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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 1078/07
Rechtsgebiete: MTArb, TVöD, TVG
Vorschriften:
MTArb § 15 Abs. 3 | |
TVöD § 6 | |
TVG § 3 Abs. 1 | |
TVG § 4 Abs. 3 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.5.07 - 14 Ca 608/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien, die kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit tarifgebunden sind, streiten darüber, ob eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag über die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit gestützt auf § 15 Abs. 3 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter des Bundes (MTVArb) nach Inkrafttreten des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) weiter gilt.
Der am 20.05.1958 geborene Kläger ist seit dem 01.07.1979 bei der Beklagten im Bereich der Wehrbereichsverwaltung West, zuletzt als Landwirt / Unimogfahrer im Servicebereich des BwDLZ Düsseldorf, zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.665,39 € beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 02.07.1979, der unter Ziffer 2 regelt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen bestimmt, und der die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mit z.Z. 40 Stunden angibt.
In der Folgezeit schlossen die Parteien drei schriftliche Vereinbarungen zur Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit:
In der Nebenabrede vom 22.08.1979 zum Arbeitsvertrag heißt es u.a. wie folgt:
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wird ab 01.10.1979 wegen notwendiger Vor- und Abschlussarbeiten auf 43 Stunden verlängert.
Der Zusatzvertrag vom 31.03.1989 zum Arbeitsvertrag lautet u.a.:
Die regelmäßige Arbeitszeit wird mit Wirkung vom 01.04.1989 gemäß § 15 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 MTB II wegen notwendiger Vor- und Abschlussarbeiten um 3 Stunden wöchentlich verlängert.
Unter dem am 19.02.2002 geschlossenen Zusatzvertrag zum Arbeitsvertrag heißt es u.a.:
Die regelmäßige Arbeitszeit für die mit Zusatzvertrag vom 31.03.1989 vereinbarten Vor- und Abschlussarbeiten wird mit Wirkung vom 01.01.2002 gemäß § 15 (3) i.V.m. § 19 (2) MTArb aufgrund fachlich notwendiger Gegebenheiten um 0,5 Stunden auf insgesamt 2,5 Stunden wöchentlich reduziert.
Die von dem Kläger aufgrund der Vereinbarungen geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden wurden als normale Arbeitszeit ohne Zuschläge vergütet.
Mit Wirkung zum 01.10.2005 wurde der Kläger in den TVöD übergeleitet. Für die Monate Oktober bis Dezember 2005 zahlte die Beklagte an ihn weiter auf der Basis zusätzlicher 10,87 Arbeitsstunden pro Monat jeweils 174,25 € brutto. Mit der Gehaltsabrechnung für Januar 2006 zog sie diese Beträge wieder ab. Für geleistete Mehrarbeit in der Zeit vom 01.10.2005 bis zum 16.01.2006 zahlte sie 470,11 € brutto nach.
Mit Schreiben vom 31.01.2006 forderte der Kläger von der Beklagten für die Monate Oktober bis Dezember 2005 die Zahlung von jeweils 174,25 € brutto. In der Zeit vom 18.01.2006 bis zum 13.09.2006 war er arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 11.07.2006 machte er die zusätzliche Zahlung auch für die Monate Januar, September und Oktober 2006 geltend. Die Beklagte lehnte die Ansprüche ab.
