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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.10.2002
Aktenzeichen: 10 Sa 869/02
Rechtsgebiete: BGB, EStG


Vorschriften:

BGB § 670
EStG § 3 Ziff. 9
1. Hat ein Arbeitgeber von den Einkünften des Arbeitnehmers zu wenig Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, kann der Arbeitgeber nach Inanspruchnahme durch das Finanzamt und Nachzahlung der Lohnsteuer Erstattung vom Arbeitnehmer gemäß § 670 BGB verlangen (im Anschluss an BAG, Urteil vom 20.03.1984, 3 AZR 124/82 = AP Nr. 22 zu § 670 BGB.

2. Dieser Erstattungsanspruch besteht nur, wenn das Finanzamt den Arbeitgeber zu Recht in Anspruch genommen hat. Ist in einem gerichtlichen Vergleich das Arbeitsverhältnis zum 30.09. beendet worden, hat aber der Arbeitgeber auf Vorschlag des Gerichts dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt, bereits zu einem früheren Termin aus seinen Diensten auszuscheiden, und wird für diesen Fall vereinbart, dass für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens das bisherige Bruttogehalt als Abfindung gezahlt wird, endet das Arbeitsverhältnis mit dem vom Arbeitnehmer gewählten Zeitpunkt. Bei der Zahlung der Abfindung für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens handelt es sich um eine Abfindung i.S. des § 3 Ziff. 9 EStG und nicht um Arbeitsvergütung.

3. Geht das Finanzamt trotzdem für die Monate des vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers aus den Diensten seines Arbeitgebers von einem zu versteuernden Bruttogehalt aus, kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer Erstattung der an das Finanzamt gezahlten Nachsteuer nur dann verlangen, wenn er alles ihm Zumutbare getan hat, um die unberechtigte Nachforderung der Finanzbehörde abzuwehren. Hierzu gehört, dass er den Arbeitnehmer frühzeitig von dem Nachsteuerverlangen der Finanzbehörden umfassend unterrichtet und ihm damit Gelegenheit gibt, sich selbst um die richtige Behandlung seiner Steuerangelegenheit zu bemühen (im Anschluss an BAG Urteil vom 23.03.1961 - 5 AZR 156/59 = AP Nr. 9 zu § 670 BGB).


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 Sa 869/02

Verkündet am: 14.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Beseler als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Behrend und die ehrenamtliche Richterin Ophey

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 15.05.2002 - 3 Ca 3395/01 - wird kostenfällig als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von Steuern, die die Klägerin nach einer Betriebsprüfung für an die Beklagte gezahlte "Abfindung" an das Finanzamt abgeführt hat.

Die Beklagte war bei der Klägerin als kaufmännische Angestellte beschäftigt gewesen und zum 30.09.1998 aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden. Im Kündigungsschutzprozess einigten sich die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich wie folgt:

"1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 05.03.1998 zum 30.09.1998 enden wird.

2. Bis zum vorgenannten Beendigungszeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt und abgerechnet.

3. Der Klägerin bleibt es vorbehalten, das Arbeitsverhältnis jeweils zum Monatsende zu einem vorgezogenen Termin ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden. Für diesen Fall zahlt die Beklagte an die Klägerin für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses DM 3.800,00 (i.W. dreitausendachthundert Deutsche Mark) im Sinne der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG.

4. Unter den Parteien besteht Einigkeit, dass die Klägerin den ihr jeweils bezogenen auf den Beendigungszeitpunkt zustehenden Urlaubsanspruch vorrangig in Natura nehmen soll.

5. Unter den Parteien besteht ferner Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis auch bei einer vorgezogenen Beendigung jeweils bis zu diesem Beendigungstermin ordnungsgemäß abgerechnet werden muss.

6. Damit ist der Rechtsstreit erledigt."

Die Beklagte schied zum 30.04.1998 aus den Diensten der Klägerin aus. Diese zahlte gemäß dem Vergleich als "Abfindung" 19.000.- DM, wobei die Klägerin davon ausging, die "Abfindung" sei steuerfrei.

