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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 1922/07
Rechtsgebiete: BGB, TVG
Vorschriften:
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 3 | |
TVG § 3 Abs. 1 |
2. Ein nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB individualrechtlich fortgeltender Tarifvertrag kann auf Arbeitgeberseite nur durch den Betriebsveräußerer und auf Arbeitnehmerseite allenfalls durch sämtliche von der Weitergeltung der Tarifnormen betroffenen Arbeitnehmer gekündigt werden.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 14. Februar 2008
In dem Rechtsstreit
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14.02.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Prof. Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Böhm und die ehrenamtliche Richterin Bargenda
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 13.09.2007 - 2 Ca 3244/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Der Kläger ist seit 1981 für die Firma I. Werke Gebr. D. GmbH bzw. deren Rechtsvorgänger tätig. Über das Vermögen der Firma I. Werke Gebr. D. GmbH wurde am 01.09.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren der Kläger und die Insolvenzschuldnerin kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit an die Tarifverträge für die Sägeindustrie und verwandte Betriebe gebunden. Am 01.07.2006 übernahm die Beklagte, die jedenfalls in dem hier interessierenden Zeitraum nicht tarifgebunden war, gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB u. a. auch den in E. angesiedelten Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt ist.
Am 31.05.2005 schloss der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma I. Werke Gebr. D. GmbH, Herr Rechtsanwalt Dr. Dr. X. T., mit der IG-Metall einen Sanierungstarifvertrag, der im Wesentlichen eine vorübergehende Anhebung der nach dem Manteltarifvertrag für die Sägeindustrie geltenden wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden auf 40 Stunden sowie eine Reihe von Entgeltkürzungen enthält. In Ziffer 9 Abs. 3 des Sanierungsvertrages ist vorgesehen, dass er ohne Kündigung zum 31.12.2007 ausläuft. Unter Ziffer 7 des Sanierungstarifvertrages ist geregelt, dass er von beiden Parteien bis zum 15. eines Monats zum Monatsende schriftlich gekündigt werden kann. In einer ergänzenden Vereinbarung vom 13.07.2005 kamen der Insolvenzverwalter und die IG-Metall überein, dass das ursprünglich im Sanierungstarifvertrag (Ziffer 2 Abs. 3) für die Anhebung der individuellen Arbeitszeit vorgesehene Erfordernis einer Zustimmungserklärung des jeweiligen Arbeitnehmers entbehrlich sei.
Mit einem am 17.07.2006 - nach Betriebsübergang - zugegangenen Schreiben vom 13.07.2006 kündigte die IG-Metall den Sanierungstarifvertrag zum 31.08.2006. Mit Schreiben vom 27.08.2006 genehmigte der Kläger diese Kündigung. Hilfsweise erklärte er seinerseits die Kündigung sämtlicher "kollektiven und individuellen Vereinbarungen, die vor und nach dem 01.06.2005 am Standort E. anlässlich des Sanierungstarifvertrages getroffen worden sind (und meine individuellen Arbeitsbedingungen verschlechtert haben) erneut fristgerecht zum Monatsende".
Mit seiner am 21.12.2006 beim Arbeitsgericht Duisburg eingegangenen Klage, die er mit einem dort am 26.01.2007 eingereichten Schriftsatz erweitert hat, begehrt der Kläger auf der Basis seiner beiden Schreiben vom 27.09.2006 und 15.11.2006 die Zahlung verschiedener Differenzbeträge für die Zeit von Juli bis Oktober 2006, die allesamt darauf beruhen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis weiterhin auf der Grundlage des Sanierungsvertrages abgerechnet hat.
Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht:
Der Sanierungstarifvertrag habe nach dem Betriebsübergang vom Insolvenzverwalter auf die Beklagte keine Anwendung mehr gefunden. Denn dieser könne nach Ziffer 1 lit. b nur auf solche Arbeitnehmer angewandt werden, welche am Standort E. "für den Insolvenzverwalter" tätig seien. Auch sei die Geschäftsgrundlage des Sanierungstarifvertrages, die allein die Insolvenz und die damit einhergehende Sanierung gewesen sei, mit Übernahme des Betriebes durch die Beklagte seit dem 01.07.2006 entfallen mit der Folge, dass diese sich seitdem nicht mehr auf ihn berufen könne. Schließlich könne der Sanierungstarifvertrag jedenfalls seit dem 01.09.2006 nicht mehr angewendet werden, weil er sowohl von der IG-Metall als auch von ihm gekündigt worden sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.295,07 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2006 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.233,40 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:
Die Arbeitsbedingungen hätten sich in dem streitbefangenen Zeitraum weiterhin nach dem Sanierungstarifvertrag gerichtet. Diesen seit dem Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB in die Arbeitsverhältnisse transformierten Tarifvertrag hätte die IG-Metall mit ihrer nach dem 01.07.2006 erfolgten Kündigung nicht mehr beseitigen können. Da von der Transformation gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB nur die normativen Regelungen eines Tarifvertrages, nicht aber seine schuldrechtlichen Bestandteile erfasst würden, hätte auch der Kläger selbst durch seine Kündigung nicht die Wirkung des Sanierungstarifvertrages beenden können.
Mit seinem am 13.09.2007 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die im Sanierungstarifvertrag festgelegten Konditionen seien für den streitbefangenen Zeitraum gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Eine Transformation des Sanierungstarifvertrages in den Arbeitsvertrag der Parteien scheitere nicht daran, dass sein Geltungsbereich gemäß Ziffer 1 auf "den Betrieb des Insolvenzverwalters" (lit. a) und auf Beschäftigte, die am Standort E. "für den Insolvenzverwalter tätig sind" (lit. b) abgestellt worden sei. Dieser Bezug diene erkennbar nur der Individualisierbarkeit des Betriebes, nicht indes der Formulierung einer Ausnahmeregelung. Der gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB nach dem Betriebsübergang am 01.07.2006 fortgeltende Sanierungstarifvertrag sei nicht durch eine Kündigung entfallen. Die Kündigung der IG-Metall vom 13.07.2006 habe keine Rechtswirkung erzeugen können, da zu diesem Zeitpunkt der Sanierungstarifvertrag bereits gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Bestandteil der einzelnen Arbeitsverhältnisse gewesen sei. Die Kündigung des Klägers vom 27.06.2006 sei wirkungslos gewesen, da das tarifliche Kündigungsrecht nicht in die einzelnen Arbeitsverhältnisse gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert worden sei. Schließlich sei auch die Geschäftsgrundlage des Sanierungstarifvertrages nicht durch den am 01.07.2006 erfolgten Betriebsübergang entfallen.
Gegen das ihm am 26.09.2007 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit einem am 24.10.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.12.2007 - mit einem hier am 27.12.2007 eingereichten Schriftsatz begründet.
Der Kläger macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorringens im Wesentlichen geltend:
Durch den Insolvenztarifvertrag zum Zwecke der Sanierung der Insolvenzschuldnerin sei deren frühere tarifvertragliche Bindung nur unterbrochen worden. Die früher geltenden Tarifverträge für die Sägeindustrie und holzbearbeitende Industrie NRW seien deshalb infolge des Betriebsübergangs mit dem 01.07.2006 wieder in Kraft getreten. Die gleiche Rechtsfolge ergebe sich aus § 4 Abs. 3 TVG. Danach seien abweichende Regelungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet seien oder aber eine Änderung zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 13.09.2007 - 2 Ca 3244/06 - abzuändern und gemäß seinen erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus:
Da sich die Berufungsbegründung nicht substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetze, beständen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Im Übrigen habe die Vorinstanz substantiiert begründet, dass der Sanierungstarifvertrag unbedingt abgeschlossen worden sei. § 4 Abs. 3 TVG sei nicht anwendbar, weil jedenfalls dieser Tarifvertrag sowohl wegen des Spezialitätsprinzips als auch aufgrund der zeitlichen Abfolge dem früheren Flächentarifvertrag vorgegangen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
A.
