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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.07.2001
Aktenzeichen: 12 Sa 636/01
Rechtsgebiete: BGB, TVG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 613 a
TVG § 1
TVG § 3
Die Rechtswirkungen einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, mit der die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifwerks auf das Arbeitsverhältnis vereinbart worden ist, hängen nicht davon ab, dass der Arbeitgeber Mitglied in dem Arbeitgeberverband bleibt, der diese Tarifverträge schliesst. Daher lässt der Betriebsübergang auf einen nunmehr tarifungebundenen Arbeitgeber die Geltung der Bezugnahmeklausel unberührt.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 636/01

Verkündet am: 25.07.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25.07.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Lescanne und den ehrenamtlichen Richter Nause

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.01.2001 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger

a) DM 714,76 brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 4 % auf DM 15,- brutto ab 01.04.2000 und auf weitere DM 15,- brutto ab 01.05.2000, von 8,42 % auf DM 122,76 brutto vom 01.06. bis 31.08.2000, von 8,42 % auf DM 103,- brutto vom 01.07. bis 31.08.2000, von 8,42 % auf DM 103,- brutto vom 01.08. bis 31.08.2000, von 9,26 % auf DM 103,- brutto ab 01.09.2000, von 9,26 % auf DM 103,- brutto ab 01.10.2000 und von 9,26 % auf DM 150,- brutto ab 01.11.2000;

b) weitere DM 103,- brutto nebst 9,26 % Zinsen ab 01.12.200 sowie

c) weitere DM 142,96 brutto nebst 9,25 % Zinsen ab dem 01.01.2001.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen einer Zahlungsklage darüber, ob dem Kläger aufgrund einer Verweisungsklausel, die in dem mit seinem früheren, tarifgebundenen Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrag enthalten ist, nach der Betriebsübernahme durch die nicht tarifgebundene Beklagte weiter tarifliche Gehaltserhöhungen zustehen.

Der Kläger trat gemäß Anstellungsvertrag vom 05.10.1992 als Konstrukteur in die Dienste der M. Anlagenbau AG, einem in D.ansässigen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie.

Der Vertrag bestimmt u.a. folgendes: 2. Tarifvertrag

Für das Dienstverhältnis kommen die Tarifverträge der Eisen, Metall, E-lektro- und Zentralheizungsindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung zur Anwendung.

3. Monatseinkommen

Ihre Tätigkeit fällt unter die Tarifgruppe 6.

Die Eingruppierung erfolgt in Tarifgruppe T 6/n.3.....

4. Urlaub

Ihr Urlaubsanspruch richtet sich nach den tarifvertraglichen Regelungen....

10. Sonstige Vereinbarungen

Sonstige Vereinbarungen über das Dienstverhältnis und Nebenabreden bedürfen auf jeden Fall der Schriftform

Die M. Anlagenbau AG gehörte ebenso wie ihre Rechtsnachfolgerin, die M. D.AG, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. an. Der Kläger war und ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft.

Zum 03.03.1999 übernahm die zu diesem Zweck gegründete, tarifungebundene Beklagte gemäß § 613 a BGB den Bereich Energie- und Umwelttechnik von der M. D. AG. Die Arbeitsverträge der (übernommenen) Mitarbeiter nehmen teilweise auf die Tarifverträge der Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung oder nur auf den einschlägigen Manteltarifvertrag Bezug; teilweise enthalten sie keine Bezugnahmeklausel.

Am 28.03.2000 schlössen die IG Metall und der Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. ein Gehaltsabkommen ab. Das Gehaltsabkommen sieht für die Monate März und April 2000 einen Pauschalbetrag von jeweils DM 165,00 und ab Mai eine Gehaltserhöhung von 2,1 % sowie die entsprechende Erhöhung der tariflichen Leistungszulage, des Urlaubsgeldes und der Sonderzahlung vor. Demgegenüber zahlte die Beklagte ihren Mitarbeitern einen Pauschalbetrag von DM 150,00 und eine Gehaltserhöhung von 1,75 %.

