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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.09.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 904/07
Rechtsgebiete: BetrAVG, GG, RL 1989


Vorschriften:

BetrAVG § 5 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6
RL 1989 § 6
1. In die Ermittlung der Versorgungsobergrenze nach § 6 Abs. 5 RL 1989 ist das Witwergeld, das der Ruhegeldempfänger nach dem Tod seines früher beamteten Ehegatten erhält, miteinzubeziehen.

2. Zu dem Gesamtmonatseinkommen gehören nicht nur das eigene durch Arbeitsleistung erworbene Einkommen sondern auch von Dritten abgeleitete eigene Versorgungseinkünfte.

3. Es bleibt unentschieden, ob die Rechtsprechung zur Kürzung von öffentlich-rechtlichen Leistungen der Hinterbliebenenversorgung auch auf Ansprüche der betrieblichen Altersversorgung übertragbar ist.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 04.04.2007 - 4 Ca 5030/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger sich das Witwergeld, das er nach dem Tod seiner Ehefrau erhält, auf seine betriebliche Altersversorgung anrechnen lassen muss.

Der am 06.04.1929 geborene Kläger war bis zum 30.06.1994 bei der Beklagten beschäftigt. Er bezieht seit dem 01.07.1994 eine betriebliche Altersrente.

Am 13.08.2005 verstarb die Ehefrau des Klägers. Sie war Beamtin des Landes Nordrhein-Westfalen und erhielt zuletzt nach ihrem Eintritt in den Ruhestand eine Pension. Mit Bescheid vom 20.09.2005 setzte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen das nach dem Besamtenversorgungsgesetz an den Kläger zu zahlende Witwergeld auf monatlich 1.768,86 € brutto fest. Mit Wirkung zum 01.12.2005 nahm die Beklagte daraufhin eine Neuberechnung der betrieblichen Altersrente vor und kürzte die Versorgungsleistungen von bisher € 3.648,76 brutto auf monatlich € 2.222,67 brutto.

Den Versorgungsleistungen zugrunde liegen die als Betriebsvereinbarung abgeschlossenen "Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft, Essen" vom 09.02.1989 (im Folgenden: RL 89). Darin heißt es auszugsweise wie folgt:

"§ 6 Anrechnung von Renten und Einkommen aus Tätigkeit

(1) Es ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiter durch die Versetzung in den Ruhestand durch das Unternehmen nicht bessergestellt wird, als er sich vorher bei dem Unternehmen bezüglich seines Einkommens im Sinne des § 5 gestanden hat.

(2) Das Ruhegeld wird um die Hälfte derjenigen Beträge vermindert, die dem Mitarbeiter aufgrund jeweils bestehender Gesetze über Renten, Versicherungen, Pensionen und dergleichen zustehen; von der Anrechnung ausgenommen sind lediglich solche Teile dieser Leistungen,die ausschließlich auf eigenen Beitragsleistungen des Mitarbeiters - ohne Arbeitgeberbeteiligung - beruhen.

(3) Bezieht ein in den Ruhestand versetzter Mitarbeiter vor Vollendung seines 65. Lebensjahres Einkommen aus einer selbständigen oder nichtselbständigen Tätigkeit, so dürfen diese Einkommen, zu dessen wahrheitsgemäßer Angabe der Mitarbeiter verpflichtet ist, und das Ruhegeld zusammen nicht höher sein als die Bezüge im Sinne des § 5 unter Berücksichtigung der Höchstgrenzen nach § 6 Abs. 5. Von der Anrechnung anderweitiger Einkünftige aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit auf die betriebliche Rente sind Einkünfte ausgenommen, die gemäß § 1248 RVO bzw. § 25 AVG nicht zu berücksichtigen sind.

(4) Unfall- bzw. Verletztenrenten, für die Arbeitgeber Beiträge, Prämien oder Umlagen geleistet haben, werden auf das Ruhe- bzw. Hinterbliebenengeld insoweit angerechnet, als sie dazu bestimmt sind, Verdienstminderungen auszugleichen. Nicht anzurechnen ist derjenige Teil der Verletztenrente, der der Grundrente eines Versorgungsberechtigten nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes bei vergleichbarem Grad der Behinderung entspricht. Unfall-Kapitalbeträge werden nicht angerechnet; dies gilt nicht für kapitalisierte Renten.

