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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.09.1998
Aktenzeichen: 10 Sa 1109/98
Rechtsgebiete: BGB, KAVO


Vorschriften:

BGB § 315
KAVO § 6
KAVO § 17
Es ist weder nach staatlichem noch nach innerkirchlichem Recht rechtlich zu beanstanden, wenn der Pfarrer als Vorgesetzter eines in der Gemeinde angestellten Organisten diesen anweist, das "Vaterunser" mit der Orgel zu begleiten. Eine wegen der Verweigerung der Orgelbegleitung ausgesprochene Abmahnung ist rechtens.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäfts-Nr.: 10 Sa 1109/98

Verkündet am: 14.09.1998

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14.09.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Beseler als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Straatmann und Kohl für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteils des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 28.05.1998 - 1 Ca 2962/97 - wird kostenfällig als unbegründet zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der am 4.9.1948 geborene Kläger, ausgebildeter B-Musiker, ist seit dem 15.11.1969 bei der beklagten katholischen Kirchengemeinde als Organist, Küster und Chorleiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien findet die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) Anwendung.

Die Parteien streiten über die Berechtigung einer Abmahnung der beklagten Kirchengemeinde vom 7.11.1997.

Der Kläger begleitete jedenfalls seit 10 Jahren etwa 12 mal im Jahr während des deutschen Hochamtes um 10.30 Uhr das Vaterunser" mit der Orgel. Pfarrer B.on, Vorsitzender des Kirchenvorstandes der beklagten Gemeinde, wünschte diese Orgelbegleitung, um die anwesenden Gläubigen ausländischer Herkunft (Vietnamesen, Tamilen, Inder, Spätaussiedler, Rußlanddeutsche) an das Singen des Vaterunser" heranzuführen.

In der Fachliteratur wird jedenfalls vom Bischöflichen Beauftragten für Kirchenmusik Reiner Schuhenn in seinem Aufsatz ...es orgelt" die Meinung vertreten, die Orgelbegleitung beim Vaterunser" passe hier weder musikalisch noch liturgisch. Zur weiteren Begründung wird auf seinen vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten Aufsatz (Bl. 119,120 GA) verwiesen.

Als der Kläger am 31.8. und 14.9.1997 ohne vorherige Ankündigung die Orgelbegleitung unterließ, erteilte ihm Pfarrer B.on am 10.10.1997 die schriftliche Anweisung, bei den deutschen Hochämtern dem Zelebranten den Ton für die von ihm zu singenden Teile der Meßfeier anzugeben und die Gemeinde bei ihren Anworten zu begleiten. Im deutschen Hochamt am 12.10.1997 unterließ der Kläger die Begleitung der Gemeinde beim Vaterunser". Deshalb mahnte ihn der Kirchenvorstand mit Schreiben vom 7.11.1997 ab, in dem es heißt:

Betreff: Arbeitsverhältnis vom 15. Nov. 1969;

hier: Abmahnung Sehr geehrter Herr K.au, bislang war es in den Eucharistiefeiern unserer Gemeinde immer üblich und auch Ihre dienstvertragliche Pflicht, dass in den abzuhaltenden deutschen Hochämtern dem Zelebranten bei den von ihm zu singenden Teilen der Meßfeier der Ton angegeben und die Gemeinde bei ihren Antworten begleitet wurde.

Ohne ersichtlichen Grund und ohne vorherige Ankündigung wurde dies jedoch am 31. Aug. und 14. Sept. 1997 in den deutschen Hochämtern um 10.30 Uhr unterlassen.

Selbst das Vaterunser mußte von der Gemeinde ohne Orgelbegleitung gesungen werden, entgegen der sonst üblichen Praxis.

Mit Schreiben vom 10. Okt. 1997 haben Sie daraufhin den schriftlichen Auftrag erhalten, bei den deutschen Hochämtern dem Zelebranten den Ton für die von ihm zu singenden Teile der Meßfeier anzugeben und die Gemeinde bei ihren Antworten zu begleiten.

