Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: 11 (10) Sa 85/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, MTV


Vorschriften:

KSchG § 2
BGB § 670
MTV § 20
1. Vereinbaren die Parteien des Arbeitsvertrages gemäß § 20 Nr. 1 Satz 2 des Manteltarifvertrages (MTV) für das private Versicherungsgewerbe vom 28.06.1996, zuletzt geändert durch Tarifvereinbarung vom 25.06.2004, eine pauschale Abgeltung notwendiger tatsächlicher Fahrtauslagen i. S. von § 20 Nr. 1 Satz 2 dieses Manteltarifvertrags, kann, sofern hierüber keine Einigung erzielt werden kann, der Arbeitgeber diese Pauschalabgeltung nur im Wege einer Änderungskündigung i. S. v. § 2 Satz 1 KSchG beseitigen.

2. Auch die Erstattung von Spesen, wie Verpflegungskosten und Unterbringungskosten, nach § 20 Nr. 2 MTV für das private Versicherungsgewerbe kann pauschal vereinbart werden und somit Gegenstand einer aus Fahrtkostenauslagen und Spesen bestehenden Reisekostenpauschale sein.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 (10) Sa 85/05

Verkündet am 12. Mai 2005

In Sachen

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12.05.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Mühlbeyer und den ehrenamtlichen Richter Haberl

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 01.12.2004 - 5 Ca 4187/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin auch über den 01.07.2004 eine Reisekostenpauschale zusteht.

Die 31-jährige Klägerin ist seit dem 01.07.2000 bei der Beklagten im Außendienst tätig. Der unter dem 27.06.2000 geschlossene Anstellungsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:

"Die beiderseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus diesem Vertrag einschließlich der beigefügtten Anlagen, aus dem Tarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (Teile I, III und IV) in der jeweils gültigen Fassung sowie den den Außendienst betreffenden Betriebsvereinbarungen in den jeweils gültigen Fassungen und aus den gesetzlichen Bestimmungen.

...

4 Bezüge (monatlich)

4.1 Gehalt: 2.000,-- DM

4.2 Provisionspauschale: 2.000,-- DM

befristet bis:

4.3 Anteilprovision:

Die Gesellschaft ist berechtigt, die unter Ziffer 4.2 genannte Provisionspauschale mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende zu widerrufen, um zur normalen prozentualen Anteilprovisionsvergütung überzugehen.

jeweils befristet bis:

5 Reisekostenpauschale (monatlich): 775,00 DM

ab 01.01.2001 DM 860,00 mtl.

..."

Als Anlagen waren diesem Anstellungsvertrag u. a. die "Allgemeine Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte" (Stand 10.98) beigefügt. Diese enthalten in Ziffer 2.5 Regelungen zur "Reisekostenpauschale".

Am 09.05.2001 schlossen die Parteien einen Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 27.06.2000. Dort wurde unter Ziffer 4.1 das Gehalt auf 2.056,-- DM und unter Ziffer 5 die Reisekostenpauschale auf 980,-- DM festgelegt. In einer weiteren Ergänzungsvereinbarung vom 18.09.2001 wurde das Gehalt gemäß Ziffer 4.1 auf 2.467,-- DM und gemäß Ziffer 5 die Reisekostenpauschale auf 1.130,-- DM festgelegt. Mit Ergänzungsvereinbarung vom 20.02.2002 wurde das Gehalt auf 1.311,-- € und die Reisekostenpauschale auf 580,-- € festgelegt. Sowohl der Anstellungsvertrag als auch die Ergänzungsvereinbarungen wurden von beiden Parteien unterzeichnet.

Mit Schreiben vom 29.06.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ab dem 01.07.2004 das System der Reisekostenerstattung umstelle. Bis auf weiteres erfolge die Abrechnung im Wege der Einzelreisekostenabrechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des vorgenannten Schreibens verwiesen. Mit Wirkung vom 01.07.2004 gab die Beklagte außerdem eine "Reiserichtlinie für Außendienstangestellte" bekannt.

