auslegungsergebnis ist grundsätzlich die teleologische Auslegung, die sich am Gesetzeszweck orientiert. Der BGH bezeichnet sie als Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes (vgl. BGHZE 54 S. 264 (268)), 87 S. 381 (383)). Für sie besteht gegenüber den anderen Auslegungsmethoden ein Primat (vgl. Münchener Kommentar-Säcker, 3. Aufl. Einleitung Rdnr. 117). Zur ratio legis gehören die mit der konkreten Norm verfolgten Zwecke. Sie werden aber zugleich durch allgemeine Zweckmäßigkeits- und Gerechtigkeitserwägungen mitbestimmt. Die Norm ist als Teil einer gerechten und zweckmäßigen Ordnung zu verstehen. Bei ernsthaften Zweifeln sind die Auslegungsalternativen und ihre praktischen Konsequenzen zu berücksichtigen. Sodann ist sorgfältig gegeneinander abzuwägen, welche der Alternativen am zweckmäßigsten und gerechtesten ist und sich am besten in den Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung einfügt (vgl. BGHZE 56 S. 26 (33), 82 S. 182 (185)).

Zu den herkömmlichen juristischen Methoden gehören eine Anzahl von Argumentationsformen. Hier kommen in Betracht die Analogie, also die Übertragung der für einen oder mehrere bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehen Regel auf einen anderen aber rechtsähnlichen Tatbestand sowie der Umkehrschluss, das Gegenstück zur Analogie, der besagt, dass deshalb, weil das Gesetz die Rechtsfolge an einen bestimmten Tatbestand geknüpft hat, diese Rechtsfolge für andere Tatbestände auch dann nicht gilt, wenn diese ähnlich liegen. Der Umkehrschluss ist nur dann berechtigt, wenn er mit dem Gesetzeszweck im Einklang steht, nach der ratio legis also anzunehmen ist, dass die vorgesehene Rechtsfolge auf ähnliche Fälle nicht übertragen werden soll.

Die teleologische Reduktion hat ebenso wie die restriktive Auslegung das Ziel, den Anwendungsbereich einer Rechtsnorm einzuschränken. Während die restriktive Auslegung sich unter mehreren möglichen Wortbedeutungen für die engere entscheidet, setzt sich die teleologische Reduktion mit dem Wortlaut in Widerspruch. Die Norm wird nicht angewandt, obwohl sie ihrem Wortlaut nach zutrifft.

Alle diese Auslegungsmethoden sind verfassungsrechtlich zulässig (vgl. BVerfG NJW 1993 S. 2861; BVerfG NJW 1997 S. 2230; BVerfGE 69 S. 369; BVerfG NJW 1990 S. 1593).

bb) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt Folgendes:

a' § 125 BetrVG n.F. hat die Überschrift "Erstmalige Wahlen nach diesem Gesetz". In Abs. 3 ist dann geregelt, dass für alle Wahlen, die nach dem 28. Juli 2001 eingeleitet worden sind, für die das Wahlausschreiben also nach diesem Zeitpunkt erlassen worden ist, die alte Wahlordnung 1972 anzuwenden ist.

Sowohl nach der Wahlordnung 1972 als auch nach der Wahlordnung 2001 ist mit Erlass des Wahlausschreibens die Betriebsratswahl eingeleitet (vgl. § 3 Abs. 1 der jeweiligen Wahlordnung).

Nimmt man den Wortlaut der Überschrift und den Wortlaut des Abs. 3 des § 125 BetrVG n.F., so ergibt sich schon hieraus, dass dieses Gesetz erstmalig angewendet werden soll auf alle Betriebsratswahlen, die nach In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes "eingeleitet" worden sind. Wahlen, die früher eingeleitet worden sind - so der zulässige Umkehrschluss -, sind nicht nach diesem Betriebsverfassungsreformgesetz, sondern nach dem Gesetz, das zum Zeitpunkt der Einleitung galt, abzuwickeln.

b' Auch die Wahlvorschriften, die bis zum In-Kraft-Treten der Wahlordnung 2001 gelten sollten, erfassen dem Wortlaut nach die Fälle, in denen die Wahl vor In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes 2001 eingeleitet wurde. Ausdrücklich ist eine entsprechende Anwendung der Wahlordnung 1972, die bis zu ihrer Ablösung auch nach In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes weiter galt, durch § 125 BetrVG n.F. nur für die nach In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes eingeleiteten Wahlen angeordnet worden. Daraus folgt, dass für die zuvor eingeleiteten Wahlen die Wahlordnung 1972, die trotz In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes 2001 noch in Kraft war, direkt angewandt werden muss.

Die alte Wahlordnung ist aber direkt nur auf die Wahlbestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 anwendbar, wie sich schon aus den Bestimmungen, die sich auf die Verteilung der Sitze auf die Gruppen der Arbeiter und Angestellten beziehen, zwangsläufig ergibt.

Der Wortlaut der Wahlordnung und des § 125 BetrVG n.F. spricht also für das hier gefundene Ergebnis.

c' Auch der Sinn und Zweck der Regelung spricht für das von der Berufungskammer gefundene Ergebnis.