Mit seiner am 25.01.2007 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten Klage verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Er hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Anspruch auf die Leistung zusätzlicher 2,5 Arbeitsstunden pro Woche sei durch die Änderung des Tarifvertrages nicht weggefallen. Mit den Zusatzverträgen seien keine rein tariflich vorgesehenen Vereinbarungen geschlossen worden. Es habe sich vielmehr um eigenständige Regelungen gehandelt. Diese seien für ihn günstig, da er hierdurch ein höheres Arbeitsentgelt erziele. Zur Aufhebung der Zusatzverträge habe es einer Änderungskündigung bedurft. Die Beklagte schulde daher für die Monate Oktober bis Dezember 2005, Januar, September und Oktober 2006 unter Abzug des für Mehrarbeit geleisteten Entgelts restliche Zahlung von 575,39 € brutto.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 575,39 brutto zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab November 2006 monatlich € 174,25 brutto zusätzlich zu der tariflichen Vergütung zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn mit 2,5 Arbeitsstunden wöchentlich zusätzlich zu der tariflich üblichen wöchentlichen Arbeitszeit zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, mit Inkrafttreten des TVöD sei die tarifliche Grundlage für die mit dem Kläger vereinbarte Arbeitszeitverlängerung entfallen.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit seinem am 26.04.2007 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 19.02.2002 sei aufgrund der Tarifbindung der Parteien mit Inkrafttreten des TVöD zum 01.10.2005 rechtsunwirksam geworden. § 6 TVöD, der § 15 Abs. 3 MTArb abgelöst habe, enthalte nicht mehr die Möglichkeit der Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit bis zu 10 Stunden täglich. Deshalb könne die Zusatzvereinbarung gemäß § 4 Abs. 3 TVG ihre Wirksamkeit nur behalten, wenn sie für den Kläger günstiger sei. Dies sei nicht festzustellen. Vielmehr erscheine die tarifliche Regelung günstiger, da danach zusätzlich geleistete Arbeitsstunden mit Mehrarbeitszuschlägen zu vergüten seien.
Gegen das ihm am 21.05.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 18.06.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem hier am 16.07.2007 eingereichten Schriftsatz begründet.
Der Kläger macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor Allem geltend:
Der TVöD verdränge die arbeitsvertragliche Regelung zwischen den Parteien nicht. In diesem Tarifvertrag sei nur die regelmäßige Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers geregelt, nicht aber die der Regelung im Einzelarbeitsvertrag vorbehaltene individuelle Arbeitszeit. Im Streitfall liege eine individuelle Vereinbarung vor. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die Arbeitszeitverlängerung einvernehmlich und schriftlich geregelt worden sei und über 28 Jahre Bestand gehabt habe. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass er auch in Zukunft die verlängerten Arbeitszeiten leisten könne. § 15 Abs. 3 MTArb sei im Übrigen in der Vergangenheit nicht einschlägig gewesen. Die tarifliche Regelung erfasse nur die kurzfristige Verlängerung der Arbeitszeit, räume aber keine Dauerregelungsbefugnis ein. Er habe während der zusätzlichen Arbeitstunden auch keine Vor- und Abschlussarbeiten verrichtet, vielmehr sei die Arbeitszeitverlängerung genutzt worden, um die Fahrzeuge regelmäßig zu warten und zu pflegen. Ein zeitlicher Zusammenhang zur Überleitung in den TVöD bestehe außerdem nicht. Die Beklagte selbst habe nach Inkrafttreten des TVöD zunächst keine Veränderungen vorgenommen, sondern die einzelvertragliche Vereinbarung für weitere drei Monate umgesetzt. Angesichts dieser Umstände scheide eine einseitige Änderungsbefugnis ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung aus. Auf den vom Arbeitsgericht angestellten Günstigkeitsvergleich komme es nicht an. Die arbeitsvertraglichen Regelungen seien aber jedenfalls auch für ihn günstiger. Denn danach habe er einen Anspruch auf die Leistung der zusätzlichen Arbeitsstunden und damit auf eine höhere Vergütung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26.04.2007 abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 575,39 € brutto zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab November 2006 monatlich 174,25 € brutto zusätzlich zu der tariflichen Vergütung zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn mit 2,5 Arbeitsstunden wöchentlich zusätzlich zu der tariflich üblichen wöchentlichen Arbeitszeit zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt in der Berufungserwiderung in erster Linie das angefochtene Urteil und trägt im Weiteren vor:
Sie habe mit dem Kläger keine individuellen Vereinbarungen außerhalb des Geltungsbereichs der Tarifverträge geschlossen. Mit den Zusatzverträgen seien nur die aus § 15 Abs. 3 MTArb folgenden Möglichkeiten umgesetzt worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ausdrücklich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die Berufung des Klägers, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die der Höhe nach unstreitigen Zahlungsansprüche nicht zu. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihn mit 2,5 Arbeitsstunden wöchentlich zusätzlich zu der tariflich geregelten regelmäßigen Arbeitszeit zu beschäftigen. Aus den in dem Zusatzvertrag zum Arbeitsvertrag vom 19.02.2002 i.V. mit dem Zusatzvertrag vom 31.03.1989 getroffenen Vereinbarungen kann der Kläger seit Inkrafttreten des TVöD mit dem 01.10.2005 keine Rechte mehr herleiten.
