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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.06.1998
Aktenzeichen: 11 Sa 2062/97
Rechtsgebiete: BGB, KSchG
Vorschriften:
BGB § 626 | |
KSchG § 1 Abs. 1 | |
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 |
2. Auch wenn man bei einer Pflichtverletzung im Vertrauensbereich grundsätzlich von dem Erfordernis einer Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung ausgeht (so jetzt BAG v. 04.06.1997- 2 AZR 526/96 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 168), ist diese, ebenso wie bei einer entsprechenden Störung im Leistungsbereich (zuletzt BAG v. 24.04.1997 - 2 AZR 268/96 - EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 43), bei einem besonders groben Pflichtenverstoß im Vertrauensbereich entbehrlich, wenn dem Arbeitnehmer sein pflichtwidriges Verhalten ohne weiteres erkennbar ist und er mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber nicht rechnen kann.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäfts-Nr.: 11 Sa 2062/97
Verkündet am : 05.06.1998
In dem Rechtsstreit
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Thivessen und den ehrenamtlichen Richter Ridders
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.11.1997 - 2 Ca 4335/97 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefaßt.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.06.1997 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung der Beklagten.
Der am 15.02.1951 geborene Kläger absolvierte ab August 1967 bei der Beklagten eine Lehre und ist seitdem ohne Unterbrechung bei ihr tätig. Im Laufe seines Arbeitsverhältnisses wurde ihm Gesamtprokura erteilt. Zuletzt hatte der Kläger bei einem durchschnittlichen monatlichen Gehalt von DM 10.900,-- die Stellung eines Abteilungsdirektors im Bereich Kundengeldhandel - heute Treasury/Short-Term-Desk - inne. Er steht damit auf der vierten Führungsebene.
Gegen Ende des Jahres 1995 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, innerhalb derer die Beklagte den Kläger unter dem 12.12.1995 aus verhaltensbedingten Gründen, u. a. wegen eines angeblich inadäquaten Verhaltens gegenüber Kunden und Mitarbeitern sowie wegen Mängeln bei den täglichen Arbeitsabläufen, abmahnte. Gegen diese Abmahnung wendete sich der Kläger mit einer Gegendarstellung vom 15.12.1995, in der er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritt.
Spätestens im Frühjahr 1997 kam es auf Initiative der Beklagten zwischen den Parteien zu Überlegungen, den Arbeitsbereich des Klägers bei Reduzierung der Vergütung zu ändern, wobei die Ursachen für die angestrebten Änderungen im einzelnen streitig sind. Unstreitig kam es am 03.04.1997 zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und seiner Vorgesetzten, G.räf v. S.chme. Gegenstand dieses Gesprächs waren jedenfalls auch etwa zu verändernde finanzielle Konditionen des Arbeitsvertrages des Klägers sowie die Rückzahlung eines ihm - dem Kläger - von der Beklagten gewährten Darlehens. Diesbezüglich bestanden Überlegungen, die Tilgung des Darlehens in eine mögliche Neugestaltung des Arbeitsentgelts des Klägers miteinzubeziehen.
Am 15.05.1997 erörterten der Kläger und der Personalleiter der Beklagten, Herr Dr. P.fenn, eine Änderung des Tätigkeitsbereichs des Klägers in Richtung eines streßfreieren Arbeitsplatzes. Der weitere Inhalt des Gesprächs ist teilweise streitig, so insbesondere die Frage, ob dem Kläger von der Beklagten mit einer späteren Beendigungskündigung gedroht wurde. Von der Beklagten erhielt der Kläger den Entwurf eines unter dem Tag des genannten Gesprächs verfaßten Schreibens. Dieses sah vor, daß er ab Juni 1997 als Sachbearbeiter im Fachbereich Treasury and Derivatives Clearing zu einem Jahresgehalt von DM 96.000,-- tätig werden sollte. Auf das rückzuzahlende Darlehen wurde in diesem Schreiben kein ausdrücklicher Bezug genommen. Am 20.05.1997 beriet sich der Kläger mit den Rechtsanwälten Dr..Hutmac und R.e über die ihm angesonnenen Änderungen seines Arbeitsvertrages. Daraufhin fand am 23.05.1997 ein erneutes Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn Dr.P.fenn statt, in dessen Verlauf er zunächst das schriftlich fixierte Ergebnis seiner Beratung mit den genannten Anwälten verlas. Die weiteren, im Anschluß daran vom Kläger gemachten Äußerungen sind zwischen den Parteien streitig, so insbesondere die Frage, ob ein Verhalten des Klägers vorlag, das den Tatbestand einer versuchten Nötigung erfüllte. Jedenfalls war die Rede davon, daß bestimmte, die Beklagte betreffende Tatsachen, gegebenenfalls an die Öffentlichkeit dringen könnten, wobei streitig ist, ob es sich hierbei um eine Drohung oder nur einen Hinweis bzw. eine Warnung handelte.