Mit ihrer am 23.09.2004 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingereichten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Reisekostenpauschale für die Monate Juli, August und September 2004 unter Berücksichtigung einer Kürzung für Fehltage gemäß Ziffer 2.5.2 der "Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte". Mit ihrer Klage reichte die Klägerin entsprechende Einzelreisekostenabrechnungen für die Monate Juli bis September 2004 ein und macht hilfsweise die sich aus den Einzelkostenabrechnungen ergebenden Beträge geltend. Die Beklagte nahm bis zum Termin der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 01.12.2004 und in der Folgezeit keinerlei Reisekostenzahlungen für die Monate Juli bis September 2004 vor.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt, einseitig von einer vertraglich vereinbarten Reisekostenpauschale auf eine Einzelabrechnung überzugehen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 553,63 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2004 zu zahlen;

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an sie 89,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2004 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 474,55 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2004 zu zahlen;

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an sie 81,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2004 zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 158,19 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2004 zu zahlen;

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an sie 45,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2004 zu zahlen.

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, über den 01.10.2004 hinaus ihr an Reisekosten monatlich 580,-- € brutto unter Berücksichtigung der Regelungen der Reisekostenpauschale in Ziffer 2.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte der Beklagten, Stand: 10.98, zu zahlen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Reisekostenpauschale sei lediglich die Regelung in § 20 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe vom 28.06.1996, zuletzt geändert durch Tarifvereinbarung vom 25.06.2004, (künftig: MTV), die sowohl eine pauschale Abgeltung als auch den Einzelkostennachweis zulasse. Die in dem Anstellungsvertrag und in den einzelnen Ergänzungsvereinbarungen aufgenommenen Beträge seien von ihr lediglich einseitig im Rahmen ihres Direktionsrechtes festgesetzt worden. Es handele sich hierbei um eine einseitige Mitteilung der zu gewährenden Reise kostenpauschale, die von ihr jederzeit abänderbar sei. Der Feststellungsantrag der Klägerin sei unzulässig, da sie sich seit dem 27.09.2004 in Mutterschutz befinde, anschließend Elternzeit in Anspruch nehme und somit voraussichtlich erst am 03.11.2007 ihre Arbeit wieder aufnehmen werde. Bis dahin würden ihr überhaupt keine Reisekostenerstattungen zustehen.

Mit seinem am 01.12.2004 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die von der Klägerin gestellten Zahlungsanträge seien zulässig. Zwar habe die Beklagte fortlaufend vorgetragen, dass die Klage in Höhe der der Klägerin im Wege des Einzelkostennachweises zustehenden Reisekosten anerkannt werde. Sie habe jedoch die entsprechenden Differenzbeträge bis zum Termin der mündlichen Verhandlung am 01.12.2004 nicht an die Klägerin überwiesen. Das Zahlungsbegehren sei auch in Höhe der Hauptanträge begründet. Die Parteien hätten, wie es § 20 MTV ermögliche, eine Pauschalabgeltung der Fahrtauslagen und Spesen vereinbart. Diese Vereinbarung hätte nur im Wege einer ein vernehmlichen Vertragsänderung oder durch Ausspruch einer Änderungskündigung geändert werden können. Den Regelungen in den Ergänzungsvereinbarungen sei kein konkludentes Widerrufsrecht zu entnehmen. Hinsichtlich der Höhe der Reisekostenpauschale sei die Berechnung der Klägerin nach den "Allgemeine Vertragsbestimmungen für Außendienst-Angestellte" von der Beklagten nicht angegriffen worden. Das Feststellungsbegehren der Klägerin sei nach § 256 Abs. 1 ZPO, auch wenn sich die Klägerin bis zum 03.11.2007 in Elternzeit befinde, zulässig und nach den Ausführungen zum Zahlungsbegehren auch begründet.

Gegen das ihr am 27.12.2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit einem bei Gericht am 19.01.2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.03.2005 - mit einem bei Gericht am 29.03.2005 (Osterdienstag) ein gereichten Schriftsatz begründet.

Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Die Zahlungsklage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, soweit sie denjenigen Betrag erfasse, den sie bereit sei, ab 01.07.2004 zum Zwecke des Reisekostenaufwendungsersatzes an die Klägerin zu leisten. Darüber hinaus sei das Zahlungsbegehren unbegründet. Eine anspruchsbegründende Vereinbarung über die Zahlung einer Reisekostenpauschale bestehe nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin und der Vorinstanz hätten die Parteien keine Vereinbarung getroffen, die neben § 20 MTV bezogen auf die von der Klägerin begehrte Reisekostenpauschale rechtsbegründend wirke. Hiergegen würde die Regelung in § 20 MTV, der Wortlaut der maßgeblichen Vertragsgrundlagen, die Systematik der bis zum 30.06.2004 angewandten Pauschalabgeltungsmethode sowie Sinn und Zweck einer jeden Pauschalabgeltungsvereinbarung sprechen. Aber selbst wenn man mit der Vorinstanz im Streitfall eine einzelvertraglich rechtsbegründende Vereinbarung über die pauschale Reisekostenabgeltung annehme, müsse von einem gleichzeitig vereinbarten stillschweigenden Widerrufsvorbehalt ausgegangen werden, den sie durch ihr Schreiben vom 29.06.2004 ausgeübt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 01.12.2004 - 5 Ca 4187/04 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin, die in erster Linie das angefochtene Urteil verteidigt, macht unter teilweiser Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen ergänzend geltend:

