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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: 11 Sa 1142/03
Rechtsgebiete: InsO, BGB, ATG, AFG, KO


Vorschriften:

InsO § 38
InsO § 55 Abs. 1
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt.
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 284 Abs. 2
BGB § 288 Abs. 1 Satz 1
BGB § 291
BGB § 611
BGB § 613 a
BGB § 615
BGB § 615 Satz 1
ATG § 3 Abs. 1 Nr. 1
AFG § 141 b Abs. 2
KO § 22
KO § 59 Abs. 1 Nr. 2
KO § 59 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative
Nach Eroeffnung des Insolvenzverfahrens ist der Anspruch auf das laufende Arbeitsentgelt einschliesslich des Aufstockungsbetrages waehrend der Freistellungsphase des Blockmodells im Altersteilzeitarbeitsverhaeltnis Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO (wie LAG Duesseldorf 17.09.2003 - 4 (8) Sa 686/03 - z. V. v.; LAG Duesseldorf 22.10.2003 - 12 Sa 1202/03 und 1205/03/ - z. V. v.).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 1142/03

Verkündet am 20. November 2003

In Sachen

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20.11.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Hübenthal und den ehrenamtlichen Richter Specht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 13.06.2003 - 2 Ca 2693/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die insolvenzrechtliche Behandlung von Forderungen aus einem zwischen ihnen vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Altersteilzeitvertrag, insbesondere darüber, ob es sich hierbei um einfache Insolvenzforderungen handelt.

Der am 11.09.1943 geborene Kläger ist seit dem 01.05.1971 im C. C. Konzern tätig. Er trat am 01.05.1971 in die Deutsche C. und X. AG ein. Er wechselte 1991 in die O. Wärmetauscher GmbH als Geschäftsführer und 1995 in die C.-E. Industrial Cooling s.r.o. (Tschechien) als Geschäftsführer. Der Kläger kehrte am 30.07.1999 aus Tschechien zurück und setzte ab dem 01.09.1999 das Arbeitsverhältnis bei der C.-E. Energietechnik GmbH fort.

Mit der C.-E. Energietechnik GmbH vereinbarte der Kläger am 07.09.2000 mit Wirkung ab 01.10.2000 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Nach § 2 Abs. 1 dieser Vereinbarung sollte der Kläger ab 01.10.2000 als Projektingenieur tätig sein. Das Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wurde für den 30.09.2003 vereinbart. Die Arbeitszeit sollte der Hälfte der normalen, vollen Arbeitszeit entsprechen.

Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der C.-E. Energietechnik GmbH ging im Oktober 2001 nach § 613 a BGB auf die C.-E. Service GmbH über.

§ 3 Abs. 2 des Altersteilzeitvertrages sieht zur Arbeitszeitverteilung vor, dass diese einvernehmlich zwischen den Parteien festgelegt wird. Die Parteien haben auf dieser Grundlage das "Blockmodell" des Inhalts vereinbart, dass der Kläger ab 01.10.2000 für 18 Monate die normale, volle Arbeitszeit erbringt und während des 18-Monats-Zeitraums vom 01.04.2002 bis zum 30.09.2003 (Freistellungsphase) nicht tätig werden muss. Dementsprechend befindet sich der Kläger seit dem 01.04.2002 in der Freistellungsphase.

Nach § 4 des Altersteilzeitvertrages erhält der Kläger für die Dauer der Altersteilzeit Entgelt nach Maßgabe der gemäß § 3 reduzierten Arbeitszeit, d. h. einen Betrag von brutto DM 8.500,- monatlich. Dieser Betrag entspricht 4.345,89 €. Dem Kläger steht darüber hinaus nach § 6 Abs. 1 des Altersteilzeitvertrages ein Aufstockungsbetrag in Höhe von 20 % (DM 1.700,-), mindestens jedoch 77,50 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Vollzeitarbeitsentgelts zu. Außerdem führt die Beklagte gemäß § 9 Abs. 2 des Altersteilzeitvertrages für den Kläger jeweils den höchsten Arbeitnehmer- sowie Arbeitgeberbeitrag an die C.-Pensionskasse ab, d. h. monatlich insgesamt 201,48 Euro.