(5) Das Gesamteinkommen eines Ruhegeldempfängers (Ruhegeld, gesetzliche Rente und sonstige Einkommen, soweit nicht gemäß Abs. 2 bis 4 von der Anrechnung ausgenommen) darf die nachstehend aufgeführten, nach der Dienstdauer ab vollendetem 20. Lebensjahr berechneten Höchstgrenzen nicht überschreiten; anderenfalls erfolgt entsprechende Kürzung.

Höchstgrenzen sind bei...30 Dienstjahren = 75,0 % ... der Berechnungsgrundlage gemäß Abs. 8."

Mit seiner am 09.10.2006 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage wendet der Kläger sich gegen die Kürzung seiner Altersrente.

Er hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Eine Anrechnung der Witwerrente nach § 6 Abs. 2, 5 RL 89 komme nicht in Betracht. Witwerrenten oder Witwerpensionen aus von Dritten erworbenen Versorgungsrechten seien dort nicht erwähnt. Die Anrechnung wäre nur möglich, wenn auch die Pension seiner Ehefrau anrechenbar gewesen wäre. Dies sei nach den Richtlinien indes nicht der Fall. Die Anrechnung sei auch nicht mit dem Bedarfsprinzip und dem Ziel der Vermeidung einer Überversorgung zu rechtfertigen. Zudem sähen die Richtlinien Anrechnungen nur bei Rentenbeginn vor. Nachträglich eintretende Umstände müssten unberücksichtigt bleiben. Die Anrechnung verstoße auch gegen § 5 Abs. 2 BetrVG und verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil Doppelverdienerehen ohne sachlichen Grund schlechter gestellt würden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.12.2005 bis 30.06.2006 eine ungekürzte monatliche Altersrente in Höhe von € 3.648,76 brutto abzüglich gezahlter € 2.222,67 zu zahlen und den Differenzbetrag von € 1.426,09 jeweils ab dem 1. des Folgemonats, beginnend mit dem 01.01.2006, mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm auch ab dem 01.07.2006 eine ungekürzte monatliche Altersrente ohne Berücksichtigung des ihm zustehenden Witwergeldes zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat insbesondere ausgeführt:

Der Bezug des Witwergeldes habe nach den Versorgungsrichtlinien eine Neuberechnung der Versorgungsleistung erforderlich gemacht. Die von ihr vorgenommene Anrechnung sei durch § 6 Abs. 5 RL 1989 gedeckt. Das Witwergeld sei zur Vermeidung einer Überversorgung bei der Ermittlung des Gesamtversorgungseinkommens des Klägers zu berücksichtigen.

Mit seinem am 04.04.2007 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Essen die Klage abgewiesen und dies vor allem wie folgt begründet:

Die Beklagte habe das Witwergeld in die Berechnung der Gesamtversorgung des Klägers nach § 6 Abs. 5 RL 89 einbeziehen dürfen. Die Regelungen in § 6 ließen nicht nur eine Anrechnung bei Eintritt in den Ruhestand, sondern auch eine Berücksichtigung späterer Änderungen des Einkommens zu. Bei der Witwerrente handele es sich um Ruhegeld oder zumindest um sonstiges Einkommen i.S. von § 6 Abs. 5 RL 89. Die Berücksichtigung der Witwerrente verletze nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Gegen das ihm am 17.04.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 16.05.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem hier am 24.05.2007 eingereichten Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere vor:

Die Regelung in § 6 Abs. 5 RL 89 sei nicht eindeutig. Mit Gesamtmonatseinkommen i.S.d. § 6 Abs. 5 RL 89 seien zunächst nur das eigene, durch Arbeitsleistung erworbene Einkommen gemeint, nicht aber von Dritten abgeleitete Versorgungseinkünfte. Soweit auch diese hätten einbezogen werden sollen, hätte es nach § 5 Abs. 2 BetrAVG einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Die Anrechnung von Hinterbliebenenbezügen unterliege im Übrigen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die auf Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung außerhalb des öffentlichen Dienstes übertragbar sei, Beschränkungen. Danach sei es mit dem Gleichheitssatz unvereinbar, wenn durch Ruhens- oder durch Anrechnungsvorschriften dem überlebenden Ehegatten nicht wenigstens ein Rest der vom verstorbenenen Ehegatten herrührenden Versorgungsansprüche verbleibe. Dem Beamten müsse beim Zusammentreffen vom Versorgungsbezügen mit Erwerbs- und/oder Erwerbsersatzeinkommen nach § 53 Abs. 5 BeamtVG mindestens ein Betrag in Höhe von 20 % der Versorgungsbezüge verbleiben. Gleiches gelte nach § 54 Abs. 3 BeamtVG beim Zusammentreffen mehrerer Versorgungsbezüge. Dabei seien Ansprüche auf Hinterbliebenenrente aus der betrieblichen Altersversorgung des verstorbenen Ehegatten überhaupt nicht anrechenbar. Da die Versorgungsrichtlinien der Beklagten eine entsprechende Grenze beim Zusammentreffen von Betriebs- und Hinterbliebenenrente nicht vorsehe, halte die Regelung in § 6 Abs. 5 RL 89 selbst bei einer weiten Auslegung des Begriffs "sonstige Einkommen" einer Inhaltskontrolle nicht stand. Abgesehen davon bleibe ihm aufgrund der Anrechnung von dem Witwergeld nur 19,38 %. Dies sei jedenfalls unzureichend. Die Anrechnung sei auch mit dem Schutz der Ehe nicht zu vereinbaren. Eine Überversorgung finde nicht statt. Die Beklagte habe schon eine Neuberechnung der Altersrente nicht vornehmen dürfen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 04.04.2007 (4 Ca 5030/06) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.12.2005 bis zum 30.06.2006 eine ungekürzte monatliche Altersrente von € 3.648,76 brutto abzüglich gezahlter € 2.222,67 zu zahlen und den Differenzbetrag von € 1.426,09 jeweils ab dem 01. des Folgemonats, beginnend mit dem 01.01.2006 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt in der Berufungserwiderung in erster Linie das angefochtene Urteil und trägt im Weiteren vor:

Bei der Witwerpension handele es sich um "sonstiges Einkommen", das gemäß § 6 Abs. 5 Ziffer 1 RL 1989 in voller Höhe auf die Betriebsrente des Klägers anzurechnen sei. Der Kläger verkenne die Systematik der Anrechnungsregelung. Von ihr seien auch Bezüge nach Rentenbeginn erfasst. Dies ergebe sich schon aus dem Sinn und Zweck einer Gesamtversorgung. Die Regelung in § 6 Abs. 5 RL 1989 sei weder unklar noch unbillig. Die Witwerpension des Klägers werde nicht gekürzt. Die Summe seiner Alterseinkünfte bleibe gleich. Die Anrechnung verstoße weder gegen § 5 BetrAVG noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. § 53 Abs. 5 BeamtVG enthalte keine Richtschnur, die auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung anwendbar sei. Selbst wenn sie gelten würde, sei ein Verstoß nicht erkennbar. Auch auf Art. 6 Abs. 1 GG könne der Kläger sich nicht stützen. Art. 6 Abs. 1 GG gebiete noch nicht einmal mittelbar, dass nach dem Tod eines Ehegatten das gesamte Haushaltseinkommen gleichmäßig hoch bleiben müsse. Entscheidend sei, dass die Summe aller ungekürzten Alterseinkünfte des Klägers nach dem Tod seiner Frau die Versorgungsobergrenze bei weitem übersteige. Schon wegen der Zulässigkeit der Höchstgrenzenregelung sei die Anrechnung der Witwerpension rechtmäßig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ausdrücklich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung des Klägers, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, da sie unbegründet ist. Nach den Versorgungsrichtlinien vom 09.02.1989 durfte die Beklagte die Witwerpension, die der Kläger nach dem Tod seiner früher beamteten Ehefrau aufgrund des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 20.09.2005 in Höhe von monatlich € 1.768,86 brutto erhält, auf die versprochene betriebliche Altersversorgung anrechnen.