I.
Der Zusatzvertrag vom 19.02.2002 beinhaltet keine eigenständige von den auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträgen unabhängige Regelung. Er gibt dem Kläger einen Anspruch auf längere Beschäftigung für Vor- und Abschlussarbeiten nur im tariflich zulässigen Rahmen. Die Vereinbarung diente der Umsetzung des § 15 Abs. 3 MTArb.
1. Nach § 15 Abs. 3 MTArb konnte die regelmäßige Arbeitszeit bis zu 10 Stunden täglich verlängert werden, wenn Vor- und Abschlussarbeiten erforderlich waren. In welcher Weise die Änderung der Arbeitszeit herbeizuführen war, ist tariflich nicht ausdrücklich geregelt gewesen. Rechtlich möglich waren neben einer entsprechenden einseitigen Anordnung des Arbeitgebers auch einzelvertragliche Vereinbarungen mit dem Arbeitnehmer (vgl. BAG vom 26.06.1985 - 4 AZR 585/83 - AP TVAL II § 9 Nr. 4 zu der entsprechenden Regelung in § 9 Nr. 2 TVAL II).
2. Von der Möglichkeit einer einzelvertraglichen Vereinbarung haben die Arbeitsvertragsparteien mit dem Zusatzvertrag vom 19.02.2002 Gebrauch gemacht. Zu diesem Ergebnis führt die Auslegung der Vereinbarung.
a. Nach §§ 133, 157 BGB bestimmt sich die Auslegung von Willenserklärungen/Verträgen nach dem objektiven Verständnis des Erklärungsempfängers. Der Empfänger darf der Erklärung nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen. Er ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend ist dabei im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 133 Rdn. 9).
b. Schon der Wortlaut des Zusatzvertrages vom 19.02.12002 stellt klar, dass die Vereinbarung auf einer tariflichen Grundlage beruht und nicht unabhängig von den tariflichen Regelungen zu verstehen ist. Soweit es darin heißt, dass die regelmäßige Arbeitszeit für die vereinbarten Vor- und Abschlussarbeiten...gemäß § 15 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 2 MTArb aufgrund fachlich notwendiger Gegebenheiten auf 2,5 Stunden wöchentlich reduziert werde, macht die ausdrückliche Benennung der Tarifnorm und ihrer Tatbestandsvoraussetzungen deutlich, dass die Vereinbarung ihrer Umsetzung dient.
c. Auch die vorausgegangenen zwei Vereinbarungen zur Verlängerung der Arbeitszeit enthalten den Hinweis auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 3 MTB II bzw. MTArb (notwendige Vor- und Abschlussarbeiten). Damit ist durchgängig ein klarer Bezug zu der zugrunde liegenden Tarifnorm hergestellt worden. Der Zusatzvertrag zum Arbeitsvertrag vom 31.03.1989 benennt darüber hinaus, wie die Vereinbarung vom 19.02.2002, die Rechtsgrundlage auch ausdrücklich.
