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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 12 Sa 1190/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 626 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 05.06.2008 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
A. Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung, zu deren Rechtfertigung die Beklagte sich auf einen Vorfall am 22.01.2008 beruft.
Der Kläger, 47 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder, trat am 01.07.1987 als Hausarbeiter/Hilfspfleger in die Dienste der Beklagten, die in N. ein diakonisches Krankenhaus mit ca. 1.000 Mitarbeitern betreibt. Er war seither im Bereich "Zentrale Transportdienste" tätig. Dort sind im Schichtdienst insgesamt ca. 20 Arbeitnehmer eingesetzt. Vorübergehend - von Juli 2005 bis September 2006 - nahm der Kläger in diesem Bereich auch die Funktion des Gruppenleiters wahr. Seit dem 01.02.2007 übt der Mitarbeiter K. diese Funktion aus und ist als solcher dem Kläger vorgesetzt.
Die Mitarbeiter im Bereich "Zentrale Transportdienste" duzen sich. Nach Behauptung des Klägers herrscht zwischen ihnen ein als rauh und jovial zu bezeichnender Umgangston; nach Behauptung der Beklagten ist es nicht so, dass Vorgesetzte und Mitarbeiter sich als Ausdruck der Jovialität mit Ausdrücken wie "Arsch" und "Faules Schwein" belegen.
Der Kläger pflegte eine halbe Stunde vor Dienstbeginn (7.30 Uhr) am Arbeitsplatz zu sein und zu frühstücken. Am 22.01.2008 erschien er erst um 7.30 Uhr, als der Gruppenleiter K. mit den Mitarbeitern V., E. und W. bereits die Frühbesprechung in seinem Büro im Tiefgeschoss des Krankenhauses abhielt. Der Kläger bemerkte bei seinem Erscheinen: "So ein Scheiß, ich hab noch keinen Kaffee gehabt, weil die Straßenbahn zu spät war." Als der Gruppenleiter K. im Hinblick auf den hohen Krankenstand (3 von 7 Mitarbeitern fehlten) die Erschienen zur sofortigen Arbeitsaufnahme anhielt, kam es zwischen ihm und dem Kläger zu einem lautstarken Wortwechsel, weil der Kläger, von K. angewiesen, die Essenswagen von der Küche zu den Stationen zu bringen, zuerst "Zeit für seinen Kaffee" reklamierte. In der Folge äußerte der Kläger gegenüber K. "Beweg selber deinen Arsch" und fügte - nach streitiger Behauptung der Beklagten - hinzu "Du bist ja auch ein faules Schwein", woraufhin K. sinngemäß geantwortet habe "Das geht so nicht!". Danach verließ der Kläger den Raum unter lautem Zuschlagen der Tür - wie die Beklagte behauptet - und ging an die Arbeit. Ca. 2 Stunden später trafen der Kläger und K. im Aufzug aufeinander. In der in ruhigem Ton geführten Unterhaltung fragte K. den Kläger, ob er sich beruhigt habe, was der Kläger bejahte.
Nachdem K. sich unmittelbar nach dem Vorfall bei seiner vorgesetzten Stelle über das Verhalten des Klägers beschwert hatte, hörte diese die Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Nach deren Widerspruch erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 24.01.2008 "wegen der am 22.01.2008 gegenüber Herrn K. im Beisein von 3 weiteren Mitarbeitern gemachten Äußerungen, die wir als grobe Beleidigung und Untergrabung der Autorität des Herrn K. sehen", die außerordentliche Kündigung zum 29.01.2008.
Am 28.01.2008 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Oberhausen Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage eingereicht.
Im Prozess hat die Beklagte eine Abmahnung vom 13.01.1997 und eine Ermahnung vom 16.12.2005 vorgelegt und auf eine vom Disponenten B. über das Arbeitsleistungsverhalten des Klägers im Juli 2006 wiederholt geführte Beschwerde verwiesen. Durch seine verbale Entgleisung am 22.01.2008 habe der Kläger - so hat sie vorgetragen - nicht nur den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt und die Autorität des Gruppenleiters K. untergraben, sondern auch gegen die Verhaltenspflichten sowie das Leitbild für die Mitarbeiter eines Evangelischen Krankenhauses verstoßen und den Ruf des Krankenhauses massiv geschädigt.
Der Kläger hat seine Heftigkeit am 22.01.2008 als einmaliges Fehlverhalten bedauert.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 05.06.2008 der Klage stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Sie beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage. Der Kläger verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.
B. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben. Die Kammer macht sich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils zu eigen. Auf die Angriffe der Berufung ist das Folgende anzufügen.
