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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.12.2008
Aktenzeichen: 10 TaBV 88/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
Bei der Einführung des neuen Entgeltsystems des Entgeltrahmentarifvertrages für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg ist der Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 18.04.2008 - 7 BV 43/08 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei Einführung des Entgeltrahmentarifvertrages für die Beschäftigten der Metallindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern Ein- oder Umgruppierungsvorgänge stattfinden, die die Arbeitgeberin verpflichten, den Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Feuerungstechnik und unterhält einen Betrieb in O., in welchem 46 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Für sämtliche Betriebe der Arbeitgeberin gelten die Tarifverträge für die Beschäftigten der Metallindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern. Hierzu zählen der Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) und dessen Einführungstarifvertrag (ETV-ERA), welche am 16.09.2003 abgeschlossen wurden. Diese Tarifverträge, wegen deren Inhalt auf die zu den Akten gereichten Kopien Bezug genommen wird (Bl. 13-40 d.A.), finden unstreitig auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse der in Antrag und Tenor genannten Arbeitnehmer Anwendung. In einer Protokollnotiz zu § 9 ERA-TV heißt es:

"Da ein besonderer Eingruppierungsvorgang, also die Zuordnung des Beschäftigten zu einer bestimmten Entgeltgruppe, nicht mehr stattfindet, gehen die Tarifvertragsparteien ebenso übereinstimmend davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 99 BetrVG bezüglich einer Eingruppierung / Umgruppierung nicht mehr vorliegen".

Im Rahmen der zum 01.01.2008 beabsichtigten Einführung des ERA-TV teilte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 28.11.2007 (Kopie Bl. 47 d. A.) die Zusammensetzung ihres Entgelts gemäß ERA-TV mit. Mit Schreiben vom 20.12.2007 (Kopie Bl. 49 d.A.) forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, ihn hinsichtlich der Eingruppierung der betroffenen 39 Mitarbeiter zu beteiligen. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat hieraufhin mit Schreiben vom 21.12.2007 (Kopie Bl. 50 - 51 d. A.) mit, welchen Aufgabenbeschreibungen die einzelnen Mitarbeiter der Niederlassung O. zugeordnet worden seien, und bezog im Übrigen die Position, dass ein Verfahren nach § 99 BetrVG nicht durchzuführen sei.

Mit der 13.02.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat der Betriebsrat begehrt, gem. § 99 BetrVG beteiligt zu werden, weil nach seiner Auffassung in Zusammenhang mit der Einführung des ERA-TV eine Eingruppierung der Arbeitnehmer in das neue Entgeltsystem im Sinne des Gesetzes erfolge.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Betriebsrat zu den bereits von der Arbeitgeberin mit Wirkung vom 01.01.2008 durchgeführten Eingruppierungen der Mitarbeiter C., C., E., F., G., L., M., N., N., Q., T., T., T., W., X., B., B., C., E., de X., E., E., F., F., G., K., L., L., L., L., L., M., T., T., T., T., T., U. und X. ordnungsgemäß nach § 99 BetrVG zu beteiligen;

2. die Arbeitgeberin zu verpflichten, im Fall einer Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats beim Arbeitsgericht Mönchengladbach Zustimmungsanträge nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, eine Beteiligung des Betriebsrats sei im vorliegenden Fall nicht geboten, weil es das Entgeltfindungsystem des ERA-TV von den Tarifvertragsparteien in Ausübung ihrer Tarifautonomie explizit so gestaltet worden sei, dass es keinen Eingruppierungsvorgang mehr gebe, an dem der Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG beteiligt werden könnte.

