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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 31.10.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 937/08
Rechtsgebiete: Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Nordrhein


Vorschriften:

Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Nordrhein § 4 Nr. 9
Zum Tätigkeitsmerkmal des "selbständigen Reparatur- und Werkzeugschlossers" im Sinne des § 4 Nr. 9 des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Nordrhein.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.04.2008 - 3 Ca 3284/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als "selbstständiger Reparatur- und Werkzeugschlosser" im Sinne des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Nordrhein tätig ist und deshalb Anspruch auf eine tarifliche Lohnzulage hat.

Der Kläger ist gelernter Werkzeugmacher und seit dem 01.08.1998 als Werkzeugschlosser bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beidseitiger Tarifbindung der Parteien die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Nordrhein Anwendung.

Der in räumlicher Hinsicht für die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln geltende Lohntarifvertrag vom 18.04.2000 (LTV) definiert unter § 3 die Lohngruppen I bis V. Wegen der Einzelheiten wird auf die mit der Klageschrift zu den Akten gereichte Fotokopie des Tarifvertrages verwiesen (Bl. 7 ff. A.). Unter "§ 4 Lohnbemessung und Lohnzuschläge" heißt es auszugsweise wie folgt:

"...

9. Maschinisten und Heizer (ausgenommen solche an Niederdruckkesseln), selbständige Elektromonteure, selbständige Reparatur- und Werkzeugschlosser sowie Betriebshandwerker, die Facharbeiten ihres Berufes ausführen, erhalten den Lohn der Lohngruppe V zuzüglich 15 %, sofern dieser Personenkreis nicht im Akkord- oder Prämienlohn arbeitet, erhöht sich dieser Zuschlag nach zweijähriger Tätigkeit auf 20 %.

...

14. Facharbeiterinnen, die nicht unter § 4 Nr. 5 und 9 fallen und nicht im Akkord- oder Prämienlohn arbeiten, erhalten zuzüglich zu dem Lohn der Lohngruppe V eine Zulage von 10 %, sofern sie Arbeiten verrichten, deren Ausführung an das Können, die Selbständigkeit und Verantwortung des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin erhöhte Anforderungen und Kenntnisse stellt.

..."

Der Kläger unterfällt der tariflichen Lohngruppe V, die einen aktuellen Stundenlohn von 12,68 € brutto vorsieht. Über diesen tariflichen Stundenlohn hinaus zahlt die Beklagte an den Kläger aufgrund einer innerbetrieblich gebildeten Lohngruppe 5.5 ein Stundenentgelt von 13,31 € zuzüglich einer "garantierten Lohnzulage" in Höhe von 2,00 € stündlich. Das daraus resultierende Stundenentgelt von 15,31 € brutto hat die Beklagte durch "freiwillige Erhöhung" zum Jahreswechsel 2006/2007 um 0,33 € angehoben, so dass sich der aktuell an den Kläger gezahlte Stundenlohn auf 15,64 € brutto beläuft.

Die Beklagte fertigt in einem mehrschichtig und auch an Wochenenden arbeitenden Betrieb Kunststoffprofile für Fenster. Der Kläger arbeitet in der Abteilung Werkzeugbau. Hierbei handelt es sich um eine der Produktion angelagerte Werkstatt, in der mit dem Kläger insgesamt sieben Arbeitnehmer unter Leitung eines ausgebildeten Werkzeugmachers, Herrn S., mit der Wartung, Pflege und Korrektur der in der Produktion verwendeten Werkzeuge und Hilfsmittel beschäftigt sind. Der Kläger arbeitet in Früh- und Spätschicht. Der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, Herr S., ist jedenfalls montags bis freitags von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Betrieb anwesend. Während der Abwesenheit von Herrn S. ist der Kläger direkt dem Schichtleiter der Produktion unterstellt. Ob Herr S. über die vorstehend genannten Zeiten hinaus anwesend ist, ist unter den Parteien ebenso strittig, wie die Frage, inwieweit Herr S. während seiner Anwesenheit für den Kläger erreichbar ist.