Weiterhin steht dem Kläger ein Arbeitgeberzuschuss zur Krankenversicherung von monatlich 231,19 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 28,69 € monatlich zu. Des Weiteren hat der Kläger Anspruch auf Zahlung vermögenswirksamer Leistungen in Höhe von 26,59 € pro Monat und auch darauf, dass zu seinen Gunsten eine Unfallversicherung bei der Gerling Allgemeine Versicherungs-AG unterhalten wird (§ 8 des Altersteilzeitvertrags). Der Monatsbeitrag beträgt 11,02 €. Schließlich stellt die Beklagte dem Kläger seinen bisher genutzten PKW oder ein gleichwertiges Fahrzeug während der Altersteilzeit zur Verfügung.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 01.09.2002 - 62 IN 193/02 - wurde über das Vermögen der C.-E. Service GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 02.09.2002, diesem vier Tage später zugegangen, folgendes mit:

"Als Insolvenzverwalterteile ich Ihnen mit, dass Ihr Altersteilzeitvertrag von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt bleibt.

Allerdings können Ihre Ansprüche jetzt und auch bei künftiger Fälligkeit aus liquiditäts- und insolvenzrechtlichen Gründen nicht befriedigt werden.

Ich weise der Ordnung halber darauf hin, dass Sie unter diesen Umständen ein Leistungsverweigerungsrecht haben.

Daher fordere ich Sie auf, noch heute aus Gründen der Vorsorge das für Sie zuständige Arbeitsamt aufzusuchen und Arbeitslosengeld zu beantragen."

Der Kläger hatte sich bereits am 27.08.2002 beim Arbeitsamt Gelsenkirchen, Geschäftsstelle C., arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Dies wurde ihm mit Bescheid vom 01.10.2002 in Höhe von 387,24 € pro Woche bewilligt. Der Auszahlungsbetrag betrug für September 2002 1.659,60 €. Ende Oktober 2002 gab der Kläger das bisher von ihm genutzte Dienstfahrzeug an die Beklagte zurück.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Oberhausen am 28.10.2002 eingereichten und drei Tage später dem Beklagten zugestellten Klage hat der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis Bezüge (regelmäßiges Monatsentgelt, Aufstockungsbetrag, Beitrag zur Pensionskasse, Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung, vermögenswirksame Leistungen sowie Beitrag zur Unfallversicherung) für September 2002 geltend gemacht. Mit einem bei diesem Gericht am 28.01.2003 eingereichten und dem Beklagten drei Tage später zugestellten Schriftsatz hat der Kläger die Klage um diese Bezüge für die Monate Oktober 2002 bis Januar 2003 sowie einen Schadensersatz für den Entzug des Dienstwagens erweitert.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 30.421,86 € abzüglich eines Arbeitslosengeldbetrages in Höhe von 11.702,47 € sowie abzüglich eines Pensionskassenbeitrags/Arbeitnehmeranteils von 705,18 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2002 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.435,11 € netto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2002 zu zahlen;

3. den Beklagten zu verurteilen, den Beitrag für die Monate September 2002 bis März 2003 in Höhe von insgesamt 1.410,26 € an die C. Pensionskasse VvaG zu zahlen;

4. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.618,33 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2002 zu zahlen;

5. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 197,33 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2002 zu zahlen;

6. den Beklagten zu verurteilen, vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 186,13 € auf sein bei der Landesbausparkasse Münster unterhaltenes Konto einzuzahlen;

7. den Beklagten zu verurteilen, für die Monate September 2002 bis März 2003 an die Gerling Allgemeine Versicherung AG insgesamt 77,14 € zu zahlen;

8. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.360,- € wegen Entzug des Dienstwagens als Schadenersatz nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (November 2002) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch sein am 13.06.2003 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger verlange Vergütung nach § 611 BGB i. V. m. dem alten Teilzeitvertrag für die Zeit vom 07.09.2002 bis März 2003. Es handele sich um Ansprüche aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sei. Die erhobenen Forderungen seien somit Masseverbindlichkeiten i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Gegen das ihm am 25.07.2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit einem am 06.08.2003 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 23.09.2003 eingereichten Schriftsatz begründet.