Im deutschen Hochamt am 12. Okt. 1997 ist dies auch erfolgt, mit Ausnahme allerdings der Begleitung der Gemeinde beim Vaterunser.

In Ihrem Arbeitsauftrag vom 10. Okt. 1997 wurde jedoch auch ausdrücklich auf die musikalische Begleitung der Gemeinde beim Vaterunser Bezug genommen.

Indem Sie dieser Arbeitsanweisung nicht nachgekommen sind, haben Sie sich dienstlich fehlverhalten. Außerdem weisen wir darauf hin, dass wir uns gezwungen sehen, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung, sei es fristlos oder entfristet, zu beenden, wenn Sie zukünftig den Dienstanweisungen keine Folge leisten. Sie erhalten hiermit Gelegenheit, sich zu dem gegen Sie erhobenen Vorwurf bis

zum 12.11.97 mündlich oder schriftlich zu äußern.

Sollten Sie innerhalb dieser Frist keine oder keine ausreichende Stellungnahme abgegeben haben, werden wir dieses Schreiben ohne gesonderte weitere Benachrichtigung als Abmahnung zu Ihrer Personalakte nehmen.

Wir bedauern allerdings sehr, dass selbst subtilste liturgische Fragen wegen der gegenseitigen arbeitsrechtlichen Bindungen auf diese Weise abgehandelt werden müssen und hätten gehofft, dass Sie Ihre dienstvertraglichen Pflichten in eigenständiger Verantwortung erkennen würden, kommen doch auch Christen durch Ihre Mittel für ihren Lebensunterhalt auf. Auch wegen Ihrer neuerlichen Aktivitäten insbesondere gegenüber kirchlichen und öffentlichen Stellen - außerhalb des Dienstverhältnisses - behalten wir uns alle Rechte, insbesondere das Recht einer außerordentlichen Kündigung vor."

Mit seiner beim Arbeitsgericht Oberhausen am 4.12.1997 eingereichten Klage hat sich der Kläger gegen diese Abmahnung gewandt und zum einen vorgetragen, es existiere für die von ihm erwartete Intonation des Vaterunser" kein Notenmaterial, zudem dürfe er in musikalischen Fragen gegenüber Pfarrer B.on der Fachmann sein. Im zweiten Rechtszug trägt der Kläger ergänzend vor, er sei nach § 10 des Musters für eine Dienstanweisung für Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen (KM) in den Kirchengemeinden des Bistums Essen, der wie folgt lautet:

10. Fachliche Beratung

Der KM ist in fachlicher Hinsicht zunächst dem Dekanatskantor und dann dem Bischöflichen Beauftragten für Kirchenmusik im Bistum Essen zugeordnet. Diese fördern die Arbeit des Kirchenmusikers und geben entsprechende Hinweise zu kirchenmusikalischen, liturgischen und allgemeinmusikalischen Fragen, die für die Tätigkeit des KM von Bedeutung sind. Hierbei holt der KM die entsprechenden Informationen ein. Bei Meinungsverschiedenheiten auf kirchenmusikalischem Gebiet wendet er sich an sie um ihren fachlichen Rat."

in fachlicher Hinsicht zunächst dem Dekanatskantor und dann dem Bischöflichen Beauftragten für Kirchenmusik im Bistum Essen zugeordnet. Zudem sei das Begleiten der Gemeinde beim Vaterunser" wegen der Schwierigkeit, die Tonart zu erkennen, zu stressig. Der Pfarrer habe insoweit kein Weisungsrecht.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 07.11.1997 wegen der fehlenden Intonation des Vater unsers" zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen.