Nach dem klassischen System der Entgeltfindung durch Eingruppierung sei eine individuelle Zuordnung von Arbeitnehmern zu bestimmten Entgeltgruppen anhand abstrakter Tätigkeitsmerkmale erfolgt. An diesem Vorgang habe der Arbeitgeber den Betriebsrat beteiligen müssen. Demgegenüber resultiere der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nach dem System des ERA-TV unmittelbar aus der ihm vom Arbeitgeber kraft Direktionsrecht zugewiesenen Arbeitsaufgabe. Diese Arbeitsaufgabe sei personenunabhängig in ihren wertigkeitsprägenden Teilaufgaben vom Arbeitgeber entsprechend der von ihm vorgegebenen Arbeitsorganisation beschrieben und bewertet und sodann gemäß einem tarifvertraglich festgelegten System durch Addition der Punktzahlen eingestuft worden. Ein Kontrollmechanismus unter zwingender Beteiligung des Betriebsrates sei bereits in diesem Verfahrensstadium durch das in § 7 ERA-TV geregelte Verfahren vor der paritätischen Kommission gewährleistet. Der maßgebliche Unterschied der Systematik des ERA-TV zur "Vor-ERA-Welt" bestehe darin, dass es anders als zuvor keinen Zwischenschritt mehr gebe, bei dem der Mitarbeiter einer bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet werde. An dessen Stelle sei ein tariflicher "Automatismus" getreten, der einen Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers ausschließe und daher die gesetzlich durch § 99 BetrVG bezweckte Richtigkeitskontrolle entbehrlich mache. Insofern gebe es ausgehend von der Definition der Rechtsprechung keinen Eingruppierungsvorgang mehr, der ein Mitbeurteilungsrecht gemäß § 99 BetrVG auslösen könne. Dieses Ergebnis entspreche der Wertung, die das BAG in der Entscheidung vom 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - zum Ausdruck gebracht habe. Die dortigen Grundsätze seien auf ERA übertragbar. Darüber hinaus ist die Arbeitgeberin der Auffassung, dass die Anwendung des § 99 BetrVG im vorliegenden Fall der ausgeübten Tarifautonomie der Tarifpartner widerspreche.

Mit Beschluss vom 18.04.2008 hat das Arbeitsgericht den Anträgen stattgegeben. Seine Entscheidung hat es wie folgt begründet:

Die Anträge des Betriebsrates seien nicht etwa deshalb zurückzuweisen, weil seine Zustimmung gem. § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt gelte. Denn in dem Schreiben der Arbeitgeberin vom 21.12.2007 liege keine Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG.

Bei der Maßnahme handele es sich um eine Eingruppierung im Sinne des Gesetzes. Die Mitarbeiter seien erstmals in das Vergütungssystem des ERA-TV eingereiht worden. Auch hierbei handele es sich um ein abstraktes Vergütungsschema, dessen erstmalige Anwendung zu einer Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG führe. Anders sei auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - allenfalls zu entscheiden, wenn die Tarifpartner Arbeitnehmer aus einer bestimmten bisherigen Vergütungsgruppe verbindlich in eine neue Vergütungsgruppe überführt hätten. Darauf reduziere sich der Fall jedoch nicht. Es sei zwar richtig, dass die Reichweite des Mitbestimmungsrechts umso geringer sei, je mehr Vorgaben der Tarifvertrag selbst mache. Dadurch entfalle aber nicht das Mitbestimmungsrecht selbst, sondern allenfalls dessen Reichweite. Das habe offenbar auch das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung so gesehen, weil es ansonsten den dortigen Antrag der Arbeitgeberin als unzulässig hätte zurückweisen müssen. Denn wo kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG bestehe, könne der Betriebsrat auch nicht zu einer Zustimmung gezwungen werden. Das Bundesarbeitsgericht nehme aber in der zitierten Entscheidung nicht zur Entbehrlichkeit des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG Stellung, sondern lote stattdessen die Gründe aus, die der Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung zu der Maßnahme nach § 99 BetrVG im Einzelfall heranziehen dürfe. Dies seien zwei tatsächlich und rechtsdogmatisch zu trennende Fragen.

Mit seiner Rechtsauffassung verstoße das Arbeitsgericht auch nicht gegen die Tarifautonomie. Denn die Tarifpartner würden nicht gehindert, Entgeltschemata so detailliert festzusetzen, dass sich der Arbeitgeber daran halten müsse. Außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Regelungen, die einen Vorrang der Tarifautonomie konstituieren, aber offensichtlich nicht einschlägig seien (wie beispielsweise § 3 BetrVG), sei es den Tarifvertragsparteien nicht gestattet, vom BetrVG abzuweichen.

Gegen den ihr am 02.05.2008 zugestellten Beschluss wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde. Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichtes für fehlerhaft.

