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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.11.2005
Aktenzeichen: 16 Ta 603/05
Rechtsgebiete: ZPO, RVG, RVG VV


Vorschriften:

ZPO § 121 Abs. 4
RVG § 48 Abs. 1
RVG VV Nr. 3400
1. Ein nach § 121 Abs. 4 ZPO beigeordneter Verkehrsanwalt kann von der Staatskasse grundsätzlich nur die Verfahrensgebühr aus Nr. 3400 VV RVG beanspruchen.

2. Schließen die Parteien des Rechtsstreits einen Vergleich, an dessen Zustandekommen auch der Verkehrsanwalt mitwirkt, erhält er eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) aus der Staatskasse jedenfalls dann nicht, wenn sich der Beschluss über seine Beiordnung als Verkehrsanwalt nicht ausdrücklich auf den Vergleichsabschluss erstreckt.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

16 Ta 603/05

In dem Verfahren

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 18.11.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die befristete Beschwerde des Bezirksrevisors vom 22.09.2005 wird der (richterliche) Beschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom 08.06.2005 - 3 Ca 2085/04 - aufgehoben und der Vergütungsfestsetzungs-Beschluss des Arbeitsgerichts Duisburg/Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in der Fassung der Teilabänderung vom 17.05.2005 - 3 Ca 2085/04 - (269,12 €) wieder hergestellt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

3. Für den Antragsteller wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:

I.

Dem in X. wohnhaften Kläger des Ausgangsrechtsstreits war für ein Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Duisburg Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Zugleich wurden ihm Rechtsanwältin V. aus E. als Prozessbevollmächtigte und der Antragsteller mit Kanzleisitz in X. als Verkehrsanwalt beigeordnet. Am 09.08.2004 schlossen die Parteien des Kündigungsrechtsstreits einen Vergleich unter Widerrufsvorbehalt. Mit Schriftsatz vom 18.08.2004 teilte der Antragsteller dem Arbeitsgericht mit, dass seitens des Klägers kein Widerruf des Vergleichs erfolge. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Vergütung der beigeordneten Rechtsanwältin V. einschließlich einer Einigungsgebühr antragsgemäß auf 1.090,40 € fest. Der Antragsteller beantragte für seine Tätigkeit als Verkehrsanwalt eine Vergütungsfestsetzung in Höhe von insgesamt 669,32 € und machte hierbei ebenfalls eine Einigungsgebühr geltend. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entsprach dem Antrag zunächst lediglich in Höhe von 84,63 € und nach entsprechender Erinnerung des Antragstellers sodann mit Änderungs-Beschluss vom 17.05.2005 in Höhe von 269,12 €. Wegen der verbleibenden 400,20 € legte er die Sache dem Richter vor. Das Arbeitsgericht entsprach der Erinnerung des Antragstellers mit Beschluss vom 08.06.2005 und setzte unter Zuerkennung der geltend gemachten Einigungsgebühr weitere 400,20 € fest. Zur Begründung führte es aus, dass dem Antragsteller im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit beim endgültigen Zustandekommen des Vergleichs vom 09.08.2004 auch die geltend gemachte Einigungsgebühr zustehe. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors vom 22.09.2005, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die (befristete) Beschwerde des Bezirksrevisors als Vertreter der Staats-/Landeskasse ist zulässig: Sie ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 €. Das Rechtsmittel ist auch nicht verspätet. Zwar ist die Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird. Hier war der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.06.2005 dem Bezirksrevisor am 22.06.2005 zugeleitet worden, während seine dagegen eingelegte Beschwerde vom 22.09.2005 erst am 04.10.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.06.2005 enthielt jedoch entgegen § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG keine Rechtsmittelbelehrung. Es galt demgemäß die Jahresfrist aus § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, die hier gewahrt ist.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Für den Antragsteller als Verkehrsanwalt war keine Einigungsgebühr festzusetzen.

