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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: 1 Sa 1120/08
Rechtsgebiete: DO AOK Rheinland, BVerfGG, BGB


Vorschriften:

DO AOK Rheinland § 7
BVerfGG § 31
BGB § 194
1. Die Geld- und geldwerten Leistungen für Dienstordnungsangestellte im Bereich der Sozialversicherungen sind nach den bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen den für Beamte geltenden Regelungen anzupassen.

2. Verweist dementsprechend eine Dienstordnung - wie etwa § 7 Abs. 1 der Dienstordnung der AOK Rheinland vom 28.02.1994 in der Fassung vom 07.12.1998 - hinsichtlich der Vergütung auf die für Landes- (ggf. für Bundes-)beamte geltenden Vorschriften, besteht für Dienstordnungsangestellte mit drei oder mehr Kindern ein Anspruch auf erhöhten Familienzuschlag auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG?s vom 24.11.1998 (2 BvL 26/91 u. a.). Diese Entscheidung hat gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG Gesetzeskraft (im Anschluss an BVerwG vom 17.06.2004 - 2 C 34/02).

3. Die Ansprüche kinderreicher Dienstordnungsangestellter auf erhöhten Familienzuschlag unterliegen den allgemeinen Verjährungsvorschriften.


Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 18.06.2008 (6 Ca 3942/07) teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 815,88 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 73 % und die Beklagte zu 27 %.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung eines erhöhten Familienzuschlags für sein drittes Kind rückwirkend für die Jahre 1999 bis 2006.

Der Kläger war aufgrund Dienstvertrages vom 17.05.1990 seit dem 01.07.1990 als Dienstordnungsangestellter bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) F. beschäftigt und deren Dienstordnung unterstellt. Er ist verheiratet und hat drei unterhaltsberechtigte Kinder.

Zum 01.04.1994 fusionierte die AOK F. mit 25 weiteren rheinischen Ortskrankenkassen zur "AOK Rheinland - Die Gesundheitskasse". Diese trat in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkassen ein. Die Dienstordnung der AOK F. wurde ersetzt durch die Dienstordnung der AOK Rheinland vom 28.02.1994 mit den nachfolgenden Änderungen vom 07.09./07.12.1998. Später schloss sich die AOK Rheinland mit der AOK Hamburg zu der "AOK Rheinland/Hamburg - Die Gesundheitskasse" zusammen. Eine neue Dienstordnung wurde bislang nicht aufgestellt.

Die Dienstordnung der AOK Rheinland bestimmt - soweit hier von Interesse - Folgendes:

§ 7 Abs. 1

"Die Besoldung richtet sich nach der Besoldungsgruppe, die der Dienstvertrag festlegt; im Übrigen nach den für die Landesbeamten geltenden Vorschriften".

§ 20 Abs. 1

"Soweit nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften oder in dieser Dienstordnung etwas anderes bestimmt ist, gelten für die Angestellten und die Versorgungsempfänger entsprechend oder sinngemäß die jeweiligen Vorschriften für Landesbeamte über : ....

h) die Verjährung von Besoldungs- und Versorgungsansprüchen".

Mit Wirkung zum 01.01.2007 erhöhte das Land Nordrhein-Westfalen durch Art. 5 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge vom 20.12.2007 (GV. NRW. 2007, 750) bei Beamten den Familienzuschlag für dritte und weitere Kinder von 230,58 € auf 280,58 €. Seitdem zahlte die Beklagte an den Kläger einen um 50,-- € erhöhten Familienzuschlag für das dritte Kind.

Mit Schreiben vom 08.05.2007 beantragte der Kläger die rückwirkende Anhebung des Zuschlags auch für die Jahre 1999 bis 2006 unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 (2 BvL 26/91 u.a.) zur Anhebung des Familienzuschlags für Beamte mit mehr als zwei Kindern. Mit Schreiben vom 30.05.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

Mit seiner am 30.11.2007 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen und der Beklagten am 06.12.2007 zugestellten Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Er hat die Auffassung vertreten, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gelte auch für ihn als Dienstordnungsangestellter. Den nachzuzahlenden Betrag hat er mit insgesamt 2.967,72 € brutto errechnet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.967,72 € brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finde auf den Kläger keine Anwendung. Diese gelte nur für Beamte. Der Kläger sei aber Arbeitnehmer, der nur vergleichbar einem Landesbeamten besoldet werde. Im Übrigen hat sie die Einrede der Verjährung erhoben die Auffassung vertreten, alle Ansprüche bis einschließlich 31.10.2004 seien verjährt.