Nach den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 -, die auch das Arbeitsgericht Mönchengladbach herangezogen habe, bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG bei Ein- oder Umgruppierungsvorgängen nur insoweit, als der Arbeitgeber selbst einen Entscheidungsspielraum habe. Hieraus folge entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG vollständig entfalle, wenn der Arbeitgeber selbst überhaupt keine Rechtsanwendung betreiben könne, weil sein Spielraum auf Null reduziert sei. Mit dem ERA-TV hätten die Tarifvertragsparteien ein solches System geschaffen. Wegen der diesbezüglichen Darlegungen wird Bezug genommen auf den Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 23.07.2008, dort Seite 3 bis 5 (Bl. 154 - 156 d .A.).

Nichts anderes gelte, wenn nicht das Mitbestimmungsrecht als solches entfallen sei, sondern sich nur seine Reichweite entsprechend der des Beurteilungsrechts des Arbeitgebers bei der Bewertung von Arbeitsaufgaben auf Null reduziert habe.

Abgesehen davon, dass es in der Praxis gerade nicht mehr einer Subsumtion, sondern lediglich noch der schlichten Tatsachenfeststellung bedürfe, welches Niveaubeispielen des ERA-TV bei welchem Mitarbeiter zur Anwendung komme, sei eine Mitbeurteilung durch den Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG selbst dann entbehrlich, wenn unter Geltung des ERA-TV noch von einer Subsumtion des Arbeitgebers und damit von einem potentiell mitbeurteilungspflichtigen Vorgang ausgegangen werden müsste. Dies sei der Wertung des Bundesarbeitsgerichtes in der Entscheidung vom 24.06.1986 - 1 ABR 31/84 - zu entnehmen. Obgleich dort Subsumtionen vorzunehmen gewesen seien, habe das Bundesarbeitsgericht darauf erkannt, dass die Feststellung, ob eine tatsächlich vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit unter die Tarifvorschrift falle, nicht diejenigen Besonderheiten und Schwierigkeiten aufweise, die bei der Ein- und Umgruppierung ein Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats erforderlich machten.

Schließlich habe das Arbeitsgericht die Begründung der Arbeitgeberin bzgl. eines unzulässigen Eingriffs in die Tarifautonomie verkannt. Mit diesem Einwand sei es der Arbeitgeberin nicht auf die Frage angekommen, ob ein Gericht die Arbeitsaufgaben abweichend bewerte, sondern vielmehr auf die Tatsache, dass ein Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG und ein Reklamationsverfahren nach § 10 ERA-TV wegen inhaltsgleicher Überprüfungen aber unterschiedlicher Prüfungsmaßstäbe und fehlender Klarstellung über die endgültige Entscheidungskompetenz nicht nebeneinander bestehen könnten.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 18.04.2008, Az. 7 BV 43/08, abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts.

Die Arbeitgeberin versuche, den einheitlichen Vorgang des Wechsels eines Mitarbeiters von einem Entgeltgruppensystem in ein anderes Entgeltgruppensystem in drei verschiedene Vorgänge zu teilen und meine eine Eingruppierung nach § 99 BetrVG deswegen verneinen zu können, weil jeder einzelne Vorgang für sich gesehen keine Eingruppierung darstelle. Dies sei der untaugliche Versuch einer unzulässigen Umgehung der Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG.

Zu Recht stellten das Arbeitsgericht und die Arbeitgeberin an den Beginn ihrer Überlegungen die Ausführungen aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 -. Die Arbeitgeberin ignoriere jedoch, warum der vorliegende Sachverhalt gerade in konsequenter Anwendung der Grundsätze aus dieser Entscheidung zu einer mitbestimmungspflichtigen Eingruppierung führe. Das Bundesarbeitsgericht habe dort ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG allein deswegen verneint, weil die Tarifvertragsparteien selbst die neuen Entgeltgruppen der einzelnen Mitarbeiter konkret in einer Anlage aufgeführt hätten. Hier hingegen ergebe sich die richtige neue Entgeltgruppe eines Mitarbeiters nicht direkt aus dem ERA-TV, sondern erst nach Durchführung des tariflichen Verfahrens, in dessen Verlauf es zu mehreren Entscheidungen durch den Arbeitgeber, die paritätische Kommission, ggf. durch eine erweiterte paritätische Kommission, ggf. durch eine Schiedsstelle sowie ggf. durch das Arbeitsgericht komme. Dies zeige, dass die Einführung des ERA-TV nach §§ 99 ff. BetrVG mitbestimmungspflichtig sein müsse. Auch die von der Arbeitgeberin bemühten Niveaubeispiele würden nicht weiterhelfen. Da es sich bei diesen lediglich um "Orientierungshilfen" (vgl. § 3 Nr. 4 ERA-TV) handele, könne das Ermessen auf Grund der Niveaubeispiele jedenfalls nicht auf Null reduziert sein. Angesichts der vielfältigen Unterschiede zwischen den beiden Verfahren sei das Reklamationsverfahren nach § 10 ERA-TV auch identisch nicht mit einem Verfahren nach § 99 BetrVG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen auf den Akteninhalt, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, auf die Protokolle der mündlichen Anhörungen aus beiden Instanzen sowie die Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung.