Nach wiederholter erfolgloser Geltendmachung hat der Kläger mit der vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhobenen Klage die Beklagte auf die sich für den Zeitraum März bis Dezember 2000 ergebenden, der Höhe nach unstreitigen Differenzbeträge zwischen Tarifvergütung (Pauschalbeträge, Gehalt T 6/nach 3. Beschäftigungsjahr, tariflicher Leistungszulage, Urlaubsgeld, Sonderzahlung) und gezahlter Vergütung in Anspruch genommen.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

a) 714,76 DM brutto zu zahlen nebst Zinsen

in Höhe von 4 % auf 15,- DM brutto ab 01.04.2000 und auf weitere 15,- DM brutto ab 01.05.2000,

von 8,42 % auf 122,76 DM brutto vom 01.06. bis 31.08.2000, von 8,42 % auf 103,- DM brutto vom 01.07. bis 31.08.2000, von 8,42 % auf 103,- DM brutto vom 01. bis 31.08.2000, von 9,26 % auf 103,- DM brutto ab 01.09.2000, von 9,26 % auf 103,- DM brutto ab 01.10.2000 und von 9,26 % auf 150,- DM brutto ab 01.11.2000,

b) weitere 103,- DM brutto nebst 9,26 % Zinsen ab 01.12.2000 sowie weitere 142,96 DM brutto zu zahlen nebst 9,25 % Zinsen ab dem 01.01.2001.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, dass der Zweck der vertraglichen Verweisungsklausel darin bestanden hat, bei der tarifgebundenen Rechtsvorgängerin die Mitarbeiter gleichzustellen. Mit dem Betriebsübergang auf sie, die Beklagte, als tarifungebundene Arbeitgeberin werde dieser Zweck nicht mehr erfüllt. Daher führe - so hat die Beklagte gemeint - die Auslegung der Klausel nur zu einer statischen, auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs bezogenen Fortgeltung der Tarifverträge.

Die gegenüber der Tariferhöhung geringere Vergütungsanhebung, mit der der Gesamtbetriebsrat einverstanden gewesen sei, hat die Beklagte mit erheblichen Verlusten im Geschäftsjahr 1999 und ihrer angespannten wirtschaftlichen und finanziellen Situation verteidigt.

Durch Urteil vom 26.01.2001 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Kläger unter Weiterverfolgung seines erstinstanzlichen Zahlungsbegehrens das Urteil an. Die Beklagte verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist begründet. Die Beklagte schuldet vertraglich die im Gehaltsabkommen vom 28.03.2000 festgelegten Pauschalbeträge, Gehalts-, Urlaubsgeld- und Sonderzahlungserhöhungen. Danach ergeben sich zugunsten des Klägers die geforderten und in der Höhe unstreitigen Differenzbeträge.

1. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass die im Arbeitsvertrag vereinbarte Bezugnahme auf die dort benannten Tarifverträge (BaTV-Klausel) lediglich die fehlende Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der tarifschließenden Gewerkschaft ersetzen und seine Gleichstellung mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern bewirken wolle. Damit ist das Arbeitsgericht einer verbreiteten Auffassung (BAG, Urteil vom 04.08.1999, 5 AZR 642/98, AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge: Papierindustrie, LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2000, EzA-SD 00, Nr. 5, 11, LAG Berlin, Urteil vom 21.12.1998, NZA-RR 99, 424, vgl. Seitz/Werner, NZA 00, 1260 f., Löwisch/Rieble, FS-Schaub, S. 466 f., ) gefolgt, deren weitere Argumentation dahin geht, dass, falls der Arbeitgeber nicht (mehr) tarifgebunden und also die Gleichstellung der Mitarbeiter nicht mehr vonnöten sei, die Verweisungsklausel ohne materiellrechtliche Bedeutung bleibe.