Der Gesetzgeber hat durch die sehr komplizierte Übergangsregelung in § 125 Abs. 3 und insbesondere § 125 Abs. 4 BetrVG n.F. gezeigt, dass er - obwohl die regelmäßigen Betriebsratswahlen bei In-Kraft-Treten des Betriebsverfassungsreformgesetzes 2001 bereits nach etwas mehr als sieben Monaten nach In-Kraft-Treten beginnen konnten - keinen regelungsfreien Zeitraum, kein Vakuum für Betriebsratswahlen hat entstehen lassen wollen. Es sollte durch die Übergangsregelungen festgeschrieben werden, dass Betriebsratswahlen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für Wahlen außerhalb des Vierjahreszeitraums vorlagen, zu jeder Zeit stattfinden konnten. Ansonsten hätte es der Übergangsvorschriften nicht bedurft. Man hätte auf den Beginn des regelmäßigen Vierjahreszeitraums abstellen können.

Dieser Zweck unterstützt das gefundene Ergebnis, denn wenn die Auffassung des Arbeitgebers richtig wäre, hätten u.U. für mehrere Monate Betriebsräte nicht gewählt werden können, und zwar in dem Zeitraum vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, in dem Ungewissheit bestanden hätte, ob die Wahlen noch vor In-Kraft-Treten des Gesetzes durchgeführt werden konnten. Der "Ungewissheitszeitraum" wäre um so länger gewesen, je ungewisser war, wann das Betriebsverfassungsreformgesetz in Kraft trat.

Auch die praktische Konsequenzen, die die Rechtsauffassung des Arbeitgebers haben würde, spricht für das hier gefunden Ergebnis. Alle dennoch eingeleiteten Wahlen, die nicht vor dem 28. Juli 2001 mit der Bekanntmachung des Wahlergebnisses geendet hätten, hätten abgebrochen werden müssen und sie hätten erneut durchgeführt werden müssen. Dass dies vom Gesetzgeber gewollt war, ist schon wegen der erheblichen Kosten, die dadurch für den Arbeitgeber z.B. in Großbetrieben, aber auch in Betrieben der hier in Frage stehenden Größe entstehen, mehr als unwahrscheinlich. Dass ein solches Ergebnis nicht vom Sinn und Zweck des Betriebsverfassungsreformgesetzes gedeckt ist, ergibt sich auch daraus, dass neben den Nachteilen für den Arbeitgeber auch erhebliche Nachteile für die Arbeitnehmer denkbar sind, z.B. könnten bei Betriebsschließungen Ansprüche nach § 112 BetrVG nicht durchgesetzt werden, wenn in die Zeit der Wiederholung des Wahlausschreibens entsprechende Beschlüsse vom Arbeitgeber getroffen würden. (so auch Däubler, DB 2001 S. 1669 (1672); Däubler-Kittner-Klebe-Trümmer, BetrVG 8. Aufl. § 125 Rdz. 5; auch Fitting-Kaiser-Heither-Engels-Schmidt, BetrVG 21. Aufl. § 125 Rdz. 3 unter Hinweis auf Däubler).

d' Diese Auslegung verstößt entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht gegen § 82 GG. Die Auslegung des am 28. Juli 2001 in Kraft getretenen Betriebsverfassungsreformgesetzes, insbesondere des § 125 BetrVG n.F., ergibt gerade nach Auffassung der Berufungskammer, dass für vor dem 28. Juli 2001 eingeleitete Betriebsratswahlen das alte Recht weiter gelten soll. Die Berufungskammer hat also das in Kraft getretene Gesetz angewandt.

Nach allem hatte die Beschwerde des Betriebsrats Erfolg, was zwangsläufig zur Folge hat, dass der Anschlussbeschwerde des Arbeitgebers der Erfolg versagt blieb.

III

1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die nach § 92 ZPO i.V.m. § 72 ArbGG für die Zulassung erforderlich ist, liegt nicht vor. Denn eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (vgl. BAG AP Nr. 54 zu § 72 a ArbGG 1972 Grundsatz). Eine Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage liegt dann nicht vor, wenn künftig keine Auswirkungen von der Klärung zu erwarten sind, weil es sich um außer Kraft getretenes oder wesentlich verändertes Recht handelt oder weil die Rechtsfrage durch neues Recht beantwortet ist (vgl. BAG AP Nr. 55 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; Germelmann-Matthes-Prütting-Müller-Glöge, ArbGG 4. Aufl. § 72 Rdz. 15).

Die mit diesem Beschluss entschiedenen Rechtsfragen können nicht mehr auftreten, zum einen, da das Betriebsverfassungsreformgesetzes eine ausdrückliche Regelung für alle nach dem 28. Juli 2001 eingeleiteten Wahlen getroffen hat und zum anderen nach In-Kraft-Treten der Wahlordnung 2001 am 15. Dezember 2001 alle Betriebsratswahlen ohnehin nach dieser Wahlordnung durchgeführt werden müssen. Eine grundsätzliche Bedeutung ist deshalb nicht erkennbar.

Gegen diese Entscheidung ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben. Wegen der Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, wird auf § 92 a ArbGG hingewiesen.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

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