I. 1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 21.01.1999, 2 AZR 665/98, AP Nr. 151 zu § 626 BGB), der die Kammer folgt (LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.07.2004, 12 Sa 620/04, LAGE Nr. 85 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung) stellen grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und sind an sich geeignet, eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn diese eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens, der betrieblichen Ordnung und des reibungslosen Betriebsablaufes verursachen. Dabei kommt es kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend darauf an, wie das inkriminierte Erklärungsverhalten strafrechtlich einzuordnen ist, sondern ob dem Arbeitgeber wegen des Verhaltens des Arbeitnehmers nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist (BAG, Urteil vom 10.10.2002, 2 AZR 418/0, EzA Nr. 1 zu § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit). Zum einen dürfen Arbeitnehmer vom Arbeitgeber den Schutz ihrer Würde und körperlichen Unversehrtheit erwarten, so dass der Arbeitgeber gegen Störenfriede, die Auseinandersetzungen anzetteln oder durch (exzessive) Überreaktionen verschärfen, vorgehen und Eskalationen (Provokation, Beleidigung, Tätlichkeit) verhindern muss. Zum anderen liegt es im eigenen betrieblichen Interesse des Arbeitgebers, dass der Arbeitsablauf und die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch Beleidigungen und Tätlichkeiten beeinträchtigt werden, dies u.U. mit der Folge von Ablaufstörungen, Arbeitsausfällen, Arbeitsversäumnissen und Eigenkündigungen von Arbeitnehmern (vgl. BAG, Urteil vom 31.03.1993, 2 AZR 492/92, AP Nr. 32 zu § 626 BGB Ausschlussfrist). Im Kündigungsrecht im Allgemeinen und für die Interessenabwägung im Besonderen ist dieses berechtigte Anliegen unter dem Aspekt der Generalprävention allerdings ein nur begrenzt tragfähiger Gesichtspunkt (BAG, Beschluss vom 16.12.2004, 2 ABR 7/04, AP Nr. 191 zu § 626 BGB).
Ob eine grobe Beleidigung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt, ist nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände zu klären (Schmitz-Scholemann, BB 2000, 926 ff.). Die einmalige grobe Beleidigung von Arbeitskollegen wird vor allem nach einem langjährig und ungestört verlaufenen Arbeitsverhältnis eher selten als an sich wichtiger Grund oder als Ergebnis der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung ausreichen. Vielmehr bedarf es vor Ausspruch einer Kündigung meist einer Abmahnung. Anders liegen die Dinge bei vielfachen und/oder besonders groben (schwersten) Beleidigungen. In solchen Fällen kann der Arbeitnehmer auch dann, wenn ein rauher Umgangston herrscht, nicht ernsthaft damit rechnen, dass der Arbeitgeber sein Verhalten tolerieren werde (BAG, Urteil vom 10.10.2002, 2 AZR 418/01, AP Nr. 180 zu § 626 BGB, vgl. Urteil vom 30.09.1993, 2 AZR 188/93, EzA Nr. 152 zu § 626 n. F. BGB).
2. Nach diesen Maßstäben sind in der Rechtsprechung grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen oder Vorgesetzten einzelfallabhängig als Kündigungsgrund anerkannt oder abgelehnt worden (z.B. Thüringer LAG, Urteil vom 13.02.2001, 5 Sa 27/2000, "arrogantes Schwein", "ein paar in die Fresse hauen", LAG Köln, Urteil vom 18.04.2006 9 Sa 1623/05, "als Chef ein Ass, aber als Mensch ein Arschloch", LAG Rheinland-Pfalz, Urteil 08.11.2000 9 Sa 967/00, "Du bist ein Arschloch" (Äußerung einer sich belästigt fühlenden Arbeitnehmerin in der Probezeit), LAG Niedersachsen, Beschluss vom 25.10.2004, 5 TaBV 96/03, "Arschlöcher" (Betriebsratsvorsitzender über anwesende Marktleiter), LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.01.2000, 9 Sa 473/99, "dummes Schwein", "faules Schwein", Hessisches LAG, Urteil vom 02.10.2001, 2 Sa 879/01, "Fauler Sack, faules Biest, faule Sau ... ", Hessisches LAG, Urteil vom 13.02.1984, 11 Sa 1509/83, und LAG München, Urteil vom 20.12.1967, 5 Sa 280/67 N, "Leck mich am Arsch" (Götzzitat), Hessisches LAG, Urteil vom 10.11.2006, 3 Sa 1495/05, "keinen Arsch in der Hose").