Überwiegend verrichtet der Kläger Routinearbeiten wie die Wartung nach Wartungsplänen, Pflege, Korrektur und Reparatur der in der Produktion verwendeten Werkzeuge. Die Pflege und Wartung erfolgt weitgehend ohne Weisungen des Vorgesetzten. Korrekturen und Reparaturen werden durch Herrn S. und bei seiner Abwesenheit durch den Schichtmeister angewiesen. Für diese Arbeiten setzt der Kläger rund ein Viertel seiner Arbeitszeit (ca. 475 Stunden p. a.) ein. Weitere 190 Stunden p. a. verwendet der Kläger auf die Optimierung von Werkzeugen. Während eines weiteren, zeitlich nicht überwiegenden Teils seiner Arbeitszeit stellt der Kläger Werkzeuge und Hilfsmittel her.

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung begehrt der Kläger mit der Klage die Zahlung eines 20 %igen Lohnzuschlages auf die Lohngruppe V gemäß § 4 Nr. 9 LTV. Da er die ihm gewährte sogenannte "garantierte Lohnzulage" von 2,00 € pro Stunde für anrechnungsfest erachtet, beansprucht der Kläger unter Anrechnung der übrigen Lohnzulagen ein Stundenentgelt von 12,68 € x 120 % = 15,22 € zuzüglich 2,00 € = 17,22 € brutto.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er erfülle das Merkmal des "selbständigen Reparatur- und Werkzeugschlossers" im Sinne des § 4 Nr. 9 LTV. Dazu hat er behauptet, Werkzeuge zwar nach Kundenzeichnungen oder Skizzen des Abteilungsleiters aber ohne detaillierte Arbeitsanweisungen herzustellen. Wenn Korrekturen oder Reparaturen anstünden, schätze er die Arbeitssituation und den Zeitbedarf ein. Dies sei von ausschlaggebender Bedeutung für die Verteilung und Planung der Arbeiten durch Herrn S.. Eine Kontrolle der Arbeitsergebnisse erfolge nur durch Abnahme eines Musters. Er führe weit mehr als 12 Reparaturen im Monat durch. Wenn eine Priorität nicht ausdrücklich angewiesen worden sei, entscheide er selbst, in welcher Reihenfolge er die übertragenen Arbeiten verrichte.

Nach teilweiser Klagerücknahme hat der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate August und September 2006 616,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.05.2007 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate Mai bis Juni 2007 344,98 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2007 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juli 2007 316,74 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.09.2007 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 208,76 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.11.2007 für den Monat August 2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger stelle Werkzeuge, Vorrichtungen und Hilfsmittel nur nach detaillierter Anweisung des Herrn S. her. Dieser stelle während seiner Anwesenheit, die regelmäßig auch die Samstage umfasse, Schäden und Korrekturbedarf fest. Er bzw. der Schichtmeister der Produktion kontrolliere auch regelmäßig die Korrekturergebnisse durch den Kläger. Die Entscheidung, in welcher Reihenfolge Arbeiten zu verrichten seien und ob eine Reparatur sofort zu erfolgen habe, treffe allein der Betriebsleiter bzw. der Schichtmeister. Der Kläger verrichte zu 90 % Routinearbeiten. Nur ca. einmal im Monat verrichte der Kläger eine Korrektur während der Abwesenheitszeiten des Herrn S..

Bei dieser Tätigkeitsausgestaltung erfülle der Kläger nicht das Merkmal des "selbständigen Reparatur- und Werkzeugschlossers" im Sinne des § 4 Nr. 9 LTV. Für den Fall, dass dies wider Erwarten doch so sei, hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Zulage aus § 4 Nr. 9 LTV auf die von ihr gezahlte sog. "garantierte Lohnzulage" anrechnen zu können.

Mit Urteil vom 21.04.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Es hat die Frage, ob es sich bei der von der Beklagten gezahlten sog. "garantierten Lohnzulage" um eine übertarifliche Zulage handelt, auf die nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes tarifliche Entgelterhöhungen angerechnet werden könnten, offen gelassen und statt dessen darauf abgestellt, dass eine Anrechnung bereits deshalb nicht in Betracht komme, weil es am erforderlichen Anrechnungstatbestand fehle. Weder an den Tätigkeiten des Klägers noch an der dafür geschuldeten Tarifvergütung habe sich etwas geändert. Der bloße Umstand, dass ein Arbeitnehmer erstmals einen bestimmten tariflichen Vergütungsanspruch geltend mache, berechtigte den Arbeitgeber nicht zur Anrechnung auf eine übertarifliche Zulage. Dies anders zu sehen würde in der Sache auf ein einseitiges und voraussetzungsloses Widerrufsrecht des Arbeitgebers hinauslaufen. Für die Vereinbarung eines solchen bedürfe es klarer Regelungen, an denen es im gegebenen Fall fehle.

