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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.02.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 1221/07
Rechtsgebiete: InsO, BetrVG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 133 S. 1
BetrVG § 102 Abs. 6
ZPO § 133
ZPO § 157
Eine einzelvertragliche Vereinbarung, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist, ist nicht wegen ihres Zwecks, Beschäftigung zu sichern, einschränkend dahingehend auszulegen, dass das Zustimmungserfordernis entfällt, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet und der Betrieb stillgelegt wird (abweichend für tarifvertragliche Vereinbarung: BAG vom 19.01.2000 - 4 AZR 911/08 -).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 1221/07

Verkündet am 01. Februar 2008

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 01.02.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heinlein als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Drißner und den ehrenamtlichen Richter Frey

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 11.06.2007 - 5 Ca 2689/06 -wird teilweise abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 07.05.2007 wird teilweise aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.09.2006 nicht aufgelöst worden ist. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 3/5 und der Kläger zu 2/5 mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis des Klägers im Termin am 07.05.2007 entstanden sind. Diese hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen. Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen.

Der Kläger war bei der Firma L. GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 02.06.1986 beschäftigt. Insgesamt arbeiteten dort im Jahre 2006 19 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Am 05.01.2006 einigten sich der Kläger und die L. GmbH über eine Änderung des Arbeitsvertrages. Nach dem Inhalt des Änderungsvertrages bestand u. a. Einigkeit darüber, dass der Kläger für das Jahr 2006 keinen Anspruch auf Jahressonderzahlung im Sinne des Tarifvertrages über Jahressonderzahlung für die Beschäftigten in der nordrheinischen Textilindustrie und keinen Anspruch auf Urlaubsgeld im Sinne des TV Urlaubsgeldabkommen Textil hat, dass diese Ansprüche ab dem Jahr 2007 aber wieder bestehen, sofern die in den Tarifverträgen genannten Voraussetzungen vorliegen und die Geschäftslage der Firma L. GmbH dies zulässt.

In Ziffer 5 des Änderungsvertrages heißt es sodann:

"Es besteht auch Einigkeit, dass für Kündigungen, die zu einem Ausscheiden im Jahre 2006 führen, die Zustimmung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist."

Der Kläger schloss diese Vereinbarung nach einem persönlichen Gespräch mit Frau T. ab, in dem sie ihm angeboten hat, dass er auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld verzichtet und dafür eine Arbeitsplatzgarantie für das Jahr 2006 erhält.

Am 01.06.2006 wurde über das Vermögen der L. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 15.09.2006 unterrichtete der Beklagte den aus einer Person bestehenden Betriebsrat, dass er beabsichtige, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin zum 31.12.2006 einzustellen und das Arbeitsverhältnis mit allen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu kündigen. Auf die weiteren Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird Bezug genommen (Bl. 27 - 29 d. A.). Der Betriebsrat erhielt das Schreiben am 19.09.2006. Er gab zur Kündigungsabsicht keine Stellungnahme ab.

Mit Schreiben vom 27.09.2006 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.12.2006. Gegen die Kündigung hat der Kläger mit einem am 16.10.2006 bei dem Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.

Nach dem 31.12.2006 wurden noch einige Arbeitnehmer vorübergehend auf dem Betriebsgelände für die K-Tex GmbH und für die T. Vertriebs GmbH tätig.

Mit Schreiben vom 10.01.2007 unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat, dass er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit fünf Arbeitnehmern erneut - rein vorsorglich - zu kündigen. Auf die weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 10.01.2007 wird Bezug genommen (Bl. 125 und 126 d. A.). Der Betriebsrat teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 11.01.2007 mit, dass er von einer Stellungnahme absehe und die personelle Maßnahme zur Kenntnis nehme.

Daraufhin kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.01.2007 vorsorglich zum 30.04.2007. Mit einem am 14.02.2007 bei dem Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger auch diese Kündigung angegriffen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 27.09.2006 sei sozial ungerechtfertigt. Sie sei auch unwirksam, weil die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich gewesen sei. Die Kündigung vom 25.01.2007 sei unwirksam, weil im Anhörungsschreiben nicht zum Ausdruck komme, dass die Parteien über die Auslegung der Vertragsänderung vom 05.01.2006 stritten.

Auf Antrag des Beklagten hat das Arbeitsgericht Krefeld die Klage durch Versäumnisurteil vom 07.05.2007 abgewiesen. Gegen das ihm am 14.05.2007 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger mit einem am 21.05.2007 bei dem Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und festzustellen, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 27.09.2006 ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis weder zum 31.12.2006 noch zu einem anderen Zeitpunkt beenden wird, sowie festzustellen, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 25.01.2007 ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis weder zum 30.04.2007 noch zu einem späteren Termin beenden wird.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 07.05.2007 aufrechtzuerhalten.

Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 27.09.2006 habe nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedurft, und sei im Übrigen wegen der von ihm zurzeit der Kündigung beschlossenen Betriebsstilllegung sozial gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht Krefeld hat das Versäumnisurteil vom 07.03.2007 (richtig 07.05.2007) durch Urteil vom 11.06.2007, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, aufrechterhalten.