d. Für dieses Auslegungsergebnis spricht ferner, dass die Parteien in dem Arbeitsvertrag vom 02.07.1979 vereinbart haben, dass sich ihr Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes und den diesen ersetzenden oder ändernden Tarifverträgen bestimmt. Der Kläger konnte danach von vornherein nur damit rechnen, dass die Beklagte sich im Rahmen des Tarifvertrages halten werde. Er hat selbst nicht behauptet, dass diese sich in einzelnen Punkten darüber hinweggesetzt und z.B. übertarifliche Leistungen erbracht habe.
e. Zu berücksichtigen ist im Weiteren, dass es sich bei der Beklagten um einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes handelt. Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen, gesetzliche und tarifliche Regelungen gebunden. Sie sind anders als private Arbeitgeber gehalten, die Bedingungen des Dienst- und Tarifrechts sowie die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zu beachten, können daher bei der Schaffung materieller Arbeitsbedingungen nicht autonom wie ein Unternehmer der privaten Wirtschaft handeln. Aus diesem Grunde gilt im Zweifel, dass sie lediglich Normvollzug betreiben wollen. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muss grundsätzlich davon ausgehen, dass ihm sein Arbeitgeber lediglich die Leistungen gewähren will, zu denen dieser rechtlich verpflichtet ist oder die ihm tariflich möglich sind. Er darf nur auf eine korrekte Anwendung der aktuell geltenden rechtlichen Regelungen vertrauen. Ohne besondere Anhaltspunkte darf er auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen nicht annehmen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unabhängig von einer zugrunde liegenden normativen Regelung unbefristet beibehalten (BAG 09.02.2005 - 5 AZR 164/04 - EzA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 6; BAG 14. 09.1994 - 5 AZR 679/93 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 46; BAG 11. 10.1995 - 5 AZR 802/94 - AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9; BAG 29. 05.2002 - 5 AZR 370/01 - EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 10, zu III 1 der Gründe).
Auch diese Überlegungen mussten den Kläger zu dem Schluss führen, dass die Beklagte sich nur im tariflich zulässigen Rahmen verpflichten wollte.
f. Auch das über 28 Jahre lange Festhalten der Parteien an der Verlängerung der Arbeitszeit rechtfertigt nicht den Schluss, die Beklagte habe sich unabhängig von den tarifvertraglichen Regelungen binden wollen. Da die einvernehmliche Verlängerung der Arbeitszeit erkennbar nur der Umsetzung der über den Zeitraum geltenden tarifvertraglichen Regelung diente, durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass es auch bei Wegfall der tarifvertraglichen Ermächtigungsgrundlage dabei bleiben werde. Insoweit liegt der Fall anders als bei einer Leistungsgewährung aufgrund betrieblicher Übung. Nach der st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts kommen diese Grundsätze gerade nicht zum Tragen, wenn - wie im Streitfall - eine kollektiv- oder individualrechtliche Grundlage für die Leistungsgewährung besteht (vgl. BAG vom 24.11.2004 - 10 AZR 202/04 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 70 m.w.N.).
g. Soweit der Kläger darauf hinweist, § 15 Abs. 3 MTArb habe eine Dauerregelung nicht zugelassen und die tariflichen Voraussetzungen seien ohnehin nicht erfüllt gewesen, da die Arbeitszeitverlängerung nur dazu genutzt worden sei, die Fahrzeuge regelmäßig zu warten und zu pflegen, mag dahingestellt bleiben, ob dies zutreffend ist. Eine rechtsbegründende von den tariflichen Regelungen unabhängige Einigung über die Verlängerung der Arbeitszeit ließe sich daraus nur ableiten, wenn die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen wären, die Vereinbarungen genügten nicht den tariflichen Vorgaben. Dafür, dass die Parteien die Zusatzvereinbarung in Ansehung klarer Tarifwidrigkeit geschlossen haben, sind indes keine Anhaltspunkte vorhanden und vom Kläger auch nicht aufgezeigt worden.
II.
Mit Inkrafttreten des TVöD zum 01.10.2005 ist die unter § 15 Abs. 3 MTArb vorgesehene Möglichkeit der Verlängerung der Arbeitszeit und damit die Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers auf eine verlängerte Arbeitszeit weggefallen.