Das Arbeitsgericht Essen hat mit seiner am 18.06.2008 verkündeten Entscheidung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne sich nicht auf die Entscheidung des BVerfG berufen. Dienstordnungsangestellte seien Arbeitnehmer. Die Grundsätze zur Alimentation von Beamten seien auf sie nicht anwendbar. Ein Anspruch auf Zahlung eines höheren Familienzuschlages ergebe sich auch nicht aufgrund einer den Beamten vergleichbaren Position. Der Gleichbehandlungsgrundsatz finde keine Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Leistungen handele. Im Übrigen sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Gleichbehandlungsgrundsatz im Verhältnis zwischen Beamten und Angestellten nicht anwendbar.

Gegen das ihm am 18.07.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Landesarbeitsgericht am 05.08.2008 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 01.09.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor allem geltend, das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Beklagte die Rechtsverhältnisse der Dienstordnungsangestellten wie Beamtenverhältnisse, etwa hinsichtlich der Beihilfeberechtigung, der Arbeitszeit oder der Versorgung behandele.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 18.06.2008 verkündeten und am 18.07.2008 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Essen die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.967,72 € brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil, beruft sich weiterhin auf die Einrede der Verjährung und trägt ergänzend vor, für den Anspruch fehle es während des streitbefangenen Zeitraums von 1999 bis 2006 an der in § 7 Abs. 1 der Dienstordnung geforderten "Vorschrift" für Landesbeamte. Die vom Kläger herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehe dem nicht gleich.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 18.06.2008 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung eines erhöhten Familienzuschlags für sein drittes Kind in Höhe von 815,88 € brutto für die Jahre 2004 bis 2006 auf der Grundlage seines Arbeitsvertrages vom 17.05.1990 i. V. m. § 7 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten sowie der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 ( BvL 26/91 u.a.) zu.

1. Das Arbeitsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als Dienstordnungsangestellter Arbeitnehmer ist, der aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages beschäftigt wird (st. Rspr., vgl. nur BAG 20.02.2008 - 10 AZR 440/07 - NZA 2008, 1095; MüHdbArbR-Freitag, 2. Aufl. 2000, § 190 Rn. 23, j.m.w.N.). Es hat indes nicht hinreichend berücksichtigt, dass das privatrechtliche Anstellungsverhältnis der Dienstordnung der Beklagten unterstellt ist. Dienstordnungen von Sozialversicherungsträgern sind autonomes Satzungsrecht, das aufgrund seiner Normwirkung zwingend die Arbeitsverhältnisse der der Dienstordnung unterworfenen Angestellten gestaltet und gesetzesgleich auf das Arbeitsverhältnis einwirkt (BAG 29.04.2004 - 10 AZR 88/04 - ZTR 2005,216 Rz. 38).

2. Nach § 7 Abs. 1 der Dienstordnung für die Angestellten der AOK Rheinland, die seit der Fusion der AOK F. mit weiteren rheinischen Ortskrankenkassen auf das Rechtsverhältnis der Parteien Anwendung findet, richtet sich die Besoldung des Klägers nach der Besoldungsgruppe sowie im Übrigen nach den für die Landesbeamten geltenden Vorschriften.

Die Besoldung der Landesbeamten ist gesetzlich geregelt im Landesbesoldungsgesetz NRW, soweit nicht das Bundesbesoldungsgesetz fort gilt (§ 1 Abs. 1 LBesG), und in ergänzenden gesetzlichen Regelungen. Zu diesen ergänzenden Regelungen zählt auch Art. 5 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge vom 20.12.2007 (GV. NRW. 2007, 750), mit dem der Familienzuschlag für dritte und weitere Kinder mit Wirkung zum 1.1.2007 von 230,58 € brutto auf 280,58 € brutto erhöht wurde. Aber auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kann gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG Gesetzeskraft zukommen. Die Gesetzeskraft bewirkt, dass jedermann durch die Entscheidung in ihrem Geltungsbereich nach Maßgabe der entsprechenden Norm unmittelbar berechtigt und verpflichtet ist (Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl. 2006, § 31 Rn. 37).

3. Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 (2 BvL 26/91 u. a. -, BVerfGE 99, 300 ff) kommt Gesetzeskraft zu. Soweit die Beklagte geltend macht, es fehle für die Jahre 1999 bis 2006 an einer "Vorschrift" für Landesbeamte, die § 7 der Dienstordnung voraussetze, wird dies verkannt.

a) Mit der Entscheidungsformel zu 2) des vorgenannten Beschlusses hat das BVerfG auf Vorlage verschiedener Gerichte gemäß Art. 100 GG festgestellt:

"Der Gesetzgeber hat die als verfassungswidrig beanstandete Rechtslage bis zum 31.12.1999 mit der Verfassung in Übereinstimmung zu bringen. Kommt der Gesetzgeber dem nicht nach, so gilt mit Wirkung zum 1.1.2000 : Besoldungsempfänger haben für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes, der sich nach Maßgabe der Gründe zu C III 3 errechnet."

b) Der zweite Teil der Entscheidungsformel ist unter der genannten Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 Nr. 11 BVerfGG mit Gesetzeskraft ausgestattet. Für den Fall der Untätigkeit des Gesetzgebers hat das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG ab dem 1.1.2000 die Dienstherrn verpflichtet, für das dritte und jedes weitere Kind familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes zu gewähren und den Fachgerichten die Befugnis zuerkannt, familienbezogene Gehaltsbestandteile nach diesem Maßstab zuzusprechen.

Es handelt es sich um eine quasi-gesetzliche Anspruchsgrundlage, die an die Stelle eines Besoldungsgesetzes getreten ist (ebenso BVerwG 17.06.2004 - 2 C 34/02 - NVwZ 2005, 344 ff; OVG Münster 27.02.2008 - 1 A 2180/07 - DVBl 2008, 736).

c) Der Gesetzgeber ist seiner Pflicht zur verfassungskonformen Regelung nicht nachgekommen, mit der Folge, dass die Dienstherrn in Nordrhein-Westfalen in der Zeit jedenfalls bis zum 31.12.2006 unmittelbar aufgrund des Beschlusses des BVerfG's zur Anhebung der familienbezogenen Gehaltsbestandteile verpflichtet waren.

Die landesrechtlichen Besoldungsregelungen für Beamte in Nordrhein-Westfalen sind 2007 durch das Gesetz zur Anpassung der Besoldungs-und Versorgungsbezüge zur Änderung besoldungs-, versorgungs- und dienstrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2007 (GV.NRW.2007.750) angepasst worden. Dem entsprechend erhält auch der Kläger ab dem Jahr 2007 als Dienstordnungsangestellter einen erhöhten Familienzuschlag.

Zwar hat der Gesetzgeber bereits früher, beginnend mit Art. 9 § 2 BBVAnpG 1999 vom 19.11.1999 (BGBl. I, S. 2198) und durch weitere Besoldungsgesetze in den Folgejahren die Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder mehrmalig angehoben (Einzelheiten bei Schaller RiA 2005, 112 ff m.w.N.). Durch diese Maßnahmen ist der Gesetzgeber allerdings hinter den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zurückgeblieben und hat insbesondere keine systemverändernde Neuregelung vorgenommen. Er hat auch nicht die Berechnungsmethode des Bundesverfassungsgerichts zur Grundlage seiner Anhebung gemacht. Der zweite Teil der Entscheidungsformel des BVerfG's begründet daher für die Beamten Individualansprüche (BVerwG 17.06.2004 - 2 C 34/02 - NVwZ 2005, 344 ff; OVG Münster 15.01.2007 - 1 A 3433/05 - DVBl 2007,456; Repkewitz RiA 2005, 273 ff). Nichts anderes kann angesichts der Verweisungsregelung in § 7 DO für den Kläger gelten.