Nicht zu Unrecht macht die Beklagte Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung des Klägers geltend.
I. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann eine Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Damit korrespondiert der notwendige Inhalt einer Berufungsbegründung nach den in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO enthaltenen Regelungen. Diese Anforderungen an eine Berufungsbegründung gelten gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren (z. B. BAG 14.10.2004 - 6 AZR 564/03 - AP Nr. 3 zu § 2 BAT SR 2 R; BAG 10.02.2005 - 6 AZR 183/04 - EzA § 64 ArbGG 1979 Nr. 40).
II. Nach der Neuregelung des Verfahrensrechtes durch das Zivilprozessreformgesetz vom 17.05.2001 (BGBl. I S. 1887) mit Wirkung ab dem 01.01.2002 kann eine Berufung gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Damit korrespondiert der notwendige Inhalt einer Berufungsbegründung nach den Bestimmungen in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 ZPO. Danach muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben, oder die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine neue Feststellung gebieten, enthalten. Diese Anforderungen an eine Berufungsbegründung gelten gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren (z. B. BAG 14.10.2004 - 6 AZR 564/03 - AP Nr. 3 zu § 2 BAT SR 2 r; BAG 10.02.2005 - 6 AZR 183/04 - EzA § 64 ArbGG 1979 Nr. 40). Wie bereits unter der Geltung des bisherigen Prozessrechtes muss in der Berufungsbegründung eine Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung stattfinden. Die Begründung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungsführer das angefochtene Urteil für unrichtig hält (z.B. BAG 14.12.2004 - 1 AZR 504/03 - EzA § 13 GmbH-Gesetz Nr. 4; BAG 14.07.2005 - 8 AZR 392/04 - EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 36). Dabei muss die Rechtsmittelbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Wenn das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen stützt, muss die Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie unzutreffend sein soll; andernfalls ist das gesamte Rechtsmittel unzulässig (vgl. BGH 10.01.1996- IV ZB 29/95 - NJW-RR 1996, 572; BGH VII ZR 25/98 - NJW-RR 2000, 685 f.; BAG 29.11.2001 - 4 AZR 729/00 - EzA § 519 ZPO Nr. 13).
III. Den vorstehenden Anforderungen an eine Berufungsbegründung nach § 513 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG dürfte der Kläger kaum nachgekommen sein. Er gesteht nämlich der Vorinstanz zu, dass sie die Kündigung des Sanierungstarifvertrages durch die IG-Metall deshalb als verspätet angesehen habe, weil es sich nur um eine tarifvertraglich wirksame Regelung gehandelt habe. Er wirft dem Arbeitsgericht dann lediglich vor, "diese Rechts-folgen nicht zu Ende gedacht" zu haben. Denn die vor Abschluss des Sanierungstarifvertrages geltenden Tarifverträge für die Sägeindustrie und holzbearbeitende Industrie NRW seien zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges am 01.07.2006 automatisch wieder in Kraft getreten, wobei sich diese Rechtsfolge auch aus § 4 Abs. 3 TVG ergebe. Hierin kann kaum eine nähere Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung gesehen werden, zumal der Kläger, jedenfalls in zweiter Instanz, weder näher das Wiederaufleben der bis zum Abschluss des Sanierungstarifvertrages geltenden Tarifverträge für die Sägeindustrie und holzbearbeitende Industrie NRW begründet noch im einzelnen dargelegt hat, wieso aus § 4 Abs. 3 TVG folgen soll, dass diese Verbandstarifverträge ab dem 01.07.2006 für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten würden, obwohl die Beklagte doch gar nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG an diese Tarifverträge gebunden war.
B.
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Berufung des Klägers zulässig ist. Jedenfalls ist sie unbegründet.