1. Der TVöD, der den MTArb abgelöst hat, enthält keine dem § 15 Abs. 3 MTVArb entsprechende oder vergleichbare Regelung. In § 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a TVöD wird die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Beschäftigten des Bundes mit durchschnittlich 39 Stunden festgelegt. § 6 Abs. 5 TVöD regelt des Weiteren, dass die Beschäftigten im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Schichtarbeit sowie zu Bereitschaftsdiensten, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet sind. Die Abs. 6 und 7 des § 6 TVöD gestatten, durch Betriebs-/Dienstvereinbarung Arbeitszeitkorridore bzw. Rahmenzeiten von bis zu 12 Stunden täglich einzuführen. Eine abweichende individualrechtliche Regelung, wie die Parteien sie vorliegend getroffen haben, ist nicht vorgesehen.
2. Da die Zusatzvereinbarung vom 19.02.2002 nur der Umsetzung des früheren § 15 Abs. 3 MTArb diente, ist mit dem ersatzlosen Wegfall der Tarifnorm die Voraussetzung für die zwischen den Parteien vereinbarte verlängerte Arbeitszeit entfallen. Einer Änderungskündigung zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit bedurfte es mithin mangels arbeitsvertraglichen Anspruchs des Klägers nicht.
Aus der Entscheidung des BAG vom 26.06.1985 - 4 AZR 585/83 - (AP TVAL II § 9 Nr. 4) lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes ableiten. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ging es um eine Arbeitszeitverkürzung im Wege einseitiger arbeitgeberseitiger Leistungsbestimmung. Das Bundesarbeitsgericht hat lediglich die Möglichkeit einzelvertraglicher Vereinbarungen und die Möglichkeit von Änderungskündigungen erwähnt, aber keine Aussagen dazu gemacht, unter welchen Voraussetzungen es einer Änderungskündigung bedarf.
III.
Soweit der Kläger einwendet, es habe kein zeitlicher Zusammenhang mit dem TVöD bestanden, und sich auf die Fortführung der Vereinbarung bis Dezember 2005 beruft, vermag die erkennende Berufungskammer dem nicht zu folgen. Die Beklagte hat die neuen tarifvertraglichen Regelungen nach und nach, teilweise erst mehrere Monate nach Inkrafttreten umgesetzt. Sie wird angesichts der Tatsache, dass es sich um ein grundlegend neues Tarifwerk und eine komplexe Materie handelt, nicht der einzige Arbeitgeber gewesen sein, dem die vollständige Umsetzung nicht punktgenau gelungen ist. Der zeitliche Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des TvöD ist dennoch nicht zu übersehen. Zumindest kann aus dem etwas späteren Reagieren der Beklagten nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger habe das Verhalten der Beklagten als Angebot auf Fortsetzung der Zusatzvereinbarung als eigenständige vom Tarifrecht unabhängige Vereinbarung verstehen können.
IV.
Selbst wenn der Zusatzvertrag vom 19.02.2002 als eine vom Tarifvertrag unabhängige Vereinbarung zur Arbeitszeit des Klägers verstanden würde, könnte er die geltend gemachten Ansprüche nicht rechtfertigen. Die Vereinbarung wäre in diesem Fall seit Inkrafttreten des TvöD mit dem 01.10.2005 - ob schon vorher, kann dahingestellt bleiben - angesichts der Tarifbindung der Parteien nach § 4 Abs. 3 TVG rechtsunwirksam.
1. Aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung der Parteien gelten die Rechtsnormen des TVöD gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend. Nach § 4 Abs. 3 TVG ist eine abweichende Regelung nur zulässig, wenn sie entweder durch den Tarifvertrag gestattet ist oder eine Änderung der Regelung zugunsten des Arbeitnehmers enthält.