B.

I. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 520 ZPO).

II. In der Sache hatte das Rechtsmittel hingegen keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist aufgrund zutreffender Erwägungen zu dem ebenso zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die Arbeitgeberin den Betriebsrat im Rahmen der von ihr durchgeführten Einführung des neuen Entgeltssystems des ERA-TV gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen hat.

1. Das Arbeitsgericht hat die hierauf gerichteten Anträge des Betriebsrats für zulässig befunden und seinen inhaltlichen Erwägungen die Feststellung vorangestellt, dass eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Beteiligung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG nicht deshalb ausscheidet, weil die Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt. Hiergegen wendet sich die Beschwerde nicht, sodass sich das Beschwerdegericht die zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts zu eigen macht, ohne darauf näher einzugehen.

2. Die Arbeitgeberin stellt auch nicht in Abrede, dass die Einführung eines neuen tariflichen Entgeltfindungssystems einen Vorgang darstellt, der "an sich" das Beteiligungsrecht des Betriebsrates aus § 99 Abs. 1 BetrVG auslöst, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne der Vorschrift handelt. Sie vertritt jedoch die Rechtsauffassung, die Einführung des ERA-TV löse deshalb keine Beteiligungsrechte aus, weil das mit diesem Tarifvertrag eingeführte System der Entgeltfindung sämtliche Beurteilungsspielräume des Arbeitgebers auf Null reduziere und deshalb generell nicht mehr die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 99 BetrVG bezüglich einer Eingruppierung oder Umgruppierung erfülle.

Diese Auffassung teilt das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht nicht.

a) Mit der von den Beteiligten und dem Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidung vom 3. Mai 2006 hat das Bundesarbeitsgericht darauf erkannt, dass der Arbeitgeber gegenüber den Tarifvertragsparteien bei der Einführung eines betrieblichen Vergütungssystems keinen rechtlich begründeten Anspruch auf Belassung eines bestimmten, durch Subsumtion auszufüllenden Rechtsanwendungsbereichs habe und dementsprechend auch der Betriebsrat keinen aus § 99 BetrVG ableitbaren Anspruch auf Eröffnung eines Bereichs für seine Mitbeurteilung reklamieren könne. Der Umfang der Beteiligung an Ein- und Umgruppierungen sei allein abhängig vom Grad der Konkretisierung, mit der die Tarifvertragsparteien selbst die Vergütung der Mitarbeiter geregelt hätten (BAG vom 03.05.2006 - 1 ABR 2/05 = NZA 2007, 47 ff. Rn 39).

Dem schließt sich das Beschwerdegericht uneingeschränkt an.

Anders als die Arbeitgeberin vermag das Beschwerdegericht hieraus aber nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Arbeitgeber in den Fällen, in denen ihm und damit auch dem Betriebsrat nur ein geringer oder gar überhaupt kein Beurteilungsspielraum bei der Ausfüllung abstrakter Eingruppierungs- oder Einordnungsmerkmale mehr verbleibt, von der Verpflichtung zur Durchführung des Verfahrens nach § 99 BetrVG von vornherein befreit wäre.

