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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.01.2003
Aktenzeichen: 11 (13) Sa 1102/02
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, InsO, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 613 a Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
InsO § 125 Abs. 1
BetrVG § 111
1. Da § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO voraussetzt, dass es sich um eine Betriebsänderung i. S. des § 111 BetrVG handelt, kommt es auch im Rahmen des § 125 InsO zunächst darauf an, inwieweit eine Stilllegung des Betriebs oder eine Betriebsveräußerung geplant waren (wie BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - EzA § 613 a BGB Nr. 210).

2. Für den im Rahmen des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vom Insolvenzverwalter zu erbringenden Nachweis einer geplanten Stilllegung des Betriebs reichen u. U. die Kündigung aller Arbeitnehmer und der Entschluss zu einer sog. Ausproduktion nicht aus, wenn es kurze Zeit (hier: circa einen Monat) nach dem Abbruch von Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung mit demselben Interessenten doch noch zu einem Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB kommt.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 (13) Sa 1102/02

Verkündet am: 23.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Rieger und den ehrenamtlichen Richter Franken

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 26.06.2002 - 6 Ca 1781/02 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27.03.2002 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung.

Die Firma S., Schloss- und Zylindertechnik GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) mit Sitz in V. wurde im Rahmen der Umstrukturierung der T.-Gruppe im Jahre 1999 gegründet und übernahm danach das im Betrieb der Firma G. Schließsysteme GmbH & Co. KG (im Folgenden: G.) vorhandene Personal. Sonstige Vermögenswerte übernahm die Schuldnerin nicht.

Am 14.03.2002 schlossen die Schuldnerin und die Firma G. einen Rahmenvertrag. Dieser sieht vor, dass die Firma G. der Schuldnerin die gesamte Produktion für Eigenprodukte mit Markenzeichen G. aus dem Bereich Schlösser, Beschläge und Zylinder überträgt und die Schuldnerin ihrerseits der Firma G. einmal im Monat die von ihr erbrachten Leistungen zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung stellen soll. Gemäß seinem § 8 kann der Rahmenvertrag von jedem Vertragspartner mit einer ordentlichen Frist von sechs Monaten zum Quartalsende gekündigt werden.

Der am 09.02.1948 geborene Kläger ist seit September 1967 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Maschinenarbeiter zuletzt mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.482,75 € beschäftigt.

Das Amtsgericht Wuppertal eröffnete durch Beschluss vom 01.01.2002 -145 IN 400/01 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Am gleichen Tag wurde durch Beschluss desselben Gerichts - 145 IN 399/01 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma G. eröffnet und Herr Rechtsanwalt W. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Entsprechend dem Rahmenvertrag vom 14.03.2000 hielten beide Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb zunächst aufrecht. Zu diesem Zweck stellte der Insolvenzverwalter der Firma G. der Schuldnerin das für die Produktion benötigte Rohmaterial sowie die hierzu benötigten Werkzeuge zur Verfügung. Gleichzeitig wurde der Schuldnerin durch die Firma G. gestattet, die im Eigentum der G. verbleibenden Produktionsmaschinen zu benutzen.

Der Insolvenzverwalter der Firma G., Herr Rechtsanwalt W., führte im Januar und Februar 2002 Gespräche mit verschiedenen Kaufinteressenten. Als einziger ernsthafter Interessent verblieb in den Gesprächen von Herrn Rechtsanwalt W. eine Firma C. aus M.. Mit dieser Firma wurde Anfang März 2002 weiterverhandelt. Herr Rechtsanwalt W. forderte die Firma C. auf, Finanzierungszusagen ihrer Banken für den in Aussicht genommenen Kaufpreis vorzulegen. Dies sollte abschließend bis zum 18.03.2002 geschehen. Bis zum Ablauf dieses Termins legte die Firma C. keinerlei Zahlungszusage vor. Daraufhin entschloss sich nach Behauptung des Beklagten Herr Rechtsanwalt W. am 19.03.2002, den Geschäftsbetrieb der Firma G. zum 30.06.2002 stillzulegen. Da die Schuldnerin der Firma G. nur das Personal stellte, entschied sich der Beklagte angeblich, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin ebenfalls zum 30.06.2002 stillzulegen.

Am 20.03.2002 schlossen der Beklagte und Herr Rechtsanwalt W. mit den Betriebsräten der jeweiligen Schuldnerinnen einen Interessenausgleich mit Namensliste. Der maschinenschriftliche Wortlaut dieses Interessenausgleichs, der einem Entwurf vom 26.02.2002 entspricht, ist handschriftlich um einige Daten ergänzt bzw. verbessert worden.

In dem Interessenausgleich vom 20.03.2002 heißt es u. a.:

Präambel

Bezgl. G. und S. wurde am 01.01.2002 jeweils durch Beschluss des AG Wuppertal das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Versuche der Geschäftsführung sowie der Insolvenzverwalter, Übernahmeinteressenten für die Unternehmen zu finden, blieben letztlich erfolglos. Eine geplante übertragende Sanierung ist im letzten Moment gescheitert. Der potentielle Investor konnte die notwendige Finanzierungszusage eines Kreditinstituts nicht beibringen. Eine Weiterführung der Unternehmen ist wirtschaftlich nicht möglich. Weitere Erwerbsinteressenten sind nicht vorhanden.

Die Betriebspartner sind darüber einig, dass es deshalb jetzt erforderlich ist, die Betriebe beider Gemeinschuldnerinnen einzustellen.

Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien, was folgt:

§ 1

Die Beteiligten sind darüber einig, dass zunächst eine Ausproduktion stattfindet und die Betriebe zum 30.06.2002 stillgelegt werden. Allen Mitarbeitern beider Betriebe muss spätestens zum 30.06.2002 gekündigt werden.

Beide Seiten stimmen darin überein, dass die betriebsbedingte Kündigung sämtlicher Mitarbeiter der beiden Gemeinschuldnerinnen (Namensliste als Anlage 1) unumgänglich ist. Diesen Mitarbeitern wird aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 113 Il 2 InsO gekündigt. Soweit erforderlich, werden die behördlichen Zustimmungsverfahren eingeleitet.

§ 2

Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die Umstrukturierung entstehen, wird ein Sozialplan abgeschlossen.

Bezüglich aller Beteiligten wird darauf hingewiesen, dass mit Rücksicht auf die gesetzliche Ausgestaltung der Rechte der Arbeitnehmer aus einem Insolvenzverfahren ein aufgestellter Sozialplan nicht bzw. jedenfalls nicht in voller Höhe zur Auszahlung gelangen kann, und dass Auszahlungen frühestens bei Beendigung des Insolvenzverfahrens oder beim Zustandekommen einer Auffanglösung erfolgen können.

§ 3

Die Parteien sind darüber einig, dass die Arbeitnehmer beider Gemeinschuldnerinnen bis zum Auslauf der jeweiligen Kündigungsfrist zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, die Insolvenzverwalter aber berechtigt sind, die Arbeitnehmer unter Anrechnung auf etwaige Resturlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freizustellen.

§ 4

Die Betriebsräte erklären, dass sie über die Vermögens- und Ertragslage der Gemeinschuldnerinnen, die Notwendigkeit der Schließung der Unternehmen sowie den Grund der Kündigungen und die Kriterien der sozialen Auswahl im Sinne der §§ 99, 102, 103, 111 BetrVG ausreichend, insbesondere durch Erläuterung des Unternehmenskonzeptes, insbesondere hinsichtlich des Namens, der Tätigkeit, des Beschäftigungsumfangs, Gehaltes, Geburtsdatums, Eintrittsdatums, Familienstandes, Unterhaltspflichten, Kündigungssonderschutzes, der Kenntnisse, Fertigkeiten und Einsatzmöglichkeiten sowie der Beurteilungen sämtlicher Mitarbeiter - insbesondere durch die Verhandlungen am 05.02., 15.02. sowie 25.02.2002 und 20.03.2002 unterrichtet worden sind. Die Parteien sind darüber einig, dass mit Abschluss des Interessenausgleichs auch das Mitbestimmungsverfahren nach §§ 99, 102, 103, 111 BetrVG abgeschlossen ist. Die Betriebsräte stimmen den geplanten Kündigungen der in der Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich genannten Arbeitnehmern ausdrücklich zu.

Auf der Namensliste, die von den Betriebspartnern unterschrieben und dem Interessenausgleichstext angeheftet war, ist auch der Kläger namentlich bezeichnet.

Am 27.03.2002 kündigte der Beklagte sämtlichen Mitarbeitern der Schuldnerin, darunter auch dem Kläger, ordentlich betriebsbedingt unter Einhaltung der verkürzten gesetzlichen Fristen nach der Insolvenzordnung zum 30.06.2002.

Unter dem 24.04.2002 schlossen der Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin und Herr Rechtsanwalt W. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma G. mit den jeweiligen Betriebsräten einen weiteren Interessenausgleich, dessen Präambel wie folgt lautet:

"Bzgl. G. und S. wurde am 01.01.2002 jeweils durch Beschluss des AG Wuppertal das Insolvenzverfahren eröffnet.

Nachdem die Versuche der Insolvenzverwalter, einen Erwerbsinteressenten zu finden, zunächst erfolglos waren, mussten sich die Insolvenzverwalter Ende März 2002 entschließen, die Betriebe der Schuldnerinnen einzustellen. Deshalb schlossen die Betriebspartner beider Unternehmen am 20.03.2002 wegen der beabsichtigten und beschlossenen Betriebsstillegung beider Unternehmen einen Interessenausgleich mit Namensliste i. S. d. § 125 InsO und vereinbarten die Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer beider Unternehmen, die dann auch ausgesprochen wurden.

Es wurde eine Ausproduktion eingeleitet. Die Gemeinschuldnerinnen erlitten erhebliche Umsatzeinbrüche.

Am 22.04.2002 meldete sich dann mit der Fa. C. GmbH ein Unternehmen, das erneut Interesse am Erwerb der Gemeinschuldnerinnen für den Fall einer umfassenden Restrukturierung bekundete. Bereits im März hatte sich diese Firma am Erwerb interessiert gezeigt, die seinerzeit geführten Verhandlungen waren aber Mitte März 2002 endgültig gescheitert.

Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien, was folgt.

..."

Aufgrund des zweiten Interessenausgleiches mit Namensliste, auf der sich sein Name befand, kündigte der Beklagte dem Kläger vorsorglich am 26.04.2002 schriftlich zum 31.07.2002.

Mit seiner am 16.04.2002 bei dem Arbeitsgericht Wuppertal eingereichten und dem Beklagten am 22.04.2002 zugestellten Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung vom 27.03.2002 geltend.

Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Der Beklagte könne sich nicht auf die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO berufen, da nach Zustandekommen des Interessenausgleichs vom 20.03.2002 eine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten sei. Mit Wirkung vom 01.05.2002 sei nämlich der Betrieb der Gemeinschuldnerin durch die Firma C. Türschlösser Handels GmbH (im Folgenden: C.) übernommen worden. Diese führe den Betrieb auf demselben Gelände, mit demselben Betriebszweck, den bisherigen Produktionsmitteln und dem wesentlichen Teil der bisherigen Arbeitnehmer fort. Dabei habe die Firma C. ihren Kundenstamm und den der Firma G. übernommen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27.03.2002 nicht beendet werden wird.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Er sei zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 27.03.2002 beim Kläger ernsthaft und endgültig entschlossen gewesen, den Betrieb der Schuldnerin zum 30.06.2002 stillzulegen, nachdem die letzten noch aussichtsreichen Verhandlungen des Insolvenzverwalters der Firma G. endgültig gescheitert seien. Er habe durch die Kündigung sämtlicher Anstellungsverhältnisse der Schuldnerin und die Einleitung der Ausproduktion diese Stilllegungsabsicht auch umgesetzt. Der Umstand, dass zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich Ende April 2002, die Firma C. erneut Interesse an einer Übernahme des - wenn auch erheblich restrukturierten - Geschäftsbetriebes gezeigt habe, sei für die Wirksamkeit der vorliegenden Kündigung ohne Belang.

Durch sein Urteil vom 26.06.2002 hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die streitbefangene Kündigung sei nach § 1 Abs. 1 KSchG wirksam, da der Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb des Beklagten dringende betriebliche Erfordernisse i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG entgegenstehen würden, nämlich die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestehende ernsthafte Absicht des Beklagten, den gesamten Betrieb zu schließen. Zwar habe der Kläger das Vorliegen eines ernsthaften Schließungsentschlusses zum Zeitpunkt der Kündigung bestritten. Dies reiche jedoch nicht aus, um die gesetzliche Vermutung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu erschüttern. Auch die Tatsache, dass der Betrieb der Schuldnerin kaum einen Monat nach Abschluss des Interessenausgleichs an einen Dritten, mit dem auch schon vor Abschluss des Interessenausgleichs wegen einer möglichen Übernahme des Unternehmens verhandelt worden sei, übertragen worden sei, führe für sich genommen nicht dazu, dass die gesetzliche Vermutung erschüttert wäre. Umstände, aus denen sich hätte ergeben können, dass der Beklagte noch vor bzw. am 27.03.2002 an der beabsichtigten Betriebsschließung nicht habe festhalten wollen, wodurch allein eine wesentliche Änderung der Sachlage i. S. von § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO hätte eintreten können, seien von dem insoweit darlegungspflichtigen Kläger nicht vorgetragen worden.

Gegen das ihm am 12.08.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 11.09.2002 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 01.10.2002 bei Gericht eingereichten Schriftsatz begründet.

Der Kläger macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Er habe die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO dadurch erschüttert, dass er vorgetragen habe, der Beklagte habe den Betrieb der Schuldnerin gerade nicht, wie in der Interessenausgleichsvereinbarung vom 20.03.2002 den Betriebsräten vorgegaukelt, stilllegen wollen. Vielmehr habe der Beklagte die tatsächlich nie abgebrochenen Verhandlungen weitergeführt, wodurch es am 01.05.2002 zu einer Betriebsveräußerung an die Firma C. gekommen sei. Der Beklagte habe dieser Firma gegenüber niemals zum Ausdruck gebracht, dass er im Falle der Nichtvorlage einer Bankbestätigung zum 18.03.2002 die Verhandlungen als endgültig gescheitert ansehe. Die vom Beklagten behauptete Zäsur des endgültigen Scheiterns der Verhandlungen mit der Firma C. habe es nie gegeben.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils

a) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27.03.2002 nicht beendet ist und weiter fortbesteht;

b) hilfsweise: Den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten arbeitsrechtlichen Bedingungen als Maschinenarbeiter wieder ab 01.07.2002 einzustellen;

c) hilfsweise: Als Maschinenarbeiter ab Zustellung der Berufungsbegründung einzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend:

Er habe die Vermutungsbasis des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO substantiiert vorgetragen. Der Kläger verkenne, dass er - der Beklagte - mit dem Betrieb der Schuldnerin vom Schicksal der Firma G. abhängig gewesen sei. Die Firma C. sei gegenüber ihm auch nicht als Übernahmeinteressent aufgetreten. Übernahmeverhandlungen seien lediglich zwischen der Firma C. und Herrn Rechtsanwalt W. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma G. geführt worden. Es bestehe allerdings bei den Beteiligten Übereinstimmung darüber, dass eine Übernahme des Geschäftsbetriebes der Firma G. auch einen Betriebsübergang i. S. d. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB bezogen auf die Schuldnerin, bei der ein Großteil der Mitarbeiter angestellt gewesen sei, nach sich gezogen hätte. Bis zum 22.04.2002 habe weder er noch Herr Rechtsanwalt W. weitere Verhandlungen mit der Firma C. geführt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist begründet. Denn entgegen der Auffassung des Vorinstanz muss davon ausgegangen werden, dass die Kündigung des Beklagten vom 27.03.2002 rechtsunwirksam nach § 1 Abs. 1 KSchG ist und deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.06.2002 aufgelöst hat.

I. Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Dies ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG u. a. der Fall, wenn die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Hiervon kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht aufgrund der in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO geregelten Vermutungswirkung ausgegangen werden.

1. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt ist, wenn bei der Kündigung aufgrund einer geplanten Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO enthaltene Vermutung der sozialen Rechtfertigung kommt nur zum Tragen, wenn der Insolvenzverwalter eine Betriebsänderung und die Existenz des Interessenausgleichs nebst Namensliste dargelegt und gegebenenfalls bewiesen hat (BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - EzA § 613 a BGB Nr. 210; vgl. früher zu § 1 Abs. 5 KSchG a. F. BAG 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleichs Nr. 5).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO vorliegend nicht sämtlich erfüllt. Denn der Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs am 20.03.2002 die Stillegung des ganzen Betriebs der Schuldnerin und damit eine Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG geplant hatte.

a) Da § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO voraussetzt, dass es sich um eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG handelt, kommt es auch im Rahmen des § 125 InsO zunächst darauf an, inwieweit eine Stillegung des Betriebs oder eine Betriebsveräußerung geplant waren. Ein Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB stellt nämlich keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG dar, weil sich die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer nicht ändern (BAG 17.03.1987 -1 ABR 47/85 - EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 19; BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - a. a. O.). § 125 InsO kann nicht auf Vorgänge erstreckt werden, die sich nicht als Betriebsänderung darstellen und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des § 111 BetrVG liegen (Braun/Wolf, InsO, 2002, § 125 Rnr. 2; Kübler/Prütting/Moll, InsO § 125 Rnr. 28; MünchKommInsO/Löwisch/Caspers, 2002, § 125 Rnr. 4). Die Möglichkeit, dass Betriebsrat und Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter gemeinsam den Kündigungsschutz einzelner Beschäftigter reduzieren können, ist vom Wortlaut her unmissverständlich auf Fälle der Betriebsänderung nach § 111 BetrVG begrenzt (vgl. Kübler/Prütting/Moll, InsO § 125 Rnr. 12, 28).

b) Die Planung einer Stilllegung setzt voraus, dass der Unternehmer ernstlich und endgültig entschlossen ist, die Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzuheben (st. Rspr., z. B. BAG 07.03.2002 - 2 AZR 147/01 - NZA 2002, 1111 nur L.; BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - a. a. O.). Hierfür reicht es nicht aus, wenn zunächst nur eine kurzfristige Produktionsunterbrechung erwogen wurde (BAG 14.08.1978 - 1 AZR 154/76 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 33) oder die Stillegung zwar im Gespräch und für den Fall des Scheiterns geplanter Sanierungsmaßnahmen als letztes Mittel vorgesehen ist, jedoch nur ebenso im Bereich des Möglichen liegt wie eine andere angestrebte Maßnahme zur Erhaltung des Betriebes und der Arbeitsplätze (BAG 27.09.1984 - 2 AZR 309/83 - EzA § 613 a BGB Nr. 40).

c) Im Streitfall hat der Beklagte im Rahmen der ihm obliegenden Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen für das Eingreifen des Vermutungstatbestandes des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht nachgewiesen, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs am 20.03.2002 die Bemühungen ausschließlich - so sein Vortrag - des Rechtsanwalts W. als Insolvenzverwalter der Firma G. deren Betrieb als Einheit zu veräußern, als gescheitert anzusehen waren und er deshalb - wie Herr Rechtsanwalt W. bezüglich des Betriebs der Firma G. - ernstlich und endgültig zur Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin entschlossen gewesen sei.

aa) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte zwar für das angebliche Scheitern der Veräußerungsverhandlungen von Herrn Rechtsanwalt W. und auch für dessen daraufhin gefassten Entschluss, den Betrieb der Firma G., stillzulegen, Beweis durch Benennung von Herrn Rechtsanwalt W. als Zeugen angetreten hat. Für seinen eigenen Stilllegungsentschluss, was den Betrieb der Schuldnerin betrifft, hat er jedoch keinerlei Beweis angetreten.

bb) Eine ernstliche und endgültige Stilllegungsabsicht des Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs am 20.03.2002 erscheint im Übrigen deshalb zweifelhaft, weil nur etwa sechs Wochen später, nämlich am 01.05.2002, wie jedenfalls dem Rechtsstreit H../. Rechtsanwalt W. als Insolvenzverwalter der Firma G. (LAG Düsseldorf - 11 Sa 1027/02 -) zu entnehmen ist, ein Betriebsübergang dieser Schuldnerin auf die Firma C. stattgefunden hat, der nach Auffassung des Beklagten auch einen Betriebsübergang der Schuldnerin dieses Rechtsstreits auf die Firma C. nach sich gezogen hat, der Betrieb somit jedenfalls bis zum Erwerb durch den späteren Käufer erhalten geblieben ist. Selbst in dem Fall, dass der Arbeitgeber den Betrieb zunächst tatsächlich geschlossen hat, spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht. Da die Betriebsveräußerung keine Stillegung darstellt, gilt das gleiche bei einer alsbaldigen Betriebsveräußerung und in verstärktem Maße dann, wenn es vorher, wie im Streitfall, noch gar nicht zu einer Betriebsschließung gekommen war (BAG 27.09.1984 -2 AZR 309/83 - EzA § 613 a BGB Nr. 40). Die vorstehende Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt.

(1.) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut des Interessenausgleichs vom 20.03.2002, sieht man einmal von den handschriftlichen Verbesserungen hinsichtlich dreier Daten ab, dem Entwurf eines Interessenausgleichs vom 26.02.2002 entsprach. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollen ausweislich der insoweit gegenüber dem Entwurf vom 26.02.2002 unverändert gebliebenen Präambel des Interessenausgleichs vom 20.03.2003 Versuche der Geschäftsführung sowie der Insolvenzverwalter der Beklagten und der G. mit Übernahmeinteressenten für diese Firma letztlich erfolglos geblieben und weitere Erwerbsinteressenten nicht vorhanden gewesen sein, obwohl doch, wenn man dem Vorbringen des Beklagten folgt, zum damaligen Zeitpunkt lediglich von einer Unterbrechung der Verhandlungen ausgegangen werden konnte.

(2.) Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten hinsichtlich einer ernsthaften und endgültigen Stilllegungsabsicht am 20.03.2002 ergeben sich auch aus dem Wortlaut der Präambel des Interessenausgleichs vom 20.03.2002. Dieser spricht aufgrund des gewählten Plurals ("Die Versuche .... der Insolvenzverwalter") eher dafür, dass der Beklagte entgegen seinem Vorbringen in diesem Rechtsstreit an den Übernahmeverhandlungen beteiligt war. Darauf weist auch hin, dass der Beklagte selbst davon ausgeht, mit dem Betriebsübergang der Firma G. auf die Firma C. zum 01.05.2002 sei auch der Betrieb der Schuldnerin übergegangen.

(3.) Gegen eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht zum erwähnten Zeitpunkt (20.03.2002) spricht schließlich noch, dass es in der Folgezeit entgegen der in § 2 des Interessenausgleichs getroffenen Abrede nicht zum Abschluss eines Sozialplans gekommen ist, die Massenentlassungsanzeige erst nach Ausspruch der Kündigungen aller Mitarbeiter, nämlich am 11.04.2002, erfolgte und es bis zum Abschluss des ersten Interessenausgleichs, aber auch in der Folgezeit nicht zur Kündigung des Rahmenvertrages vom 14.03.2000 gekommen ist. Damit blieb der Betrieb der Schuldnerin weiter funktionsfähig. Zwar hat der Beklagte sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt und war ausweislich § 1 Abs. 1 des Interessenausgleichs vom 20.03.2002 zur Ausproduktion entschlossen, was für eine beabsichtigte Betriebsstillegung gesprochen haben mag (vgl. BAG 07.03.2002 - 2 AZR 147/01 - a. a. O.). Dies sind jedoch zwei Umstände, die jederzeit rückgängig gemacht werden konnten und deshalb nur bedingt auf eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht schließen lassen.

II. Ist danach im Streitfall die in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO enthaltene Vermutungsregelung in Ermangelung des Nachweises einer geplanten Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG nicht anwendbar, oblag dem Beklagten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegung und der Beweis, dass die von ihm ausgesprochene Kündigung vom 27.03.2002 zum Zeitpunkt ihres Zugangs durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt war.

1. Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zählt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Auch hier ist unter Betriebsstilllegung die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Er ist jedoch nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Dies ist dann der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (st. Rspr., z. B. BAG 12.04.2002 - 2 AZR 256/01 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118; BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - a. a. O.).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch nicht zu erkennen, dass der Beklagte zumindest zum Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 27.03.2002 beim Kläger ernsthaft und endgültig entschlossen war, den Betrieb der Schuldnerin stillzulegen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte er lediglich allen Mitarbeitern gekündigt und mag auch zu diesem Zeitpunkt entsprechend § 1 Abs. 1 des Interessenausgleichs vom 20.03.2002 eine Ausproduktion begonnen haben. Dagegen fehlte es zu diesem Zeitpunkt an weiteren wichtigen für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht sprechenden Indizien. Zwar hatte der Beklagte mit dem Betriebsrat der Schuldnerin am 20.03.2002 einen Interessenausgleich abgeschlossen, jedoch keinen Sozialplan. Auch ist die Massenentlassungsanzeige erst nach Ausspruch der Kündigung vom 27.03.2002, nämlich am 11.04.2002 erfolgt (vgl. BAG 27.02.1997 - 2 AZR 160/96 - a. a. O.). Schließlich befand sich auch noch zum Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 27.03.2002 der Rahmenvertrag zwischen der Schuldnerin und der Firma G. vom 14.03.2000 in ungekündigtem Zustand.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

C.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für den Beklagten zugelassen.

Ende der Entscheidung

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