Der Beklagte hat unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend gemacht:

Das Arbeitsgericht sei rechtswidrig davon ausgegangen, dass es sich bei den geltend gemachten Monatsentgelten sowie den Beiträgen zur C.-Pensionskasse von September 2002 bis März 2003 um Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO handele. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass es für die Qualifizierung eines Anspruchs als einfache Insolvenzforderung oder als Masseverbindlichkeit entscheidend auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs ankomme. Alle Ansprüche, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien, seien dabei als einfache Insolvenzforderung zu qualifizieren, während alle nach Insolvenzeröffnung entstandenen Ansprüche Masseverbindlichkeiten seien. Diese Differenzierung ergebe sich unmittelbar aus der Legaldefinition in § 38 InsO. Die Entgeltansprüche, soweit sie den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beträfen, seien bereits mit der Erarbeitung in der Arbeitsphase entstanden und würden nur später in der Freistellungsphase fällig werden. Diese Konzeption der "hinausgeschobenen Fälligkeit" führe dazu, dass zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehende Wertguthaben in Form bereits entstandener, aber noch nicht fälliger Entgeltansprüche als einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO zu qualifizieren seien. Mit den Aufstockungsbeträgen habe sich das Arbeitsgericht überhaupt nicht näher befasst. Diese hätten keinen Entgeltcharakter. Sie seien keine Gegenleistung für eine vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung. Sie würden vielmehr einen individuellen Ausgleich für geringere Entgeltansprüche darstellen, die durch den Wechsel von Vollzeit- in Teilzeitarbeit oder durch das vorzeitige Freimachen des Arbeitsplatzes entstanden seien. Da diese Abfindungszahlungen ihre Rechtsgrundlage in der Altersteilzeitvereinbarung vom 07.09.2000 hätten, seien sie als einfache Insolvenzforderungen einzuordnen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 13.06.2003 - 2 Ca 2693/02 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 13.06.2003 - 2 Ca 2693/02 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend:

Es entspreche dem typischen Merkmal eines Dauerschuldverhältnisses, dass der Umfang der von den Vertragsparteien zu erbringenden Leistung von der Laufzeit des Dauerschuldverhältnisses abhänge, während derer die Leistungen erbracht werden sollten. Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers entstehe in einem "normalen" Arbeitsverhältnis Monat für Monat sukzessive neu. Hieran ändere die Befreiung des Arbeitnehmers von der Hauptleistungspflicht im Zuge der Vereinbarung einer Altersteilzeit nichts. Die Aufstockungsbeträge zum Arbeitsentgelt würden hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Bewertung das Schicksal der Arbeitsentgeltsansprüche teilen. Es handele sich bei ihnen um Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung für die Zeit nach der Insolvenzverfahrenseröffnung erfolgen müsse (§ 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO).

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung des Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht geht die Kammer davon aus, dass es sich bei den Ansprüchen des Klägers um die im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten, von dem Beklagten der Höhe nach nicht bestrittenen Bezüge für die Zeit vom 01.09.2002 bis zum 31.03.2003 und den Schadensersatz wegen des Entzugs des Dienstwagens Ende Oktober 2002 um Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO handelt.