Gegen das ihm am 14.06.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 12.07.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 14.08.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Ergänzend macht der Kläger geltend, die Kündigung vom 25.01.2007 sei auch unwirksam, weil sie nicht auf einem Beschluss nach ordnungsgemäß einberufener Betriebsratssitzung beruhe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 11.06.2007 - 5 Ca 2689/06 - abzuändern, das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 07.03.2007 aufzuheben und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.09.2006 nicht aufgelöst worden ist sowie festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25.01.2007 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seiner Auffassung, dass die Kündigung vom 27.09.2006 nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedurft habe, beruft sich der Beklagte u. a. auf die Entscheidung des BAG vom 19.01.2000 - 4 AZR 911/98 -.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b und c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO) und teilweise begründet.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die Kündigung vom 27.09.2006 zum 31.12.2006 nicht aufgelöst worden. Es hat jedoch aufgrund der vorsorglich erklärten Kündigung vom 25.01.2007 mit Ablauf des 30.04.2007 geendet.

1. Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 07.05.2007 ist zulässig. Die einwöchige Einspruchsfrist (§ 59 Satz 1 ArbGG) und das Schriftformerfordernis (§ 59 Satz 2 ArbGG) hat der Kläger eingehalten.

2. Die Klage gegen die Kündigung vom 27.09.2006 ist begründet. Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ist gewahrt. Die Kündigung vom 27.09.2006 ist unwirksam, da die Zustimmung des Betriebsrats zu dieser Kündigung erforderlich war, der Beklagte sie aber nicht eingeholt hat.

a) Das durch die Vereinbarung vom 05.01.2006 vereinbarte Zustimmungserfordernis wird nicht durch § 133 Satz 1 InsO verdrängt. Nach dieser Bestimmung kann ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Nach § 113 Satz 2 InsO beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Verdrängt werden damit lediglich eine einzelvertraglich oder tarifvertraglich vereinbarte "Unkündbarkeit" und längere einzelvertragliche oder tarifvertragliche Kündigungsfristen (BAG vom 19.01.2000 - 4 AZR 911/98 - juris).

Dagegen werden durch Ziffer 5 der Vereinbarung vom 05.01.2006 die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Verhältnis zur bloßen Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG und zum Widerspruchsrecht nach § 102 Abs. 3 BetrVG durch eine zusätzliche verfahrensmäßige Hürde verstärkt. Nicht anders als bei gesetzlichen Zustimmungserfordernissen, etwa nach § 103 BetrVG, § 9 Abs. 3 MuSchG, § 89 SGB IX, hat der Insolvenzverwalter vor der Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, wenn das Zustimmungserfordernis einzelvertraglich vereinbart ist (ebenso für ein tarifvertragliches Zustimmungserfordernis BAG vom 19.01.2000, a.a.O.).

b) Ziffer 5 des Änderungsvertrages vom 05.01.2006 ist nicht unwirksam. Zwar ist darin nicht ausdrücklich geregelt, wie zu verfahren ist, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert. Aus der Verweisung auf § 102 BetrVG kann jedoch geschlossen werden, dass dann nach § 102 Abs. 6 BetrVG die Einigungsstelle entscheidet.

c) Die Auslegung der Vereinbarung in Ziffer 5 des Änderungsvertrages vom 05.01.2006 ergibt, dass der Beklagte für die Kündigung vom 27.09.2006 die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen hatte, weil er die Kündigung zum 31.12.2006 erklärt hat und damit ein Ausscheiden des Klägers noch im Jahr 2006 herbeigeführt worden wäre, wenn die Kündigung wirksam wäre.

Die Insolvenzschuldnerin hat mit den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen vereinbart, dass für Kündigungen, die zu einem Ausscheiden im Jahr 2006 führen, die Zustimmung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist. Hierbei handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB), denn Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt wurden (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB), bestehen nicht. Es gelten somit die Grundsätze für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen.

Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen des konkreten Vertragspartners zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (BAG vom 24.10.2007, NZA 2008, S. 40).

Nach diesen Grundsätzen führt die Auslegung zunächst zu dem Ergebnis, dass das Zustimmungserfordernis für Kündigungen vereinbart worden ist, die das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2006 beenden. Zwar ist der Wortlaut der Vereinbarung insoweit nicht eindeutig, denn ein "Ausscheiden im Jahr 2006" kann auch ein Ausscheiden im Verlauf des Jahres 2006 sein. Da der Kläger jedoch mit der Insolvenzschuldner vereinbart hat, dass er für das gesamte Jahr 2006 keine Jahressonderzahlung und kein Urlaubsgeld erhält, entspricht es dem Sinn und Zweck der "Gegenleistung" in Ziffer 5 des Änderungsvertrages, dass auch diese das gesamte Jahr 2006 umfasst. Die Vereinbarung ist daher dahingehend auszulegen, dass es darauf ankommt, ob der Kläger bis zum Ablauf des Jahres 2006 ausscheidet.