I. Zu Recht hat die Vorinstanz erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von insgesamt der Höhe nach unstreitigen 2.528,47 € brutto für die Zeit von Juli 2006 bis Oktober 2006 gemäß § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Manteltarifvertrag für die Holzbearbeitung (Sägeindustrie und verwandte Betriebe) sowie den Holzhandel im Lande Nordrhein-Westfalen (künftig: MTS) i. V. m. dem für diese Branche in dem genannten Zeitraum geltenden Lohntarifvertrag hat. Denn die Entgeltansprüche des Klägers gemäß § 611 Abs. 1 BGB richteten sich von Juli bis Oktober 2006 nach dem Sanierungstarifvertrag vom 31.05.2005 (im Folgenden: SanTV). Die ihm nach diesem Tarifvertrag zustehenden Arbeitsentgelte sind aber gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen.
II. Mit Inkrafttreten des SanTV am 01.06.2005, der die Rechtsqualität eines Firmentarifvertrages hat, verdrängte dieser aufgrund des Spezialitätsprinzips (vgl. nur Wiedemann/Wank, TVG, 7. Aufl. 2007, § 4 Rz. 298) in den hier interessierenden Entgeltfragen die zu dieser Zeit geltenden Verbandstarifverträge für die Holzbearbeitung (Sägeindustrie und verwandte Betriebe) sowie den Holzhandel in NRW, also MTS und Lohntarifvertrag. Der SanTV fand auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zum 30.06.2006 gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG Anwendung.
III. Seit dem 01.07.2006, dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs, galt der SanTV zwischen den Parteien gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch individualvertraglich.
1. Die Anwendung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB im Streitfall ist nicht etwa von vornherein aufgrund der in § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB enthaltenen Regelung ausgeschlossen. Danach gilt § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach vor dem Betriebsübergang für das Arbeitsverhältnis geltende kollektivrechtliche Normen zwischen dem neuen Inhaber des Betriebes und dem Arbeitnehmer als Vertragsrecht zumindest ein Jahr ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs unverändert fortgelten, nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages geregelt werden. Denn die Ablösung eines vor dem Betriebsübergang normativ geltenden Tarifvertrages (hier: SanTV) durch einen "anderen Tarifvertrag" i. S. von § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB setzt die kongruente Tarifgebundenheit des neuen Inhabers (hier: Beklagte) und des Arbeitnehmers (hier: Kläger) voraus (vgl. BAG 30.08.2000 - 4 AZR 581/99 - EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 13; ErfK/Preis, 8. Aufl. 2008, § 613 a BGB Rz. 123 m. w. N.). Hiervon kann im Streitfall schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Beklagte zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 01.07.2006 überhaupt nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden war. Insofern können entgegen der Ansicht des Klägers keinesfalls die bis zum 30.06.2006 gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG für das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geltenden, aber seit dem 01.06.2005 aufgrund des Spezialitätsgrundsatzes durch den SanTVG verdrängten Verbandstarifverträge für die Holzverarbeitung (Sägeindustrie und verwandte Betriebe) in NRW Anwendung finden.
2. Die Beklagte war nicht etwa nach § 3 Abs. 1 TVG an den SanTV gebunden mit der Folge, dass eine derartige kollektiv-rechtliche Fortgeltung dieses Tarifvertrages die Anwendung von § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB, der lediglich eine Auffangfunktion hat, ausschließen würde (vgl. hierzu BAG 04.07.2007 - 4 AZR 491/06 - Rz. 46, EzA § 4 TVG Tarifkonkurrenz Nr. 20). Zwar galt der SanTV vor dem Betriebsübergang für das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, wie bereits erwähnt, aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, weil der Kläger Mitglied der IG-Metall und die Rechtsvorgängerin der Beklagten Partei des SanTV waren. Durch den Betriebsübergang am 01.07.2006 ist aber für die Beklagte keine Bindung an den SanTV, der, wie bereits erwähnt, ein Firmentarifvertrag war, nach § 3 Abs. 1 TVG begründet worden, weder tarifvertraglich noch aufgrund einer Gesamtrechtsnachfolge.