Aufgrund des Verlaufs des Gespräches vom 23.05.1997 entschloß sich die Beklagte, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu kündigen. Vorsorglich, d. h. ohne Präjudiz für den betriebsverfassungsrechtlichen Status des Klägers, hörte sie mit Schreiben vom 30.05.1997 den Betriebsrat sowohl zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung wie auch zu einer gleichzeitig beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Zur Begründung, wegen deren Einzelheiten ausdrücklich auf das Anhörungsschreiben vom 30.05.1997 Bezug genommen wird, stützte sich die Beklagte im wesentlichen auf den Inhalt des Gesprächs vom 23.05.1997. Nachdem der Betriebsrat sowohl der beabsichtigten außerordentlichen wie ordentlichen Kündigung zugestimmt hatte, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 03.06.1997 außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt, d. h. zum 31.12.1997. Im Kündigungsschreiben heißt es u. a.:
in einem Gespräch, das Sie mit Herrn P.fenn am 23. Mai 1997 wegen einer seitens der Bank angestrebten einvernehmlichen Versetzung in den Bereich Treasury und Derivatives Clearing führten, haben Sie für den Fall, daß die Bank auf dieser Versetzung bestehen oder Ihnen sogar kündigen sollte, damit gedroht, sich an die Presse zu wenden. Im übrigen - so haben Sie weiter erklärt - seien da noch Dinge im Zusammenhang mit L.uxembu", die Sie sich dann genötigt sähen, in die Waagschale zu werfen". Außerdem verfügten Sie über gute Kundenverbindungen, die wir sicherlich auch nicht an andere Häuser verlieren wollten". Durch diese massive und in der Sache durch nichts gerechtfertigte Drohung haben Sie in schwerwiegender Weise gegen Ihre vertraglichen Verpflichtungen als Führungskraft verstoßen und damit die für eine weitere Zusammenarbeit unverzichtbare Vertrauensgrundlage zerstört. Ihre Äußerungen beinhalten darüber hinaus den strafbaren Versuch einer Nötigung; die Einleitung diesbezüglicher weiterer Schritte behalten wir uns ausdrücklich vor. ..."
Mit seiner am 24.06.1997 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten und der Beklagten sechs Tage später zugestellten Klage macht der Kläger hauptsächlich die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung geltend.
Der Kläger hat behauptet:
Die Beklagte habe ihn u. a. aus finanziellen Gründen auf einen schlechter dotierten Arbeitsplatz versetzen wollen. Des weiteren habe Herr Dr.P.fenn am 15.05.1997 damit gedroht, die Beklagte benötige lediglich drei Abmahnungen, bevor sie eine Beendigungskündigung aussprechen könne. Im Gespräch vom 23.05.1997 habe er nur darauf hingewiesen, daß bestimmte, die Beklagte betreffende Tatsachen in einem etwaigen arbeitsgerichtlichen Prozeß an die Öffentlichkeit dringen könnten, da die Sitzungen des Arbeitsgerichts öffentlich seien. In Bezug auf von ihm angesprochene Kundenkontakte" habe er auf eine mögliche Hilfestellung durch ein ihm bekanntes Mitglied des Verwaltungsrates gezielt. Sofern es um Dinge in L.uxembu" gegangen sei, habe er lediglich auf seine Arbeit für Kundenverbindungen mit L.uxembu hinweisen wollen.
Im übrigen hat der Kläger die Ansicht vertreten, daß die Anhörung des Betriebsrats nicht den Erfordernissen nach §§ 102 Abs. 1 BertrVG entsprochen habe, da - unstreitig - dem Betriebsrat nur die Abmahnung vom 12.12.1995, nicht dagegen seine Gegendarstellung ausgehändigt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung
vom 03.06.1997 beendet worden ist,
2. für den Fall des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, ihn zu
unveränderten Arbeitsbedingungen als Geldhändler weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet:
Der Kläger habe aufgrund von organisatorischen Neuerungen in den letzten Jahren den Anforderungen an seinen Arbeitsplatz nicht mehr entsprochen, so daß sie mit seinen Leistungen nicht mehr zufrieden gewesen sei. Des weiteren habe er sich gegenüber Kunden und Mitarbeitern wiederholt unfreundlich, unkollegial und launenhaft verhalten, was zu der Abmahnung vom 12.12.1995 geführt habe. Daher sei man bestrebt gewesen, eine möglichst einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen herbeizuführen.