Allerdings habe der Kläger auch keinen Anspruch auf die begehrte Zulage gemäß § 4 Nr. 9 LTV, weil er nicht als selbständiger Reparatur- und Werkzeugschlosser im Sinne der Tarifvorschrift arbeite. Das Attribut "selbständig" finde sich ansonsten beispielsweise bei der Lohngruppenfestlegung in Zusammenhang mit einzelnen Tätigkeiten wie selbständiges Warten, Bedienen und Einstellen von Maschinen (Lohngruppe V b 1. Abs. 2) oder selbständiges Zusammenstellen der für den Maler erforderlichen Zutaten (Lohngruppe V c) oder auch als generelle Anforderung an eine Tätigkeit wie selbständige Poliere (Lohngruppe V e). Dem könne entnommen werden, dass die Tarifvertragsparteien einen gewissen Grad an Selbständigkeit generell bei den nach Lohngruppe V entlohnten Tätigkeiten erwarteten. Darüber hinaus lasse sich dem Tarifvertrag selbst keine Präzisierung des Merkmals entnehmen. Für die Auslegung könne auch nicht auf die zu anderen Tarifwerken - etwa dem BAT oder dem ERA der Metallindustrie - ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Denn es sei nicht ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien der von ihnen getroffenen Regelung gerade dieses Verständnis hätten zugrunde legen wollen. Die anhand von Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Tarifgeschichte vorzunehmende Auslegung führe zu dem Ergebnis, dass es für die Einordnung einer Reparatur- bzw. Werkzeugschlossertätigkeit als "selbständig" wesentlich darauf ankomme, ob dem Arbeitnehmer über die durch die Regeln seines Fachs ohnehin vorgegebenen Handlungsfreiräume hinaus in zeitlicher oder fachlicher Hinsicht Handlungs- und Entscheidungsspielräume eröffnet seien, die er etwa nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten wahrnehme, und ob die hierdurch übertragende besondere Verantwortung seiner Tätigkeit das Gepräge verleihe, weil die Wahrnehmung dieser Spielräume wenigstens bei der Hälfte der zu verrichtenden Arbeiten (potentiell) zu erfolgen habe. Je bedeutender die Fragen seien, in denen dem Arbeitnehmer ein Entscheidungsspielraum eingeräumt sei, und je größer die Auswahl der zur Verfügung gestellten Handlungsoptionen seien, desto eher könne man von der Selbständigkeit des Reparatur- bzw. Werkzeugschlossers bei der ihm übertragenen Arbeit ausgehen. Indizien für die Übertragung besonderer Entscheidungsspielräume und der damit einhergehenden Verantwortung seien die verminderte Kontrolle des Arbeitnehmers durch seine Vorgesetzten oder die fehlende Möglichkeit zur "Exculpation".

Bei Zugrundelegung dieser Kriterien sei nicht erkennbar geworden, dass die vom Kläger verrichtete Tätigkeit die nach der Regelung des § 4 Nr. 9 LTV notwendige Selbständigkeit aufweise. Der Kläger habe nicht darlegen können, dass die Erfüllung der ihm übertragenen Arbeitsaufgaben in den Zeiten, während derer er ohne direkten Vorgesetzten arbeite, oder auch zu den sonstigen Zeit zu einem überwiegenden Teil die Wahrnehmung erheblicher Handlungs- und Entscheidungsspielräume fordere. Vielmehr bewegten sich seine Tätigkeiten weitgehend in einem vorgegebenen Rahmen, der auch während der Abwesenheit von Herrn S. keine ausreichenden Entscheidungsspielräume eröffne. Wegen der Einzelheiten der diesbezüglichen Erwägungen wird Bezug genommen auf I. 3. a und b der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 228 ff. d. A.).

Gegen diese, ihm am 20.05.2008 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit der am 17.06.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 21.08.2008 innerhalb verlängerter Frist begründeten Berufung.

Der Kläger bringt vor, das Arbeitsgericht habe festgehalten, dass er überwiegend Routinearbeiten, wie die Wartung nach Wartungsplänen, Pflege, Korrektur und Reparatur der in der Produktion verwendeten Werkzeuge verrichte und diese Pflege und Wartung weitgehend ohne Weisung des Vorgesetzten erfolge. Damit sei das Merkmal der selbständigen Erbringung der Arbeitsleistung selbst dann erfüllt, wenn Herr S. regelmäßig die Ergebnisse der Arbeit kontrolliere und korrigiere. Denn damit sei nicht gesagt, dass während der Arbeit die Arbeitsvorgänge vorgeschrieben und beaufsichtigt würden.