I. Die Insolvenzordnung unterscheidet zwischen Insolvenzforderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, und Masseforderungen, die nach Maßgabe von § 55 Abs. 1 InsO nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet werden (zur Arbeitsvergütung vgl. BAG 03.04.2001 - 9 AZR 301/00 - AP Nr. 1 zu § 55 InsO; BAG 19.03.2002 - 9 AZR 16/01 - EzA § 615 BGB Nr. 108; BAG 04.06.2003 -10 AZR 586/02 - AP Nr. 2 zu § 209 InsO; vgl. auch BGH 03.04.2003 - IX ZR 101/02 - NJW 2003, 2454; zur Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld vgl. BAG 25.03.2003 - 9 AZR 174/02 - AP Nr. 4 zu § 55 InsO; zum Nachteilsausgleich vgl. BAG 04.12.2002 -10 AZR 16/02 -AP Nr. 2 zu § 38 InsO; BAG 08.04.2003 - 2 AZR 15/02 - AP Nr. 40 zu § 113 BetrVG 1972; vgl. zur Sozialplanleistung BAG 31.07.2002 -10 AZR 275/01 -AP Nr. 1 zu § 38 InsO).

II. Für die Beurteilung, ob eine Insolvenz- oder eine Masseforderung vorliegt, kommt es auf die Entstehung des Anspruchs, nicht auf seine Fälligkeit an (vgl. BAG 21.05.1980 - 5 AZR 337/78 - AP Nr. 9 zu § 59 KO). Ansprüche, deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss, sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO Masseforderungen. Indem im Arbeitsverhältnis ein regelmäßiges Arbeitsentgelt vereinbart ist, entstehen diese Entgeltansprüche mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung bemessen ist (§ 614 Satz 2 BGB, § 64 HGB). Fallen diese Zeitabschnitte in die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, entstehen die Ansprüche auf die laufende Vergütung erst zu dieser Zeit und sind auch dann erst zu erfüllen. Damit sind sie als künftige Ansprüche Masseforderung i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO.

1. Teilweise wird die Anspruchsentstehung nach materiellem Recht beurteilt (BAG 25.03.2003 - 9 AZR 174/02 - a. a. O.), so dass nach dem Zeitpunkt der Erfüllbarkeit des Anspruchs zu fragen ist. Die Erfüllbarkeit wird in der Regel zeitlich mit der Fälligkeit zusammenfallen, kann allerdings auch schon zu einem früheren Zeitpunkt eintreten (vgl. näher BGH 24.06.2002, BGH Report 2002, 925). In anderen Fällen wird für die Entstehung auf den Zeitpunkt der anspruchsbegründenden Pflichtverletzung oder Handlung abgestellt (vgl. BAG 03.04.1990 - 1 AZR 150/89 - AP Nr. 20 zu § 113 BetrVG 1972). Unter diesem Aspekt kommt es darauf an, ob und wann der Anspruch in seinem Kern bereits vorhanden ist und nicht mehr von wesentlich weitergehenden Unsicherheiten abhängt. Richtigerweise muss die Frage nach der Entstehung, wenn es um Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis geht, unter Einbeziehung des Leistungszwecks beantwortet werden (BAG 22.11.1995 - 10 AZR 1038/94 - n. v.). Denn der Leistungszweck charakterisiert den Einzelanspruch im Dauerschuldverhältnis und verdeutlicht für die insolvenzrechtliche Behandlung, inwieweit er vor der Eröffnung erworben worden ist oder erst künftig, nach der Eröffnung, entsteht.

2. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt wird zwar grundsätzlich durch tatsächliche Leistung der vereinbarten Dienste erworben (§ 611 Abs. 1 BGB), setzt jedoch nicht zwingend die "Erarbeitung" voraus (BAG 19.03.2002 - 9 AZR 16/01 -). Mit der Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts im bestehenden Arbeitsverhältnis (vgl. § 107 Abs. 3 GewO, § 614 BGB, § 64 HGB) soll es dem Arbeitnehmer in jedem Fall ermöglicht werden, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten bzw. seinen Lebensstandard aufrecht zu erhalten (vgl. BSG 25.06.2002 - B 11 AL 90/01 R - AP Nr. 3 zu § 141 a AFG). Gleiches gilt für die Zahlung eines Monatsentgelts, das auf der Grundlage eines längeren Zeitraums (z.B. Arbeitsjahr) ratierlich ermittelt und z.B. in Form eines gleichbleibenden Monatsgehalts verstetigt wird. Auch dadurch wird - trotz unterschiedlicher Verteilung der Arbeitszeit in diesem Zeitraum - dem Arbeitnehmer der kontinuierliche Bezug gleichmäßiger Einkünfte gesichert (BAG 05.09.2002 - 9 AZR 244/01 - AP Nr. 17 zu § 3 BUrlG Fünf-Tage-Woche). Deshalb sind Ansprüche auf den regelmäßigen Arbeitsverdienst genuin künftig entstehende Ansprüche.