aa) Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 3. Mai 2006 nicht etwa ein Verfahren nach § 99 BetrVG für entbehrlich gehalten und auch nicht zur Entbehrlichkeit des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG Stellung genommen, sondern vielmehr die Gründe ausgelotet hat, die der Betriebsrat im Verfahren nach § 99 BetrVG zur Verweigerung seiner Zustimmung heranziehen kann. Zutreffend ist auch die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass es sich bei der durch die tarifvertraglichen Spielräume jeweils belassenen inhaltlichen Reichweite des Mitbestimmungsrechtes einerseits und dem möglichen Wegfall des formalen Anspruchs des Betriebsrates auf Beteiligung nach § 99 BetrVG andererseits um zwei tatsächlich und rechtsdogmatisch zu trennende Fragen handelt. Das zeigt sich in der Tat deutlich darin, dass das Bundesarbeitsgericht in der Sache entschieden und nicht etwa den Antrag der Arbeitgeberin als unzulässig verworfen hat, weil es einer Zustimmungsersetzung schon mangels Zustimmungserfordernis nicht bedurfte.

bb) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG in den Fällen der Ein- und Umgruppierung in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage. Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, dass möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt werden. Im Ergebnis dient sie der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung und damit der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Transparenz der Vergütungspraxis (BAG vom 03.05.2006, a.a.O, Rn. 26 unter Hinweis auf BAG 28. April 1998 - 1 ABR 50/97 - BAGE 88, 309, zu B I 1 der Gründe m.w.N.). Ob der Beurteilungsakt eine Eingruppierung oder eine Umgruppierung zum Gegenstand hat, ist ohne Belang. Während unter einer Umgruppierung i.S.d. § 99 BetrVG die Feststellung des Arbeitgebers zu verstehen ist, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht - oder nicht mehr - die Tätigkeitsmerkmale erfüllt, nach denen er bisher beurteilt wurde, sondern andere (vgl. BAG vom 11.11.1997 - 1 ABR 29/97 = NZA 1998, 319, Rn. 25), ist unter einer Eingruppierung die erstmalige Zuordnung eines Arbeitnehmers aufgrund der von ihm vertragsgemäß auszuübenden Tätigkeit zu einer bestimmten Vergütungsgruppe einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung zu verstehen (vgl. BAG vom 23. November 1993 - 1 ABR 34/93 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 119, Rn. 17 m.w.N.). In dem einen wie dem anderen Fall ist das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG ein einheitliches Verfahren, das die Ein- oder Umgruppierung in allen ihren Teilen erfasst und vom Arbeitgeber auch dann, wenn die jeweilige Entscheidung mehrere Fragestellungen wie z.B. die Auswahl zwischen verschiedenen Vergütungsordnungen sowie die Einreihung in die zutreffende Vergütungs- und Fallgruppe umfasst, nicht auf die einzelnen Teile beschränkt werden kann (BAG vom 27.06.2000 - 1 ABR 36/99 = NZA 2001, 626, Rn. 37 unter Hinweis auf BAG vom 27.07.1993 - 1 ABR 11/93 = BAGE 74, 10).

cc) Angesichts dieses umfassenden Verständnisses von dem Vorgang der Ein- oder Umgruppierung und dem diesbezüglichen Beteiligungsverfahren i.S.d. § 99 BetrVG ergibt sich für das Beschwerdegericht kein Anknüpfungspunkt für die Auffassung der Arbeitgeberin, die Beteiligung nach § 99 BetrVG könne unter bestimmten Voraussetzungen von vornherein entfallen. Das gilt selbst dann, wenn sich der dem Arbeitgeber durch den ERA-TV belassene Beurteilungsspielraum bezüglich der Bewertung der Arbeitsaufgaben - sei es aufgrund der vorgegebenen Niveaubeispiele, sei es infolge der vorgelagerten Bewertungs- und Konfliktlösungsverfahren - im Ergebnis auf Null reduzieren sollte (was die Betriebsratsseite mit gewichtigen Gründen in Zweifel zieht). Denn der einheitliche Eingruppierungsvorgang, an dessen Ende ein konkretes Entgelt des einzelnen Arbeitnehmers steht, das sich fortan nicht mehr aus der bisherigen Entgeltordnung, sondern aus dem ERA-TV ableitet, reduziert sich entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin niemals auf Null oder sonst ein Maß, von dem gesagt werden könnte, dass es das Mitbeurteilungsrecht des § 99 BetrVG eliminiert. Ähnlich wie in dem vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 3. Mai 2006 entschiedenen Fall mag sich die rechtsanwendende Beurteilung auf die Frage beschränken, ob der betreffende Arbeitnehmer die von der Arbeitgeberin angegebene Arbeitsaufgabe tatsächlich verrichtet. Auch diese Erkenntnis ist aber notwendiger Bestandteil des einheitlichen, die Eingruppierung in allen ihren Teilen erfassenden Eingruppierungsverfahrens im dargestellten Sinn. Als solche unterliegt sie de lege lata der Mitbeurteilung des Betriebsrates.