Die Parteien hätten entsprechend der in § 20 MTV enthaltenen Öffnungsklausel von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Pauschalierung der Fahrtauslagen sowie sonstiger Reisekosten zu vereinbaren. § 20 MTV meine eine einzelvertragliche Pauschalvereinbarung, wie sie im Arbeitsleben häufig anzutreten sei. Die Nachträge zum Anstellungsvertrag würden keine bloßen Mitteilungen darstellen, sondern hätten den Inhalt des Anstellungsvertrages geändert. Mit der einseitigen Änderung der Reisekostenerstattung zum 01.07.2004 habe sich die Beklagte die Schwierigkeiten einer Änderungskündigung ersparen wollen. In Parallelfällen habe sie - unstreitig - zwischenzeitlich Änderungskündigungen ausgesprochen. Ein stillschweigendes Widerrufsrecht sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. Zu Recht hat die Vorinstanz der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

I. Zunächst ist die Berufung insoweit erfolglos, als sie sich gegen das Zahlungsbegehren der Klägerin richtet.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Zahlungsverlangen der Klägerin nicht etwa wegen mangelndem Rechtsschutzbedürfnis zumindest teilweise unzulässig.

a) Bei Leistungsklagen ist ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig anzunehmen. Es fehlt bei objektiv sinnlosen Klagen, wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Dies kann allerdings nur unter ganz besonderen Umständen bejaht werden, da grundsätzlich jeder Rechtssuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf hat, dass die Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, vor § 253 Rdn. 18). Das Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, wenn ein Vollstreckungstitel bereits vorliegt oder ein derartiger Titel auf einfacherem Wege zu erlangen ist (Zöller/Greger, a. a. O., vor § 253 Rdn. 18 a und b).

b) Einer der vorstehend wiedergegebenen Ausnahmetatbestände für das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses einer Leistungsklage ist vorliegend nicht gegeben. Soweit die Beklagte geltend macht, sie sei doch bereit, für die streitbefangenen Monate Juli, August und September 2004 der Klägerin die tatsächlich entstandenen Reisekosten zu erstatten, hat dies für das Rechtsschutzinteresse der Klägerin keine Bedeutung. Denn hierbei würde es sich nicht, wie noch darzustellen sein wird, um die von der Beklagten geschuldete Leistung handeln mit der Folge, dass die Klägerin, ohne in Annahmeverzug zu geraten (§ 293 BGB), diese Teilleistung ohne weiteres ablehnen konnte.

2. Das Zahlungsbegehren der Klägerin ist gemäß Ziffer 5 des Anstellungsvertrages vom 27.06.2000 i. V. m. den im Tatbestand erwähnten Nachträgen dem Grunde und der Höhe nach begründet. Denn entgegen ihrer auch in der Berufungsinstanz vertretenen Auffassung konnte die Beklagte die der Klägerin unstreitig bis zum 30.06.2004 in Höhe von zuletzt 580,-- € monatlich nicht einseitig mit Wirkung vom 01.07.2004 ändern.

a) Der Anspruch auf Auslagenersatz, der, wenn dazu tariflich, betrieblich oder einzelvertraglich nichts vereinbart ist, in analoger Anwendung des § 670 BGB aus den Vorschriften über Geschäftsbesorgung und Auftrag abgeleitet wird (vgl. grundlegend BAG 01.02.1963 - 5 AZR 74/62 - AP Nr. 10 zu § 670 BGB), steht dem Arbeitnehmer zu für Aufwendungen, die er im Zusammenhang mit der Dienstleistung aus dem Arbeitsverhältnis macht, soweit sie von ihm gefordert wurden oder erforderlich waren oder er sie für erforderlich halten durfte. Im Bereich der Versicherungswirtschaft wird der Anspruch auf Auslagenersatz durch § 20 MTV ausdrücklich begründet.