Resultieren sie aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahren fortbestehenden Arbeitsverhältnis, sind sie daher Masseverbindlichkeiten (BAG 19.03.2002 - 9 AZR 16/01 -; vgl. BGH 03.04.2003 - IX ZR 163/02 - ZIP 2003, 854).

3. Von dem regelmäßigen (laufenden) Arbeitsentgelt ist neben den Sondervergütungen der durch zusätzliche Arbeitsleistung, namentlich Überstundenleistung, erworbene Vergütungsanspruch abzugrenzen. Dabei ist unerheblich, ob die Überarbeit im Sinne eines Wertguthabens zunächst auf einem Arbeitszeitkonto erfasst wird und das Guthaben erst später an den Arbeitnehmer auszuzahlen ist. Der Vergütungsanspruch ist bereits entstanden, lediglich seine Fälligkeit ist hinausgeschoben (vgl. BAG 15.01.2002 -1 AZR 165/01 - EzA § 614 BGB Nr. 1). Ein solcher, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erarbeiteter Anspruch kann als Insolvenzforderung zu behandeln sein. Ist vertraglich vereinbart, dass geleistete Überarbeit durch bezahlte Freizeit auszugleichen ist, mag zweifelhaft sein, ob von einem im Insolvenzfall bereits bestehenden Anspruch die Rede sein kann. Der Vergütungsanspruch entsteht erst mit Freistellung, bei Eröffnung des Insolvenzverfahren mit Freistellung durch den Insolvenzverwalter. In dieser Konstellation erscheint die Überarbeit zwar als Vorausleistung auf die vom Arbeitnehmer im Ausgleichszeitraum insgesamt zu erbringende Arbeitsleistung (BAG 04.09.1985 - 7 AZR 531/82 -AP Nr. 13 zu § 17 BAT). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Arbeitgeber verpflichtet bleibt, die Vergütung während der Freistellungszeit jedenfalls im Umfang der vereinbarten Regelarbeitszeit weiterzuzahlen. Daher ist der Vergütungsanspruch für die Freistellungszeit ein künftiger Anspruch (vgl. BGH 25.04.2002 - IX ZR 313/99 - NJW 2002, 2785 ff., zur Abgrenzung von bedingten und künftigen Ansprüchen) und als solcher Masseforderung. Würde der Insolvenzverwalter vertragswidrig den Freizeitausgleich verweigern und den Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses beschäftigen, entstünde ein Abgeltungsanspruch, der nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseforderung wäre. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Arbeitgeber in Arbeitszeitkonto-Vereinbarungen nicht das von ihm zu tragende Wirtschaftsrisiko unter Umgehung von § 615 BGB auf den Arbeitnehmer abwälzen kann (BAG 13.12.2000 -5 AZR 334/99 - AP Nr. 31 zu § 394 BGB).

