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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 345/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a Abs. 5
1. Für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Unterrichtungspflichten im Sinne von § 613 a Abs. 5 BGB ist erforderlich, dass die Identität des Betriebserwerbers mit Namen und Anschrift im Informationsschreiben angegeben wird. Dafür ist eine - neue - Firmenanschrift eindeutig zu bezeichnen. Es reicht nicht aus, wenn lediglich eine Anschrift des Mitarbeiters der Personalabteilung des ehemaligen Arbeitgebers angegeben wird, bei dem das Widerspruchsschreiben eingereicht werden kann. (Im Anschluss an BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 305/05 -)

2. Zu der Information über die Gründe des Übergangs gem. § 613 a Abs. 5 Nr. 2 BGB gehört bei einer Ausgliederung eines Geschäftsbereichs auch der Hinweis darauf, daß es sich um eine völlig selbständige Neugründung einer OHG (mit beschränktem Haftungskapital) handelt.

3. Zur Frage der Verwirkung eines Widerspruchsrechts.


Tenor:

1) Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 21.09.2007 - 2 Ca 1612/07 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die zehn Resturlaubstage des Klägers aus dem Jahre 2006 auf den Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 zu übertragen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob dem Kläger für das Jahr 2006 noch Resturlaubsansprüche zustehen und in das Jahr 2007 zu übertragen sind.

Der am 11.11.1963 geborene Kläger ist seit dem Jahre 1995 bei der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt, als Verkäufer beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel im Land Nordrhein-Westfalen (im Folgenden nur noch "MTV" genannt) Anwendung. Dort heißt es unter anderem:

§ 15

Urlaub

(1) Der Urlaub dient der Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers. Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten.

(2) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Maßgebend für die Urlaubsdauer ist das Lebensalter bei Beginn des Kalenderjahres.

(3) Der Urlaub beträgt je Kalenderjahr

bis zum vollendeten 20. Lebensjahr30

nach dem vollendeten 20. Lebensjahr32

nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 34

nach dem vollendeten 30. Lebensjahr36 Werktage

...

(7) Der Urlaub ist möglichst im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach Absatz 5 entstandener geringfügiger Teilurlaub auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(8) Im Falle der Übertragung muss der Urlaub in den ersten vier Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

...

§ 24

Verfallklausel

(1) Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen wie folgt:

a) 3 Monate nach Fälligkeit:

Ansprüche auf Abgeltung der Überstunden;

b) spätestens 3 Monate nach Ende des Urlaubsjahres bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsabgeltung und Sonderzahlungen;

c) 6 Monate nach Fälligkeit:

alle übrigen aus Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis entstandenen finanziellen Ansprüche.

(2) Die Ansprüche verfallen nicht, sofern sie innerhalb der vorgenannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind.

Der Kläger war von November 2006 bis zum 11.04.2007 arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Schreiben vom 12.04.2007 (Bl. 7 d. A.) machte er die Übertragung seines noch offenen tariflichen Resturlaubsanspruchs von zehn Tagen auf das Jahr 2007 geltend und gleichzeitig eine Gewährung der Urlaubstage für die Zeit ab dem 16.04.2007. Dies lehnte die Beklagte in der Folgezeit mehrfach ab und verwies auf die Verfallfrist in § 24 MTV.

Mit seiner am 17.07.2007 beim Arbeitsgericht Krefeld anhängig gemachten Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Er hat die Auffassung vertreten, dass § 15 Abs. 7 und 8 MTV gegenüber § 24 MTV die speziellere Regelung darstelle, so dass die zuletzt genannte Norm nicht eingreifen könne.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, seine zehn Resturlaubstage aus dem Jahre 2006 auf den Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 zu übertragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auch weiterhin auf § 24 MTV berufen und gemeint, dieser Norm käme neben § 15 MTV eine selbstständige Bedeutung zu, weil § 24 MTV neben der Übertragung der Urlaubsansprüche noch ihre Geltendmachung vorsehe. An einer derartigen Geltendmachung sei der Kläger Anfang des Jahres 2007 auch nicht gehindert gewesen, weil er trotz seiner Erkrankung in der Lage gewesen wäre, seinen Urlaub "dem Grunde nach" zu verlangen.

Mit Urteil vom 21.09.2007 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Krefeld - 2 Ca 1612/07 - die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, § 24 MTV sei entgegen der Auffassung des Klägers anwendbar, weil es vorliegend um den Verfall des tariflich geregelten und nicht des gesetzlichen Urlaubsanspruchs gehe. Einer Geltendmachung des Urlaubsanspruchs hätte auch die Krankheit des Klägers nicht entgegengestanden, weil die Fälligkeit des Urlaubsanspruchs nicht Voraussetzung für seine Geltendmachung sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 09.10.2007 zugestellte Urteil mit einem am 09.11.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 10.12.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt im Wesentlichen seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und unterstreicht seine Rechtsauffassung, dass er wegen seiner Krankheit rechtlich nicht in der Lage gewesen wäre, den unstreitig bestehenden Resturlaub gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 21.09.2007 - 2 Ca 1612/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, zehn Urlaubstage aus dem Jahre 2006 auf den Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 zu übertragen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Auch in der Sache selbst war das Rechtsmittel erfolgreich.

Die Beklagte war zu verurteilen, die restlichen zehn Urlaubstage des Klägers aus dem Jahre 2006 auf das Jahr 2007 zu übertragen, weil die tarifvertraglichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 und 8 MTV vorliegen und ein Verfall der Urlaubsansprüche gemäß § 24 MTV nicht eingetreten ist.

1. In § 15 Abs. 7 MTV haben die Tarifvertragsparteien zunächst den Grundsatz festgeschrieben, dass das Urlaubsjahr gleich dem Kalenderjahr ist und eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr unter anderem aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt werden kann. Im zuletzt genannten Fall muss gemäß § 15 Abs. 8 der Urlaub in den ersten vier Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Von einer derartigen Fallkonstellation ist vorliegend auszugehen.

1.1 Zwischen den Parteien ist zunächst unstreitig, dass der Kläger wegen seiner Arbeitsunfähigkeit bis zum 11.04.2007 nicht in der Lage gewesen ist, die ihm verbliebenen zehn Resturlaubstage für das Jahr 2006 tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Sie waren deshalb aus in der Person des Klägers liegenden Gründen auf das Jahr 2007 zu übertragen.

1.2 Im Jahre 2007 hat der Kläger auch die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit gehabt, den übertragenen Resturlaub bis zum Ende des Übertragungszeitraums zu nehmen. Er hat nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit mit Schreiben vom 12.04.2007 nicht nur die Übertragung sondern auch die tatsächliche Gewährung gegenüber der Beklagten geltend gemacht, und zwar ab dem 16.04.2007. Ab diesem Zeitpunkt hätte die Möglichkeit bestanden, die verbliebenen zehn Urlaubstage bis zum 30.04.2007 zu realisieren.

2. Der danach wirksam übertragene Urlaubsanspruch ist nicht durch Zeitablauf mit dem 31.03.2007 erloschen. Ein Verfall der Urlaubsansprüche gemäß § 24 Abs. 1 b MTV hat nicht stattgefunden.

2.1 Nach der vorgenannten Norm verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens drei Monate nach Ende des Urlaubsjahres, wenn es sich um Ansprüche auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung handelt. Gemäß § 24 Abs. 2 MTV soll ein Verfall nur dann nicht eintreten, sofern die Ansprüche innerhalb der genannten Frist schriftlich geltend gemacht worden sind. Auf diese Vorschrift kann sich die Beklagte angesichts der Urlaubsregelungen in § 15 Abs. 7 und 8 MTV und vor allen Dingen mit Blick auf die bis zum 11.04.2007 andauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers indessen nicht berufen.

2.2 Die erkennende Berufungskammer meint allerdings, dass § 24 Abs. 1 b MTV neben der Urlaubsregelung in § 15 MTV eine besondere und selbstständige Bedeutung zukommt. § 24 Abs. 1 b MTV regelt vor allen Dingen die Fallkonstellation, dass ein Arbeitnehmer nach beendeter Arbeitsunfähigkeit vor dem 31.03. des Folgejahres wieder die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit erhält, noch bestehende Resturlaubsansprüche aus dem Vorjahr umzusetzen. Er wird in diesem Fall durch § 24 Abs. 1 b MTV verpflichtet, die Resturlaubsansprüche schriftlich geltend zu machen, die dann gemäß § 15 Abs. 8 MTV bis zum 30.04. gewährt und genommen werden müssen.

2.3 Die aus § 24 Abs. 1 b MTV abgeleitete Pflicht der Arbeitnehmer, ihre Urlaubsansprüche bis zum 31.03. des Folgejahres schriftlich geltend zu machen (§ 24 Abs. 2 MTV), kann dem Kläger angesichts der bei ihm festzustellenden besonderen Fallkonstellation gerade nicht entgegengehalten werden.

2.3.1 Der Kläger konnte seine Resturlaubsansprüche aus dem Jahre 2006 schon deshalb nicht rechtswirksam geltend machen, weil sie bis zum 11.04.2007 nicht erfüllbar waren.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt das "Geltendmachen" von Ansprüchen im Sinne einer tarifvertraglichen Verfallfrist regelmäßig voraus, dass die Ansprüche auch zu erfüllen sind. Anderenfalls müsse der Arbeitnehmer gleichsam "ins Blaue hinein" tätig werden. Die Forderung, Ansprüche "geltend" zu machen, besagt demgemäß nichts anderes, als dass die Gegenseite aufzufordern ist, den nach Grund und Höhe zu kennzeichnenden Anspruch zu erfüllen (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 19.04.2005 - 9 AZR 160/04 - AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge).

Von einer derartigen Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs ist aber mit Blick auf die spezielle Situation des Klägers in den ersten drei Monaten des Jahres 2007 gerade nicht auszugehen. Die Inanspruchnahme eines Urlaubsanspruchs setzt nämlich gerade voraus, dass dieser erfüllbar ist. Daran aber fehlt es, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist und deshalb im fortbestehenden Arbeitsverhältnis nicht von seiner Arbeitspflicht befreit werden kann (BAG, Urteil vom 21.06.2005 - 9 AZR 200/04 - AP Nr. 11 zu § 55 InsO; BAG, Urteil vom 27.05.1997 - 9 AZR 337/95 - BAGE 86, 30; BAG, Urteil vom 08.02.1994 - 9 AZR 332/92 - AP Nr. 17 zu § 47 BAT). War demnach der Urlaubsanspruch des Klägers bis zur Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit gerade nicht erfüllbar, kam eine auf die Urlaubsgewährung gerichtete Geltendmachung nicht in Betracht.

2.3.2 Der Kläger war auch nicht verpflichtet, die ihm zustehenden Urlaubsansprüche vorsorglich und "ins Blaue hinein" gegenüber der Beklagten zu beantragen.

Zwar unterliegt es selbst im gekündigten Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer, die für die Festlegung des Urlaubs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG maßgeblichen Urlaubswünsche zu äußern. Der Arbeitnehmer hat daher, einerlei, ob es sich um ein ungekündigtes oder gekündigtes Arbeitsverhältnis handelt, den Arbeitgeber durch die Forderung der Urlaubsgewährung im Urlaubsjahr oder spätestens im Übertragungszeitraum in Verzug zu setzen, wenn er den Arbeitgeber für den mit Fristablauf eintretenden Verfall des Urlaubsanspruchs haftbar machen will (BAG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 AZR 705/98 - AP Nr. 77 zu § 7 BUrlG). Dies setzt allerdings, anders, als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, voraus, dass der Urlaubsanspruch erfüllbar ist. Hiervon kann, wie oben beschrieben, angesichts der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 31.03.2007 hinaus nicht ausgegangen werden.

2.3.3 Der hier vertretenen Rechtsauffassung stehen Planungs- und Organisationsschwierigkeiten der Beklagten nicht entgegen. Ihr war bekannt, dass dem Kläger noch zehn Resturlaubstage für das Jahr 2006 zustanden. Der Beklagten war weiter bekannt, dass der Kläger die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit besaß, diese Tage bis zum 30.04.2007 tatsächlich zu nehmen. Sie musste deshalb damit rechnen, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers noch bis Mitte April 2007 beendet sein würde und dass der Kläger dann auch tatsächlich noch die Möglichkeit haben würde, seinen fortbestehenden Urlaubsanspruch zu realisieren.

2.3.4 War nach allem der Kläger weder verpflichtet noch in der Lage, die bestehenden Urlaubsansprüche bis zum 31.03.2007 gegenüber der Beklagten geltend zu machen, so verstößt sie mit ihrer Berufung auf die Verfallfrist des § 24 MTV gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Dies führt dazu, dass der Kläger auch noch über den 31.03.2007 hinaus in der Lage war, den übertragenen Urlaub geltend zu machen und zu nehmen. Dem ist er mit seinem Schreiben vom 12.04.2007 in ausreichendem Maße nachgekommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Kammer hat das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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