Die beklagte Kirchengemeinde hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, daß der Pfarrer Vorgesetzter des Organisten sei, er auch nach kanonischem Recht die Meßfeier zu gestalten habe und er deshalb dem Organisten die Anweisung erteilen könne, das Vaterunser" mit der Orgel zu begleiten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Anweisung des Pfarrers sei rechtens. Ordne dieser nämlich an, das Vaterunser" mit der Orgel zu begleiten, habe der Kläger unabhängig von seiner eigenen Meinung zu der Sache diese Weisung zu befolgen. Auch der Hinweis auf die fehlenden Noten sei wenig glaubhaft, habe er doch über Jahrzehnte hinweg die Intonation vorgenommen. Sei aber die Anweisung nicht zu beanstanden, seien die in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe objektiv gerechtfertigt und stellten keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen dar.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, während die beklagte Kirchengemeinde die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß ein Arbeitnehmer die Entfernung einer mißbilligenden Äußerung des Arbeitgebers verlangen kann, wenn diese Äußerung unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder ihrer Form und ihrem Inhalt nach geeignet ist, ihn in seiner Rechtsstellung und seinem beruflichen Fortkommen zu beeinträchtigen. Ist der erhobene Vorwurf objektiv nicht gerechtfertigt, ist der Arbeitgeber aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht gehalten, die Abmahnung aus den Personalakten zu entfernen (ständige Rechtsprechung des BAG vgl. statt aller BAG Urteil vom 31.8.1994 ­ 7 AZR 893/93 ­ EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 33 m. w. N.).

II.

Die Abmahnung der beklagten Kirchengemeinde vom 7.11.1997 ist nicht nur objektiv gerechtfertigt. Der Kläger hat sich leichtfertig über eine rechtlich nicht zu beanstandende Anweisung seines Vorgesetzten - des Pfarrers B.on ­hinweggesetzt, indem er sich weigerte, in der Meßfeier das Vaterunser" mit der Orgel zu begleiten. Selbst eine einigermaßen plausible Begründung konnte der Kläger für sein für die erkennende Kammer unverständliches Verhalten nicht nennen.

1. Nach § 17 KAVO, der auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, ist Vorgesetzter eines Mitarbeiters der katholischen Kirche der Vorsitzende des Einstellungsgremiums, wobei sich die Person des Vorgesetzten nach dem Aufbau der jeweiligen Einrichtung richtet. Da der Kläger Arbeitnehmer der katholischen Kirchengemeinde St. P.i ist und der Vorsitzende des dortigen Kirchenvorstandes Pfarrer B.on ist, ist dieser Vorgesetzter des Klägers. Da der Vorgesetzte dienstliche Anordnungen zu treffen hat, hat der Kläger nach § 6 Abs. 2 KAVO den dienstlichen Anordnungen von Pfarrer B.on nachzukommen. Wenn in diesem Zusammenhang der Kläger meint, daß in kirchenmusikalischen Fragen der Dekanatskantor und dann der Bischöfliche Beauftragte für Kirchenmusik im Bistum Essen sein Vorgesetzter sei, ist diese Rechtsmeinung offenkundig falsch. Wenn in diesem Zusammenhang der Kläger auf § 10 des Musters für eine Dienstanweisung für Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen in den Kirchengemeinden des Bistums Essen verweist, ist bereits nicht erkennbar, daß dieses Muster auch von der beklagten Kirchengemeinde als Dienstanweisung umgesetzt wurde. Entscheidend ist aber, daß auch nach dieser Bestimmung der Dekanatskantor und der Bischöfliche Beauftragte für Kirchenmusik im Bistum Essen nur ein Beratungsrecht haben und sich deshalb an der Vorgesetztenfunktion des Pfarrers nichts geändert hat.

2. Auch im übrigen ist die Anweisung von Pfarrer B.on, der Kläger haben das Vaterunser" mit der Orgel zu begleiten, nicht zu beanstanden.

a. Der Pfarrer kann nach innerkirchlichem Recht dem Organisten aufgeben, während der Meßfeier das Vaterunser" mit der Orgel zu begleiten. Denn nach dem CODEX JURIS CANONICI und zwar nach can.528 § 2, der lautet:

Der Pfarrer hat Sorge dafür zu tragen, dass die heiligste Eucharistie zum Mittelpunkt der pfarrlichen Gemeinschaft der Gläubigen wird; er hat sich darum zu bemühen, die Gläubigen durch eine ehrfürchtige Feier der Sakramente zu weiden, in besonderer Weise aber darum, dass sie häufig die Sakramente der heiligsten Eucharistie und der Buße empfangen; ebenso hat er darauf bedacht zu sein, dass sie auch in den Familien zur Verrichtung des Gebetes geführt werden sowie bewußt und tätig an der heiligen Liturgie teilnehmen, die der Pfarrer unter der Autorität des Diözesanbischofs in seiner Pfarrei leiten und überwachen muß, damit sich kein Mißbrauch einschleicht."

und nach can.899 § 2, in dem es heißt:

In der eucharistischen Versammlung wird das Volk Gottes unter der Leitung des Bischofs oder des unter seiner Autorität stehenden Priesters, die in der Person Christi handeln, zur Einheit zusammengerufen; alle anwesenden Gläubigen, seien es Kleriker oder Laien, wirken zusammen, indem jeder auf seine Weise gemäß der Verschiedenheit der Weihen und der liturgischen Dienste teilnimmt."

entscheidet allein der Priester, in welcher Weise die heiligste Eucharistie" und damit die Meßfeier durchgeführt, mithin ob und welches Gebet mit der Orgel begleitet wird. Pfarrer B.Bonn hat aber bestimmt, daß das Vaterunser" von der Orgel intoniert wird.

b. Auch der vom Kläger noch im ersten Rechtszug vorgebrachte Einwand, er habe kein Notenmaterial gehabt, ist unerheblich. Der Kläger spielte in der Vergangenheit über 10 Jahre ca. 12 mal jährlich das von ihm verlangte Orgelstück. In diesem Zeitraum verfestigt sich die Kenntnis vom zu spielenden Werk so stark, daß Notenmaterial nicht mehr notwendig ist, zumal die Orgelbegleitung sich auf einfache Noten beschränkt. Die Kammer brauchte deshalb nicht zu prüfen, ob nicht tatsächlich das Notenmaterial vorhanden war, wie die beklagte Gemeinde im ersten Rechtszug vorgetragen hat.

c. Schließlich war die Weisung des Vorgesetzten und damit von Pfarrer B.Bon, das Vaterunser" mit der Orgel zu begleiten, nicht unbillig i. S. des § 315 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht nämlich dann billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (vgl. statt aller BAG Urteil vom 19.5.1992 ­ 1 AZR 418/91 ­ EzA § 315 BGB Nr. 39 m.w.N.). Dieses ist hier der Fall. Der Kläger mag dadurch, daß er beim Begleiten des Vaterunser" mit der Orgel wegen der vom Zelebranten gewählten Tonhöhe Schwierigkeiten hatte, einem gewissen Streß ausgesetzt worden sein, wie er zweitinstanzlich vorgetragen hat. Da aber diese Orgelbegleitung nach der von dem Kläger hinzunehmenden Weisung des Pfarrers zur Meßfeier gehört und der vom Kläger abverlangte Streß nur unbedeutsam gewesen sein dürfte, ist die Anordnung des Pfarrers auch unter dem Gesichtspunkt des § 315 BGB nicht zu beanstanden. Offenkundig ging es dem Kläger mit seiner Weigerung, die Orgel in dem von ihm verlangten Umfang zu spielen, nur darum, den seit längerem bestandenen Streit mit der Kirchengemeinde auf einem nicht hinzunehmenden Niveau und das Arbeitsverhältnis stark gefährdendem Maße fortzusetzen.

III.

Ob die inzwischen wegen der vom Kläger fortgesetzten Arbeitsverweigerung ausgesprochene Kündigung rechtens ist, brauchte die Kammer nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist das Verhalten des Klägers nach einer fast dreißigjährigen Beschäftigungszeit bei der beklagten Kirchengemeinde mehr als unverständlich.

Da die Abmahnung der Beklagten vom 7.11.1997 unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden ist, war die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zulassen, weil ein Grund hierfür i. S. des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben ist. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

Ende der Entscheidung

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