Wenn das Arbeitsgericht über diese Anforderungen hinausgehend meine, aus der Erwähnung des Merkmals "selbständig" in der Lohngruppe V ableiten zu können, dass die Tarifvertragsparteien einen gewissen Grad an Selbständigkeit generell bei den nach Lohngruppe 5 entlohnten Tätigkeiten erwarteten, habe es unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen. In der Grunddefinition der Tätigkeiten für die Lohngruppe V finde sich das Merkmal der Selbständigkeit mit keinem Wort. Erst in den nachfolgenden Bestimmungen des § 3 Abs. 3 b würden für einzelne Teiltätigkeiten selbständige Handlungen gefordert. Dabei falle auf, dass das Merkmal der selbständigen Tätigkeit immer nur in ganz speziell erwähnten Teiltätigkeiten vorkomme und nicht für die generelle Tätigkeit des Schlossers oder Facharbeiters gelte. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien von einer angeleiteten Tätigkeit ausgingen und selbständige Handlungen nur für spezielle Teiltätigkeiten vorausgesetzt hätten. "Selbständig" heiße eine Art und Weise der Leistungserbringung, die ohne ständige Anleitung auskomme. Dass er eine solche erbringe, habe der Kläger dargelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.04.2008, Az.: 3 Ca 3284/07, abzuändern und gemäß den erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Berufungserwiderung vom 25.09.2008, wegen deren Einzelheiten auf den Schriftsatz Bezug genommen wird (Bl. 266 ff. d. A.), verteidigt sie das erstinstanzliche Urteil. Nach ihrer Auffassung stellt insbesondere § 4 Nr. 14 LTV klar, dass das Merkmal der Selbständigkeit in Nr. 9 eng ausgelegt werden müsse. Wie das Arbeitsgericht in seinem Urteil richtig begründet habe, erfülle der Kläger weder die Voraussetzungen des Zuschlags in Höhe von 20 % gemäß § 4 Nr. 9 noch die des Zuschlages in Höhe von 10 % gemäß § 4 Nr. 14.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts sowie des widerstreitenden Sachvortrags und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf den Akteninhalt, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien aus beiden Rechtszügen nebst ihren jeweiligen Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen aus beiden Instanzen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft im Sinne des § 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung in vollem Umfang abgewiesen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine 20%ige Zulage gemäß § 4 Nr. 9 LTV. Die diesbezüglichen Feststellungen und Erwägungen des Arbeitsgerichts lassen keine Fehler erkennen. Im Berufungsverfahren sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Gesichtspunkte vorgetragen worden, die zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung Anlass geben könnten.

a. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass für die Bestimmung des Merkmals der Selbständigkeit im Sinne der hier zugrunde liegenden Tarifvorschrift nicht auf andere Tarifwerke, wie etwa den BAT oder das ERA der Metallindustrie und die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Dass die Parteien des hiesigen Tarifvertrages der von ihnen getroffenen Regelung ein Verständnis des Begriffes der Selbständigkeit zugrunde legen wollten, wie es den genannten Tarifvertragswerken zugrunde liegt, lässt sich nicht feststellen. Bei zusammenschauender Betrachtung und Bewertung des systematischen Aufbaus der verschiedenen Zulagenregelungen des Lohntarifvertrages erschließt sich vielmehr ein eigenes Verständnis der Tarifvertragsparteien von dem Begriff des "selbständigen Reparatur- und Werkzeugschlossers" im Sinne des § 4 Nr. 9 LTV.

Gemäß § 4 Nr. 14 LTV erhalten Arbeitnehmer eine Zulage von 10 %, sofern sie Arbeiten verrichten, "deren Ausführung an das Können, die Selbständigkeit und die Verantwortung des Arbeitnehmers erhöhte Anforderungen und Kenntnisse stellt". Aus dieser Regelung lassen sich mehrere Erkenntnisse auch für den hier zu entscheidenden Fall gewinnen:

Zunächst bestätigt sich die von dem Arbeitsgericht aus den Regelungen des § 3 abgeleitete Schlussfolgerung, dass die Tarifvertragsparteien einen gewissen Grad an Selbständigkeit generell bei den nach Lohngruppe V entlohnten Tätigkeiten erwarteten. Täten sie dies nicht, könnten sie nicht die 10%ige Zulage des § 4 Nr. 14 LTV an Arbeiten binden, deren Ausführung u. a. an die Selbständigkeit "erhöhte" Anforderungen stellt.