I.

Das Witwergeld ist in die Ermittlung der Versorgungsobergrenze nach § 6 Abs. 5 RL 1989 einzubeziehen. Es gehört als "sonstiges Einkommen" zum Gesamtmonatseinkommen des Klägers.

1. Nach § 6 Abs. 5 RL 1989 darf das Gesamtmonatseinkommen eines Ruhegeldempfängers die dort genannten Höchstgrenzen nicht überschreiten, anderenfalls erfolgt eine entsprechende Kürzung. Zu dem Gesamtmonatseinkommen zählen ausweislich des Klammerzusatzes Ruhegeld, gesetzliche Renten und sonstige Einkommen, soweit sie nicht gemäß Abs. 2 bis 4 von der Anrechnung ausgenommen sind.

a) Die Regelung ist hinreichend bestimmt. Die Versorgungsordnung definiert das zugrunde zu legende Monatseinkommen in der Form eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Es wird darauf verzichtet, im Einzelnen aufzuführen, was als Einkommen berücksichtigungsfähig ist. Durch die Verwendung des Auffangzusatzes "sonstige Einkommen" wird klargestellt, dass grundsätzlich sämtliche monatlichen Einkünfte des Ruhegeldempfängers in die Ermittlung der Versorgungsobergrenze einzubeziehen sind. Nur die Einkünfte bleiben ausnahmsweise unberücksichtigt, die ausdrücklich gemäß Abs. 2 bis 4 von der Anrechnung ausgenommen werden.

b) Das Witwergeld zählt danach zu dem Gesamtmonatseinkommen des Klägers. Diesem steht nach § 19 BeamtVG ein eigener Anspruch auf die Leistung zu. Es handelt sich um eigene monatliche Einkünfte. Dass die Pension der Ehefrau nicht dazu gehört hatte, ist entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich. Das Witwergeld gehört nicht zu dem Einkommen, das gemäß § 6 Abs. 2 bis 4 von der Anrechnung ausgenommen ist.

2. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, mit dem Gesamtmonatseinkommen seien nur das eigene durch Arbeitsleistung erworbene Einkommen gemeint, nicht aber die - wie das Witwergeld - von Dritten abgeleiteten Versorgungseinkünfte, findet diese Auslegung in der Versorgungsordnung keine Stütze.

a) In § 6 Abs. 2, 3 und 4 RL 1989 werden verschiedene Rentenarten, Versicherungen, Pensionen und Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Tätigkeit angesprochen. Demgegenüber sieht § 6 Abs. 5 RL 1989 von jeglicher Differenzierung ab und verwendet nur den weiten Begriff des Gesamtmonatseinkommens, der nach dem Wortlaut sämtliche Einkünfte erfasst unabhängig davon, ob durch eigene Arbeitsleistung erworben oder von Dritten abgeleitet. Für dieses Verständnis spricht insbesondere der Klammerzusatz und die dort verwendete Auffangformulierung "sonstige Einkommen". Diese kann nicht anders verstanden werden, als dass im Zweifel sämtliche Einkünfte in die Berechnung mit einbezogen werden.

b) Bestätigt wird diese Auslegung auch durch einen Vergleich der Regelungen in § 6 Abs. 5 und § 9 Abs. 6 RL 1989. In § 9 Abs. 6 RL 1989 heißt es zur Höhe des Hinterbliebenengeldes auszugsweise wie folgt:

"Das Gesamtmonatseinkommen der Hinterbliebenen (Hinterblieben- bzw. Waisengeld, gesetzliche Renten und Einnahmen aus einer selbständigen oder nichtselbständigen Tätigkeit) darf bei einem Hinterbliebenen allein 60 % ... des Gesamteinkommens im Sinne der in § 6 Abs. 5 genannten Höchstgrenze nicht überschreiten".