Die Kammer vertritt seit jeher die gegenteilige Auffassung (LAG Düsseldorf, Urteil vom 04.02.1993, LAGE § 613 a BGB Nr. 29, Urteil vom 23.02.2000, ZTR 00, 267). Sie sieht in dem Verständnis der BaTV-Klausel als Gleichstellungsabrede eine interpretative Verkürzung und hält dafür, dass nach dem Parteiwillen die Klausel nicht die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers voraussetze. Diese Sichtweise wird zunehmend in Rechtsprechung und Literatur geteilt (LAG Hamm, Urteil vom 05.06.1998, NZA-RR 99, 315, Hess. LAG, Urteil vom 23.03.1999, NZA-RR 00, 93, Danne, SÄE 98, 111 ff., Hanau, FS-Gaul, S. 298, Annuß, RdA 00, 180, vgl. Kania, RdA 00, 177).

2. Verweisungsklauseln sind gemäß § 133, § 157 BGB nach den für Willenserklärungen und Verträge geltenden Grundsätzen und nicht nach den für Tarif- oder Betriebsnormen Regeln auszulegen (allg. M., BAG, Urteil vom 06.12.1990, 6 AZR 268/89, AP Nr. 2 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag, zu II 2). Zunächst ist, ohne am Buchstaben zu haften, vom Wortlaut auszugehen (BGH, Urteil vom 18.05.1998, NJW 98, 2966, zu B l 2). Danach sind zur Erforschung des wirklichen Willens der Parteien die außerhalb der Erklärung liegenden Umstände zu berücksichtigen, insbesondere das Erklärungsverhalten der Parteien vor bzw. bei Vertragsschluss, der von ihnen mit der Vereinbarung verfolgte Zweck und ihre Interessenlage. Dabei gilt das Gebot der beiderseits interessengerechten Auslegung (BGH, Urteil vom 26.01.1998, NJW 98, 1481 = ZIP 98, 605, zu II 1 b).

3. Nimmt man zum Ansatz, dass für eine Auslegung kein Raum besteht, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (Pa-landt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 133 Rz. 6), führt Ziffer 2 des Anstellungsvertrages zu dem Befund, dass die Einbeziehung des Tarifwerks in das Arbeitsverhältnis nicht von der Tarifgebundenheit der Beklagten abhängt. Dies folgt zunächst daraus, dass das Merkmal der Tarifgebundenheit überhaupt nicht erwähnt wird und damit der Vertragstext, der die durch den Schriftformzwang (Ziffer 10 des Anstellungsvertrages) bestärkte Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat, der Postulation dieses Merkmals als "ungeschriebener" Voraussetzung entgegensteht.

Des weiteren entfaltet die BaTV-Klausel ihre Geltung gerade für den Fall der fehlenden bzw. entfallenden beiderseitigen Tarifgebundenheit und will für diesen Fall die Anwendbarkeit der Tarifverträge vorsehen. Damit läuft die Annahme, dass die Verweisung nur bei Tarifgebundenheit einer Partei (des Arbeitgebers) gelten solle, dem Klauselzweck zuwider. Die BaTV-Klausel wäre für eine typische Konstellation bedeutungslos. Den Arbeitsvertragsparteien kann indessen nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass sie einer in den Vertrag aufgenommenen essentiellen Regelung das Bedeutsamwerden für typische Fälle versagen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.1998, a.a.O., zu II 1 b, Urteil vom 18.05.1998, a.a.O., zu B l 2 a).

4. Hält man gleichwohl Ziffer 2 des Anstellungsvertrages für auslegungsbedürftig und -fähig, gibt der Wortlaut nichts dafür her, dass die Bezugnahme auf die Tarifverträge lediglich für den Fall der Tarifgebundenheit der Beklagten gelten soll. Die interpretative Einbeziehung der Begleitumstände, namentlich der Interessenlage und des in der BaTV-Klausel verfolgten Zwecks, führt zu dem selben Befund.

a) Mit einer BaTV-Klausel als vertragliches Gestaltungsmittel verfolgen Vertragsparteien regelmäßig den Zweck, den Vertragstext zu verkürzen und zu vereinfachen. Das in Bezug genommene Regelungswerk wird in den Vertrag einbezogen, um die Wiedergabe seiner meist komplexen Regelungen zu erübrigen.