Damit steht auch fest, dass es schon zur Erlangung der 10%igen Zulage nach § 4 Nr. 14 LTV der Erfüllung erhöhter, d.h. über das normale, bei einem Reparatur- und Werkzeugschlosser ohnehin erwartete Maß noch hinausgehender, Anforderungen u.a. an die Selbständigkeit der Arbeitsausführung bedarf.

Schließlich ist von Bedeutung, dass § 4 Nr. 14 LTV ausdrücklich auf die "Ausführung" der Arbeiten abstellt. Wenn die Tarifvertragsparteien einerseits unter § 4 Nr. 14 LTV ausdrücklich eine Formulierung wählen, die auf die Ausführung der Arbeiten abstellt, dem gegenüber aber unter § 4 Nr. 9 LTV nicht an die Ausführung von Arbeiten anknüpfen, sondern auf "den selbständigen Reparatur- und Werkzeugschlosser" abstellen, muss davon ausgegangen werden, dass sie die unterschiedlichen Formulierungen bewusst und gewollt gewählt haben, um unterschiedliche Aspekte oder Bezugspunkte der Selbständigkeit zum Ausdruck zu bringen.

Diese Erkenntnisse stützen das Auslegungsergebnis des Arbeitsgerichtes, wonach Selbständigkeit im Sinne von § 4 Nr. 9 LTV eine solche ist, bei der dem Arbeitnehmer bedeutsame Handlungs- und Entscheidungsspielräume eröffnet sind, die seiner Tätigkeit infolge der damit verbundenen Verantwortung das Gepräge verleihen. In diesem Sinne versteht auch die Berufungskammer den "selbständigen Reparatur- und Werkzeugschlosser" im Sinne der tarifvertraglichen Regelung als den "auf sich selbst gestellten" Reparatur- und Werkzeugschlosser, der sich mangels Unterordnung unter ein unmittelbares fachliches Weisungsgefüge wegen der Folgen seiner Tätigkeit generell nicht durch Verweisung auf die Vorgaben eines Fachvorgesetzten "exculpieren" kann.

b. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses kann der Kläger schon deshalb nicht "selbständiger Reparatur- und Werkzeugschlosser" im Sinne des Tarifvertrages sein, weil er sehr wohl in ein solches fachliches Weisungsgefüge eingebunden ist. Anders als der auf sich selbst gestellte Elektromonteur oder Reparatur- und Werkzeugschlosser, der z.B. in einem kleineren Betrieb als Einziger für die Erfüllung der ihm obliegenden fachlichen Aufgaben unmittelbar verantwortlich zeichnet, ist der Kläger Mitglied einer Abteilung mit eigener unmittelbarer fachlicher Leitung durch den Fachvorgesetzten Herrn S.. Das ist ein, ja der wesentliche Aspekt seiner "Unselbständigkeit".