2. Bei einer eigenständigen Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit würde es sich um eine vom Tarifvertrag abweichende Abmachung handeln. Nach § 6 TVöD beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich 39 Stunden. Eine einzelvertragliche Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit ist im Tarifvertrag nicht vorgesehen.
3. Eine solche Vereinbarung wäre für den Kläger nicht günstiger.
a. Das Günstigkeitsprinzip gilt nicht nur im Verhältnis von Tarifverträgen zu nachträglichen Abmachungen, sondern auch zu vortariflichen Vereinbarungen (Hamacher MAH Arbeitsrecht § 67 Rdn. 40). Es bezieht sich vor allem auf Inhaltsnormen, also auf die Verbesserung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers bei Entgelt, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall usw. Ob ein individueller oder kollektiver Günstigkeitsvergleich vorzunehmen ist, hängt von dem Schutzzweck der Norm ab. Wird durch eine Tarifnorm allein der einzelne Arbeitnehmer geschützt, so ist ein individueller Vergleich vorzunehmen d.h., es ist zu prüfen, ob die individuelle Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist oder nicht (vgl. ErfK-Schaub § 4 TVG Rdz. 62). Ein Maßstab für den Günstigkeitsvergleich ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Ein subjektiver Maßstab, der allein auf das Interesse des jeweils betroffenen Arbeitnehmers abstellt, wird abgelehnt (vgl. nur Dieterich DB 2001, 2398, 2399). Käme es allein auf den Willen des Arbeitnehmers an, würden die Tarifnormen letztlich zu dispositiven Regelungen mutieren (vgl. Annuß RdA 2000, 287, 296; Dieterich RdA 2002, 1, 3). Vielmehr ist entscheidend eine Gesamtbetrachtung eines vernünftig abwägenden Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse (vgl. LAG München vom 14.05.1990 - 2 Sa 128/90 - LAGE Nr. 3 zu § 4 TVG Günstigkeitsprinzip; ErfK-Schaub § 4 TVG Rdn. 39; Hamacher MAH Arbeitsrecht § 67 Rdn. 42). Lässt sich nicht eindeutig beantworten, welche Regelung günstiger oder ungünstiger ist, verbleibt es bei der tariflichen Regelung (BAG vom 12.04.1972 - 4 AZR 211/71 - AP TVG § 4 Günstigkeitsprinzip Nr. 13; LAG Niedersachsen vom 08.02.2000 - 7 Sa 781/99 - NZA-RR 2000, 428, 429; Wiedemann/Wank TVG § 4 Rdn. 478; ErfK-Schaub § 4 TVG Rdn. 40; Hamacher MAH Arbeitsrecht § 67 Rdn. 45).
b. Die Gesamtbetrachtung führt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Regelung in der Zusatzvereinbarung vom 19.02.2002 um eine ambivalente Abmachung handelt. Die Regelung ist für den Kläger einerseits günstig, weil er danach einen Anspruch auf längere Arbeitszeit und einen höheren Verdienst hat. Seine subjektive Sicht allein ist aber nicht entscheidend. Zu bedenken ist anderseits, dass der Kläger mit der Regelung die Verpflichtung zur Leistung zusätzlicher Arbeitsstunden übernommen hat und ihm mithin weniger Freizeit zur Verfügung steht. Hinzu kommt, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, dass der Kläger im Verhältnis zu den nach dem Tarifvertrag vergüteten Arbeitnehmern, die länger arbeiten, weniger Vergütung erhält, weil ihm nach der Regelung kein Anspruch auf die tariflichen Mehrarbeitszuschläge gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 lit. a TVöD zusteht. Kann danach aber nicht eindeutig festgestellt werden, dass die abweichende Abmachung günstiger ist, bleibt es den obigen Grundsätzen folgend bei den Vorgaben des Tarifvertrages.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht besteht ein gesetzlicher Grund (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da eine Vielzahl der im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer entsprechende Regelungen mit ihrem Arbeitgeber getroffen haben.
Ende der Entscheidung
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