aa) Allerdings setzt die Erstattung von Fahrtauslagen gemäß § 20 Nr. 1 MTV voraus, dass diese "notwendig" waren. Die Einzelheiten der Erstattung von Fahrtauslagen überlassen die Tarifvertragsparteien jedoch dem Arbeitsvertrag (vgl. § 20 Nr. 1 Satz 1 MTV). Durch diese Verweisung auf eine zwischen den Parteien zu treffende Vereinbarung räumen die Parteien des MTV den Arbeitsvertragsparteien einen Gestaltungsspielraum ein (BAG 21.07.1993 - 4 AZR 471/92 - AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versicherungsgewerbe). Daraus folgt, dass der Anspruch auf Erstattung von Fahrtauslagen dem Grunde nach durch Tarifvertrag entsteht, nach Art und Umfang aber durch einzelarbeitsvertragliche schriftliche Vereinbarungen oder durch freiwillige Betriebsvereinbarungen bestimmt ist (Seifert, Tarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe, 6. Aufl., Stand: 01.01.2003, § 20 Rdn. 5).

bb) Der Gestaltungsspielraum der Arbeitsvertragsparteien wird noch dadurch erweitert, dass diese gemäß § 20 Nr. 1 Satz 2 MTV die Möglichkeit erhalten, die notwendigen tatsächlichen Fahrtauslagen durch entsprechende Vereinbarung pauschal, d. h. nicht in voller Höhe, abzugelten. Es liegt nämlich in der Natur von Pauschalregelungen, dass sie im Interesse der Praktikabilität von Schätz- oder Durchschnittswerten ausgehen, die mit den entsprechenden exakt berechneten Werten meist nicht übereinstimmen, sei es, dass sie höher, sei es, dass sie niedriger sind als diese (BAG 21.07.1993 - 4 AZR 471/92 - a. a. O.).

b) Allein aus dieser Systematik folgt, dass die von den Parteien dieses Rechtsstreits im Anstellungsvertrag der Klägerin vom 27.06.2000 unter Ziffer 5 vereinbarte monatliche Reisekostenpauschale rechtsbegründenden Charakter, nämlich hinsichtlich der Höhe - nicht hinsichtlich des Grundes - des Anspruchs auf Erstattung von Fahrtauslagen hat. Dementsprechend kann sich der Umfang des in § 20 Nr. 1 Satz 1 und 2 geregelten Erstattungsanspruchs nur dann aus dieser tariflichen Norm ergeben, wenn eine wirksame einzelvertragliche Vereinbarung über die Erstattung der Fahrtauslagen fehlt (BAG 21.07.1993 - 4 AZR 471/92 - a. a. O.; ebenso Seifert, a. a. O., § 20 Rdn. 5). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, auch wenn sich die von den Parteien des MTV in § 20 Nr. 1 Satz 2 den Arbeitsvertragsparteien eingeräumte Möglichkeit einer Pauschalabgeltung ausdrücklich nur auf die Fahrtauslagen bezieht, die Parteien dieses Rechtsstreits aber in ihre Pauschalabrede auch Spesen, zu denen Verpflegungskosten, die Unterbringungskosten und sonstige Kosten zählen (vgl. Seifert, a. a. O., § 20 Rdn. 2 und Ziffer 2.5.3 der "Allgemeine Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte"), einbezogen haben. Da die Erstattung von Spesen aber nach § 20 Nr. 2 MTV ebenfalls aufgrund schriftlicher Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien erfolgt, kann sie auch pauschal geschehen (vgl. Seifert, a. a. O., § 20 Rdn. 3) und somit Gegenstand einer aus Fahrtkostenaus lagen und Spesen bestehenden Reisekostenpauschale sein (vgl. auch Ziffer

2.5.3 der "Allgemeine Vertragsbestimmung für Außendienstangestellte"). Ohne eine einvernehmliche Änderung der von den Parteien in ihrem Anstellungsvertrag vom 27.06.2000 unter Ziffer 5 getroffenen Vereinbarung über die Reisekostenpauschale kann diese nur im Wege einer Änderungskündigung (§ 2 KSchG) beseitigt werden. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass die "Allgemeine Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte", die in Ziffer 2.5 ausschließlich die Zahlung einer Reisekostenpauschale vorsehen, Bestandteil des Anstellungsvertrages vom 27.06.2000 sind und somit ohne Einverständnis der Klägerin ebenfalls nur durch eine Änderungskündigung der Beklagten und nicht bloß durch Bekanntgabe der "Reiserichtlinie für Außendienstangestellte" zum 01.07.2004 beseitigt werden konnten.