a) Eine tarifvertragliche Vereinbarung über die tarifrechtliche Geltung des SanTV für die Beklagte ist nicht gegeben. Eine solche Vereinbarung läge z. B. vor, wenn die Beklagte als Betriebserwerberin mit der IG-Metall einen gleichlautenden SanTV oder eine Vereinbarung über die Übernahme dieses Firmentarifvertrages geschlossen hätte (vgl. BAG 20.06.2001 - 4 AZR 295/00 - NZA 2002, 517, 518; BAG 29.08.2001 - 4 AZR 332/00 - NZA 2002, 513, 514). Hierfür gibt es im Streitfall, nicht zuletzt in Ermangelung entsprechenden Parteivortrags, keinen Anhaltspunkt.
b) Die Beklagte ist auch nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Tarifvertragspartei des SanTV geworden. Die kollektivrechtliche Weitergeltung eines Firmentarifvertrags ist nur gegeben, wenn der Übernehmer im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch in den abgeschlossenen Firmentarifvertrag einrückt (BAG 20.06.2001 - 4 AZR 295/00 - a. a. O.; BAG 29.08.2001 - 4 AZR 332/00 -a. a. O.; BAG 04.06.2007 - 4 AZR 491/06 - Rz. 39, EzA § 4 TVG Tarifkonkurrenz Nr. 20). Im Streitfall ist aber die Beklagte in die Rechtsstellung ihrer Rechtsvorgängerin aufgrund einer Einzelrechtsnachfolge gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB getreten mit der Folge, dass die Regelungen des SanTV gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des zwischen den Parteien ab dem 01.07.2006 bestehenden Arbeitsverhältnisses wurden.
3. Da, wie dargestellt, die Verbandstarifverträge für die Holzverarbeitung (Sägeindustrie und verwandte Betriebe) seit dem 01.07.2006 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mehr gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG einwirken, steht der Anwendung des SanTV entgegen der vom Kläger zweitinstanzlich vertretenen, aber nicht näher begründeten Auffassung auch nicht das in § 4 Abs. 3 TVG normierte Günstigkeitsprinzip entgegen.
IV. Die individualrechtliche Fortgeltung des SanTV seit dem 01.07.2006 nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB dauerte im gesamten streitbefangenen Zeitraum, d. h. von Juli bis Oktober 2006, fort.
1. Zu Recht hat die Vorinstanz erkannt, dass die seit dem 01.07.2006 fortwirkende Weitergeltung des SanTV nicht zu diesem Zeitpunkt aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage dieses Tarifvertrages entfallen ist.
a) Ein Tarifvertrag, auch ein befristeter, ist außerordentlich kündbar. Die Zulässigkeit der Kündigung ergab sich bis zum Inkrafttreten des § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB am 01.01.2002 aus der Rechtsnatur des Tarifvertrages als Dauerrechtsverhältnis (vgl. BAG 18.12.1996 - 4 AZR 129/06 - EzA § 1 KSchG Fristlose Kündigung Nr. 2) und ergibt sich nun unmittelbar aus § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Wiedemann/Wank, TVG, 7. Aufl. 2007, § 4 Rz. 28). Ob neben der außerordentlichen Kündigung auch bei Tarifverträgen eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage möglich ist, ist streitig (vgl. zum Meinungsstand Wiedemann/Wank, a. a. O., § 4 Rz. 65 Fn. 142). Allgemein ist im Schuldrecht weitgehend anerkannt, dass bei Dauerschuldverhältnissen das Recht der außerordentlichen Kündigung die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage verdrängt (vgl. BGH 11.04.1957 - VII ZR 280/56 - BGHZ 24, 91, 95 f.; Wiedemann/Schultz, ZIP 1999, 1 ff.). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage vor Inkrafttreten des § 313 BGB am 01.01.2002 offengelassen (vgl. BAG 18.12.1996 - 4 AZR 129/96 - a. a. O.; BAG 18.06.1997 - 4 AZR 710/95 - EzA § 1 TVG Fristlose Kündigung Nr. 3).