Ende 2000 fand im Betrieb der Klägerin eine Außenprüfung des Finanzamtes statt. Das Finanzamt stellte mit Haftungsbescheid vom 15.12.2000 fest, dass es sich bei der "Abfindung" um den Lohn für die Monate Mai bis September 1998 handelte, der zu versteuern sei, sodass 10.689.- DM Lohnsteuer und 587,89 DM Solidaritätszuschlag nachzuzahlen seien. Zur Begründung führte das Finanzamt in dem Bescheid aus:

"Die BfA. zahlte der Arbeitnehmerin Frau N. R. im Monat Juni 1998 eine Abfindung i.H.v. 19.000,00 DM, die gem. § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei belassen wurde. Die Sachbehandlung war zu beanstanden. Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses sind im Rahmen der im § 3 Nr. 9 EStG aufgeführten Höchstbeträge steuerfrei.

Hierbei ist der Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses von Bedeutung.

Ob und zu welchem Zeitpunkt das Dienstverhältnis aufgelöst worden ist, ist nach bürgerlichem Recht bzw. Arbeitsrecht zu beurteilen. Die Festlegung des Zeitpunkts der Auflösung ist wichtig für die Frage, wann der Lohnanspruch des Arbeitnehmers endet, denn nur Arbeitgeberleistungen, die über die Abgeltung der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche hinausgehen, können Abfindungen wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses sein.

Die Überprüfung bei der BfA ergab, dass lt. Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg das Dienstverhältnis der Arbeitnehmerin zum 30.09.1998 beendet wurde.

Bei der geleisteten Zahlung handelt es sich um eine Lohnzahlung für die Monate Mai bis September 1998, auf die die Arbeitnehmerin bereits einen Anspruch erlangt hatte.

Die Zahlung ist somit nicht als steuerfreie Abfindung i.S.d. § 3 Nr. 9 EStG anzusehen.

Die Nachversteuerung erfolgt in Übereinkunft mit der Bfa. Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung durch Haftungsbescheid.

Da eine Nettolohnvereinbarung vorlag, erfolgt die Nachversteuerung gem. Abschn. 122 LStR im Nettoverfahren."

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin durch ihre Steuerberaterin am 28.12.2000 Einspruch ein und beantragte, die "Abfindung" in Höhe von 19.000.-DM als Bruttolohn zu behandeln, da es sich bei der Abfindung um Bruttolohn handele.

Am 12.02.2001 schrieb die Klägerin an die Beklagte:

"Sehr geehrte Frau R.,

Bei der durch das Finanzamt DU-West durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde festgestellt, dass die Ihnen mit der Abrechnung für den Monat 04/1998 gezahlte Abfindung fälschlich steuerfrei abgerechnet wurde.

Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses sind im Rahmen der im § 3 Nr. 9 EStG aufgeführten Höchstbeträge steuerfrei.

Hierbei ist der Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses von Bedeutung. Ob und zu welchem Zeitpunkt ein Dienstverhältnis aufgelöst worden ist, ist nach bürgerlichem Recht bzw. Arbeitsrecht zu beurteilen. Die Festlegung des Zeitpunktes der Auflösung ist wichtig für die Frage, wann der Lohnanspruch des Arbeitnehmers endet, denn nur Arbeitgeberleistungen, die über die Abgeltung der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche hinausgehen, können Abfindungen wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses sein.

Die Überprüfung durch das Finanzamt ergab, dass lt. Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg das Dienstverhältnis mit Ihnen zum 30.09.1998 beendet wurde.

Bei der von uns geleisteten Zahlung handelt es sich um Lohnzahlungen für die Monate Mai bis September 1998, auf die Sie bereits einen Anspruch gelangt hatten. Die Zahlung ist somit nicht als steuerfreie Abfindung i.S.d. § 3 Nr. 9 EStG anzusehen, sodass durch das Finanzamt eine Nachversteuerung vorgenommen wurde.

Die sich hieraus ergebende Nachzahlung - für die wir Sie hiermit in Anspruch nehmen - beträgt:

Lohnsteuer 4.257,00 DM

Sol.-Zuschl.: 234,13 DM

Wir bitten Sie, den Gesamtnachforderungsbetrag in Höhe von 4.491,13 DM bis zum 28.02.2001 auf unser Konto bei der Deutschen Bank AG Duisburg Konto-Nr.: BLZ: zu überweisen."

Der Haftungsbescheid des Finanzamtes war diesem Schreiben nicht beigefügt.