4. Die vertraglichen Ansprüche in der Altersteilzeit, i. c. auf das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit und den Aufstockungsbetrag, unterscheiden sich hinsichtlich Entstehung und Fälligkeit nicht von den Vergütungsansprüchen während der voraufgegangenen Arbeitstätigkeit. Sie sind lediglich durch das Altersteilzeitgesetz i.V.m. einem Tarifvertrag und einer Betriebsvereinbarung derart vorgeprägt, dass eine unterschiedliche Verteilung der reduzierten Arbeitszeit sich nicht auf die Höhe des monatlichen Altersteilzeitentgelts auswirkt, sondern dass das dem Gesamtvolumen der Teilzeitarbeit entsprechende Altersteilzeitentgelt in gleich hohen Monatsraten während der Gesamtdauer des Altersteilzeitverhältnisses entrichtet wird. Wenn beim Blockmodell in der Arbeitsphase die Arbeitsleistung im voraus - für die Freistellungsphase - erbracht wird (vgl. § 3 Abs. 3 ATG), so resultiert aus dieser Vorleistung kein auszahlbares Arbeitszeit- oder Wertguthaben. Vielmehr geht es darum, älteren Arbeitnehmern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwar mit reduzierter Arbeitszeit und deren flexibler Verteilung, jedoch zu einem Arbeitseinkommen anzubieten, von dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Deshalb sieht § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATG mit Hilfe des Aufstockungsbetrages einen Mindestverdienst vor, der gleichbleibend stetig während der gesamten Altersteilzeit zu entrichten ist. Damit ist das Altersteilzeitentgelt mit dem Aufstockungsbetrag nach der gesetzlichen Grundkonzeption und Struktur laufendes Arbeitsentgelt und entsteht als solches auch für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (zutr. ArbG Düsseldorf - 24.07.2003 -11 Ca 2525/03, z.V.v.; Hanau, ZIP 2002, 2028, 2031, Nimscholz, ZIP 2002, 1936, Leisbrock, Altersteilzeitarbeit, S.354 ff., a. A.; ArbG Mönchengladbach 03.05.2002 - 7 Ca 614/02 - n. v.; Zwanziger, Das Arbeitsrecht in der Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2002, § 108 Rz. 22, Hanau, RdA 2003, 230, 231).

5. Das Erarbeitungsprinzip, nach dem die sozialgerichtliche Judikatur Arbeitsentgelt i.S.v. § 141 b Abs. 2 AFG zuzuordnen pflegt, erfasst nur unzureichend die insolvenzrechtliche Einordnung von laufendem Arbeitsentgelt. Das vom Bundessozialgericht (Urteil vom 25.06.2002 - B 11 AL 90/01 R - a.a.O.) erwähnte BAG-Urteil vom 21.05.1980 (- 5 AZR 337/78 - AP Nr. 9 zu § 59 KO) gibt nichts für den Standpunkt der Beklagten her. Das Bundesarbeitsgericht hatte hinsichtlich einer Gewinnbeteiligung für 1994 und einem im Jahr 1996 eröffneten Konkursverfahren zu klären, wann ein Anspruch des Arbeitnehmers auf rückständige Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis für einen bestimmten Zeitraum vorliegt, und dazu ausgeführt, dass "rückständig für die genannten Zeiträume Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis nur dann (sind), wenn die mit ihnen zu vergütenden Dienste innerhalb dieser Zeiträume geleistet worden sind."

6. Für die Beklagte spricht auch nicht die von Hanau (RdA 2003, 230, 231) angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.06.1993 (- 9 AZR 18/92 - AP Nr. 35 zu § 59 KO).

a) Allerdings wird dort gegen die Qualifizierung des Vorruhestandsgeldes als Masseschuld eingewandt, dass "der Vorruheständler weder eine Leistung zur Masse erbringt, für die er entsprechende Gegenleistung beanspruchen kann, noch wird regelmäßig das Vorruhestandsgeld nach Konkurseröffnung "erdient". ... Die Bevorrechtigung von Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis für die Zeit nach Konkurseröffnung als Masseschuld ist ein Ausgleich dafür, dass das Arbeitsverhältnis nach § 22 KO kraft Gesetzes weiterläuft, wenn es nicht gekündigt oder auf andere Weise beendet wird. Soweit der Arbeitnehmer nach Konkurseröffnung weiter seine Arbeitsleistung erbringt, soll er nach dem Willen des Gesetzgebers auch sein Anrecht auf die volle Gegenleistung behalten.... Zweck des § 59 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative KO ist, dass derjenige, der seine vollwertige Leistung weiterhin zur Masse gewähren muss, die dafür zu entrichtende volle Gegenleistung erhalten und nicht nur auf eine Konkursforderung beschränkt sein soll.... Insoweit verdrängt die konkursrechtliche Qualifizierung als Masseschuld die konkurrierende Qualifizierung als Konkursforderung ... Für die nach Konkurseröffnung erbrachte Arbeitsleistung soll die volle Vergütung vom Konkursverwalter entrichtet werden. Der konkursmäßige Rang des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO soll nur die nach Konkurseröffnung zeitanteilig entstehenden Gegenansprüche des Gläubigers für die aus dem Schuldverhältnis geschuldeten Leistungen privilegieren. Ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis unterfällt daher nur dann dieser Vorschrift, wenn er als Entgeltanspruch für die im nachkonkurslichen Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung zu bewerten ist."

b) Diese Ausführungen treffen auf das Altersteilzeitverhältnis schon deshalb nicht zu, weil es im Gegensatz zum Vorruhestandsverhältnis auf einem gegenseitigen Vertrag i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO beruht. Ansprüche im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis hat das Bundesarbeitsgericht anders beurteilt, und zwar auch dann, wenn ihnen - wie beim Verzugslohn nach § 615 Satz 1 BGB - keine erbrachte Arbeitsleistung gegenübersteht (BAG 08.12. 1998 - 9 AZR 622/97 - AP Nr. 9 zu § 60 KO; LAG L. 30.07.2001 - 2 Sa 1457/00 -LAGE Nr. 4 zu § 55 InsO = NZA-RR 2002, 181). Im übrigen ist zweifelhaft, ob die Erwägungen im BAG-Urteil vom 15.06.1993 unter der Geltung der Insolvenzordnung noch Bestand haben (vgl. BAG 25.03.2003 - 9 AZR 174/02 - a.a.O.).

III. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist Arbeitsentgelt i. S. des Altersteilzeitvertrages auch das um die Aufstockungsbeträge erhöhte Arbeitsentgelt. Die frühere Arbeitgeberin des Klägers, die C.-E. Energietechnik GmbH, hat dem Kläger gemäß § 6 Abs. 1 der Altersteilzeitvereinbarung vom 07.09.2000 einen Aufstockungsbetrag von 20 %, mindestens jedoch 77,50 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Vollzeitarbeitsentgelts gewährt, weil er arbeitsvertraglich seine Arbeitszeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses verringert hat. Sie gleicht mit dem Aufstockungsbetrag teilweise die finanziellen Nachteile aus, die dem Kläger durch die Verringerung der Arbeitszeit entstehen. Grundlage ist das bisherige und nunmehr geänderte Arbeitsverhältnis. In der Höhe knüpft die Leistung an das Entgelt an, dass der Kläger vor der Vertragsänderung erhalten hat. Damit hat aber der Aufstockungsbetrag Entgeltcharakter (vgl. BAG 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - EzA Art. 141 EG-Vertrag 1999 Nr. 12; i. Erg. ebenso LAG Düsseldorf 17.09.2003 - 4 (5) Sa 684/03 - ZIP 2003, 2039, 2040 f.; LAG Düsseldorf 22.10.2003 - 12 Sa 1205/03 - EzA - SD Nr. 25/2003, S. 16 nur LS).

IV. Auch der Schadensersatzanspruch des Klägers wegen des Entzugs des Dienstwagens in nicht bestrittener Höhe von 1.360,- € für die Monate November 2002 bis März 2003 ist eine Masseverbindlichkeit i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO. Denn dieser Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB ist an die Stelle des Sachbezugs, Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs, getreten. Dieser Sachbezug hatte aber Entgeltcharakter (vgl. nur BAG 11.10.2000 - 5 AZR 240/99 - EzA § 14 MuSchG Nr. 15; BAG 05.09.2002 - 8 AZR 702/01 - EzA § 615 BGB Nr. 109).

V. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 284 Abs. 2 BGB und § 291 BGB.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für den Beklagten zugelassen.

Ende der Entscheidung

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