II. In Anwendung dieser Grundsätze gilt folgendes:
1. Mit dem Arbeitsgericht kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger es nicht bei der Äußerung "Beweg selber deinen Arsch" beließ, sondern gleichzeitig den Gruppenleiter K. als "auch ein faules Schwein" bezeichnete, wobei er - unstreitig - die Verbalinjurie lautstark "vor versammelter Mannschaft" tätigte. Hiernach ist von einer groben Beleidigung auszugehen. Die Mitarbeiter in der Abteilung "Zentrale Transportdienste", die sich untereinander duzen, mögen zwar einen rauhen und lockeren Umgangston pflegen. Damit entfällt jedoch nicht der Befund, dass der Kläger am Morgen des 22.01.2008 den K. beleidigte. Denn als er ausfallend wurde, geschah dies nicht in einer Situation arbeitstypischer Lockerheit, sondern in deutlich zum Ausdruck gebrachter starker Verärgerung darüber, dass K. ihm, der sich wegen Verspätung der Straßenbahn schon um das gewohnte Frühstück vor Dienstbeginn gebracht sah, die Einnahme eines Kaffees vor der eigentlichen Arbeitsaufnahme verweigerte und ihn aufforderte, sofort damit zu beginnen, die Essenswagen von der Küche zu den Stationen zu bringen.
Indem die Arbeitsordnung des K. zweifelsfrei im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts (§ 106 GewO) lag, wirkten die vom Kläger verwendeten Kraftausdrücke schon als grobe Beleidigung. Sie gingen indessen nicht darüber hinaus, waren insbesondere nicht Glied einer vielfachen Beleidigungskette und nach der Wortwahl und den Begleitumständen keine besonders grobe, schwerste Beleidigung. Da der Kläger sich unstreitig der Anordnung des K. fügte, wurde dessen Autorität auch nicht nachhaltig untergraben.
2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile das Bestandsinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt und es dieser zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.
a) Die bei der gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen (BAG, Urteil vom 27.04.2006, 2 AZR 415/05, AP Nr. 203 zu § 626 BGB). Bezogen auf die Person des Arbeitnehmers kommt zunächst der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen beanstandungsfreiem Bestand ein besonderes Gewicht zu (BAG, Beschluss vom 16.12.2004, 2 ABR 7/04, AP Nr. 191 zu § 626 BGB). Außerdem kann das Lebensalter des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, insbes. dann, wenn eine Beziehung zum Kündigungsvorwurf erkennbar ist und es seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst. Die Unterhaltspflichten und der Familienstand haben bei einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung eher marginale Bedeutung, sind jedoch von der Einbeziehung in die Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen, weil sie das Gewicht des Arbeitnehmerinteresses an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes mit prägen (BAG, Beschluss vom 16.12.2004, 2 ABR 7/04, AP Nr. 191 zu § 626 BGB).
Bezogen auf das betriebliche Beendigungsinteresse des Arbeitgebers sind in erster Linie die Schwere der begangenen Pflichtverletzung, das Bestehen einer Wiederholungsgefahr und auch das Maß der dem Arbeitgeber entstandenen Schädigung von Bedeutung. Weiterhin ist in Betracht zu ziehen, ob dem Verhalten des Arbeitnehmers eine besondere Verwerflichkeit und ein hoher Verschuldensgrad inne wohnt.
Bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung ist schließlich zu prüfen, ob anstelle der außerordentlichen Kündigung eine mildere Maßnahme, z.B. eine Ermahnung, Abmahnung, eine Änderungs- oder ordentliche Beendigungskündigung, als Reaktion des Arbeitgebers angemessen und ausreichend gewesen wäre (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.2000, 2 AZR 131/00, AP Nr. 169 zu § 626 BGB, Urteil vom 15.08.2002, 2 AZR 514/01, AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). In diesem Zusammenhang hat der Arbeitgeber vor einer Kündigung auch Umsetzungs- und Versetzungsmöglichkeiten zu prüfen (BAG, Urteil vom 31.03.1993, a.a.O.).
Die Abmahnung ist regelmäßig Voraussetzung für die Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung, es sei denn, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder dass es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil vom 19.04.2007, 2 AZR 180/06, AP Nr. 20 zu § 174 BGB, BAG, Urteil vom 05.04.2001, 2 AZR 159/00, AP Nr. 171 zu § 626 BGB, Beschluss vom 10.02.1999, 2 ABR 31/98, AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969, Kammerurteil vom 21.07.2004, LAGE Nr. 85 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).
b) Die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen weitgehend beanstandungsfrei gebliebener Bestand, aber auch das Lebensalter, das die Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt beschneidet, sowie sein Familienstand und seine Unterhaltspflichten begründen ein erhebliches Bestandsinteresse. Das Beendigungsinteresse der Beklagten tritt dahinter signifikant zurück. Das Gewicht der Beleidigung und des Schuldvorwurfs gegen den Kläger relativiert sich angesichts der psychischen Ausnahmesituation, in die der Kläger sich am Morgen des 22.01.2008 hineintreiben ließ. Es handelte sich um ein erst- und einmaliges Augenblicksversagen; weder die Abmahnung vom 13.01.1997 noch die Ermahnung vom 16.12.2005 oder die Beschwerde des Disponenten B. betreffen einschlägige Pflichtverletzungen (vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2007, 2 AZR 818/06, AP Nr. 64 zu § 4 KSchG 1969), und lagen überdies geraume Zeit zurück. Der Beklagten entstanden aufgrund des Vorfalls keine wesentlichen Nachteile. Eine konkrete Rufschädigung ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Auswirkungen ergaben sich gerade und nur hinsichtlich der künftigen Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Gruppenleiter K. und hinsichtlich der Irritationen, die bei den übrigen Teilnehmern der Frühbesprechung, evtl. noch bei Mitarbeitern in Nachbarräumen, die den Wortwechsel akustisch mitbekommen hatten, entstehen konnten.
Daraus resultiert zwar ein berechtigtes betriebliches Interesse der Beklagten, die Autorität des Gruppenleiters K. und dessen berufliche und persönliche Ehre zu schützen. Nach Lage der Dinge war indessen eine Abmahnung die angemessene und ausreichende Reaktion auf das Fehlverhalten des Klägers. Frühestens nach einer erfolglos gebliebenen einschlägigen Abmahnung wäre die (negative) Prognose gerechtfertigt gewesen, dass der Kläger auch zukünftig seine vertraglichen Pflichten in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen werde. Nicht zuletzt indiziert der von der Mitarbeitervertretung gegen die Kündigung erhobene Widerspruch, dass der Betriebsfrieden nicht auf Dauer und unheilbar gestört war.
Soweit die Beklagte durch die überzogene und unverhältnismäßige Reaktion, dem Kläger fristlos zu kündigen, selbst eine Belastung des Arbeitsverhältnisses herbeiführte, kann sie hieraus kein schutzwertes Auflösungsinteresse ableiten.
c) Ohne Erfolg verweist die Beklagte auf die Präambel zum BAT-KF, nach der das Verhalten der Mitarbeiter der Verantwortung zu entsprechen habe, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Auch ihr Hinweis auf das entwickelte Leitbild, dass die Mitarbeitenden im Evangelischen Krankenhaus jeden Menschen so behandeln, wie sie selbst behandelt werden wollen, ist kündigungsrechtlich nicht zielführend.
(11) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass, wenn die Kirchen sich in karitativen Einrichtungen der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen bedienen, zwar das staatliche Arbeitsrecht Anwendung findet, jedoch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht wesentlich bleibt. Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich dabei nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben, hingegen nicht nach der Auffassung oder dem Leitbild der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtung. Unter dieser Prämisse ist der Umstand, dass die Kirchen bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung des kirchlichen Dienstes das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde legen und die Verbindlichkeit kirchlicher Grundpflichten bestimmen können, bei der Anwendung des Kündigungsschutzrechts auf Kündigungen von Arbeitsverhältnissen wegen der Verletzung der sich daraus für die Arbeitnehmer ergebenden Loyalitätsobliegenheiten aus verfassungsrechtlichen Gründen zu berücksichtigen. Liegt eine Verletzung von Loyalitätspflichten vor, so ist die weitere Frage, ob sie eine Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigt, nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften des § 1 KSchG, § 626 BGB zu beantworten. Diese unterliegen als für alle geltendes Gesetz im Sinne der Art 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfassender arbeitsgerichtlicher Anwendungen (BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985, AP Nr. 24 zu Art 140 GG, BAG, Urteil vom 25.10.2001, 2 AZR 216/00, EzA Nr. 2 zu § 626 BGB).
(22) Aus den von der Evangelischen Kirche anerkannten Maßstäben lassen sich keine Loyalitätsobliegenheiten entwickeln, wonach eine Beleidigung zwischen den in der christlichen Dienstgemeinschaft Mitarbeitenden stets gegen tragende Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre verstieße. Es ist weiterhin nicht von der Beklagten vorgetragen, dass nach christlichen Maßstäben eine grobe Beleidigung zur Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses berechtigt. Die Kammer vermag solches auch nicht der Verkündung im Neuen Testament (Matthäus 5, 44, Lukas 6, 28) zu entnehmen.
III. Eine ordentliche Kündigung steht nicht im Raum (§ 14 Abs. 5, § 15 Abs. 1 u. 2 AVR). Es ist auch nicht vorgetragen, dass die Mitarbeitervertretung hierzu angehört worden wäre (§ 30 Abs. 5 MAVO). Schließlich wäre sie nach Lage der Dinge ebenso materiell unberechtigt wie eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
C. Die Kosten der Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.
Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht besteht keine Veranlassung, da Zulassungsgründe i.S.v. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht ersichtlich sind. Hinsichtlich der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird die Beklagte auf § 72 a ArbGG hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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