Mit der Inbezugnahme eines Tarifwerks machen sich die Parteien zudem dessen Umfänglichkeit sowie praktische und rechtliche Bewährtheit ebenso zunutze wie die - den vertraglichen Konsens fördernde - Einschätzung, dass das Tarifwerk einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen Interessen enthält. Die Verweisung auf die "einschlägigen" Tarifverträge trägt sowohl dem Bedürfnis nach einer möglichst sachnahen Regelung als auch der Absicht, dem Arbeitsverhältnis die in der Branche üblichen Arbeitsbedingungen zugrunde zu legen, Rechnung.

Dieselben Erwägungen streiten für die "Dynamisierung" der Verweisung. Sie entlastet die Parteien außerdem von der Mühsal, in Verhandlungen oder durch Änderungskündigung die arbeitsvertragliche Pflichtenstruktur einer Veränderung der Gegebenheiten anzupassen.

b) Aus Sicht des Arbeitgebers wird für den Zeitraum seiner Tarifgebundenheit mit der BaTV-Klausel die Gleichstellung der tarifungebundenen mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern erreicht. Zwar verpflichtet ihn Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG nicht zur Gleichbehandlung von Außenseitern. Eine Ungleichbehandlung wird jedoch in der betrieblichen Praxis meist als ungerecht empfunden und bedeutet für den Arbeitgeber einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Die Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen (auf der Grundlage des geltenden einschlägigen Tarifwerks) wirkt ihrem Auseinanderlaufen durch die beliebige Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft in den tarifschließenden Vereinigungen entgegen.

Bezweckt die BaTV-Klausel somit die Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen, entfällt dieser Zweck nicht ohne weiteres mit dem Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder dem Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber. So ist es durchweg Praxis in den Betrieben, dass Formularverträge mit BaTV-Klausel (bei den Verbänden, im Buchhandel oder sonstwie besorgt oder als Eigenschöpfung anhand von Literatur (Ratgebern) entwickelt) generell und ohne Gedanken an Tarifbindung oder gar differenzierende Hinweise verwendet werden und die Grundlage dafür legen, dass es unabhängig von der jeweiligen Tarifgebundenheit der Parteien, auch bei einem etwaigen Verbandsaustritt des Arbeitgebers, bei einheitlichen Arbeitsbedingungen bleibt.

Dass der Arbeitgeber mit der BaTV-Klausel allein bezweckt, die Arbeitnehmer für die Dauer seiner Tarifgebundenheit gleichzustellen, können Arbeitnehmer bei Vertragsschluss regelmäßig nicht erkennen. Abgesehen davon, dass ihnen meist unbekannt ist, ob der Arbeitgeber (nicht nur als OT-Mitglied) dem tarifschließenden Arbeitgeberverband angehört, müssen sie nicht mit einem späteren Verbandsaustritt des Arbeitgebers rechnen. Schließlich sind ihnen Rechtsfragen der Tarifgeltung, der beiderseitigen oder verlängerten Tarifgebundenheit und der Nachwirkung selten geläufig.

Aus der formularmäßigen Verwendung der BaTV-Klausel müssen Außenseiter ferner schließen, dass die Klausel ebenso in Verträgen mit tarifgebundenen Arbeitnehmern enthalten und es also Wille des Arbeitgebers ist, durch die dynamische Inbezugnahme des benannten Tarifwerks betriebseinheitlich und stabil die Arbeitsvertragsbedingungen festzulegen. Sie verlassen sich auf das, was im Vertrag steht, zumal das Tarifliche als das Branchenübliche oder - nach einem verbreiteten Irrtum - als das gesetzliche Minimum angesehen, zumindest aber für das Betriebsübliche gehalten wird. Sie dürfen davon ausgehen, dass ihnen der Arbeitgeber mit der dynamischen BaTV-Klausel in dem unterbreiteten Vertrag einen Anreiz zur Eingehung bzw. Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geben will (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.1998, a.a.O., zu B l 2 c) und ihnen deshalb für das Arbeitsverhältnis die jeweils geltenden Tarifbedingungen zusagt.

