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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.05.1998
Aktenzeichen: 10 Sa 2047/97
Rechtsgebiete: VTV Tarifv./Bau


Vorschriften:

VTV Tarifv./Bau § 1
VTV Tarifv./Bau § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziff. 13
Ein Betrieb, der Fertigbauteile herstellt und diese überwiegend im Rahmen von Werklieferungsverträgen durch Subunternehmen zu Bauwerken zusammenfügen läßt, erfüllt selbst dann nicht die Tarifmerkmale der Ziff. 13von Abschnitt V des § 1 Abs. 2 VTV, wenn der von dem Betrieb eingesetzteBauleiter nur werk- und nicht arbeitnehmerbezogen eine Aufsicht durchführt.Es ist unschädlich und führt nicht zur Anwendung der Ziff. 13, wenn der Betrieb im Rahmen von Nachbesserungsarbeiten (§ 633 Abs. 3 BGB) eigeneMontagearbeiter auf den Baustellen des Subunternehmers einsetzt.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäfts-Nr.: 10 Sa 2047/97

Verkündet am: 08.05.1998

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 08.05.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Beseler als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Kemper und den ehrenamtlichen Richter Schuh für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel - 6 Ca 2028/97 - vom 18.09.1997 abgeändert und die Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte unter den Geltungsbereich der allgemeinverbindlichen Tarifverträge des Bauhauptgewerbes und damit des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) fällt und sie deshalb dem Kläger die Urlaubs- und Lohnnachweiskarte für das Baugewerbe sowie den Versicherungsnachweis für die Zusatzversorgungskasse für das Jahr 1996 ausgefüllt herausgeben muß.

Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte produziert in ihrem Werk H.amminke Betonfertigteile. Einen Teil der Fertigteile (nachfolgend: Eigenmontage) montiert sie mit eigenen Arbeitnehmern. Von einem weiteren Teil (nachfolgend: reine Lieferung) fügt sie Fertigteile zum einen zu Garagen zusammen, die dann zum Aufstellungsort transportiert und aufgestellt werden; zum anderen liefert sie für den Tunnelbau benötigte Tübbings an eine A.R, der nicht die Beklagte, aber deren Mutterfirma angehört. Einen dritten Teil der Fertigteile (nachfolgend: Fremdmontage) läßt die Beklagte durch selbständige Subunternehmer zu Hallen etc. einbauen bzw. zusammenbauen. Bei dieser Fremdmontage schließt die Beklagte Werklieferungsverträge mit Endabnehmern ab; das Eigentum an den Fertigteilen geht nicht an die Subunternehmer, sondern nach der Montage und der Bezahlung des Gesamtwerkes auf die Endabnehmer über. Bis zur schlüsselfertigen Übergabe der Bauwerke bleibt die Beklagte Eigentümerin der selbst hergestellten und in diese Bauwerke durch Subunternehmer eingebauten Fertigteile.

Bei der Beklagten sind von 100 Arbeitnehmer 50 Mitarbeiter in der Fertigung der Fertigteile und 6 Arbeitnehmer in der Montage beschäftigt.

Die Beklagte nahm bis Ende Juni 1996 an dem Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teil. Durch Bescheid vom 28.05.1996 teilte die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVAG der Beklagten mit, daß sie mit dem Fertigteilwerk H.amminke seit dem 02.01.1995 nicht mehr von dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) erfaßt werde, und forderte sie auf, für die in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer keine Eintragungen mehr in Lohnnachweiskarten oder Versicherungsnachweishefte vorzunehmen. Am 01.09.1996 trat die Beklagte mit dem Fertigteilwerk H.amminke dem Landesverband Beton- und Fertigteilindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. bei.

Dieser Verband hat den Rahmentarifvertrag (RTV) für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14.9.1993 mit abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 11.4.1997 machte der Kläger erfolglos einen Anspruch auf Herausgabe seiner Urlaubs- und Lohnnachweiskarte sowie des Versicherungsnachweises der Urlaubskasse und ZVK des Baugewerbes gegenüber der Beklagten geltend.

Der Kläger, der im ersten Rechtszug unterstellt hat, daß bei der Beklagten mehr als 50 % der Gesamttonnage als Eigenmontage und Fremdmontage anfällt, vertritt die Auffassung, die Beklagte sei vom betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge für das Sozialkassenverfahren erfaßt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Urlaubs- und Lohnnachweiskarte für das Jahr 1996 sowie den Versicherungsnachweis für die Zusatzversorgungskasse, ausgefüllt gemäß den tariflichen Bestimmungen herauszugeben.

