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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.11.1999
Aktenzeichen: 10 Sa 1247/99
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 113 Abs. 1 Satz 2
BGB § 620
In der Insolvenz kann ein befristeter unkündbarer Arbeitsvertrag nur mit der dreimonatigen Kündigungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO gekündigt werden, es sei denn der Befristungszeitpunkt liegt früher. Dann endet das Arbeitsarbeitsverhältnis durch Zeitablauf.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 Sa 1247/99

Verkündet am: 05.11.1999

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 05.11.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Beseler als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Mühlbeyer und den ehrenamtlichen Richter Ollesch für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.07.1999 ­ 4 Ca 2988/99 ­ wird kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wurde von der D. Eishockey-Betriebs GmbH durch Vertrag vom 01.07.1997 für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.06.1999 befristet unter Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit als Eishockeyspieler zu einem Bruttomonatsgehalt von 62.115,00 DM eingestellt.

Über das Vermögen D. Eishockey-Betriebs GmbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 13.05.1998 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. In seiner Eigenschaft als Konkursverwalter kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis dem Kläger mit Schreiben vom 18.05.1998 zum 30.06.1998.

Die Parteien streiten über die Länge der Kündigungsfrist. Der Beklagte beruft sich auf die gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB, während der Kläger von der dreimonatlichen Kündigungsfrist des § 113 InsO. ausgeht.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18.05.1998 nicht zum 30.06.1998 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.08.1998 fortbestanden hat.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Der Beklagte will Klageabweisung erreichen; der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Die Klage ist zulässig, denn das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse besteht. Die Klage ist auf die Feststellung gerichtet, dass in der Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das besondere Feststellungsinteresse ist gegeben, denn aus der Feststellung ergeben sich Folgen für Gegenwart oder Zukunft (vgl. BAG vom 03.03.1999 - 5 AZR 275/98 - NZA 1999, 669). Vorliegend stehen dem Kläger zumindest noch Lohnansprüche für die Zeit vom 01.07.1998 bis zum 31.08.1998 zu, falls der Kläger mit seiner Klage Erfolg hat.

II.

Die Klage ist auch begründet.

Der Beklagte musste gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO. eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende einhalten. Da die damit zum 30.6.1998 ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, andererseits aber der unzweideutige Wille des Beklagten als Konkursverwalter über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin dahin geht, das Arbeitsverhältnis zu beenden, ist diese Kündigung gemäß § 140 BGB in eine solche mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist umzudeuten, so dass das Arbeitsverhältnis zum 31.08.1998 endete.

1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses war gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 InsO. zulässig. Denn gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 InsO., der nach Art. 6 des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.1996 (BGBl. I. 1476) bereits ab dem 01.10.1996 gilt (vgl. hierzu auch BAG ­ 2 AZR 425/98 ­ NZA 1999, 425,426), kann jedes Dienstverhältnis und damit auch ein Arbeitsverhältnis vom Konkursverwalter ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer gekündigt werden. Der Beklagte kündigte den befristeten Arbeitsvertrag mit dem Kläger in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen der D. Eishockey-Betriebs GmbH.

2) Der Beklagte kündigte dem Kläger nicht fristgemäß. Er beachtete nicht die dreimonatige Kündigungsfrist gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 InsO.. Diese war anzuwenden, weil die Befristung nicht kürzer als die Kündigungsfrist gemäß 113 Abs. 1 S. 2 InsO. war. a. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Rechtsauffassung, es gelte bei einem befristeten Arbeitsvertrag, bei dem die ordentliche Kündigungsfrist ausgeschlossen sei, die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 Abs. 1 S. 2 InsO. ausgeführt, wäre das Arbeitsverhältnis nach seinem Arbeitsvertrag mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündbar gewesen, hätte diese Frist als maßgebliche" im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 2 InsO. gegolten. Vor diesem Hintergrund mache es keinen Sinn, den außerhalb des Konkurses kündigungsrechtlich noch besser gestellten Kläger, mit dem keine Kündigungsfrist vereinbart wurde, im Konkurs auf eine lediglich einmonatige Kündigungsfrist zu verweisen. Wer ordentlich unkündbar sei, solle im Konkurs nicht länger als drei Monate weiterbeschäftigt werden und zu Lasten der übrigen Gläubiger weiterbezahlt werden; er solle nicht noch zusätzlich für seine Unkündbarkeit bestraft werden.