In diesem Zusammenhang wird das Gesamtmonatseinkommen durch den Klammerzusatz ausdrücklich auf bestimmte Leistungen u.a. auf Einnahmen aus selbständiger oder nichtselbständiger Tätigkeit beschränkt. In § 6 Abs. 5 RL 1989 fehlt die Beschränkung. Die Betriebspartner haben dort in dem Klammerzusatz mit dem Hinweis auf "sonstige Einkommen" eine weitere und umfassendere Formulierung verwendet. Aus dem Umkehrschluss ergibt sich, dass hier eben nicht nur Einnahmen aus selbständiger oder nichtselbständiger Tätigkeit gemeint sind, sondern auch von Dritten abgeleitete Ansprüche erfasst werden.

3. Die volle Anrechnung der Witwerpension des Klägers entspricht auch dem der Ruhegeldrichtlinie zugrunde liegenden Gesamtversorgungsprinzip.

a) Ausgehend von dem Gedanken der Ergänzungsfunktion der betrieblichen Altersversorgung ist die Gesamtversorgung darauf gerichtet, zusammen mit den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversorgung und etwaigen anderen Leistungen eine Vollversorgung der Betriebsrentner zu sichern. Gesamtversorgungssysteme, die den Versorgungscharakter der betrieblichen Altersversorgung mehr als die anderen Systeme verwirklichen und den Entgeltcharakter vernachlässigen, bestehen in zwei Formen. Bei Anrechnungssystemen wird eine hohe Betriebsrente vom Arbeitgeber versprochen, auf die die gesetzliche Rente und eventuelle Versorgungsleistungen angerechnet werden. Häufiger wird die Gesamtversorgung in der Weise zugesagt, dass der Versorgungsgrad, der sich aus Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung zusammensetzt, einen bestimmten Höchstbetrag nicht überschreiten darf (vgl. Schuhmann in U., Arbeitsrecht, 5. Aufl., Teil 2 E, Rdnr. 82). Im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems steht der Versorgungsgedanke im Vordergrund der Überlegungen des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber will eine bei dem Arbeitnehmer bestehende Versorgungslücke schließen. Für ein Gesamtversorgungssystem ist mithin kennzeichnend, dass nur dann ein betriebliches Ruhegeld gezahlt wird, wenn die anderweitigen Einnahmen eine Versorgungslücke lassen (vgl. BAG vom 19.07.1983 - 3 AZR 241/82 - AP BetrAVG § 5 Nr. 8).

b) Das Versorgungswerk der Beklagten ist auf eine Gesamtversorgung der Arbeitnehmer gerichtet. Davon gehen beide Parteien zu Recht aus. In der Präambel der Versorgungsrichtlinien vom 09.02.1989 ist ausdrücklich davon die Rede, dass mit der Neuregelung der Ruhegeldrichtlinien eine Begrenzung des Risikos des Unternehmens aus der "Gesamtversorgung" für den Fall, dass die Renten aus der Sozialversicherung sinken, erreicht werden soll. Deutlich wird das Gesamtversorgungsprinzip insbesondere durch die Höchstbegrenzungsklausel unter § 6 Abs. 5 RL 1989 und durch die Regelung in § 6 Abs. 1 RL 89, wonach der Mitarbeiter durch die Versetzung in den Ruhestand durch das Unternehmen nicht besser gestellt wird, als er sich vorher bei dem Unternehmen bezüglich seines Einkommens gestanden hat.

c) Durch die Witwerrente wird die Versorgung des Klägers gewährleistet. Es handelt sich um Bezüge, die - wie die Sozialversicherungsrente - der Versorgung des Mitarbeiters dienen. Es entspricht mithin auch dem Sinn und Zweck der Gesamtversorgung, sie bei der Ermittlung der Versorgungsobergrenze zu berücksichtigen.

II.

Die Anrechnung der Witwerpension auf das Ruhegeld des Klägers verstößt nicht gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG verbietet die Anrechnung von anderen Versorgungsleistungen nur, soweit diese auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen (vgl. BAG vom 05.12.1995 - 3 AZR 942/94 - AP BetrAVG § 5 Nr. 40).