c. Wegen der aufgezeigten tarifvertraglichen Systematik kann entgegen der Berufungsbegründung nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien für die Zulage des § 4 Nr. 9 LTV von einer angeleiteten Tätigkeit ausgingen und selbständige Handlungen insoweit nur für spezielle Tätigkeiten vorausgesetzt haben. Aus den dargelegten Gründen geht es bei der Zulage des § 4 Nr. 9 LTV nicht um Selbständigkeit in der Ausführung der Arbeit. Diese wird schon von § 4 Nr. 14 LTV aufgegriffen. § 4 Nr. 9 LTV hingegen verlangt Selbständigkeit in einer der bloßen Arbeitsausführung übergeordneten Beziehung. Die Berufung geht fehl, wenn sie meint, aus § 3 LTV Gegenteiliges ableiten zu können. Bei genauerer Betrachtung bestätigt vielmehr auch diese Norm und die dortige Verwendung des Begriffes der Selbständigkeit die hier gefundene Auslegung. § 3 stellt in seinem einleitenden Absatz für die Lohngruppe V auf Facharbeiten ab, die vielseitige Handfertigkeiten und umfassende Berufskenntnisse erfordern, wie sie üblicherweise eine fachentsprechende anerkannte Berufslehre vermittelt. Es schließt sich in den folgenden Absätzen eine detaillierte Aufzählung solcher Arbeitnehmer an, die unter diese Definition fallen sollen. Dazu werden zunächst unter a) alle Arbeitnehmer aufgezählt, die die in ihrem Beruf in Frage kommende Ausbildungszeit durchgemacht haben und in dem erlernten Beruf beschäftigt sind. In den nachfolgenden Buchstaben c) bis f) findet sich eine Aufzählung von Mitarbeitern verschiedener Berufe (Maler, Beizer, Spritzer oder Patinierer, Zusammensetzer und Fertigmacher), denen gemein ist, dass sie allesamt die Fachlehre nicht abgeschlossen haben. In diesem Zusammenhang findet sich mehrfach die Benennung des Merkmals "selbständig". Nach dem Zusammenhang kann kein Zweifel bestehen, dass hier das Merkmal der Selbständigkeit verwendet wird, um die ohne abgeschlossene Fachlehre tätigen Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Tätigkeit regulär in Lohngruppe IV eingruppiert sind (vgl. hierzu die explizite Aufzählung unter Lohngruppe IV b)), in die Lohngruppe V hinaufzuheben, sofern sie ihre jeweilige spezifische Tätigkeit selbständig ausführen können. Das hat mit der hiesigen Fragestellung nichts zu tun. Dem Kläger geht es nicht darum, als Arbeiter ohne abgeschlossene Fachlehre aus Lohngruppe IV in die Lohngruppe V angehoben zu werden, weil er bestimmte Tätigkeiten so selbständig wie ein Arbeitnehmer mit abgeschlossener Lehre ausüben kann. Sein Begehren zielt auf eine Hervorhebung aus der Gruppe dieser Arbeitnehmer ab. Wenn aber der Aspekt der selbständigen Ausführung konkret zugewiesener Tätigkeiten für bestimmte Personen ohne Fachlehre bereits Bedeutung für ihre Anhebung in die Lohngruppe V gewinnt, dann kann derselbe Aspekt nicht zugleich auch für die Verwirklichung der besonderen Voraussetzungen der Zulagenregelung des § 4 Nr. 9 LTV haben. Im Ergebnis zeigt sich hier nur einmal mehr, dass die Tarifvertragsparteien - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - innerhalb der Lohngruppe V eine gewisse Selbständigkeit in der Arbeitsausführung ohnehin voraussetzen.

2. Die Klage war schließlich auch nicht zum Teil, nämlich in Höhe einer 10%igen Zulage gemäß § 4 Nr. 14 LTV zuzusprechen.

Ein solcher Anspruch des Klägers scheitert zum einen daran, dass sich weder dem unstrittigen Sachverhalt noch dem Sachvortrag des Klägers hinreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte für die Beantwortung der Frage entnehmen lassen, ob die Ausführung der dem Kläger obliegenden Arbeiten erhöhte Anforderungen und Kenntnisse an Können, Selbständigkeit und Verantwortung des Klägers stellen. Dabei kann dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers zur Selbständigkeit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 LTV erfüllt. Selbst wenn dies so wäre, wäre nichts gewonnen im Hinblick auf die Frage des Könnens und der Verantwortung.

Zum anderen hat der Kläger auch nichts dazu vorgetragen, inwieweit die Ausführung seiner Arbeit "erhöhte Anforderungen und Kenntnisse" stellt.

Hierzu hätte es der konkreten Darlegungen der vom Kläger in einem repräsentativen Zeitraum der Vergangenheit im Einzelnen verrichteten Arbeiten bedurft. Zudem hätte der Kläger in einem weiteren Schritt vortragen müssen, welche dieser Tätigkeiten sich im Rahmen der von den Tarifvertragsparteien für die Einordnung in die Lohngruppe V ohnehin vorausgesetzte Selbständigkeit halten und welche sich davon aus welchem Grunde und in welchem Umfang wegen erhöhter Anforderungen abheben. All dies ist selbst unter Berücksichtigung der durch §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 Nr. 4, 531 Abs. 2 ZPO eröffneten inhaltlichen und zeitlichen Möglichkeiten nicht geschehen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision war zuzulassen, weil es von grundsätzliche Bedeutung ist, wie der in § 4 Nr. 9 des über den Bezirk des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf hinausgehenden Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Nordrhein vom 18.04.2000 verwendete Begriff des "selbständigen Reparatur- und Werkzeugschlossers" auszulegen ist.

Ende der Entscheidung

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