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, nicht die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes, sondern die der Beton- und Fertigteilindustrie Nordrhein- Westfalen fänden seit dem 1.9.1996 Anwendung.

Das Arbeitsgericht hat sich der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen und der Klage mit Urteil vom 18.9.1997 entsprochen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 4.11.1997 zugestellte Urteil mit einem beim Landesarbeitsgericht am 2.12.1997 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2.2.1998 mit einem weiteren beim Landesarbeitsgericht am 30.1.1998 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte trägt vor, die in ihrem Werk H.amminke in den einzelnen Bereichen produzierten Betonfertigteile gliederten sich hinsichtlich der Tonnagezahlen wie folgt auf:

1996: Gesamtmontage gefertigt 50.475 to., Eigenmontage 3.781 to., Fremdmontage 27.242 to., reine Lieferung 19.452 to.

1997: Gesamtmontage gefertigt 45.000 to., Eigenmontage 2.500 to., Fremdmontage 23.000 to., reine Lieferung 19.500 to.

Die Fremdmontage durch Subunternehmer, die zu mehr als 50 % der Gesamttonnage erfolge, falle entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes, sondern unter den der Tarifverträge in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14.9.1993.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom 18.9.1998 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung und stellt in Abrede, daß mehr als 50 % der Gesamtmontage für die Fremdmontage anfällt. Er trägt vor, die Eigenmontage betrage mehr als 50 % der Gesamttonnage. Denn hierzu seien auch die Garagen zu zählen, die von der Beklagten überwiegend nicht nur geliefert, sondern auch montiert würden sowie die Tübbings. Im übrigen liege bei allen Montagen, sei es durch eigene Arbeitnehmer oder durch Subunternehmer die Bauaufsicht bei der Beklagten. Die Beklagte setzte dazu drei Bauleiter ein, die für die Überwachung, Anleitung und Kontrolle der Subunternehmer und deren Arbeitnehmer verantwortlich seien und zwar für die Ausführung der Montage, Terminüberwachung und den zeitlichen Ablauf. Sämtliche Mängelrügen und Mängellisten der Bauherrn seien den Bauleitern vorzubringen, die für eine etwaige Beseitigung der Mängel verantwortlich seien. So würden von der Beklagten bei entsprechenden Mängelrügen zur Beseitigung der Mängel eigene Montagekolonnen eingesetzt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Der Kläger hat der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVAG den Streit verkündigt, die dem Rechtsstreit nicht beigetreten ist.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 8.5.1998 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.. Die Beklagte fällt nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten VTV , so daß der Kläger nicht die Aushändigung der ausgefüllten Urlaubs- und Nachweiskarte im Baugewerbe für das Jahr 1996 sowie des ausgefüllten Versicherungsnachweises für die Zusatzversorgungskasse im Baugewerbe verlangen kann.

A.

Das Arbeitsgericht hat seine Rechtsauffassung, der Betrieb der Beklagten falle unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV damit begründet, die von der Beklagten im Rahmen von Werklieferungsverträgen durch Subunternehmer erstellten Bauwerke seien von § 1 Abschnitt V Nr. 13 2. Alternative VTV erfaßt, da die Beklagte als Vertragspartner gegenüber den Endabnehmern in Erscheinung trete.

B.

Die Kammer schließt sich dieser Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts nicht an. Die in der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse führen auch nicht zum Ergebnis, daß die Beklagte im übrigen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt.

I. Zunächst hat das Arbeitsgericht richtig gesehen, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für das Sozialkassenverfahren gemäß § 5 Abs. 4 TVG kraft Allgemeinverbindlichkeit dann Anwendung findet, wenn die Beklagte unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fällt. Für den Rechtsstreit ist deshalb entscheidend, ob die Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitte I bis III VTV mit ihrem Fertigteilwerk H.amminke unter den Geltungsbereich des VTV fällt. Denn der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12.11.1996 in der Fassung vom 21.5.1997 erfaßt nach seinem betrieblichen Geltungsbereich Betriebe des Baugewerbes. Zu den Betrieben i.S. des Abschnitts III gehören gemäß Abschn. V Ziff. 13 auch solche Betriebe, die in der tariflich geregelten Weise Fertigbauarbeiten ausführen.

II. Die Beklagte fällt mit ihrem Betrieb nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des Baugewerbes.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. statt aller Urteil vom 11.6.1997 ­ 10 AZR 525/96 ­ n.v. m.w.N.) fällt ein Betrieb als Ganzes unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV (§ 1Abs. 2 Abschn. VI VTV), wenn in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien ­ z.B. die Eintragung in das Handelsregister ­ kommt es dabei ebensowenig an, wie auf wirtschaftliche Gesichtspunkte, z.B. Umsatz oder Verdienst. Werden in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des Abschnitts V des § 1 Abs. 2 VTV genannten Tätigkeiten ausgeführt, fällt der Betrieb unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne daß die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Können die Tätigkeiten nicht den Beispielen in § 1 Abs. 2 Abschn. V zugeordnet werden, kommt es darauf an, ob der Betrieb nach den Abschnitten I bis III vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird. Maßgeblich ist auf die Zweckbestimmung des Betriebes abzustellen; für die den Betrieb prägende Zweckbestimmung ist der Zweck der Gesamtleistung entscheidend. Soweit des die in Abschn. I bis III genannten Fallgestaltungen betrifft, müssen die Betriebe ihrer Einrichtung und Zweckbestimmung entsprechend baulich geprägt sein. Es muß also mit den Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet werden (BAG Urteil vom 25.2.1987 ­ 4 AZR 230/86 ­ AP Nr. 79 zu § 1 TVG Tarifverträge Bau).

2. Der Betrieb der Beklagten erfüllt nicht die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 Abschn. V Ziff. 13 VTV. Denn hierunter fallen:

Fertigbauarbeiten: Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; ferner das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen ­ unbeschadet der gewählten Rechtsform ­ durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut werden.

Dagegen werden von dem fachlichen Geltungsbereich des RTV für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 11.9.1993 erfaßt:

Hierunter fallen alle industriellen und handwerklichen Betriebe, die Betonwaren, Stahlbetonwaren, Porenbetonerzeugnisse, Betonwerkstein und Betonfertigbauteile aller Art stationär herstellen und diese zum überwiegenden Teil an nicht beteiligte Dritte veräußern. Werden die hergestellten Fertigbauteile dagegen zum überwiegenden Teil durch den herstellenden Betrieb selbst, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechtsform - durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zusammengefügt oder eingebaut (Fertigteilherstellung im Baubetrieb gemäß § 1 Abschnitt V Ziffer 13 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 03. Februar 1981- BRTV-Bau -, so fällt der herstellende Betrieb nur dann unter diesen Tarifvertrag, wenn er Mitglied eines der vertragsschließenden Verbände ist.

Nach dieser Abgrenzungsnorm fällt mithin unter den betrieblichen Geltungsbereich des RTV der Betrieb, der im Gegensatz zum VTV Fertigbauteile überwiegend nur herstellt und sie an nicht beteiligte Dritte veräußert. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Klägers fügt die Beklagte in ihrem Werk H.amminke nicht überwiegend Fertigbauteile zu Bauwerken zusammen; sie baut sie auch nicht im tariflichen Sinne ein. Sie stellt überwiegend nur Fertigbauteile her und veräußert sie.

a. Die Fremdmontage erfüllt nicht die Tarifmerkmale des § 1 Abs. 2 Abschn. V Ziff. 13 VTV.

aa. Wie das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang richtig erkannt hat, wird die Fremdmontage nicht vom Wortlaut der Ziff. 13 erfaßt. Das Erstgericht meint jedoch, es sei bei der Abgrenzung zwischen dem RTV und dem VTV darauf abzustellen, ob überwiegend für den anonymen Markt produziert wird oder nicht. Da die Beklagte mit Endabnehmern Werklieferungsverträge abschließt, verpflichte sie sich zur Lieferung eines aus von ihr selbst zu beschaffenen Einzelteilen herzustellenden Gesamtwerkes, wobei es unerheblich sei, ob dieses durch eigene Arbeitnehmer oder durch einen Subunternehmer erfolge. Entscheidend sei, daß die Beklagte allein als Vertragspartner gegenüber den Endabnehmern in Erscheinung tritt.

bb. Dieser Meinung schließt sich die Kammer nicht an.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (statt aller BAG Urteil vom 16.5.1995 ­ 3 AZR 395/94 - § 1 TVG Auslegung Nr. 29 m.w.N.) sind Tarifnormen wie Gesetze auszulegen. Es ist weder mit dem Normcharakter eines Tarifvertrages noch mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (Art. 20 GG) zu vereinbaren, ausschließlich auf den subjektiven Willen der Tarifvertragsparteien abzustellen. Die Tarifunterworfenen müssen den Inhalt des für sie geltenden Tarifrechts erkennen können. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist aber dann zu beachten, wenn er in den Tarifnormen einen Niederschlag gefunden hat. Bei der Tarifauslegung ist ebenso wie bei der Gesetzes- und Vertragsauslegung zunächst vom Wortlaut auszugehen. Er darf jedoch nicht überbetont werden. Der maßgebende Sinn einer Vorschrift ist zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften.

(2) Nach Ziff. 13 2. Halbsatz muß der Betrieb mit den von ihm hergestellten Fertigbauteilen entweder selbst ein Bauwerk erstellen oder sie in ein Bauwerk einbauen; gleichgesetzt wird der Fall, daß das Bauwerk von einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut wird.

Es ist unbestritten, daß die Subunternehmer, die die von der Beklagten gelieferten Fertigteile zu einem Bauwerk zusammenfügen, nicht zusammen mit dem Betrieb der Beklagten als Betrieb demselben Unternehmen oder einem Unternehmensverbund angehören.

Die Beklagte fügt auch mit den von ihr hergestellten Fertigteilen kein Bauwerk im Tarifsinn zusammen. Die Beklagte bedient sich zwar im Rahmen eines Werklieferungsvertrages eines Subunternehmers und überträgt nicht diesem, sondern dem Endabnehmer das Eigentum an den Fertigbauteilen. Der Subunternehmer ist damit Erfüllungsgehilfe der Beklagten gegenüber dem Endabnehmer; er haftet gegenüber der Beklagten und nicht gegenüber dem Endabnehmer für die fachgerechte Ausführung der Arbeiten. Damit ist aber allein der Subunternehmer ein Baubetrieb im Sinne des VTV, nicht jedoch die Beklagte, die nicht selbst bzw. durch unternehmens- oder unternehmsverbandsangehörige Betriebe die von ihr hergestellten Fertigteile zusammenfügt.

Da es nach dem Wortlaut und dem Sinn der Ziff. 13 2. Halbsatz allein darauf ankommt, ob von dem Betrieb selbst bzw. von einem Betrieb des gleichen Unternehmens bzw. des Unternehmensverbandes ein Bauwerk mit Hilfe der selbst hergestellten Fertigbauteile zusammengefügt etc. wird und nur unter diesen Voraussetzungen auf Grund der baulichen Arbeiten von einem Baubetrieb gesprochen werden kann, ist es tarifrechtlich ohne Belang, ob das Eigentum an den Fertigteilen direkt von der Beklagten an den Endabnehmer oder ob ein Zwischenerwerb durch einen Subunternehmer erfolgt. Denn die Frage, in welcher Weise das Eigentum von der Beklagten auf den Endabnehmer übergeht, spielt bei der Abgrenzung, ob ein Baubetrieb im Sinne der Ziff. 13 vorliegt, keine Bedeutung.

Eine andere Betrachtungsweise wäre dann angezeigt, wenn die Beklagte die von dem Subunternehmen eingesetzten Arbeitnehmer einweisen, überwachen und kontrollieren würde und damit die von dem Subunternehmen erbrachten Arbeiten der Beklagten nach Ziff. 13 2. Halbsatz zugerechnet werden müßten. In einem solchen Fall würde auf Grund der Überwachungs-, Anleitungs- und Kontrolltätigkeiten die Beklagte selbst die von ihr hergestellten Fertigbauteile zu einem Bauwerk zusammenfügen. Die Beklagte würde die Arbeitnehmer des Subunternehmens wie eigene Arbeitnehmer einsetzen, wobei ohne die Tätigkeit der Arbeitnehmer des Subunternehmen Mitarbeiter der Beklagten die Montagearbeiten durchführen müßten. Wie jedoch auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf Grund der Aussage des Zeugen T.arraczur Überzeugung der Kammer feststeht, weist die Beklagte bei der Fremdmontage die von dem Subunternehmen eingesetzten Arbeitnehmer weder ein, noch überwacht oder kontrolliert sie diese Montagearbeiter. Der von der Beklagten auf den Baustellen eingesetzte Bauleiter hat nur dafür Sorge zu tragen, daß der Subunternehmer seinen Auftrag ordnungsgemäß erfüllt. Der Bauleiter hat kein Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern des Subunternehmers. Die Überwachungstätigkeit des Bauleiters ist mithin werk- und nicht arbeitnehmerbezogen. Der Subunternehmer bleibt auch beim Einsatz des Bauleiters eigenverantwortlich tätig. Darüber hinaus ist es tarifrechtlich unerheblich, daß die Beklagte bei der Fremdmontage eigene Montagearbeiter einsetzt. Dieser Einsatz erfolgt nach der Aussage des Zeugen T.arra, an dessen Glaubwürdigkeit im übrigen die erkennende Kammer keine Bedenken hat, nur bei einer Mängelbeseitigung. Es versteht sich von selbst, daß die Beklagte, falls der Subunternehmer bei einem Mangel des von ihm erstellten Bauwerks mit der Mängelbeseitigung in Verzug geraten ist, den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen kann (§ 633 Abs. 3 BGB). Diese Nachbesserungsarbeiten sind aber der Beklagten nicht im Sinne der Ziff. 13 2. Halbsatz in der Weise zuzurechnen, daß damit nicht der Subunternehmer, sondern die Beklagte das Bauwerk mittels der von ihr erstellten Fertigteile zusammenfügt. Schließlich wird die Beklagte nicht zu einem Baubetrieb nach Ziff. 13 2. Halbsatz, daß sie dem Subunternehmer gelegentlich einen Sanitär- Container, Schrägstützen und Schutzgerüste (so Auftrag Allkauf) oder einen Kran zur Verfügung stellt. Denn der Subunternehmer bleibt auch in diesen Fällen derjenige, der die Fertigteile im Tarifsinn zusammenfügt.

c. Soweit die Beklagte bei der Eigenmontage und der reinen Lieferung von Garagen und Tübbings unter Ziff. 13 2. Halbsatz von Abschnitt V des § 1 Abs. 2 VTV fällt, fallen diese Arbeiten nicht im tariflich gebotenen Umfang an. Denn die Fremdmontage überwiegt. Wie auf Grund der Aussage des Zeugen T.arra feststeht, sind 1996 bei den Fertigteilen von der Gesamttonnage von rund 50.000 to allein für die Fremdmontage über 50 %, nämlich 27.000 to produziert worden; auch für 1997 sind geschätzt mehr als 50 % für die Fremdmontage gefertigt worden. Selbst wenn 1996 für das Projekt 120 647 to. an eine A.R geliefert wurde und deshalb insoweit Ziff. 13 2. Halbsatz erfüllt ist, liegt die Tonnage für die Fremdmontage, bei der Subunternehmer eingesetzt wurden, über 50 % der Gesamtmontage.

3. Die Beklagte fällt auch nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 Abschn. II. VTV. Denn nach dieser Bestimmung fallen unter dieses Tarifwerk:

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die ­ mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen ­ der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Die im Rahmen der Mängelbeseitigung durchgeführten Montagearbeiten bei der Fremdmontage, aber auch die werkbezogenen Aufsichtstätigkeiten der Bauleiter (vgl. BAG Urteil vom 11.6.1997 a.a.O.) sowie die Anlieferung und das Aufstellen der Garagen fallen unter Abschn. II. Doch diese Arbeiten fallen nicht im gebotenen zeitlichen Umfang an. Da von 100 Arbeitnehmer lediglich 6 Mitarbeiter in der Montage und 50 in der Herstellung der Fertigteile beschäftigt sind, werden offenkundig in dem Betrieb der Beklagte nicht arbeitszeitlich überwiegend diese baulichen Arbeiten durchgeführt. Auch der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, der Betrieb der Beklagten falle unter den betrieblichen Geltungsbereich der Abschnitte I bis III des § 1 Abs. 2 VTV.

C.

Der Kläger kann sein Klagebegehren auch nicht mit Erfolg darauf stützen, die Beklagte, die nach den Feststellungen der Zusatzversorgungskasse des Bauhauptgewerbes vom 28.6.1996 rückwirkend zum 2.1.1995 von dem Sozialkassenverfahren ausgenommen wurde, sei kraft Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) an den VTV gebunden.

Zwar gilt in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG der Inhalt eines Tarifvertrages kraft Nachwirkung für das Arbeitsverhältnis weiter, wenn die Tarifbindung eines Unternehmens wegen Hauswachsens aus dem Geltungsbereich eines Tarifvertrages entfällt. Diese Nachwirkungsregelung gilt jedoch nicht für die in § 4 Abs. 2 TVG genannten Regelungen über gemeinsame Eirichtungen, wenn der Arbeitgeber durch Änderung des Betriebszwecks aus dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages ausscheidet und keine Beiträge an die gemeinsame Einrichtung mehr zu erbringen hat (BAG Urteil vom 5.10.1993 ­ 3 AZR 586/92 ­ EzA § 1 BetrAVG Zusatzversorgung Nr. 6). So verhält es sich hier. Die Beklagte ist aus dem fachlichen Geltungsbereich des VTV herausgefallen und hat keine Beiträge mehr an die gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Bauhauptgewerbes zu zahlen, so daß wegen Erlöschen der Beitragspflicht des Arbeitgebers die Nachwirkung des VTV nicht eintreten konnte.

Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Landesarbeitsgericht die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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