Stellt man auf das beiden Parteien Erkennbare ab, sollen die in Bezug genommenen Tarifverträge den (Mindest-)Standard des Arbeitsverhältnisses festlegen. Dies gilt erst recht, wenn zusätzlich zur globalen BaTV-Klausel in einzelnen Punkten, etwa bei der Vergütung oder beim Urlaub, der Tarif als Basis hervorgehoben wird. Mit der Benennung eines bestimmten Tarifwerks fixieren die Parteien ihre Vorstellungen über den gegenseitigen Leistungsaustausch und machen das Tarifwerk zum Niveau ihres Arbeitsvertrages. Indem etwa der Arbeitgeber verspricht, nach "Metall" oder "Chemie" zu bezahlen, und der Arbeitnehmer daraufhin das Arbeitsverhältnis eingeht, wird zwischen ihnen der Vereinbarungsinhalt festgeschrieben. Daher ist es den Parteien nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) verwehrt, durch beliebiges einseitiges Verhalten, z.B. der Arbeitgeber durch einen Verbandsaustritt, das Vereinbarte im nachhinein zu korrigieren.

c) Das Vereinheitlichungsinteresse des Arbeitgebers darf im Übrigen nicht verwechselt werden mit seinem Interesse, aus dem Tarifvertrag fliehen und , wenn nicht alle, so doch möglichst viele Arbeitnehmer zu niedrigeren Standards beschäftigen zu können. Dieses Interesse stellt zudem keine bei Vertrags-schluss feste Größe dar, denn Tarifverträge kommen, wenn sie Arbeitsbedingungen verschlechtern oder Ausschlussfristen enthalten, dem Arbeitgeber zugute, und - abhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - mag das Übliche auch einmal höher liegen als der Tarifliche. Überdies kann die Anpassungsautomatik der dynamischen BaTV-Klausel ein weiterhin gewollter Vorteil sein, der mit der Kassierung der Klausel verloren ginge.

Macht schon diese Ambiguenz die interpretative Nutzbarmachung des Interesses, den Arbeitsvertrag vom Tarifvertrag abkoppeln zu können, fragwürdig, so ist dieses Interesse aus den folgenden Erwägungen unerheblich: Das Anliegen einer Partei an einer ihr günstigen Vertragsauslegung macht - jedenfalls dann, wenn sie den Vertrag (mit)formuliert und das Interesse der anderen Partei gegenläufig ist, - es nicht entbehrlich, dass sie sich so deutlich ausdrückt, dass die andere Partei das Gemeinte unter normalen Umständen verstehen kann (La-renz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., § 28 Rz. 18), sei es nach ihrem Empfängerhorizont, sei es nach den objektiven Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Beteiligten (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rz. 9, 12; vgl. BAG, Urteil vom 14.10.1998, 3 AZR 331/97, n. v., zu II 2 d). Geht es um die Fortgeltung einer BaTV-Klausel, stehen die Interessen der Parteien konträr zueinander: In dem Maße, wie es für die eine Partei, i. c. den Arbeitgeber, von Vorteil ist, wenn der Arbeitsvertrag vom Tarifvertrag abgekoppelt wird, gereicht dies der anderen Partei zum Nachteil. Die Berücksichtigung des einseitigen Interesses, das Arbeitsverhältnis zu niedrigeren als den tariflichen Standards fortzusetzen, widerspricht daher dem Gebot der beiderseits interessengerechten Auslegung.