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Berufungskammer anschließt, dürfen beamtenrechtliche Versorgungsbezüge, die der Dienstherr aufgrund der ihm gegenüber dem Beamten und dessen unterhaltsberechtigten Angehörigen obliegenden Alimentationspflicht zu erbringen hat und die nicht auf eigenen Beiträgen beruhen, auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung angerechnet werden (vgl. BAG 10.08.1982 - 2 AZR 334/79 - AP BetrAVG § 5 Nr. 6; BAG 23.09.2003 - 3 AZR 465/02 - AP BetrAVG § 5 Nr. 46).

2. Für die Hinterbliebenenversorgung kann nichts anderes gelten. Auch B (BetrAVG, 4. Aufl., 2006, § 5 Rdnr. 129) und H (BetrAVG, § 5 Rdnr. 3928) sind der Auffassung, dass sich die Anrechnung von Hinterbliebenenleistungen nach den gleichen Grundsätzen richtet wie die Anrechnung der Hauptleistung. Es muss danach geprüft werden, ob die gesetzliche Rente des Verstorbenen anrechnungsfähig gewesen wäre, wenn für ihn die Versorgungszusage gegolten hätte. Ist diese anrechenbar, so ist auch die daraus abgeleitete Hinterbliebenenversorgung beim Empfänger der betrieblichen Altersvorsorgung anrechenbar. Da Beamtenpensionen und darauf basierende Hinterbliebenenversorgungen nicht durch Eigenbeiträge finanziert werden, ist eine Anrechnung der vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen gezahlten Witwerpension mithin nicht ausgeschlossen.

III.

§ 5 Abs. 2 BetrAVG begrenzt die Anrechnungsmöglichkeiten in einem Gesamtversorgungssystem allerdings nicht abschließend. Begrenzungen können sich auch aus sonstigen Gesetzen oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. Hierzu gehören insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), das Willkürverbot und Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. BAG vom 05.12.1995 - 3 AZR 942/94 - AP BetrAVG § 5 Nr. 40 m.w.N.). Auch unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten ist das vom Kläger angestrebte Anrechnungsverbot jedoch nicht zu rechtfertigen.

1. In die öffentlich rechtliche Hinterbliebenenversorgung des Klägers wird durch die Anrechnung nicht eingegriffen. Die nach dem Beamtenversorgungsgesetz gewährte Witwerrente bleibt ihm in vollem Umfang erhalten.

2. Die Anrechnung im Rahmen der betrieblichen Altersrente ist weder unbillig, noch verstößt sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG vom 11.10.1977 - 2 BvR 407/76 - AP Nr. 112 zu Art. 3 GG; BVerfG vom 28.02.1996 - 1 BvR 1039/94 - NVwZ-RR 1996, 665) ist, wenn nach dem Tod eines Ehegatten zwei Versorgungsansprüche oder ein Erwerbseinkommen und eine Versorgungsrente in der Person des überlebenden Ehegatten zusammentreffen, danach zu differenzieren, ob die Bezüge vom überlebenden Ehegatten allein oder von beiden Ehegatten erdient worden sind. Sind die Bezüge von beiden Ehegatten erdient, so gebietet es nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht der allgemeine Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dem überlebenden Ehegatten wenigstens einen Rest des vom verstorbenen Ehegatten erdienten Versorgungsanspruchs zu belassen.

b) Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23.04.1985 - 3 AZR 28/83 - AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen) und der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27.03.1985, - IVa ZR 192/82 - NVwZ 1985, 935; vom 11.12.1985 - IVa ZR 252/83 - NVwZ 1986, 419; vom 20.09.2006 - IV ZR 304/04 - NJW 2006, 3774, 3775) haben sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Sie bezieht sich zunächst auf die Zulässigkeit der Kürzung von öffentlich rechtlichen Leistungen der Hinterbliebenenversorgung. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, sie sei auch auf Ansprüche der betrieblichen Altersversorgung außerhalb des öffentlichen Dienstes übertragbar, kann dahingestellt bleiben, ob dem zu folgen ist. Selbst wenn diese Grundsätze auch für eigene Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gelten sollten, würde in der streitgegenständlichen Anrechnung keine willkürliche oder unbillige Ungleichbehandlung liegen. Das betriebliche Ruhegeld des Klägers wird um 39 % gekürzt. Es verbleibt auch nach der Anrechnung mit mehr als 2.000,- € noch ein ganz erheblicher Rest des Anspruchs. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die beamtenrechtlichen Regelungen die Auffassung vertritt, dem Berechtigten müssten 20 % der Versorgungsbezüge verbleiben, kann auch dies unentschieden bleiben. Die Grenze wird im Streitfall nicht unterschritten.