b. Die Kammer folgt der Auffassung des Arbeitsgerichts sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis.

aa. In der Literatur ist umstritten, ob im Konkurs der Konkursverwalter bei einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnis eine dreimonatige Kündigungsfrist einzuhalten hat (so HzA-Eisenbeis Grp. 1 Rz. 4031;Hamacher in: InsO. Nerlich/Römermann § 113 Rz. 48: Heilmann Neues InsO.lvenzR und Arbeitnehmerinteressen S. 28; Warrikoff, BB 1994, 2338; Grunsky/Moll ArbeitsR und InsO.lvenz, Rz. 341; Caspers Personalabbau und Betriebsänderung im InsO.lvenzverfahren Rz. 115; KR-Weigand § 113 5. Aufl. InsO. Rz. 18; Zwanziger Das Arbeitsrecht in der InsO.lvenz § 113 InsO. Rz. 11) oder ob die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB gilt, wenn sie kürzer ist als die dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 Abs1 Satz 2 InsO. ( Schrader NZA 1997, 70; wohl auch Berscheid AnwBl. 1995, 8, 9; Berscheid ZInsO. 1998, 115, 123; Kübler/Prütting, InsO. § 113 Rz. 49).

Die Kammer folgt der überwiegenden Rechtsauffassung

bb. Die Auslegung von Gesetzen hat zunächst vom Wortlaut auszugehen und sich sodann an dem systematischen Zusammenhang, der Gesetzesgeschichte und dem Normzweck auszurichten, soweit er im Gesetz erkennbaren Ausdruck gefunden hat (vgl. BAG Urteil v. 3.12.1998 a.a.O. m.w.N.).

(1) Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es darauf an, ob eine kürzere Kündigungsfrist als die in § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO. genannte Frist von drei Monaten zum Monatsende maßgeblich" ist. Maßgeblich" ist, was von entscheidender Bedeutung ist (Duden Bedeutungswörterbuch 2. Aufl. S. 433), also Geltung beansprucht. In seiner Entscheidung vom 03.12.1998, bei der es um die Frage ging, ob die gesetzliche oder die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist die maßgebliche" ist, hat das BAG erkannt, dass aufgrund der im Privat- und damit auch im Arbeitsrecht bestehenden Privatautonomie den Parteien überlassen ist, was zwischen ihnen maßgeblich" sein soll, und deshalb die vereinbarte Kündigungsfrist Vorrang hat vor der gesetzlichen. Denn in diesem Fall sei die gesetzliche Frist für die Parteien nicht maßgeblich". Da bei einem unter Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit vereinbarten befristeten Arbeitsvertrag der Parteiwillen dahin geht, überhaupt nicht ordentlich kündigen zu können, gibt es nach dem Wortlaut des § 113 InsO. für die Parteien keine maßgebliche" und damit nur die gesetzliche Kündigungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO.

(2) Für die Annahme, dass die Dauer der Befristung die maßgebliche Frist im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 2 InsO. darstellt, spricht auch dessen Einbindung in das System der Norm. Das befristete Arbeitsverhältnis kann gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 InsO. kraft Gesetzes im Konkursfall gekündigt werden. Auf diesem Wege wird die ursprünglich vereinbarte Befristung aufgehoben, d.h. unwirksam. Da die Parteien nicht vereinbart hatten, dass der Arbeitsvertrag ordentlich gekündigt werden darf, ist darauf zurückzugreifen, wie ein Arbeitsverhältnis bei Unwirksamkeit der Befristung außerhalb des Konkurses beendet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung wird in diesem Fall das Arbeitsverhältnis als ein unbefristetes fortgesetzt und die Dauer der Befristung als eine Mindestlaufzeit des Vertrages angesehen (vgl. BAG Urteil vom 14.01.1982 - 2 AZR 245/80 - NJW 1982, 1475; BAG Urteil vom 19. Juni 1980 - 2 AZR 660/80 - NJW 1981, 246). Erst mit Ablauf dieser Mindestvertragsdauer kann das Arbeitsverhältnis mit den gesetzlichen Fristen gemäß § 622 Abs. 2 BGB durch Kündigung beendet werden.

(3) Ein genereller Rückgriff auf die gesetzlichen Kündigungsfristen gemäß § 622 Abs. 2 BGB bei befristeten Arbeitsverhältnissen würde auch nicht dem Normzweck entsprechen.

Denn § 113 Abs. 1 S. 2 InsO. stellt darauf ab, welche Kündigungsfrist außerhalb des Konkurses für die Parteien maßgeblich ist. Im vorliegenden Fall würde die generelle Anwendung des § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis im Konkursfall innerhalb eines Monats beendet werden kann, obwohl der Kläger außerhalb des Konkurses aufgrund der wirksamen Befristung unkündbar gewesen wäre. Er würde hierdurch schlechter gestellt, als er es gewesen wäre, wenn sich der Beklagte vertraglich vorbehalten hätte, das Arbeitsverhältnis trotz der Befristung mit einer dreimonatigen Frist zu kündigen, worauf zutreffend das Arbeitsgericht hingewiesen hat.

Für die Annahme, dass die Dauer der Befristung die maßgebliche Frist im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 2 InsO. ist, sprechen schließlich auch die Überlegungen, die der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Gesetzes vorgenommen hat. Sowohl in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung als auch in der Stellungnahme des Bundesrates war vorgesehen, dass Kündigungen im Konkurs- bzw. Insolvenzfall immer unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen vorgenommen werden sollten (Kübler/Prütting, RWS- Dok. Bd. I, S. 305-307).

Der Rechtsausschuss des Bundestages hat diese Verbindung des besonderen Kündigungsrechts im Konkurs- bzw. Insolvenzfall mit der gesetzlichen Kündigungsfrist abgelehnt. Er bringt in seiner Begründung der Beschlussempfehlung zum Ausdruck, dass auch im Konkurs bzw. in der Insolvenz die Frist Anwendung finden soll, die außerhalb des Konkurses bzw. der Insolvenz gilt, sei es, dass sie auf Gesetz, Tarifvertrag oder Einzelvertrag beruht (Kübler/Prütting, RWS-Dok. Bd. I, S. 308). Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ist diese geltende Frist - unabhängig von ihrer Wirksamkeit - die Dauer der Befristung. Erst wenn sie die dreimonatige Höchstfrist des § 113 Abs. 1 S. 1 InsO. übersteigt, kann die besondere, kürzere Frist greifen. Dies entspricht auch der Zielsetzung des Gesetzgebers. Denn dessen vorrangiges Ziel war es, das Recht auf Beschäftigung des Arbeitnehmers, wie es ihm außerhalb des Konkurses bzw. der Insolvenz zusteht, bis zu einer Frist von drei Monaten zu erhalten. Dadurch sollte gleichzeitig Rücksichtnahme auf die Belange des Konkurs- bzw. Insolvenzgläubigers geübt werden (Kübler / Prütting, RWS-Dok. Bd. I, S. 308). Indem die Dauer der Befristung als maßgebliche Frist im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 2 InsO. angesehen wird, wird diese Zielsetzung des Gesetzgebers erfüllt. Denn dem befristet angestellten Arbeitnehmer wird eine - seiner vertraglich vereinbarten Vertragsdauer entsprechende - möglichst lange Beschäftigungsdauer von höchstens drei Monaten ermöglicht.

3) Der Kläger hat auch fristgerecht gegen die Kündigung des Beklagten Klage erhoben; dies hat das Arbeitsgericht festgestellt. Die Kammer verweist auf die zutreffenden Entscheidungsgründe, § 543 ZPO. Diese Entscheidung ist richtig und wird auch von dem Beklagten nicht in Frage gestellt.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 wegen der grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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