d) Nach allem setzt die Annahme, dass die BaTV-Klausel mit Verbandsaustritt des Arbeitgebers hinfällig wird, eine entsprechend deutliche Formulierung voraus. Dies gilt um so mehr, als - rechtlich nicht unbedenklich - sich nach der Beliebigkeit der (Nicht-) Mitgliedschaft der Vertragsinhalt bestimmen bzw. ändern soll, u.U. mit der Konsequenz, dass das Arbeitsverhältnis Gefahr läuft, inhaltsleer zu werden, soweit keine gesetzlichen Regelungen eingreifen (vgl. BAG, Urteil vom 04.08.99, a.a.O., zu III 3). Zudem ginge der Primärzweck der BaTV-Klausel, nämlich das Arbeitsverhältnis dem vorgefertigten Normenkreis des Tarifwerks und seiner der ein oder anderen Partei günstigeren oder ungünstigeren Entwicklung zu unterwerfen, verloren. Daher setzt sich der Arbeitgeber zu seinem Vertragsverhalten in Widerspruch, wenn er später durch schlichten Verbandsaustritt sich von der ihm missliebig gewordenen Klausel befreien könnte.

e) Selbst wenn man die Auslegung, dass die BaTV-Klausel lediglich bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers gelte, für möglich hielte, kann sich der Arbeitnehmer nach der Unklarheitenregel auf die ebenso mögliche, ihm günstigere gegenteilige Auslegung berufen.

Soweit der 5. Senat (BAG, Urteil vom 04.08.99, a.a.O.) gegen die Anwendung der Unklarheitenregel einwendet, dass zur Zeit des Vertragsschlusses vollkommen offen sei, welche Auslegung des vorformulierten Vertragstextes günstiger oder ungünstiger sein werde, werden lediglich die Folgen jeder dynamischen Verweisung charakterisiert. Die der BaTV-Klausel immanente Offenheit für künftige (Tarif-)Entwicklungen ist indessen zu unterscheiden von der Frage nach den tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Klausel zur Anwendung kommt. Ihre "Unklarheit" besteht nicht in der Ungewissheit über das, was die Zukunft bringt: insoweit ist klar, dass künftige (Tarif)Änderungen Vertragsinhalt werden. Die Unklarheit liegt vielmehr in der Frage, ob andersartige Geschehnisse, i. c. der Verbandsaustritt des Arbeitgebers, sich auf die Geltung der BaTV-Klausel selbst auswirken. Daher ist die Unklarheitenregel auf die Auslegung von BaTV-Klauseln anwendbar (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.1998, 1 AZR 589/97, NZA 99, 6959, zu II 1 c, Urteil vom 17.11.1998, 9 AZR 584/97, AP Nr. 10 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag, Urteil vom 27.01.1998, 3 AZR 444/96, AP Nr. AP Nr. 6 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag, zu II 2 d (m. Anm. Oetker), vgl. BAG, Urteil vom 28.05.1997, 4 AZR 663/95, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu II 1, Annuß, BB 99, 2559 f.).

Wie bereits erwähnt, kommt es bei der Vertragsauslegung in erster Linie darauf an, was die Parteien ausdrücklich vereinbart bzw. übereinstimmend gewollt haben; ihr Regelungswille ist maßgebend, selbst wenn dem Gericht eine andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeit "vernünftiger", kollektivrechtlich wünschbar oder von größerer Klarheit und Verlässlichkeit erscheint. Im Übrigen trägt entgegen der Auffassung des 5. Senats (BAG, Urteil vom 04.08.1999, zu II 2 a) die schicksalhafte Verknüpfung der BaTV-Klausel mit den - einseitigen, unberechenbaren und nicht Offenbarungspflichtigen - Verbandsaustritten und Verbandseintritten keineswegs zu einem verlässlichen Miteinander der Vertragsparteien bei.

f) Eine andere Frage ist es, wie sich der Gleichstellungszweck auf die BaTV-Klausel im Fall des Verbands- bzw. Branchenwechsels des Arbeitgebers auswirkt. Insoweit hat der 4. Senat des BAG (Urteil vom 04.09.1996, 4 AZR135/95, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag, zu II a bb) für eine korrigierende Auslegung "Gründe sozialpolitischer Gerechtigkeit und einfacherer Abwicklung der Arbeitsverhältnisse" reklamiert und gemeint, dass Arbeitnehmer aufgrund der in ihren Arbeitsverträgen enthaltenen Verweisungsklausel (auf die bisherigen Tarifverträge) nach dem Tarifwechsel nicht gegenüber organisierten Arbeitnehmern, für die die neuen (schlechteren) Tarifverträge gelten, besser gestellt werden dürften.

Die korrigierende Auslegung wird auch von ihren Befürwortern für problematisch gehalten (vgl. Hanau/Kania, FS-Schaub, 247, 251 f., Kraft, FS-Zöllner, S. 845 f., KR-Pfeiffer, 5. Aufl., § 613a BGB Rz. 56, 93). Nach richtiger Ansicht übersteigt sie die anerkannten Auslegungsmethoden, missachtet die "Unklarheitenregel" und ist im Ergebnis auch nicht mit anderen Rechtserwägungen erreichbar (Kammer-Urteil vom 04.02.1993, a.a.O., vgl. Annuß, a.a.O.).

Im Streitfall fehlt es an einem Tarif- bzw. Branchenwechsel und damit an dem Bedürfnis nach Gleichbehandlung und Vereinheitlichung, das die korrigierende Auslegung befriedigen will. Die Arbeitsverhältnisse (der organisierten Arbeitnehmer) werden von keinem anderen Tarifwerk erfasst Die Beklagte betätigt sich in derselben Branche. Sie befasst sich mit der Konstruktion (engineering) und - bis zum 30.06.2001 - mit der Montage im Großanlagenbau, unterfiel also fachlich im streitbefangenen Zeitraum den Metall-Tarifverträgen NRW.

Inzwischen hat der 4. Senat des BAG (Urteil vom 21.02.2001, 4 AZR 18/00, z.V.v., zu B II 4, Urteil vom 25.10.2000, 4 AZR 506/99, z.V.v, Urteil vom 30.08.2000, 4 AZR 581/99, ZIP 00, 626) für die Fälle des Branchen- und Verbandswechsels entschieden, dass eine korrigierende Auslegung der BaTV-Klausel nur möglich sei, wenn die Klausel als Gleichstellungsabrede zu verstehen sei und bei Abschluss des Arbeitsvertrages besondere Umstände vorliegen, aus denen zu schließen sei, dass im Falle eines Wechsels das Arbeitsverhältnis anderen - nicht benannten - Tarifverträgen unterstellt werden solle. Indem selbst bei einem Branchen- und Verbandswechsel und dadurch begründeten Vereinheitlichungsinteresse des Arbeitgebers diese Auslegungsmaxime gilt, ist auf die Auffassung des 4. Senats zu schließen, dass für eine korrigierende Auslegung erst recht kein Raum ist, wenn es an dem Vereinheitlichungsinteresse fehlt, weil der Arbeitgeber (tarifungebunden) in der Branche bleibt.

g) Zwar können die Arbeitsbedingungen infolge Verbandsaustritts des Arbeitgebers aufgrund unterschiedlich gefasster Arbeitsverträge, solchen mit dynamischer BaTV-Klausel und solchen ohne diese Klausel, auseinanderlaufen.

Dies ist jedoch gerade und nur die Konsequenz jedes "Vertragsmusterwechsels". Die Partei (hier: der Arbeitgeber), die durch Abschluss unterschiedlicher Vereinbarungen ihre Vertragsfreiheit in Anspruch nimmt (vgl. BAG, Urteil vom 23.08.1995, 5 AZR 293/94, AP Nr. 134 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 1, Urteil vom 01.07.1999, 2 AZR 826/98, AP Nr. 53 zu § 2 KSchG 196, zu II 2 d), kann nicht erwarten, dass sie vor Folgen selbst geschaffener Unterschiedlichkeiten geschützt und ihr eine nachträgliche Gleichmacherei im Sinne einer "Gleichbehandlung nach unten" gestattet wird.

Der Vertragsmusterwechsel ist etwas anderes als der vorerwähnte Tarif- und Branchenwechsel. Dieser kann - unabhängig von kollektivrechtlichen Folgeproblemen - die individualrechtliche Frage aufwerfen, wie sich die neue Tarifgeltung auf die BaTV-Klausel auswirkt, deren Sinn eben auch darin bestanden hat, das frühere Tarifwerk wegen dessen Sachnähe und Üblichkeit dem Arbeitsverhältnis zugrunde zu legen.

5. Gemessen an diesen Grundsätzen bleibt die Beklagte arbeitsvertraglich gegenüber dem Kläger zu den Vergütungsleistungen verpflichtet, die sich aus den jeweils geltenden Tarifverträgen für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen ergeben.

a) Die Vergütungspflicht ist allein nach dem Anstellungsvertrag vom 05.10.1992 zu bestimmen.

Zwar wäre, wenn die Parteien ihren übereinstimmenden Willen im Vertrag nicht oder nur einen unvollkommen zum Ausdruck gebracht hätten, dieser Wille und nicht der Vertragstext maßgebend. Die Beklagte selbst hat indessen zu einem solchen, vom Anstellungsvertrag abweichenden Regelungswillen nichts Näheres vorgetragen. Ebenso wenig hat sie sonstige außerhalb des Anstellungsvertrages liegende Umstände, die ein ihr günstiges Auslegungsergebnis stützen könnten, angegeben (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.1999, DB 99, 1318). Der (unstreitige) Umstand, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses einseitige Tarifgebundenheit vorlag, ist hierfür unergiebig. Dies gilt umso mehr, als die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Formularvertrag offenbar unterschiedslos für Gewerkschaftsmitglieder und Nicht-Gewerkschaftsmitglieder verwendete und also zu erkennen gab, dass die Organisationszugehörigkeit unmaßgeblich war.

In diesem Zusammenhang braucht, weil nicht entscheidungserheblich, die Frage, ob während bestehender beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifgeltung gemäß § 4 Abs. 1 TVG die BaTV-Klausel verdrängt oder ob die Klausel einzelvertragliche Ansprüche neben unmittelbar tariflichen Ansprüchen begründet, nicht beantwortet zu werden (vgl. BAG, Urteil vom 21.09.1989, 1 AZR 454/88, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, zu IV 2 a, V 2, Urteil vom 21.04.1982, 4 AZR 671/79, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn, Urteil vom 15.03.1991, 2 AZR 591/90, ZTR 92, 27 ff., zu B II 3 b).

b) Ziffer 2 des Anstellungsvertrages verweist dynamisch auf die einschlägigen Tarifverträge, somit auch auf das Gehaltsabkommen vom 28.03.2000. Vertragliche Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen beider Parteien die Klausel im Falle eines Verbandsaustritts der Beklagten wirkungslos werden sollte, sind nicht ersichtlich. Danach ist eine von der Beklagten auf die Dauer ihrer Verbandszugehörigkeit begrenzte "Gleichstellung" weder der maßgebende noch vom Kläger akzeptierte Zweck dafür gewesen, das Arbeitsverhältnis den jeweils geltenden Tarifbestimmungen zu unterstellen.

c) Hielte man Ziffer 2 des Anstellungsvertrages nach Erschöpfung aller Auslegungsmethoden gleichwohl für mehrdeutig, müsste die Beklagte, die den Anstellungsvertrag vom 05.10.1992 verfasst hat, nach der Unklarheitenregel die ihr ungünstigere Auslegungsmöglichkeit hinnehmen (vgl. BAG, Urteil vom 14.06.1995, 10 AZR 25/94, AP Nr. 176 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 2 a, Kammer-Urteil vom 24.01.1990, LAGE § 611 BGB Gratifikation, Nr. 3, m. Anm. Dütz/Heide)

d) Ergibt sich der Anspruch auf tarifliche Vergütung schon aus Ziffer 2 des Anstellungsvertrages, kann dahin stehen, ob ebenfalls Ziffer 3 des Vertrages eine dynamische Verweisung zu entnehmen wäre (BAG, Urteil vom 18.08.1998, a.a.O., zu II 1, Urteil vom 28.05.1997, 4 AZR 546/95, AP Nr. 26 zu § 4 TVG Nachwirkung, zu 2 b bb (2)).

II. Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Kammer hat gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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