c) Diese Änderungskündigung ist nicht etwa aufgrund eines zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits stillschweigend vereinbarten Widerrufsvorbehalts entbehrlich.

aa) Die Annahme eines stillschweigenden Widerrufsvorbehalts - sofern ein solcher nach § 308 Abs. 1 Nr. 4 BGB in einem Formulararbeitsvertrag überhaupt noch rechtlich wirksam sein kann (vgl. hierzu BAG 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 - NZA 2005, 465 ff.) - ist dogmatisch nur im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung möglich. Eine solche ist vorzunehmen, wenn die Vereinbarungen der Parteien eine Regelungslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit in den Bestimmungen des Rechtsgeschäfts aufweisen (vgl. nur BGH 01.02.1984 - VIII ZR 54/83 - NJW 1984, 1177, 1178; BGH 10.10.1990 - VIII ZR 370/89 - NJW-RR 1991, 176, 177). Keine Lücke liegt vor, wenn die getroffene Regelung nach dem Willen der Parteien bewusst abschließend sein sollte (BGH 24.04.1985 - IV b ZR 17/84 - NJW 1985, 1835, 1836; OLG Hamm 10.09.2003 - 30 U 47/03 - NJW-RR 2004, 298, 299).

bb) Im Streitfall ist eine Regelungslücke im Zusammenhang mit der im Anstellungsvertrag der Klägerin getroffenen Reisekostenpauschale nicht gegeben. Zum einen hat sich die Beklagte ausweislich der Regelung in Ziffer 2.5 der "Allgemeine Vertragsbestimmungen für Außendienstangestellte" für eine Reisekostenpauschale entschieden, so dass die entsprechende Vereinbarung im Anstellungsvertrag der Klägerin nur die Umsetzung dieser Regelung darstellt. Die Möglichkeit einer Abrechnung der Reisekosten gemäß der dem Kläger tatsächlich entstandenen Kosten (sog. Spitzabrechnung) ist überhaupt nicht in den vorgenannten Vertragsbestimmungen vorgesehen. Daraus kann nur entnommen werden, dass die Beklagte bewusst für den Ausgleich der ihren Außendienstmitarbeitern entstandenen Reisekosten die in § 20 MTV vorgesehene Möglichkeit einer Pauschalabgeltung gewählt hat. Inwieweit sie diese Pauschalabgeltung der Höhe nach zu Gunsten bzw. zu Ungunsten des Klägers einseitig über die in Ziffer 2.5.4 getroffene Regelung hinaus ändern kann, kann dahinstehen. Jedenfalls widerspricht die Annahme eines stillschweigenden Widerrufsvorbehalts bezüglich eines Wechsels von der Pauschalabrede zur sog. Spitzabrechnung ihrem eigenen Willen. Soweit bei fehlendem Einverständnis der Klägerin mit einem Wechsel von der Pauschalabrede zur sog. Spitzabrechnung die Beklagte auf die Änderungskündigung (§ 2 KSchG) verwiesen werden muss und ihr dies als unbillig erscheint, kann auch aus diesem Umstand keine Regelungslücke hergeleitet werden (vgl. OLG Hamm 10.09.2003 - 30 U 47/03 - NJW-RR 2004, 298, 299; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 157 Rdn. 3; Staudinger/Roth, BGB, 2003, § 157 Rdn. 19).

d) Der Höhe nach ist das Zahlungsbegehren der Klägerin auf der Basis der zuletzt monatlich vereinbarten Reisekostenpauschale für die Monate Juli bis September 2004 unstreitig.

3. Die Zinsen hat die Vorinstanz zu Recht aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB für die streitbefangenen Monate (Juli bis September 2004) der Klägerin zugesprochen.

II. Die Berufung ist auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens erfolglos.

1. Mit zutreffender Begründung, die sich die Kammer ausdrücklich zu eigen macht, hat die Vorinstanz angenommen, dass das Feststellungsbegehren der Klägerin nach § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässig ist. In ihrer Berufung hat sich die Beklagte dagegen auch nicht mehr gewendet.

2. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist, wie ohne weiteres aus den Ausführungen zu ihrem Zahlungsbegehren folgt, für die Zeit ab dem 01.10.2004 mit der von ihr vorgenommenen und erstinstanzlich titulierten Einschränkung begründet.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision für die Beklagte nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück