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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.01.2003
Aktenzeichen: 11 (12) Sa 1057/02
Rechtsgebiete: BGB, KschG, InsO, BetrVG
Vorschriften:
BGB § 613 a Abs. 1 | |
KschG § 1 Abs. 2 | |
InsO § 125 Abs. 1 | |
InsO § 128 Abs. 2 | |
BetrVG § 102 Abs. 1 | |
BetrVG § 111 |
2. Für den im Rahmen des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vom Insolvenzverwalter zu erbringenden Nachweis einer geplanten Stilllegung des Betriebs reichen u. U. die Kündigung aller Arbeitnehmer und der Entschluss zu einer sog. Ausproduktion nicht aus, wenn es kurze Zeit (hier: circa einen Monat) nach dem Abbruch von Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung mit demselben Interessenten doch noch zu einem Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB kommt.
3. Der Arbeitnehmer muss im Kündigungsschutzprozess gegen eine vom Insolvenzverwalter nach Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochene ordentliche Kündigung sowohl die in § 128 Abs. 2 InsO wie die in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO enthaltene Vermutung widerlegen. Hierfür muss er den Vollbeweis erbringen, dass die Kündigung nicht auf § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG i. V. m. § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB gestützt werden kann, sondern nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist (wie LAG Hamm 04.06.2002 4 Sa 81/02 - BB 2003, 159 nur L.).
4. Eines gesonderten Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedarf es nicht, wenn in dem Interessenausgleich mit Namensliste zum Ausdruck gebracht ist, dass der Insolvenzverwalter gleichzeitig das Anhörungsverfahren bezüglich der in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer eingeleitet und der Betriebsrat bezüglich dieser Arbeitnehmer eine abschließende Stellungnahme abgegeben hat (wie LAG Hamm 04.06.2002 - 4 Sa 81/02 - a. a. O.).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 11 (12) Sa 1057/02
Verkündet am: 23.01.2003
In dem Rechtsstreit
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Rieger und den ehrenamtlichen Richter Franken
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers gegen den Beklagten zu 1) wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 10.07.2002 - 6 Ca 1831/02 v - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 27.03.2002 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Feststellungsklage, soweit sie sich gegen die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 26.04.2002 richtet, abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers gegen den Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.
3. Die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2) wird als unzulässig verworfen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil erster Instanz vorbehalten.
5. Die Revision wird für den Beklagten zu 1) zugelassen.
6. Für den Kläger wird die Revision, soweit seine Berufung gegen den Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden ist, zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung.
Die Firma S. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) mit Sitz in V. wurde im Rahmen der Umstrukturierung der T.- Gruppe im Jahre 1999 gegründet und übernahm danach das im Betrieb der Firma G. GmbH & Co. KG (im Folgenden: G.) vorhandene Personal. Sonstige Vermögenswerte übernahm die Schuldnerin nicht.
Am 14.03.2002 schlossen die Schuldnerin und die Firma G. einen Rahmenvertrag. Dieser sieht vor, dass die Firma G. der Schuldnerin die gesamte Produktion für Eigenprodukte mit Markenzeichen G. aus dem Bereich Schlösser, Beschläge und Zylinder überträgt und die Schuldnerin ihrerseits der Firma G. einmal im Monat die von ihr erbrachten Leistungen zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung stellen soll. Gemäß seinem § 8 kann der Rahmenvertrag von jedem Vertragspartner mit einer ordentlichen Frist von sechs Monaten zum Quartalsende gekündigt werden.
Der am 29.07.1952 geborene, verheiratete Kläger, der Vater eines 18-jährigen, unterhaltsberechtigten Sohnes ist, ist bei der Schuldnerin seit dem 20.11.1989 als Techniker beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt durchschnittlich 3.244,- € (so der Kläger) bzw. 3.327,74 € (so die Beklagte).
Das Amtsgericht Wuppertal eröffnete durch Beschluss vom 01.01.2002 - 145 IN 400/01 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Am gleichen Tag wurde durch Beschluss desselben Gerichts - 145 IN 399/01 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma G. eröffnet und Herr Rechtsanwalt W. zum Insolvenzverwalter bestellt.
Entsprechend dem Rahmenvertrag vom 14.03.2000 hielten beide Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb zunächst aufrecht. Zu diesem Zweck stellte der Insolvenzverwalter der Firma G. der Schuldnerin das für die Produktion benötigte Rohmaterial sowie die hierzu benötigten Werkzeuge zur Verfügung. Gleichzeitig wurde der Schuldnerin durch die Firma G. gestattet, die im Eigentum der G. verbleibenden Produktionsmaschinen zu benutzen.
Der Insolvenzverwalter der Firma G., Herr Rechtsanwalt W., führte im Januar und Februar 2002 Gespräche mit verschiedenen Kaufinteressenten. Als einziger ernsthafter Interessent verblieb in den Gesprächen von Herrn Rechtsanwalt W. eine Firma C. aus M.. Mit dieser Firma wurde Anfang März 2002 weiterverhandelt. Herr Rechtsanwalt W. forderte die Firma C. auf, Finanzierungszusagen ihrer Banken für den in Aussicht genommenen Kaufpreis vorzulegen. Dies sollte abschließend bis zum 18.03.2002 geschehen. Bis zum Ablauf dieses Termins legte die Firma C. keinerlei Zahlungszusage vor. Daraufhin entschloss sich nach Behauptung des Beklagten Herr Rechtsanwalt W. am 19.03.2002, den Geschäftsbetrieb der Firma G. zum 30.06.2002 stillzulegen. Da die Schuldnerin der Firma G. nur das Personal stellte, entschied sich der Beklagte angeblich, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin ebenfalls zum 30.06.2002 stillzulegen.
Am 20.03.2002 schlossen der Beklagte und Herr Rechtsanwalt W. mit den Betriebsräten der jeweiligen Schuldnerinnen einen Interessenausgleich mit Namensliste. Der maschinenschriftliche Wortlaut dieses Interessenausgleichs, der einem Entwurf vom 26.02.2002 entspricht, ist handschriftlich um einige Daten ergänzt bzw. verbessert worden.
In dem Interessenausgleich vom 20.03.2002 heißt es u. a.:
Präambel
Bezgl. G. und S. wurde am 01.01.2002 jeweils durch Beschluss des AG Wuppertal das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Versuche der Geschäftsführung sowie der Insolvenzverwalter, Übernahmeinteressenten für die Unternehmen zu finden, blieben letztlich erfolglos. Eine geplante übertragende Sanierung ist im letzten Moment gescheitert. Der potentielle Investor konnte die notwendige Finanzierungszusage eines Kreditinstituts nicht beibringen. Eine Weiterführung der Unternehmen ist wirtschaftlich nicht möglich. Weitere Erwerbsinteressenten sind nicht vorhanden.
Die Betriebspartner sind darüber einig, dass es deshalb jetzt erforderlich ist, die Betriebe beider Gemeinschuldnerinnen einzustellen.
Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien, was folgt:
§ 1
Die Beteiligten sind darüber einig, dass zunächst eine Ausproduktion stattfindet und die Betriebe zum 30.06.2002 stillgelegt werden. Allen Mitarbeitern beider Betriebe muss spätestens zum 30.06.2002 gekündigt werden.
Beide Seiten stimmen darin überein, dass die betriebsbedingte Kündigung sämtlicher Mitarbeiter der beiden Gemeinschuldnerinnen (Namensliste als Anlage 1) unumgänglich ist. Diesen Mitarbeitern wird aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 113 I 2 InsO gekündigt. Soweit erforderlich, werden die behördlichen Zustimmungsverfahren eingeleitet.
§ 2
Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die Umstrukturierung entstehen, wird ein Sozialplan abgeschlossen.
Bezüglich aller Beteiligten wird darauf hingewiesen, dass mit Rücksicht auf die gesetzliche Ausgestaltung der Rechte der Arbeitnehmer aus einem Insolvenzverfahren ein aufgestellter Sozialplan nicht bzw. jedenfalls nicht in voller Höhe zur Auszahlung gelangen kann und dass Auszahlungen frühestens bei Beendigung des Insolvenzverfahrens oder beim Zustandekommen einer Auffanglösung erfolgen können.
§ 3
Die Parteien sind darüber einig, dass die Arbeitnehmer beider Gemeinschuldnerinnen bis zum Auslauf der jeweiligen Kündigungsfrist zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, die Insolvenzverwalter aber berechtigt sind, die Arbeitnehmer unter Anrechnung auf etwaige Resturlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freizustellen.
§ 4
Die Betriebsräte erklären, dass sie über die Vermögens- und Ertragslage der Gemeinschuldnerinnen, die Notwendigkeit der Schließung der Unternehmen sowie den Grund der Kündigungen und die Kriterien der sozialen Auswahl im Sinne der §§ 99, 102, 103, 111 BetrVG ausreichend, insbesondere durch Erläuterung des Unternehmenskonzeptes, insbesondere hinsichtlich des Namens, der Tätigkeit, des Beschäftigungsumfangs, Gehaltes, Geburtsdatums, Eintrittsdatums, Familienstandes, Unterhaltspflichten, Kündigungssonderschutzes, der Kenntnisse, Fertigkeiten und Einsatzmöglichkeiten sowie der Beurteilungen sämtlicher Mitarbeiter - insbesondere durch die Verhandlungen am 05.02., 15.02. sowie 25.02.2002 und 20.03.2002 unterrichtet worden sind. Die Parteien sind darüber einig, dass mit Abschluss des Interessenausgleichs auch das Mitbestimmungsverfahren nach §§ 99, 102, 103, 111 BetrVG abgeschlossen ist. Die Betriebsräte stimmen den geplanten Kündigungen der in der Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich genannten Arbeitnehmern ausdrücklich zu.
..."
Auf der Namensliste, die von den Betriebspartnern unterschrieben und dem Interessenausgleichstext angeheftet war, ist auch der Kläger namentlich bezeichnet.
Am 27.03.2002 kündigte der Beklagte sämtlichen Mitarbeitern der Schuldnerin, darunter auch dem Kläger, ordentlich betriebsbedingt unter Einhaltung der verkürzten gesetzlichen Fristen nach der Insolvenzordnung zum 30.06.2002.
Unter dem 24.04.2002 schlossen der Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin und Herr Rechtsanwalt W. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma G. mit den jeweiligen Betriebsräten einen weiteren Interessenausgleich, dessen Präambel wie folgt lautet:
"Bzgl. G. und S. wurde am 01.01.2002 jeweils durch Beschluss des AG Wuppertal das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nachdem die Versuche der Insolvenzverwalter, einen Erwerbsinteressenten zu finden, zunächst erfolglos waren, mussten sich die Insolvenzverwalter Ende März 2002 entschließen, die Betriebe der Schuldnerinnen einzustellen. Deshalb schlossen die Betriebspartner beider Unternehmen am 20.03.2002 wegen der beabsichtigten und beschlossenen Betriebsstillegung beider Unternehmen einen Interessenausgleich mit Namensliste i. S. d. § 125 InsO und vereinbarten die Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer beider Unternehmen, die dann auch ausgesprochen wurden.
Es wurde eine Ausproduktion eingeleitet. Die Gemeinschuldnerinnen erlitten erhebliche Umsatzeinbrüche.
Am 22.04.2002 meldete sich dann mit der Fa. C. GmbH ein Unternehmen, das erneut Interesse am Erwerb der Gemeinschuldnerinnen für den Fall einer umfassenden Restrukturierung bekundete. Bereits im März hatte sich diese Firma am Erwerb interessiert gezeigt, die seinerzeit geführten Verhandlungen waren aber Mitte März 2002 endgültig gescheitert.
Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien, was folgt.
§ 1
Die Beteiligten sind darüber einig, dass das Unternehmen der Gemeinschuldnerinnen mit sofortiger Wirkung entsprechend dem Konzept des Erwerbsinteressenten und dem deutlich verringerten Umsatz umstrukturiert wird. Dies bedingt folgende unternehmerische Maßnahmen, über deren sofortige Ergreifung zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht:
- Im Bereich der Produktion wird auf Massenprodukte verzichtet; es findet eine Konzentration auf Speziallösungen statt,
- Der Schwerpunkt der Produktpalette soll deshalb künftig im Bereich der Schließsysteme liegen; die eigene Herstellung von Schlössern wird um mehr als ein Drittel eingeschränkt;
- Produktreihen mit größeren Stückzahlen werden künftig nicht mehr selbst hergestellt, sondern bei Dritten, insbesondere der Fa. K. aus der Türkei, zugekauft werden; der Umsatzanteil der Handelsware soll um mehr als 50 % erhöht werden;
- Der Kleinkundenmarkt wird bewusst bearbeitet;
- Der Pro-Kopf-Umsatz pro Mitarbeiter soll durch flexibleren Einsatz erhöht werden;
- Anpassung der Anzahl der Mitarbeiter an die gesunkenen Produktionsmengen;
- Aufgabe der selbstständigen Betriebsleitung
- Aufgabe der hausinternen Konstruktion
- Aufgabe der Werkstattarbeiten für die Fa. G.
- Miterledigung von Bürohilfstätigkeiten durch die Sachbearbeiter
- Outsourcing der Buchhaltung.
§ 2
Die Beteiligten stimmen darüber ein, dass es unumgänglich ist, zur Umsetzung der vorgenannten Unternehmerentscheidungen auch die Zahl der Beschäftigten erheblich zu reduzieren. Die Beteiligten sind darüber einig, dass folgende Arbeitsplätze wegfallen:
A. G.
- Drei Stellen im Verkaufsinnendienst
- Eine Stelle im Versand
- Eine Stelle im Einkauf
- Eine Stelle in der Buchhaltung
B. S.
- Eine Stelle in der Betriebsleitung
- Eine Stelle in der Qualitätssicherung
- Eine Stelle in der Konstruktion
- Drei Stellen in der Zylindervorfertigung
- Eine Stelle in der Zylindermontage
- Vier Stellen in der Presserei
- Sechs Stellen in der Schlossmontage
- Zwei Stellen in den Werkstätten
d. h. insgesamt sechs Arbeitsplätze bei G. sowie neunzehn Arbeitsplätze bei S..
Beide Seiten stimmen darüber ein, dass die betriebsbedingte Kündigung der in Anlage 2 zu diesem Interessenausgleich bezeichneten 25 Mitarbeiter unumgänglich ist. Diesen Mitarbeitern wird aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen nach Maßgabe des § 113 I InsO gekündigt. Soweit erforderlich, werden die behördlichen Zustimmungsverfahren eingeleitet.
§ 5
Die Betriebsräte erklären, dass die über die Vermögens- und Ertragslage der Gemeinschuldnerinnen, die Notwendigkeit, Art und Inhalt des Erwerberkonzeptes und seiner Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, insbesondere hinsichtlich des Namens, der Tätigkeit, des Beschäftigungsumfanges, des Gehaltes, des Geburtsdatums, des Eintrittsdatums, des Familienstandes, der Unterhaltspflichten, des Kündigungssonderschutzes, der Kenntnisse, der Fertigkeiten und Einsatzmöglichkeiten sowie der Beurteilungen sämtlicher Mitarbeiter - insbesondere durch die Verhandlungen am 22., 23. und 24.04.2002 - unterrichtet worden sind. Die Parteien sind darüber einig, dass mit Abschluss des Interessenausgleichs auch das Mitbestimmungsverfahren nach §§ 99, 102, 103 111 BetrVG abgeschlossen ist. Die Betriebsräte stimmen den geplanten Kündigungen der in der Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich genannten Arbeitnehmern ausdrücklich zu.
§ 6
Der Betriebsrat wird im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen nach § 17 II KSchG unterrichtet. Der Betriebsrat stimmt der geplanten Massenentlassung zu. Die Insolvenzverwalter werden der Anzeige nach § 17 KSchG diesen Interessenausgleich beifügen.
Der Interessenausgleich ist gleichzeitig die Stellungnahme der Betriebsräte in den Verfahren betreffend kündigungssondergeschützter Mitarbeiter.
..."
Aufgrund des zweiten Interessenausgleiches mit Namensliste, auf der sich sein Name befand, kündigte der Beklagte dem Kläger vorsorglich am 26.04.2002 schriftlich zum 31.07.2002. Mit Schreiben vom 10.05.2002 teilte der Beklagte zu 1) dem Kläger folgendes mit:
"Gemäß § 613 a V BGB bin ich gehalten, Sie über folgende Umstände zu informieren:
"Mit Wirkung zum 01.05.2002 ist Ihr bisher mit der Firma S. GmbH bestehendes Arbeitsverhältnis übergegangen auf die Firma C. GmbH, M..
Der Grund des Betriebsübergangs liegt in der Veräußerung des Geschäftsbetriebes der insolventen Firmen G. und S. an die Firma C. GmbH, M..
Hinsichtlich der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsüberganges verweisen wir auf den in Ablichtung als Anlage beigefügten Interessenausgleich mit Namensliste vom 24.04.2002 sowie die gesetzliche Vorschrift des § 613 a BGB."
Auf den Übergang des Betriebs der Schuldnerin auf die Beklagte zu 2) wies der Beklagte zu 1) die Prozessbevollmächtigten des Klägers noch einmal mit Schreiben vom 17.05.2002 hin.
Mit seiner am 17.04.2002 bei dem Arbeitsgericht Wuppertal eingereichten und dem Beklagten zu 1) am 25.04.2002 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung vom 27.03.2002 und für den Fall des Obsiegens ein Weiterbeschäftigungsverlangen geltend gemacht. Mit einem beim Arbeitsgericht Wuppertal am 17.05.2002 eingegangenen Schriftsatz, der dem Beklagten zu 1) am 22.05.2002 zugestellt worden ist, hat der Kläger u. a. die Unwirksamkeit der ihm gegenüber am 26.04.2002 ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht. Außerdem hat er die Klage gegen die Beklagte zu 2) erweitert und von beiden Beklagten die Weiterbeschäftigung über den 30.06.2002 sowie die Wiedereinstellung ab dem 01.07.2002 verlangt. Im Kammertermin vom 10.07.2002 hat er dieses Klagebegehren gegen den Beklagten zu 1) zurückgenommen.
Der Kläger, der bezüglich beider Kündigungen die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt hat, hat, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Die ursprüngliche Kündigung des Beklagten zu 1) sei ins Leere gegangen, da sich nach Ausspruch der Kündigung aufgrund des Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) eine völlig anders geartete Rechtslage ergeben habe. Die Reduzierung des Kündigungsschutzes greife daher weder im Rahmen des Ausspruchs der Kündigung vom 27.03.2002 noch derjenigen vom 26.04.2002. Letztere Kündigung stehe darüber hinaus in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betriebsübergang, so dass sie auch nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam sei. Schließlich lasse die von dem Beklagten zu 1) vollzogene Auswahl bei der zweiten Kündigung jegliche Ausgewogenheit vermissen, so dass sie als grob fehlerhaft i. S. von § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO anzusehen sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Kündigungen des Beklagten zu 1) vom 27.03.2002 und 26.04.2002 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben;
2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, sein Angebot auf Wiedereinstellung ab dem 01.07.2002 zu den Arbeitsbedingungen des bisherigen Arbeitsvertrages als Techniker bei Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem 20.11.1989 anzunehmen;
3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihn über den 30.06.2002 hinaus zu den Bedingungen im Klageantrag zu Ziffer 2) weiterzubeschäftigen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1) hat im Wesentlichen geltend gemacht:
Beide Kündigungen seien wirksam. Der Betriebsrat sei, wie sich schon aus dem Text beider Interessenausgleiche (§ 4 bzw. § 5) ergebe, ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Kündigungen seien jeweils durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Was die Kündigung vom 27.03.2002 betreffe, sei er zum Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung beim Kläger ernsthaft und endgültig entschlossen gewesen, den Betrieb der Schuldnerin zum 30.06.2002 stillzulegen, nachdem die letzten noch aussichtsreichen Verhandlungen des Insolvenzverwalters der Firma G. endgültig gescheitert seien. Er habe durch die Kündigung sämtlicher Anstellungsverhältnisse der Schuldnerin und die Einleitung der Ausproduktion diese Stilllegungsabsicht auch umgesetzt. Der Umstand, dass zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich Ende April 2002, die Firma C. erneut Interesse an einer Übernahme des - wenn auch erheblich restrukturierten - Geschäftsbetriebes gezeigt habe, sei für die Wirksamkeit der Kündigung vom 27.03.2002 ohne Belang. Auch die Kündigung vom 26.04.2002 sei wirksam. Am 22.04.2002 habe sich überraschend die Firma C. erneut gemeldet und bekundet, dass sie - aber auch nur - für den Fall einer umfassenden Restrukturierung der Schuldnerin Interesse am Erwerb habe. Aufgrund des am 24.04.2002 geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste greife wiederum die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO ein. Diese habe der Kläger nicht widerlegt.
Der Beklagte zu 2) hat im Wesentlichen vorgetragen:
Aufgrund der wirksamen Kündigung seien weder ein Wiedereinstellungs- noch ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers gegeben. Von daher könne auch dahinstehen, ob der Betrieb der Schuldnerin überhaupt von ihr übernommen worden sei. Sie habe "lediglich" den Schwesterbetrieb der Schuldnerin, die G., übernommen.
Durch sein Teil-Urteil vom 10.07.2002 hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Klage hinsichtlich des Feststellungsbegehrens des Klägers abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die streitbefangene Kündigung vom 27.03.2002 sei nach § 1 Abs. 1 KSchG wirksam, da der Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Schuldnerin dringende betriebliche Erfordernisse i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG entgegenstehen würden, nämlich die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestehende ernsthafte Absicht des Beklagten zu 1), den gesamten Betrieb zu schließen. Zwar habe der Kläger das Vorliegen eines ernsthaften Schließungsentschlusses zum Zeitpunkt der Kündigung bestritten. Dies reiche jedoch nicht aus, um die gesetzliche Vermutung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu erschüttern. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, dass der Betrieb der Schuldnerin kaum einen Monat nach Abschluss des Interessenausgleichs auf die Beklagte zu 2) übertragen worden sei, führe dies nicht dazu, dass die gesetzliche Vermutung erschüttert wäre. Umstände, aus denen sich hätte ergeben können, dass der Beklagte im Zeitraum vom 20. bis 27.03.2002 an der beabsichtigten Betriebsschließung nicht habe festhalten wollen, wodurch allein eine wesentliche Änderung der Sachlage i. S. von § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO hätte eintreten können, seien von dem insoweit darlegungspflichtigen Kläger nicht vorgetragen worden. Da das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin zum 30.06.2002 aufgelöst worden sei, müsse mangels eines entsprechenden Feststellungsinteresses auch die Klage gegen die vom Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 26.04.2002 vorsorglich ausgesprochene Kündigung abgewiesen werden.
Gegen das ihm am 29.07.2002 zugestellte Teil-Urteil hat der Kläger mit einem am 28.08.2002 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, wobei er auch die Beklagte zu 2) als Berufungsbeklagte bezeichnet hat, und diese mit einem am 11.10.2002 bei Gericht eingereichten Schriftsatz begründet.
Der Kläger macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:
Die Vorinstanz habe verkannt, dass dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG keinesfalls nach § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO indiziert worden seien, etwa durch Abschluss eines Interessenausgleiches. Das Arbeitsgericht habe in diesem Zusammenhang verkannt, dass gemäß § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO gerade nicht zu vermuten sei, dass dringende betriebliche Gründe den Ausspruch der Kündigung rechtfertigen würden, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert habe. Für die Änderung der Sachlage sei eben nicht, wie vom Arbeitsgericht angenommen, der Zeitraum bis zum Ausspruch der Kündigung sondern derjenige bis zum Ablauf der Kündigungsfrist maßgeblich. Im Hinblick auf den zum 01.05.2002 erfolgten Übergang des Betriebs der Schuldnerin auf die Beklagte zu 2) hätte das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung des Gedankens des § 613 a Abs. 4 BGB bzw. §§ 17 ff. KSchG die Rechtsmäßigkeit des Ausspruchs der Kündigung vom 27.03.2002 bereits am Gesichtspunkt des Betriebsübergangs überprüfen müssen. Darüber hinaus sei dem Arbeitsgericht vorzuhalten, dass auch die Frage der bestrittenen Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG keine besondere Überprüfung erfahren habe.
Der Kläger beantragt,
das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 10.07.2002 - 6 Ca 1831/02 v - abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
Der Beklagte zu 1) macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend:
Er habe die Vermutungsbasis des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO substantiiert vorgetragen. Der Kläger verkenne, dass er - der Beklagte zu 1) - mit dem Betrieb der Schuldnerin vom Schicksal der Firma G. abhängig gewesen sei. Die Beklagte zu 2) sei gegenüber ihm auch nicht als Übernahmeinteressent aufgetreten. Übernahmeverhandlungen seien lediglich zwischen der Beklagten zu 2) und Herrn Rechtsanwalt W. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma G. geführt worden. Es bestehe allerdings bei den Beteiligten Übereinstimmung darüber, dass eine Übernahme des Geschäftsbetriebes der Firma G. auch einen Betriebsübergang i. S. d. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB bezogen auf die Schuldnerin, bei der ein Großteil der Mitarbeiter angestellt gewesen sei, nach sich gezogen hätte. Bis zum 22.04.2002 hätten weder er noch Herr Rechtsanwalt W. weitere Verhandlungen mit der Beklagten zu 2) geführt. Dem Kläger sei es nicht gelungen, die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu erschüttern. Soweit er sich auf eine Änderung der Sachlage nach § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO berufe, verkenne er, dass Änderungen in der Zeit nach Zugang der Kündigung deren Wirksamkeit nach überwiegender Meinung in der Literatur nicht mehr berühren könne. Auch hinsichtlich der Kündigung vom 26.04.2002 greife die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO. Die Beklagte zu 2) sei nur unter der Voraussetzung zum Abschluss des Kaufvertrages mit Herrn Rechtsanwalt W. bereit gewesen, dass das Unternehmen der Firma G. und - bedingt dadurch, auch das Unternehmen der Schuldnerin - in der in der Berufungserwiderungsschrift bezeichneten Weise umstrukturiert werde. In § 2 des Interessenausgleichs seien die Betriebspartner dahin übereingekommen, dass diese Umstrukturierung bei der Schuldnerin zum Wegfall von insgesamt 19 Arbeitsplätzen, darunter der Arbeitsplatz des Klägers, führen müsse. Der Kläger sei in der Qualitätssicherung beschäftigt gewesen. Dort habe nach dem Übernahmekonzept eine der beiden dort existierenden Stellen wegfallen sollen. Bereits nach den klassischen Sozialauswahlgrundsätzen sei die Kündigung des Klägers geboten gewesen. Neben dem Kläger sei in der Qualitätssicherung noch der Mitarbeiter P. K., geboren am 27.09.1947, verheiratet, seit dem 01.06.1972 beschäftigt gewesen. Herr K. habe als Betriebsrat, Schwerbehinderter und Schwerbehindertenvertreter in mehrfacher Hinsicht Sonderkündigungsschutz genossen. Entgegen der Ansicht der Berufung würden auch die Gedanken des § 613 a Abs. 4 BGB bzw. §§ 17 ff. KSchG der Rechtsmäßigkeit der streitbefangenen Kündigungen nicht entgegen stehen.
Die Beklagte zu 2), die sich im Wesentlichen dem Vorbringen des Beklagten zu 1) anschließt, führt ergänzend aus:
Aus ihrer Sicht habe es keinen Betriebsübergang zwischen ihr und der Schuldnerin gegeben. Sie habe weder Betriebsmittel der Schuldnerin noch die Belegschaft in der ursprünglichen Form übernommen. Vielmehr habe sie einen völlig umstrukturierten Betrieb von der Firma G. bzw. von deren Insolvenzverwalter, Herrn Rechtsanwalt Dr. W., erworben. Für diesen umstrukturierten Betrieb habe sie u. a. auch ehemalige Arbeitnehmer der Schuldnerin zu neuen Arbeitsbedingungen mit neuen Arbeitsverträgen eingestellt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtet und dessen Kündigung vom 27.03.2002 betrifft, ist zulässig und begründet. Denn entgegen der Auffassung des Vorinstanz muss davon ausgegangen werden, dass diese Kündigung rechtsunwirksam nach § 1 Abs. 1 KSchG ist und deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.06.2002 aufgelöst hat.
I. Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Dies ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG u. a. der Fall, wenn die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Hiervon kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht aufgrund der in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO geregelten Vermutungswirkung ausgegangen werden.
1. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt ist, wenn bei der Kündigung aufgrund einer geplanten Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO enthaltene Vermutung der sozialen Rechtfertigung kommt nur zum Tragen, wenn der Insolvenzverwalter eine Betriebsänderung und die Existenz des Interessenausgleichs nebst Namensliste dargelegt und gegebenenfalls bewiesen hat (BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - EzA § 613 a BGB Nr. 210; vgl. früher zu § 1 Abs. 5 KSchG a. F. BAG 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleichs Nr. 5).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vorliegend nicht sämtlich erfüllt. Denn der Beklagte zu 1) hat nicht nachgewiesen, dass er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs am 20.03.2002 die Stilllegung des ganzen Betriebs der Schuldnerin und damit eine Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG geplant hatte.
a) Da § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO voraussetzt, dass es sich um eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG handelt, kommt es auch im Rahmen des § 125 InsO zunächst darauf an, inwieweit eine Stillegung des Betriebs oder eine Betriebsveräußerung geplant waren. Ein Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB stellt nämlich keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG dar, weil sich die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer nicht ändern (BAG 17.03.1987 - 1 ABR 47/85 - EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 19; BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - a. a. O.). § 125 InsO kann nicht auf Vorgänge erstreckt werden, die sich nicht als Betriebsänderung darstellen und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des § 111 BetrVG liegen (Braun/Wolf, InsO, 2002, § 125 Rnr. 2; Kübler/Prütting/Moll InsO § 125 Rnr. 28; MünchKomm InsO/Löwisch/ Caspers, 2002, § 125 Rnr. 4). Die Möglichkeit, dass Betriebsrat und Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter gemeinsam den Kündigungsschutz einzelner Beschäftigter reduzieren können, ist vom Wortlaut her unmissverständlich auf Fälle der Betriebsänderung nach § 111 BetrVG begrenzt (vgl. Kübler/Prütting/Moll, InsO §125 Rnr. 12, 28).
b) Die Planung einer Stilllegung setzt voraus, dass der Unternehmer ernstlich und endgültig entschlossen ist, die Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzuheben (st. Rspr., z. B. BAG 07.03.2002 - 2 AZR 147/01 - NZA 2002, 1111 nur L.; BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - a. a. O.). Hierfür reicht es nicht aus, wenn zunächst nur eine kurzfristige Produktionsunterbrechung erwogen wurde (BAG 14.08.1978 - 1 AZR 154/76 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 33) oder die Stilllegung zwar im Gespräch und für den Fall des Scheiterns geplanter Sanierungsmaßnahmen als letztes Mittel vorgesehen ist, jedoch nur ebenso im Bereich des Möglichen liegt wie eine andere angestrebte Maßnahme zur Erhaltung des Betriebes und der Arbeitsplätze (BAG 27.09.1984 - 2 AZR 309/83 - EzA § 613 a BGB Nr. 40).
c) Im Streitfall hat der Beklagte zu 1) im Rahmen der ihm obliegenden Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen für das Eingreifen des Vermutungstatbestandes des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht nachgewiesen, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs am 20.03.2002 die Bemühungen ausschließlich - so sein Vortrag - des Rechtsanwalts W. als Insolvenzverwalter der Firma G. deren Betrieb als Einheit zu veräußern, als gescheitert anzusehen waren und er deshalb - wie Herr Rechtsanwalt W. bezüglich des Betriebs der Firma G. - ernstlich und endgültig zur Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin entschlossen gewesen sei.
aa) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte zu 1) zwar für das angebliche Scheitern der Veräußerungsverhandlungen von Herrn Rechtsanwalt W. und auch für dessen daraufhin gefassten Entschluss, den Betrieb der Firma G., stillzulegen, Beweis durch Benennung von Herrn Rechtsanwalt W. als Zeugen angetreten hat. Für seinen eigenen Stilllegungsentschluss, was den Betrieb der Schuldnerin betrifft, hat er jedoch keinerlei Beweis angetreten.
bb) Eine ernstliche und endgültige Stilllegungsabsicht des Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs am 20.03.2002 erscheint im Übrigen deshalb zweifelhaft, weil nur etwa sechs Wochen später, nämlich am 01.05.2002, wie jedenfalls dem Rechtsstreit H. ./. Rechtsanwalt W. als Insolvenzverwalter der Firma G. (LAG Düsseldorf - 11 Sa 1027/02 -) zu entnehmen ist, ein Betriebsübergang dieser Schuldnerin auf die Beklagte zu 2) stattgefunden hat, der nach Auffassung des Beklagten zu 1) auch einen Betriebsübergang der Gemeinschuldnerin dieses Rechtsstreits auf die Beklagte zu 2) nach sich gezogen hat, der Betrieb somit jedenfalls bis zum Erwerb durch den späteren Käufer erhalten geblieben ist. Selbst in dem Fall, dass der Arbeitgeber den Betrieb zunächst tatsächlich geschlossen hat, spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht. Da die Betriebsveräußerung keine Stilllegung darstellt, gilt das gleiche bei einer alsbaldigen Betriebsveräußerung und in verstärktem Maße dann, wenn es vorher, wie im Streitfall, noch gar nicht zu einer Betriebsschließung gekommen war (BAG 27.09.1984 - 2 AZR 309/83 - EzA § 613 a BGB Nr. 40). Die vorstehende Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt.
(1.) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut des Interessenausgleichs vom 20.03.2002, sieht man einmal von den handschriftlichen Verbesserungen hinsichtlich dreier Daten ab, dem Entwurf eines Interessenausgleichs vom 26.02.2002 entsprach. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollen ausweislich der insoweit gegenüber dem Entwurf vom 26.02.2002 unverändert gebliebenen Präambel des Interessenausgleichs vom 20.03.2003 Versuche der Geschäftsführung der Schuldnerin sowie des Beklagten zu 1) und der Firma G. und ihres Insolvenzverwalters mit Übernahmeinteressenten für die Schuldnerin und die Firma G. letztlich erfolglos geblieben und weitere Erwerbsinteressenten nicht vorhanden gewesen sein, obwohl doch, wenn man dem Vorbringen des Beklagten zu 1) folgt, zum damaligen Zeitpunkt lediglich von einer Unterbrechung der Verhandlungen ausgegangen werden konnte.
(2.) Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in der Präambel des Interessenausgleichs vom 20.03.2002 resultieren auch aus dem Wortlaut dieser Präambel. Dieser spricht aufgrund des gewählten Plurals ("Die Versuche ... der Insolvenzverwalter") eher dafür, dass der Beklagte zu 1) entgegen seinem Vorbringen in diesem Rechtsstreit an den Übernahmeverhandlungen beteiligt war. Dafür spricht im Übrigen auch, dass der Beklagte zu 1) selbst davon ausgeht, dass mit dem Betriebsübergang der Firma G. auf die Beklagte zu 2) zum 01.05.2002 auch der Betrieb der Schuldnerin übergegangen ist.
(3.) Gegen eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht zum erwähnten Zeitpunkt (20.03.2002) spricht schließlich noch, dass es in der Folgezeit entgegen der in § 2 des Interessenausgleichs getroffenen Abrede nicht zum Abschluss eines Sozialplans gekommen ist, die Massenentlassungsanzeige erst nach Ausspruch der Kündigungen aller Mitarbeiter, nämlich am 11.04.2002, erfolgte und es bis zum Abschluss des ersten Interessenausgleichs, aber auch in der Folgezeit nicht zur Kündigung des Rahmenvertrages vom 14.03.2000 gekommen ist. Damit blieb der Betrieb der Schuldnerin weiter funktionsfähig. Zwar hat der Beklagte sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt und war - zu seinen Gunsten unterstellt - zur Ausproduktion entschlossen, was für eine beabsichtigte Betriebsstilllegung gesprochen haben mag (vgl. BAG 07.03.2002 - 2 AZR 147/01 - a. a. O.). Dies sind jedoch zwei Umstände, die jederzeit rückgängig gemacht werden können und deshalb nur bedingt auf eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht schließen lassen.
II. Ist danach im Streitfall die in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO enthaltene Vermutungsregelung in Ermangelung des Nachweises einer geplanten Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG nicht anwendbar, oblag dem Beklagten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegung und der Beweis, dass die von ihm ausgesprochene Kündigung vom 27.03.2002 zum Zeitpunkt ihres Zugangs durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt war.
1. Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zählt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Auch hier ist unter Betriebsstilllegung die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Er ist jedoch nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Dies ist dann der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (st. Rspr., z. B. BAG 12.04.2002 - 2 AZR 256/01 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118; BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - a. a. O.).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch nicht zu erkennen, dass der Beklagte zu 1) zumindest zum Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 27.03.2002 beim Kläger ernsthaft und endgültig entschlossen war, den Betrieb der Schuldnerin stillzulegen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte er lediglich allen Mitarbeitern gekündigt und mag auch zu diesem Zeitpunkt entsprechend § 1 Abs. 1 des Interessenausgleichs vom 20.03.2002 eine Ausproduktion begonnen haben. Dagegen fehlte es zu diesem Zeitpunkt an weiteren wichtigen für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht sprechenden Indizien. Zwar hatte der Beklagte zu 1) mit dem Betriebsrat der Schuldnerin am 20.03.2002 einen Interessenausgleich abgeschlossen, jedoch keinen Sozialplan. Auch ist die Massenentlassungsanzeige erst nach Ausspruch der Kündigung vom 27.03.2002, nämlich am 11.04.2002 erfolgt (vgl. BAG 27.02.1997 - 2 AZR 160/96 - a. a. O.). Schließlich befand sich auch noch zum Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 27.03.2002 der Rahmenvertrag zwischen der Schuldnerin und der Firma G. vom 14.03.2000 in ungekündigtem Zustand.
B.
Dagegen ist die Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtet und dessen Kündigung vom 26.04.2002 betrifft, erfolglos.
I. Die Berufung des Klägers ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil er sie hinsichtlich der Klageabweisung, was seine Feststellungsklage nach § 4 Satz 1 KSchG in Bezug auf die Kündigung vom 26.04.2002 betrifft, entgegen § 520 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG) begründet hat.
1. Allerdings muss sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Berufungsbegründung mit allen Teilen des angefochtenen Urteils befassen. Sind mehrere Streitgegenstände betroffen, muss zu jedem einzelnen Streitgegenstand dargelegt werden, warum die Entscheidung des Berufungsgerichts für unrichtig gehalten wird. Wird zu einem Streitgegenstand nichts vorgetragen, ist die Berufung insoweit unzulässig (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG). Diese Anforderungen können allerdings dann nicht gestellt werden, wenn die Begründetheit des einen Streitgegenstandes von der Begründetheit eines anderen praktisch unmittelbar abhängt (vgl. BAG 02.04.1987 - 2 AZR 418/96 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 108).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze brauchte der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit seine Berufung, soweit sie sich gegen die Abweisung seiner Feststellungsklage hinsichtlich der Kündigung des Beklagten zu 1) vom 26.04.2002 richtet, nicht besonders begründen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beinhaltet die stattgebende rechtskräftige Entscheidung über einen Antrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG zugleich die Feststellung, dass zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (vgl. nur BAG 27.09.2001 - 2 AZR 389/00 - EzA § 322 ZPO Nr. 13 m. w. N.). Umgekehrt steht bei rechtskräftiger Abweisung eines Antrags nach § 4 Satz 1 KSchG zugleich fest, dass zum vorgesehen Auflösungszeitpunkt das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet worden ist.
b) Das Arbeitsgericht war zu dem Ergebnis gelangt, dass bereits die erste Kündigung des Beklagten zu 1) vom 27.03.2002 zum 30.06.2002 rechtswirksam nach § 1 Abs. 1 KSchG war mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2002 aufgelöst worden ist. Folgerichtig brauchte die Vorinstanz nicht mehr dazu Stellung nehmen, ob die zweite Kündigung des Beklagten zu 1) vom 26.04.2002 zum 31.07.2002 an diesem Tag aufgelöst ist. Dementsprechend enthält das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts keinerlei Ausführungen zur Rechtswirksamkeit der zweiten Kündigung im Hinblick auf § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG, mit denen sich der Kläger in zweiter Instanz hätte auseinandersetzen können (vgl. BAG 02.04.1987 - 2 AZR 418/86 - a. a. O.).
II. Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Feststellungsbegehrens hinsichtlich der zweiten Kündigung des Beklagten zu 1) vom 26.04.2002 ist jedoch unbegründet. Denn entgegen der von dem Kläger in erster Instanz geäußerten Rechtsauffassung ist diese Kündigung rechtswirksam und hat daher das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.07.2002 aufgelöst.
1. Zunächst ist festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 26.04.2002 nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam ist, da sie sozial gerechtfertigt ist.
a) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung u. a. sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Hiervon ist aufgrund der in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO enthaltenen Vermutung auszugehen.
aa) Werden vor oder nach Betriebsübergang Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt, kann hierauf eine betriebsbedingte Kündigung des Veräußerers bzw. des Erwerbers gestützt werden (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG i. V. m. § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB). Die in § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB getroffene Regelung, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam ist, steht nicht entgegen. Diese Vorschrift schützt nämlich nicht vor Risiken, die sich jeweils unabhängig vom Betriebsübergang ergeben. Insofern ist auch eine Anpassung an die wirtschaftliche Lage und eine Sanierung eines Unternehmens im Rahmen eines Betriebsübergangs auf der Basis eines sog. Erwerberkonzepts des neuen Betriebsinhabers möglich (vgl. BAG 26.05.1983 - 2 AZR 477/81 - EzA § 613 a BGB Nr. 34; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. 2002, Rnr. 980 m. w. N. in Fn. 191). In der Insolvenz ermöglicht § 128 Abs. 1 Satz 1 InsO Rationalisierungsplanungen im Vorgriff auf eine Betriebs(teil-)veräußerung (LAG Hamm 04.06.2002 - 4 Sa 81/02 - BB 2003, 159 nur L.; ErfK/Ascheid, 3. Aufl. 2003, § 128 InsO Rnr. 1; APS/Dörner, 1. Aufl. 2000, InsO Rnr. 32). In diesem Fall kommt bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste eine "doppelte" Vermutung zum Tragen: Zum einen wird nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vermutet, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der in einem zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat zustande gekommenen Interessenausgleich, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind, durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt sind. Zum anderen wird nach § 128 Abs. 2 InsO vermutet, dass die Kündigung dieser Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist.
bb) Bezogen auf die zweite Kündigung des Beklagten zu 1) vom 26.04.2002 ist der "doppelte" Vermutungstatbestand des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 128 Abs. 2 InsO erfüllt.
(1.) Zwar ist ein Betriebsübergang allein, wie bereits dargestellt (oben unter I 2 a), keine Betriebsänderung i. S. des § 111 BetrVG. Erschöpft sich aber der Betriebsübergang nicht in dem bloßen Betriebsinhaberwechsel, sondern ist er mit Maßnahmen verbunden, die als solche einen der Tatbestände des § 111 BetrVG erfüllen, stehen dem Betriebsrat die Beteiligungsrechte nach §§ 111, 112 BetrVG zu (BAG 25.01.2000 - 1 ABR 1/99 - EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 106). So war es im Streitfall, da im Hinblick auf den den Zahlen des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG entsprechenden Personalabbau bei der Schuldnerin (vgl. Massenentlassungsanzeige vom 03.05.2002) von einer mit dem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) einhergehenden Betriebsänderung i. S. von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG auszugehen ist (vgl. BAG 10.12.1996 - 1 AZR 290/96 - EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 34).
(2.) Wirksame Rügen gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen des Interessenausgleichs vom 24.04.2002 und/oder der mit ihm verbundenen Namensliste hat der Kläger nicht erhoben.
cc) Die "doppelte" Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 128 Abs. 2 InsO hat der Kläger nicht entkräftet. Hierfür hätte er den Vollbeweis dafür erbringen müssen, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht "auf anderen Gründen" (§ 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB), zum Beispiel auf einem Sanierungs- oder Reorganisationskonzept, beruht, sondern einen Verstoß gegen § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB darstellt (LAG Hamm 04.06.2002 - 4 Sa 81/02 - BB 2003, 159 nur L.). Dies hat er unterlassen.
b) Die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 26.04.2002 ist auch nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG wegen fehlerhafter Sozialauswahl rechtsunwirksam.
Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO beschränkt sich die rechtliche Überprüfung der sozialen Auswahl nur auf die Sozialkriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten und das auch nur darauf, ob diese drei Sozialkriterien "grob fehlerhaft" berücksichtigt worden sind. Der Kläger hat sich erstinstanzlich darauf beschränkt, pauschal die grobe Fehlerhaftigkeit i. S. des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO zu rügen. Im Rahmen der ihm nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG obliegenden Darlegungslast hätte er einzelne Arbeitnehmer benennen müssen, die seiner Ansicht nach weniger schutzwürdig gewesen sind als er.
c) Die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 24.04.2002 ist weiterhin nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
aa) Eine Kündigung ist nicht nur dann nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, wenn der Betriebsrat vor einer Kündigung überhaupt nicht angehört worden ist, sondern auch dann - und zwar in analoger Anwendung des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG - wenn eine Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist (BAG 27.09.2001 - 2 AZR 236/00 - EzA § 2 KSchG Nr. 44; BAG 15.11.2001 - 2 AZR 380/00 - EzA § 21 SchwbG 1986 Nr. 12).
bb) Ein Interessenausgleich nach § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO entbindet den Insolvenzverwalter nicht etwa von der Pflicht, den Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ordnungsgemäß zu den beabsichtigten Kündigungen anzuhören. In dem Interessenausgleich kann aber zum Ausdruck gebracht werden, dass der Insolvenzverwalter gleichzeitig das Anhörungsverfahren bezüglich der in der Namensliste angegebenen Personen einleitet und der Betriebsrat hinsichtlich aller Kündigungen eine abschließende Stellungnahme abgibt (LAG Hamm 04.06.2002 - 4 Sa 81/02 - BB 2003, 159 nur L.).
cc) So war es im Streitfall. Ausweislich des § 5 des Interessenausgleichs vom 24.04.2002 ist der Betriebsrat im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich bei der Unterrichtung über Art und Inhalt des Erwerberkonzeptes der Beklagten zu 2) auch über dessen Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, insbesondere hinsichtlich des Namens, der Tätigkeit, des Beschäftigungsumfanges, des Gehaltes, des Geburtsdatums, des Eintrittsdatums, des Familienstandes, der Unterhaltspflichten, des Kündigungssonderschutzes, der Kenntnisse, der Fertigkeiten und Einsatzmöglichkeiten sämtlicher Mitarbeiter unterrichtet worden. Damit ist der Beklagte zu 1) seiner Anhörungsverpflichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG nachgekommen (vgl. auch § 5 Satz 2 des Interessenausgleichs). Außerdem hat der Betriebsrat nach § 5 Satz 3 des Interessenausgleichs vom 24.04.2002 eine abschließende Stellungnahme dahingehend abgegeben, dass er den geplanten Kündigungen der in der dem Interessenausgleich angehefteten Namensliste ausdrücklich zugestimmt hat. Soweit der Kläger die Fehlerhaftigkeit des Anhörungsverfahrens daraus herleiten will, dass auch Mitarbeiter, die im Interessenausgleich nicht ausgewiesen worden seien, das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 1) beendet hätten, ist er darauf hinzuweisen, dass ein Fehler in der Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung nicht daraus hergeleitet werden kann, dass Anhörungsverfahren bezüglich anderer ausgesprochener Kündigungen nicht durchgeführt worden sind.
d) Der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem in der Kündigung des Beklagten zu 1) vom 24.04.2002 beabsichtigten Beendigungstermin (31.07.2002) steht nicht etwa die in § 18 Abs. 1 KSchG enthaltene Entlassungssperre entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Entlassungen, d. h. die mit der Kündigung beabsichtigte tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 22.03.2001 - 8 AZR 565/00 - EzA Art. 101 GG Nr. 5), nur wirksam, wenn vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt dessen Zustimmung vorliegt. Dies war vorliegend der Fall. Der Beklagte zu 1) hat die Massenentlassungsanzeige am 03.05.2002 - nicht am 08.05.2002 - dem Arbeitsamt Wuppertal gegenüber erstattet, das seinerseits am 17.05.2002 den Entlassungen zugestimmt hat. Anzeige und Zustimmungsbescheid sind der erkennenden Kammer u. a. in dem gleichzeitig vor dem LAG Düsseldorf anhängig gewesenen Rechtsstreit W. gegen die Beklagten - 11 (13) Sa 1058/02 - vorgelegt worden.
C.
Die gegenüber der Beklagten zu 2) eingereichte Berufung des Klägers ist unzulässig.
I. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Berufung auch gegen die Beklagte zu 2) gerichtet hat. Dies ergibt sich aus der Berufungsschrift vom 27.08.2002, worin die Beklagte zu 2) ausdrücklich als Berufungsbeklagte bezeichnet ist. Auch im Verlaufe des Berufungsrechtsstreits hat der Kläger gegen die Parteistellung der Beklagten zu 2) zu keinem Zeitpunkt schriftlich etwas eingewandt.
II. Die gegen die Beklagte zu 2) eingelegte Berufung ist deshalb unzulässig nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, weil er sie nicht begründet hat. Die Berufungsbegründung des Klägers betrifft ausschließlich die gegen den Beklagten zu 1) eingelegte Berufung. Ist aber die gegen die Beklagte zu 2) eingelegte Berufung des Klägers unzulässig, war sie gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, wie geschehen, zu verwerfen. Dies brauchte, wie sich aus dem Wortlaut des § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergibt, nicht unbedingt durch Beschluss geschehen.
D.
Die Kammer hat der Rechtssache im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Kündigungen des Beklagten zu 1) grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für den Beklagten zu 1) und den Kläger, soweit beide Parteien unterlegen sind, zugelassen.
Ende der Entscheidung
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