Der Prozessvertreter der Beklagten erwiderte unter dem 21.02.2001 u.a.:

"Unsere Mandantin legte uns Ihr Schreiben vom 12.02.2001 mit der Bitte um Prüfung und Beantwortung vor. Sie machen einen Nachforderungsbetrag in Höhe von DM 4.491,13 bei unserer Mandantin geltend. Eine Rechtsgrundlage hierfür können wir nicht erkennen.

Zum einen berufen wir uns namens und in Vollmacht unserer Mandantin auf die Einrede der Verjährung. Zum anderen war in dem seinerzeit am 08.04.1998 ausgehandelten Vergleich vor dem Arbeitsgericht Duisburg ausdrücklich festgelegt worden, dass die von Ihnen zu erbringenden Zahlungen als Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziff. 9 EStG gelten sollten. Weshalb nunmehr eine Nachversteuerung durch das Finanzamt vorgenommen wurde, können wir nicht nachvollziehen. Wir stellen anheim, den entsprechenden Prüfbericht des Finanzamtes Duisburg-West und die genaue Berechnung des Nachforderungsbetrages hereinzugeben.

Unsere Mandantin wird jedoch keinerlei Zahlungen allein aufgrund Ihres o.g. Schreibens an Sie vornehmen."

Am 15.03.2002 bzw. 23.03.2001 nahm das Finanzamt den Haftungsbescheid vom 15.12.2001 teilweise zurück und setzte die Nachforderung für die gezahlte "Abfindung" auf insgesamt 6.785,76 DM fest.

Am 16.08.2001 forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich auf, den Nachsteuerbetrag an sie abzuführen.

Die Klägerin meint, die Beklagte müsse die von ihr an das Finanzamt abgeführte Nachsteuer erstatten. Die ursprüngliche Abrechnung von Mai 1998 habe lediglich eine Fehlverrechnung in Verkennung der steuerlichen Abführungsvorschriften enthalten. Bei der "Abfindung" habe es sich um den Lohn für die Monate Mai bis September 1998 gehandelt. Keinesfalls sei dem Vergleich zu entnehmen, dass die "Abfindung" für die Klägerin ganz oder teilweise steuerfrei sein sollte. Sie habe auch alles ihr Zumutbare getan, um das Nachversteuerungsansinnen der Finanzverwaltung abzulehnen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 3.469,50 nebst 5 % über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 3 BGB seit dem 13.12.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, sie habe sich an den Vergleich vom 08.04.1998 gehalten und ihr Recht wahrgenommen, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden; hieraus folge die Abfindungszahlung. Zudem sei die Forderung verjährt und verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Antrag. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Der Arbeitgeber kann dann, wenn er von den Einkünften des Arbeitnehmers zu wenig Lohnsteuern einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat, bis zur Inanspruchnahme durch das Finanzamt vom Arbeitnehmer Freistellung von etwaigen Nachforderungen und nach Inanspruchnahme und Zahlung der Lohnsteuern gemäß § 670 BGB Erstattung verlangen (BAG 45, 222-228 = AP Nr. 22 zu § 670 BGB zu II 1 a der Gründe; BAG 20, 230 = AP Nr. 17 zu § 670 BGB, zu l der Gründe; BAG 26, 187, 191 = AP Nr. 20 zu § 670 BGB, zu l 2 c der Gründe; BAG 31, 236, 238 = AP Nr. 21 zu § 670 BGB, zu 1 der Gründe). Diese Ansprüche des Arbeitgebers folgen daraus, dass Schuldner der Steuerforderung der Arbeitnehmer ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (§ 38 Abs. 1 EStG). Der Arbeitgeber hat lediglich für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung die Lohnsteuern einzubehalten, um hierdurch die Erfüllung des staatlichen Steueranspruches zu gewährleisten (§ 38 Abs. 1 Satz 3 EStG). Zur weiteren Sicherstellung des staatlichen Steueranspruches haftet der Arbeitgeber selbst nach § 42 d Abs. 1 EStG für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner des Staates (§ 42 d Abs. 3 EStG). Im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander ist jedoch allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung.

II.

Voraussetzung ist jedoch, dass das Finanzamt zu Recht eine Nachversteuerung durchgeführt hat und der Arbeitgeber deshalb einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung erkannt, dass das Finanzamt zu Unrecht die von der Klägerin an die Beklagte gezahlte "Abfindung" nachversteuert hat.

1. Zunächst ist die Auffassung der Finanzbehörden richtig, dass Voraussetzung für eine Steuerfreiheit einer Abfindung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist und sich diese nach dem bürgerlichen bzw. dem Arbeitsrecht bestimmt (BFH Urteil vom 11.01.1980 - VI R 165/77, BStBl II S. 205 f). Zahlungen an einen von der Arbeit freigestellten Arbeitnehmer, die aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses geleistet werden, sind dagegen keine Abfindungen (BFH Urteil vom 27.4.1994 - XI R 41/93, EzA § 3 EstG Nr. 1). Entgegen der Auffassung der Klägerin und der Finanzbehörde handelt es sich jedoch bei der von der Klägerin geleisteten "Abfindung" nicht um Lohn für die Zeit von Mai bis September 1998.

Denn das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist entgegen der Meinung der Finanzverwaltung auf Grund des gerichtlichen Vergleichs vom 08.04.1998, dem dort der Beklagten eingeräumten Recht, bereits vor dem 30.09.1998 durch einseitige Erklärung auszuscheiden, und der Ausübung dieses Rechts zum 30.04.1998 zu diesem Zeitpunkt beendet worden. Es ist deshalb für die erkennende Kammer nicht verständlich, wenn das Finanzamt in seinen Erläuterungen zum Haftungsbescheid die Meinung vertritt, das Arbeitsverhältnis habe erst zum 30.09.1998 sein Ende gefunden, sodass es sich bei der "Abfindung" um den Lohn für die Monate Mai bis September 1998 handelte.

2. Nach § 3 Ziff 9 EStG sind Abfindungen nur bis zu bestimmten Beträgen steuerfrei, wenn sie "wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses" gezahlt werden. Dabei ist maßgebend, ob der Arbeitgeber die entscheidenden Ursachen für die Auslösung gesetzt hat (BFH Urteil vom 10.10.1986 - VI R 178/83, BStGb II 87,186). Soweit die Klägerin im zweitinstanzlichen Kammertermin die Meinung vertritt, die Beklagte habe selbst das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei mithin nicht von der Klägerin im Sinne des § 3 Ziff. 9 EstGB veranlasst worden, vermag sich die erkennende Kammer dieser Auffassung nicht anzuschließen. Denn die Berufung verkennt damit den Rechtscharakter der Vergleichsregelung. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.1998 gekündigt. Indem sie sich in dem gerichtlichen Vergleich bereit erklärte, dass das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch einseitige Erklärung der Beklagten beendet wird, machte sie der Beklagten damit das Angebot, vorzeitig aus ihren Diensten gegen Zahlung einer Abfindung auszuscheiden. Mag auch die Beklagte ein Interesse daran gehabt haben, das durch die Kündigung der Klägerin zum 30.09.1998 belasteten Arbeitsverhältnis vor dem 30.09.1998 zu beenden, ging der Impuls für die Beendigung des Arbeitsverhältnis von der Klägerin aus. Sie hatte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.1998 gekündigt; sie war daran interessiert, dass die Beklagte aus ihren Diensten ausscheidet. Wenn die Klägerin deshalb auf Vorschlag des Arbeitsgerichts der Beklagten das Angebot machte, bereits vorzeitig das Arbeitsverhältnis zu beenden, hatte die Klägerin und nicht die Beklagte die wesentliche Ursache für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesetzt.

III.