4.Die Anwendung der Entscheidung des BVerfG v. 24.11.1998 auf den Kläger als Dienstordnungsangestellten rechtfertigt sich auch aus folgenden Überlegungen:

Dienstordnungsangestellte, die bei Sozialversicherungsträgern Tätigkeiten verrichten, die bei allgemeinen staatlichen Behörden in der Regel Beamten übertragen sind, sollen hinsichtlich der materiellen Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse einen Status einnehmen, der weitgehend dem der Beamten entspricht (BAG 15.11.2001 - 6 AZR 382/00 - BAGE 99, 348 = NZA 2002,808). Durch die Bestimmungen in Art. VIII, § 1 Abs. 1, 2. BesVNG müssen bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherungen das Besoldungs- und Stellengefüge einhalten und alle weiteren Geld- und geldwerten Leistungen sowie die Versorgung nach den Grundsätzen der für Bundesbeamte geltenden Bestimmungen regeln. Für landesunmittelbare Körperschaften im Bereich der Sozialversicherung, wie die Beklagte, ergibt sich diese Verpflichtung aus Art. VIII, § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2. BesVNG mit der Maßgabe, dass an die Stelle des für Bundesbeamte geltenden Rechts das für Landesbeamte tritt (BAG 15.11.2001, a. a. O. Rz 56; BAG 20.02.2008 - 10 AZR 440/07 - NZA 2008, 1095, Rz 16). Der Gesetzgeber wollte mit diesen Regelungen erreichen, dass die Geld- und geldwerten Leistungen von Beamten und Dienstordnungsangestellten gleich und nicht ungleich sind (BAG vom 15.11.2001 a. a. O.).

5. Der Anspruch des Klägers erforderte auch keine zeitnahe Geltendmachung.

a) Für den Vergütungsanspruch des Klägers gilt gemäß § 7 Abs. 1 der DO das für Landesbeamte geltende Recht. In Nordrhein-Westfalen hat das zuständige Oberverwaltungsgericht Münster für Landesbeamte anerkannt, dass es für die Verpflichtung zur Auszahlung der Besoldung keines besonderen Antrages und mithin auch nicht der zeitnahen Geltendmachung des Anspruchs bedarf (OVG Münster 27.2.2008 - 1 A 2180/07- DVBl 2008, 736 Rz 35).

b) Auch der Beschluss des BVerfG v. 24.11.1998 (BVerfGE 99,300) enthält kein solches Erfordernis für die Entstehung des Anspruchs, jedenfalls nicht für die Zeit ab dem 1.1.2000 (ebenso OVG Münster a.a.O.; Pechstein ZBR 2007,73 ff). Soweit teilweise in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung eine andere Auffassung vertreten wird, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Eine solche Einschränkung - zusätzlich zu den Verjährungsregelungen - lässt sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, soweit sie einen Individualanspruch begründet und eine Vollstreckungsanordnung enthält, weder ausdrücklich noch im Wege der Auslegung entnehmen. Insoweit schließt sich die Kammer dem Urteil des OVG Münster vom 27.02.2008 (1 A 2180/07 - DVBl 2008 736 - mit Nachweisen auch zur Gegenmeinung) an und macht sich die Begründung zu Eigen.

6. Der mithin dem Grunde nach gegebene Anspruch besteht in Höhe von 815,88 € brutto. Der Betrag ist als unstreitig zu behandeln. Soweit der Kläger nämlich für das Jahr 2004 einen Differenzbetrag von 258,72 € brutto, für das Jahr 2005 einen Differenzbetrag von 271,32 € brutto und für das Jahr 2006 einen Differenzbetrag von 285,84 € brutto errechnet hat, ist die Beklagte dem nicht entgegengetreten.

II.

Die Ansprüche aus den Jahren 2004 bis 2006 sind nicht verjährt. Verjährt sind dagegen die Ansprüche aus den Jahren 1999 bis 2003. Insoweit hat die Beklagte die entsprechende Einrede zu Recht erhoben.

1. Die Vergütungsansprüche der Dienstordnungsangestellten verjähren - soweit keine Sonderregelungen gelten - nach früherer Rechtslage vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform entsprechend den Verjährungsregelungen, die für Arbeitsverhältnisse galten, mithin gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB a.F. nach 2 Jahren (BAG 1.6.1983 - 5 AZR 82/81 - juris; LAG Brandenburg 14.11.2006 - 26 Sa 10287/06 - juris).