3. Die Anrechnung des Witwergeldes verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Soweit der Kläger geltend macht, die Anrechnung sei mit dem grundgesetzlich normierten Schutz der Ehe nicht zu vereinbaren, weil dadurch Doppelverdienerehen, bei denen beide Eheleute Versorgungsansprüche erworben hätten, schlechter behandelt würden, als Ehegatten, bei denen nur der eine Ehegatte Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung habe, teilt die Berufungskammer diese Auffassung nicht. Durch die Anrechnung wird der Kläger finanziell nicht benachteiligt. Die Summe seiner eigenen Alterseinkünfte ist nicht geringer geworden, sondern - wenn auch nur geringfügig - gestiegen. Sie ist im Verhältnis zu den Alterseinkünften eines Ehegatten, dessen Ehepartner keine eigenen Versorgungsansprüche erworben hat, nicht niedriger. Zu Recht weist auch die Beklagte darauf hin, dass Art. 6 Abs. 1 GG noch nicht einmal mittelbar gebietet, dass nach dem Tod eines Ehegatten das gesamte Haushaltseinkommen gleich hoch bleiben muss. Dies ergibt sich schon daraus, dass Hinterbliebenenbezüge sowohl aus der gesetzlichen Rentenversicherung, als auch Betriebsrenten und Pensionen in der Regel nur einen Teil der Vollrente, von der sie abgeleitet werden, betragen (in der Regel 60 %). Soweit der Kläger meint, der Vorteil einer Doppelverdienerehe zu Lebzeiten müsse von dem Schuldner einer Versorgungsleistung auch nach dem Tod des mitverdienenden Ehegatten in voller Höhe aufrecht erhalten bleiben, ist dies weder verfassungsrechtlich noch gesetzlich geboten.

Der Kläger berücksichtigt bei seinen Erwägungen nicht ausreichend, dass es sich vorliegend um eine privatrechtliche, betriebliche Altersversorgung handelt, die der Arbeitgeber letztlich als "freiwillige Leistung" zusätzlich gewährt und deren Zweck er festlegen kann. Im Rahmen einer Gesamtversorgungszusage ist eine Höchstgrenzenregelung zulässig und es ist dem Arbeitgeber gestattet, eigene beamtenrechtliche Versorgungsbezüge anzurechnen. Dann muss es ihm aber auch erlaubt sein, eine Witwerpension zu berücksichtigen, die dem Arbeitnehmer als eigener Anspruch zusteht.

IV.

Die Beklagte war nach § 6 Abs. 5 RL 1989 auch befugt, das Ruhegeld des Klägers zum 01.12.2005 neu zu berechnen. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, denen sich die Berufungskammer anschließt, festgestellt, dass für die Berechnung des Ruhegeldes nicht nur die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand maßgeblich sind, sondern auch nachträgliche Änderungen Berücksichtigung finden können. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass eine Fixierung auf einen bestimmten Feststellungszeitpunkt den Regelungen in den Versorgungsrichtlinien nicht zu entnehmen ist, im Gegenteil, die Bestimmungen unter § 6 Abs. 2, 5 und insbesondere 10 deutlich machen, dass die jeweilige Einkommenssituation des Mitarbeiters für die Berechnung des Ruhegeldes entscheidend ist. Konkrete Einwendungen hiergegen hat der Kläger mit der Berufung auch nicht mehr geltend gemacht.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand ein gesetzlicher Grund (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG): Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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