Die Kündigung vom 27.09.2006 beendet, sofern sie wirksam ist, das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2006 und führt damit zu einem Ausscheiden des Klägers noch im Jahr 2006. Denn der Zeitpunkt des Ablaufs eines Tages gehört rechtlich noch zu diesem Tag und damit zu der Frist, in die der Tag fällt (BAG vom 26.05.1992 - 10 AZR 199/90 - juris). Eine Kündigung, die zum 31.12.2006 erklärt wird, beendet das Arbeitsverhältnis somit am 31.12.2006, womit der Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses noch im Jahr 2006 stattfindet.

d) Entgegen der Ansicht des Beklagten gilt Ziffer 5 der Änderungsvereinbarung vom 05.01.2006 auch für den Fall der Betriebsschließung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Für eine einschränkende Auslegung der Vereinbarung dahingehend, dass die (betriebsbedingte) Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Zustimmung des Betriebsrats dann nicht bedarf, wenn über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet und der Betrieb stillgelegt wird, enthält deren Wortlaut keine Anhaltspunkte. Diese ist auch nicht deshalb geboten, weil der Vereinbarung das Ziel zugrunde lag, den Betrieb zu erhalten und die Arbeitnehmer auf die Jahressonderzahlung und das Urlaubsgeld verzichtet haben, um ihren Beitrag dazu zu leisten, während andererseits Kündigungen an die Zustimmung des Betriebsrats gebunden wurden. Denn der Wortlaut der Vereinbarung ist insofern eindeutig, als weder für den Fall der Insolvenz noch für den Fall der Betriebsstilllegung eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis vorgesehen ist.

Da einerseits ein Betrieb nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch fortgeführt und andererseits auch ohne Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geschlossen werden kann, lässt sich mit dem Zweck einer solchen beschäftigungssichernden Vereinbarung auch nicht begründen, warum das Zustimmungserfordernis nur dann entfällt, wenn der Betrieb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen wird und deshalb den Arbeitnehmern gekündigt werden muss (abweichend BAG vom 19.01.2000, a.a.O., für eine tarifvertragliche Vereinbarung). Würde Ziffer 5 der Änderungsvereinbarung aber einschränkend dahingehend ausgelegt, dass das Zustimmungserfordernis nicht zu beachten ist, wenn der Betrieb - unabhängig von einer Insolvenz - geschlossen wird, würde dies dem Zweck der Gesamtvereinbarung gerade widersprechen. Denn durch das Zustimmungserfordernis soll eine Verbesserung des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses erreicht werden, während von den Arbeitnehmern "im Gegenzug" auf Teile der Vergütung verzichtet wird. Dieses Gegenseitigkeitsverhältnis wäre gestört, wenn die Verstärkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei einer Stilllegung des Betriebs nicht zum Tragen kommt, die Arbeitnehmer aber gleichwohl keine Jahressonderzahlung und kein Urlaubsgeld erhalten. Mit einer solchen Auslegung der Änderungsvereinbarung vom 05.01.2006 musste der Kläger nicht rechnen, weil der Wortlaut hierfür keine Anhaltspunkte enthält.

3. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Beklagte den Betriebsrat vor der vorsorglich erklärten Kündigung vom 25.01.2007 gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß angehört. Er hat ihm die Kündigungsgründe mitgeteilt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind (BAG vom 18.10.2006, AP Nr. 163 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m. w. N.). Dies hat der Beklagte mit dem Schreiben vom 10.01.2007 getan, denn darin hat er dargestellt, dass er den Betrieb der Insolvenzschuldnerin eingestellt hat, aus welchen Gründen er diesen Beschluss gefasst hat, und dass die Kündigung vorsorglich erklärt werden soll für den Fall, dass die vorher ausgesprochene Kündigung der Zustimmung des Betriebsrats bedurfte. Damit war der Betriebsrat in der Lage, zu erkennen, welche Überlegungen den Beklagten bewogen haben, das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut zu kündigen.

Soweit der Kläger darüber hinaus rügt, dass der Betriebsrat das von diesem zu beachtende Verfahren nicht eingehalten hat, greift dieser Einwand schon deshalb nicht durch, weil Fehler, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats entstehen, grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG führen (BAG vom 16.01.2003, AP Nr. 129 zu § 102 BetrVG 1972).

Die Kündigung ist auch nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Selbst der Kläger macht nicht geltend, dass der Betrieb nicht mit Ablauf der Kündigungsfrist stillgelegt war. Damit bestehen dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Insolvenzschuldnerin entgegenstehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 92 Abs. 1 Satz 1, 344 ZPO.

Die Zulassung der Revision für den Beklagten erfolgte nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Für den Kläger war die Revision nicht zuzulassen, da hinsichtlich der Kündigung vom 25.01.2007 über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu entscheiden war (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) und die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision nicht ersichtlich sind (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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