2. Davon abweichend galt für die Verjährung der Vergütungsansprüche des Klägers gemäß § 197 BGB a.F. eine Verjährungsfrist von 4 Jahren. Denn in § 20 Abs. 1 lit. h) der Dienstordnung der Beklagten ist für die Verjährung von Vergütungsansprüchen eine Verweisung auf die Vorschriften für Landesbeamte vorgesehen. Die Verjährung der Besoldungsansprüche der Bundes - und Landesbeamten unterliegt - mangels spezieller beamtenrechtlicher Regelungen - den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften der §§ 195 ff BGB (BVerwG 15.06.2006 - 2 C 14/05 - ZBR 2006, 347; BayVGH 25.08.2008 - 3 ZB 07.3052 - juris). Vor der Schuldrechtsreform galt für Besoldungsansprüche die 4-jährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F.

3. Die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 197 a.F. BGB für die Besoldungsansprüche der Beamten hatte aber nur bis zum 31.12.2001 Bestand. Nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform gilt seit dem 1.1.2002 die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB (vgl. dazu Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, § 195 Rn. 20). Die Überleitung der unterschiedlichen Verjährungsfristen regelt Art. 229, § 6 EGBGB. Da die neue Verjährungsfrist kürzer ist als die bisherige, gilt gemäß Art. 229, § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB diese kurze Frist seit dem 1.1.2002, sofern nicht die bisherige Frist früher abläuft (Art. 229, § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Der Beginn der Verjährungsfrist wird gemäß Art. 229, § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB von dem 1.1.2002 an berechnet.

4. Ausgehend von diesen Vorschriften ergeben sich für die monatlich fällig gewordenen Ansprüche des Klägers folgende Verjährungsfristen :

a) Die Verjährungsfrist für die Ansprüche aus dem Jahr 1999 war am 31.12.2003 (§ 197 BGB a. F., Art. 229, § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB), die für die Ansprüche aus dem Jahr 2000 am 31.12.2004, die für die Ansprüche aus dem Jahr 2001 am 31.12.2004, die für die Ansprüche aus dem Jahr 2002 am 31.12.2005 und die für die Ansprüche aus dem Jahr 2003 am 31.12.2006 abgelaufen (§§ 195, 199 BGB i.V.m. Art. 229, § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB).

b) Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) für die Ansprüche aus dem Jahr 2004 begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem 1.1.2005 und war bei Klagezustellung am 6.12.2007 noch nicht abgelaufen.

c) Soweit der Eintritt der Verjährung nunmehr gemäß § 199 Abs. 1 BGB auch Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners voraussetzt, sind diese Voraussetzungen ebenfalls erfüllt. Die anspruchsbegründende Entscheidung des BVerfG v. 24.11.1998 ist seit dem Jahre 1999 veröffentlicht und ist seitdem in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass ihm das Faktum dieser - gesetzesvertretenden - Entscheidung mit der sich daraus für Beamte mit drei Kindern und mehr ergebenden Besserstellung erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach dem Jahr 2002) bekannt geworden ist. Auf die zutreffende rechtliche Würdigung von anspruchsbegründenden Umständen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (ErfK-Preis, 9.Aufl. 2009, BGB, §§ 194-218, Rn. 9 m.w.N.).

5. Der Verjährung steht auch nicht entgegen, dass der Vergütungsanspruch des Klägers nicht auf einem förmlichen Besoldungsgesetz, sondern auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruht. Gemäß § 194 Abs. 1 BGB unterliegt der Anspruch als solcher der Verjährung. Nicht entscheidend ist, auf welcher Rechtsgrundlage er fußt. Die Besoldungsansprüche, die auf die gesetzesvertretende Entscheidung des BVerfG v. 24.11.1998 gestützt sind, unterliegen daher wie andere Ansprüche auch den allgemeinen Verjährungsvorschriften (ebenso BayVGH 25.08.2008 - 3 ZB 07.3052 - juris).

III.

Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB. Er ist dahingehend auszulegen, dass Prozesszinsen beansprucht werden. Diese betragen 5 Prozentpunkte über dem Basiszins und können ab dem Folgetag der Klagezustellung (7.12.2007) beansprucht werden.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

V.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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