Doch selbst wenn die Finanzverwaltung im Ergebnis zu Recht die "Abfindung" nachversteuert hätte, könnte die Klage keinen Erfolg haben. Anders als in dem vom LAG Nürnberg (Urteil vom 27.01.2000 - 5 Sa 440/99, EzBAT § 65 BAT Nr. 10) entschiedenen Rechtsstreit, in dem unstreitig zu wenig Lohnsteuer einbehalten wurde und deshalb der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber gezahlte Nachsteuer erstatten musste, ist hier bereits während des Verfahrens bei der Finanzverwaltung von der Beklagten in Abrede gestellt worden, dass die "Abfindung" hätte versteuert werden müssen; insoweit wird auf ihr Schreiben vom 21.02.2001 verwiesen. In einem solchen Fall muss vom Arbeitgeber erwartet werden, dass er die Interessen seines Arbeitnehmer gegenüber der Finanzverwaltung wahrnimmt. Denn nach § 670 BGB kann der Beauftragte - hier die Klägerin - nur dann Ersatz der Aufwendungen, mithin der Nachsteuer verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. Der Arbeitgeber ist deshalb gehalten, nicht jedem Nachversteuerungsverlangen der Finanzverwaltung nachzugeben. Er ist verpflichtet, ungerechtfertigten Nachversteuerungsansinnen der Finanzverwaltung entgegenzutreten und abzulehnen (BAG Urteil vom 23.03.1961 - 5 AZR 156/59, DB 1961, 746). Nur wenn er alles ihm Zumutbare getan hat und die Finanzverwaltung letztlich doch auf ihrer Meinung beharrt, kann der Arbeitgeber berechtigt sein, die von den Finanzbehörden erhobene Nachsteuer vom Arbeitnehmer zu verlangen. Der Pflicht des Arbeitgebers, sich im vereinbarten, anderenfalls im üblichen und zumutbaren Rahmen um die richtige Bearbeitung und Behandlung der Lohnsteuer zu Gunsten seines Arbeitnehmer zu bemühen, entspricht die Pflicht des Arbeitnehmers, auch das ihm seinerseits Mögliche und Zumutbare in dieser Richtung zu tun. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu in seiner Entscheidung vom 23.03.1961 ausgeführt, dass der Arbeitnehmer im Allgemeinen seine Pflicht nur erfüllen kann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch entsprechende Unterrichtung auch in die Lage versetzt, seinerseits im Sinne der Abwehr der Nachversteuerung tätig zu werden, indem er z.B. selbst durch die Einlegung von Rechtsmitteln gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid seine Interessen gegenüber der Finanzverwaltung durchzusetzen versucht. Plastisch hat das Bundesarbeitsgericht dies mit den Worten zum Ausdruck gebracht: "Der egoistische Impuls des Arbeitnehmers, sich Steuervorteile zu verschaffen, vermag u.U. mehr als eine betriebliche Steuerorganisation des Arbeitgebers. Dem muss der Arbeitgeber, gerade weil die Nachversteuerung letztlich zu Lasten des Arbeitnehmers gehen soll, Rechnung tragen. Es bedeutete für ihn in der Regel eine geringe und zumutbare Mühe, die ihm seine Fürsorgepflicht auferlegt, in solchen Fällen den Arbeitnehmer über die drohende und geschehene Nachveranlagung zu unterrichten und ihm die Entschließung anheim zu geben, ob er auch seinerseits von den ihm möglichen Rechtsmitteln und Behelfen gegenüber der Nachversteuerung Gebrauch zu machen. Ein Arbeitgeber muss daher, wenn nicht besondere Umstände gegeben sind, den Arbeitnehmer entsprechend unterrichten".

Die Klägerin ist dieser - selbstverständlichen - Pflicht nicht nachgekommen. Sie hat die Beklagte unter dem 12.02.2001 unvollständig informiert. Diesem Schreiben ist nicht zu entnehmen, wann mit welcher Begründung der Haftungsbescheid erging. Selbst der genannte Nachsteuerbetrag ist falsch. Dass und mit welcher Begründung Einspruch eingelegt wurde, wurde in diesem Schreiben nicht erwähnt. Die Klägerin sah es auch nicht als notwendig an, auf das Antwortschreiben der Klägerin vom 21.02.2001 zu reagieren; stattdessen ließ sie den auf den Einspruch ergangenen Haftungsbescheid vom 23.03.2001 rechtskräftig werden, ohne der Beklagten zuvor jedenfalls jetzt Gelegenheit zu geben, ihre Interessen gegenüber dem Finanzamt wahrzunehmen. Indem sich die Klägerin sorglos verhielt und die Beklagte nicht während des Steuerverfahrens ordnungsgemäß informierte, durfte sie die später gezahlte Nachsteuer nicht als erforderliche Aufwendung im Sinne des § 670 BGB ansehen.

Da die Berufung keinen Erfolg haben konnte, war sie mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG hat noch von einer Entscheidung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abgewichen wird. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

Ende der Entscheidung

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