b) Im Streitfall braucht die vorgenannte Frage nicht entschieden zu werden. Selbst wenn man die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage neben der außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit auch bei Tarifverträgen zulassen würde und die Insolvenz der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Streitfall annähme, hätte dies keine Auswirkung auf den individualrechtlichen Fortbestand des SanTV. Denn keinesfalls würde der Tarifvertrag ipso iure entfallen. Vielmehr gewährt § 313 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Zustimmung des anderen Vertragsteils zur Anpassung des Vertrages bzw. wenn dies nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, bei Dauerverhältnissen, wozu, wie bereits erwähnt, auch ein Tarifvertrag gehört, das Recht zur Kündigung (vgl. § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB). Beides ist im Streitfall nicht erfolgt bzw. nicht wirksam ausgeübt worden.
2. Die individualrechtliche Fortgeltung des SanTV ist auch nicht durch die von der IG-Metall bzw. dem Kläger erklärte Kündigung zum 31.08.2006 bzw. zum 30.09.2006 beendet worden.
a) Die mit Schreiben vom 13.07.2006 erfolgte Kündigung der IG-Metall, der Beklagten am 17.07.2006 zugegangen, ging "ins Leere". Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs war die IG-Metall aufgrund des nur noch individualvertraglich gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB fortgeltenden SanTV nicht mehr Partei dieses Tarifvertrages, konnte ihn also auch gar nicht mehr kündigen.
b) Eine Kündigungsbefugnis fehlte aber auch dem Kläger mit der Folge, dass die von ihm unter dem 27.08.2006 erfolgte Genehmigung der Kündigung des SanTV durch die IG-Metall auch in seinem eigenen Namen bzw. die gleichzeitig erfolgte hilfsweise Kündigung fristgerecht zum Monatsende (d. h. gemäß Ziffer 7 Abs. 1 SanTV zum 30.09.2006) keine Rechtswirkung haben konnte.
aa) Nach der ausdrücklichen Regelung in § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB werden nur Rechtsnormen eines Tarifvertrages in das Arbeitsverhältnis transformiert. Was darunter zu verstehen ist, ist in § 1 Abs. 1 TVG geregelt, wobei die Transformation in das Individualarbeitsverhältnis durch § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB nur für Inhaltsnormen unstreitig ist (vgl. zum Meinungsstand Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Aufl. 2007, § 3 Rz. 245). Das Recht, den in das Arbeitsverhältnis transformierten Tarifvertrag zu kündigen, zählt hierzu nicht.
bb) Auf Arbeitgeberseite bleibt deshalb ausschließlich der Betriebsveräußerer zur Kündigung berechtigt (vgl. Wiedemann/Oetker, a. a. O., § 3 Rz. 239 mit Nachw. in Fn. 224). Auf Arbeitnehmerseite kann keinesfalls der einzelne Arbeitnehmer eine auf die fortwirkenden Tarifnormen beschränkte Kündigung aussprechen und zwar auch dann nicht, wenn das Kündigungsrecht von § 613 a Abs 1 Satz 2 BGB erfasst würde. Hierbei würde es sich um eine grundsätzlich im Individualarbeitsrecht ausgeschlossene Teilkündigung (vgl. nur BAG 25.02.1988 - 2 AZR 346/87 - AP Nr. 18 zu § 611 BGB ArztKrankenhausvertrag; BAG 23.08.1989 - 5 AZR 569/88 - AP Nr. 3 zu § 565e BGB; BGH 05.11.1992 - IX ZR 200/91 - EzA § 622 BGB Teilkündigung Nr. 6; APS/Preis, 3. Aufl. 2007, Grundlagen E Rz. 13 m. w. N.) handeln. Denkbar wäre allenfalls eine Kündigungsbefugnis sämtlicher von der Weitergeltung der Tarifnormen gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB betroffenen Arbeitnehmer (vgl. hierzu Hanau/Vossen, Festschrift für Hilger/Stumpf, 1983, S. 271, 294 i. V. m. S. 283). Eine solche ist jedoch im Streitfall nicht erfolgt.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Ende der Entscheidung
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