a) Der Antragsteller war vom Arbeitsgericht antragsgemäß als Verkehrsanwalt beigeordnet worden. Nach § 121 Abs. 4 ZPO erfolgt die Beiordnung als Verkehrsanwalt zur Vermittlung des Verkehrs einer Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten. Der Verkehrsanwalt ist nicht unterbevollmächtigter Anwalt. Insbesondere hat er als Verkehrsanwalt nicht die Stellung eines Prozessbevollmächtigten (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 16. Aufl., Nr. 3400 VV Rdn. 12; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 63. Aufl., § 121 Rdn. 68; Hartmann, KostG 34. Aufl., 2004, VV 3400 RVG Rdn. 1). Dies findet seinen Niederschlag auch in Nr. 3400 VV RVG, nach der sich der Auftrag des Verkehrsanwalts auf die Führung des Verkehrs der Partei "mit dem Verfahrensbevollmächtigten" beschränkt. Wirkt der Verkehrsanwalt beim Abschluss eines Vergleichs mit, erhält er aus der Staatskasse keine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG und kann diese grundsätzlich nicht beanspruchen (ebenso Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 121 Rdn. 21; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl., 2004, § 121 Rdn. 36; OLG Düsseldorf vom 20.11.1990, MDR 1991, 258; OLG München vom 14.02.1991, JurBüro 1991, 819; KG vom 31.01.1995, JurBüro 1995, 420; OLG Bamberg vom 27.10.1998, MDR 1999, 569; OLG München vom 28.04.2003, MDR 2003, 1262). Seine zusätzliche Beiordnung ist wegen der erforderlichen besonderen Umstände im Sinne des § 121 Abs. 4 ZPO "zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten" erfolgt, nicht als zusätzlicher Prozessbevollmächtigter.

b) Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, der als Verkehrsanwalt nach § 121 Abs. 4 ZPO beigeordnete Rechtsanwalt erhalte neben der Verfahrensgebühr (Nr. 3400 VV RVG) auch eine Einigungsgebühr nach § 1000 VV RVG, falls seine Tätigkeit für einen Vergleichsabschluss ursächlich war (so von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, a. a. O., § 48 Rdn. 128 und Müller-Rabe, a. a. O., Nr. 3400 VV Rdn. 57 - 60; Hartmann, KostG a. a. O., Rdn. 16; OLG Oldenburg vom 29.06.1992, JurBüro 1993, 155 m. Anm. Mümmler; OLG Zweibrücken vom 18.11.1993, JurBüro 1994, 607, m. zust. Anm. Mümmler), wird dem nicht gefolgt. Eine Begründung für diese Auffassung enthält die Kommentierung bei Gerold/Schmidt u. a. (a. a. O.) nicht. Sie entspricht auch nicht der Gesetzeslage. Nach § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich die Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts (§ 45 Abs. 1 RVG) nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Wird dieser, wie der Antragsteller im vorliegenden Fall, als Verkehrsanwalt gemäß § 121 Abs. 4 Alt. 2 ZPO zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet, bestimmt sich dessen Vergütung nach § 3400 VV RVG. Die aus der Staats-/Landeskasse zu vergütende Tätigkeit beschränkt sich nach dieser Regelung entsprechend dem Beiordnungsbeschluss zur Führung des Verkehrs der Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten auf eine Verfahrensgebühr in Höhe von höchstens 1,0. Mit ihr sind die Tätigkeiten des Verkehrsanwalts, auch wenn es in dem betreffenden Rechtsstreit unter Vermittlung des beigeordneten Prozessbevollmächtigten zu einem Vergleichsabschluss kommt, abgegolten (ebenso OLG Bamberg vom 27.10.1998, a. a. O.). Andernfalls würde dies im Ergebnis bedeuten, dass die bedürftige Partei, soweit es den Vergleichsabschluss betrifft, durch zwei Rechtsanwälte vertreten wird (so auch Mümmler in Anm. JurBüro 1993, 156). Dies widerspräche sowohl dem Beschluss über die Beiordnung als Verkehrsanwalt als auch der Gebührenregelung in Nr. 3400 VV RVG.

c) Ob und inwieweit dies anders zu beurteilen und dem Verkehrsanwalt ebenfalls eine Einigungsgebühr zuzuerkennen ist, wovon allgemein ausgegangen wird (vgl. u. a. KG vom 31.01.1995, a. a. O.; OLG München vom 28.04.2003, a. a. O.; Zöller/Philippi, a. a. O.; Stein/Jonas/Borg, a. a. O.), wenn der Beiordnungsbeschluss ausdrücklich auf den Abschluss eines Vergleichs erweitert worden ist, braucht im vorliegenden Fall nicht vertieft zu werden. Eine Erweiterung der Beiordnung des Antragstellers war hier nicht erfolgt.

3. Hinsichtlich der Gebührenfreiheit und des Ausschlusses der Kostenerstattung wird auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG verwiesen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt nach § 78 Satz 1 und 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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