dd) Weshalb diesem Ergebnis nach Auffassung der Arbeitgeberin die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 24. Juni 1986 oder auch nur dieser Entscheidung zu entnehmende Wertungen entgegen stehen sollten, erschließt sich dem Beschwerdegericht nicht.

In der Entscheidung heißt es: "Knüpft eine Zulagenregelung bei der Gewährung von Zulagen nicht nur an die Vergütungsgruppe, sondern auch an die Fallgruppe an, indem sie nicht allen Angestellten einer bestimmten Vergütungsgruppe, sondern nur denjenigen, die die Merkmale bestimmter Fallgruppen erfüllen, eine Zulage gewährt, so steht schon aufgrund der vorgenommenen Eingruppierung in eine der Fallgruppen fest, welche Angestellten eine Zulage erhalten, ohne dass es der erneuten Prüfung der Frage bedarf, ob der Angestellte die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage erfüllt" (BAG vom 24.06.1986 - 1 ABR 31/84 = NZA 1987, 31). Die Quintessens der Entscheidung, dass es einer erneuten Eingruppierung und damit auch einer erneuten Beteiligung des Betriebsrates nicht bedürfe, wenn (auch) im Hinblick auf die Merkmale der strittigen Zulage schon in dem vorangegangenen Verfahren eine Eingruppierung erfolgt ist, erscheint nur logisch. Mit der hier im Raume stehenden These der Arbeitgeberin, dass es in bestimmten Situationen von vornherein nicht der Durchführung eines Eingruppierungsverfahrens nach § 99 BetrVG bedürfe, hat sie jedoch erkennbar nichts zu tun.

3. Schließlich teilt das Beschwerdegericht auch die Erwägung des Arbeitsgerichts, dass es keinen Verstoß gegen die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie darstellt, wenn die Arbeitgeberin gerichtlich zur Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Mitbestimmungsverfahrens angehalten wird.

Dem Arbeitsgericht ist darin beizupflichten, dass die Tarifpartner in keiner Weise gehindert werden, Entgeltschemata so detailliert festzusetzen, wie sie es für richtig halten. Deutlicher als mit der vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 3. Mai 2006 getroffenen Feststellung, dass weder der Arbeitgeber noch der Betriebsrat gegenüber den Tarifvertragsparteien einen rechtlich begründeten Anspruch auf Belassung eines bestimmten, durch Subsumtion auszufüllenden Rechtsanwendungsbereichs haben, kann die Respektierung der Tarifautonomie nicht zum Ausdruck gebracht werden.

Wenn das Beschwerdegericht das Vorbringen der Beschwerdebegründung richtig versteht, zielt die Rüge der Arbeitgeberin allerdings auch nicht auf eine - nicht gegebene - Einschränkung bei der Gestaltung der Entgeltordnung des ERA-TV als solche ab, sondern vielmehr darauf, dass es im Mitbestimmungsverfahren u. U. gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu einer gerichtlichen Entscheidung kommen könnte, die von einer im Reklamationsverfahren nach §§ 7, 10 ERA-TV getroffenen abweicht. Ob das tatsächlich geschehen könnte, bedarf keiner Vertiefung. Selbst wenn dem so wäre, läge darin keine Verletzung der Tarifautonomie. Die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie gewährt den Tarifvertragsparteien ein Normsetzungsrecht zur autonomen Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder, nicht aber das Recht, eigene (Schieds-) Gerichte und deren Entscheidungen außerhalb des durch §§ 4, 101 ff. ArbGG eingeräumten Spielraums an die Stelle staatlicher Gerichte und deren Entscheidungen zu setzen. Das Justizmonopol und damit auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass das Recht - und zwar auch das von den Tarifvertragsparteien aufgrund ihrer Normsetzungsbefugnis autonom gesetzte - von den Normunterworfenen richtig angewandt wird, obliegt allein dem Staat.

C.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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