Hinsichtlich des Gesprächs des Klägers mit Herrn Dr.P.fenn vom 23.05.1997 hat die Beklagte folgendes behauptet:
Der Kläger habe angekündigt, sich an die Presse zu wenden und dabei auch Dinge im Zusammenhang mit L.uxembu" in die Waagschale zu werfen, falls sie an ihrer geplanten Versetzung festhalte. In Bezug auf letzteres habe der Kläger offengelassen, in welcher Form und wem gegenüber eine Offenbarung beabsichtigt worden sei. Zu dem fraglichen Zeitpunkt habe sie sich - unstreitig - staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen aufgrund angeblich steuerlich illegaler Transaktionen von Geldern nach L.Luxembur ausgesetzt gesehen. Sie habe in dem behaupteten Verhalten des Klägers u. a. den Versuch einer strafbaren Nötigung und einer Verletzung der Loyalitätspflicht gesehen.
Bezüglich der Anhörung des Betriebsrats hat die Beklagte die Ansicht vertreten, der Kläger sei leitender Angestellter, weshalb eine Anhörung nach § 102 BetrVG an sich entbehrlich gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 20.11.1997 verkündeten Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben, da weder die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB noch die des § 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG beim Kündigungsausspruch vorgelegen hätten. Im wesentlichen hat das Gericht ausgeführt:
Das Verhalten des Klägers sei in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit einer Verletzung der Fürsorgepflicht seitens der Beklagten, nämlich der Androhung von Abmahnungen und einer Kündigung im Gespräch am 15.05.1997, gestanden. Diese Drohung sei rechtswidrig gewesen. Dementsprechend hätte es sich die Beklagte gefallen lassen müssen, daß der Kläger sich in dem Gespräch vom 23.05.1997 auf demselben - niedrigen- Niveau gewehrt habe, wie die Beklagte ihn zuvor angegriffen habe.
Gegen dieses ihr am 26.11.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 03.12.1997 beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 29.12.1997 bei dem Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im wesentlichen geltend:
Kündigungsgrund sei allein das vom Kläger am 23.05.1997 an den Tag gelegte Verhalten gewesen. Bezüglich des Inhalts der Gespräche vom 15.05. und 23.05.1997 habe das Arbeitsgericht eine Beweiswürdigung vorweggenommen. Einen Zusammenhang zwischen ihren Äußerungen am 15.05.1997 und denen des Klägers acht Tage später hätte das Gericht nicht herstellen dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.11.1997 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht hat aufgrund seines Beschlusses vom 25.03.1998 Dr.P.fenn als Zeuge vernommen. Auf seine protokollierte Aussage wird ausdrücklich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.11.1997 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf ist zulässig.
Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form (§ 518 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) begründet worden.
B.
Die Berufung ist jedoch nur insoweit begründet, als sie sich gegen die Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung und gegen die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung richtet.
I. Jedenfalls im Ergebnis ist dem Arbeitsgericht darin zu folgen, daß die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.06.1997 mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes i. S. von § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beenden konnte.
1. Die Prüfung, ob im konkreten Streitfall ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, hat nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (vgl. z. B. BAG v. 24.03.1958 - 2 AZR 587/55 - AP Nr. 5 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG v. 17.05.1984 - 2 AZR 3/83 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG v. 21.02.1991 - 2 AZR 449/90 - AP Nr. 35 zu § 123 BGB), der das Schrifttum im wesentlichen gefolgt ist (vgl. nur KR-Hillebrecht, 4. Aufl. 1995, § 626 BGB Rz. 58 ff) in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten zu erfolgen. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich" geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Dabei genügt allerdings noch nicht die abstrakte Erheblichkeit" eines Kündigungssachverhaltes zur Begründung der Unzumutbarkeit. Vielmehr muß bereits auf der ersten Stufe festgestellt werden, ob der an sich zur außerordentlichen Kündigung geeignete Sachverhalt im Streitfall zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat (BAG v. 15.11.1984 - 2 AZR 613/83 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; BAG v. 17.03.1988 - 2 AZR 576/87 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 116). Erst dann ist in einer zweiten Stufe zu untersuchen, ob nach Abwägung aller in Betracht kommender Interessen der Arbeitsvertragsparteien die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist (BAG v. 17.03.1988 - 2 AZR 576/87 - a.a.O.; BAG v. 02.03.1989 - 2 AZR 280/88 - AP Nr. 101 zu § 626 BGB).
2. Die vorgenannte 2-Stufen-Prüfung ergibt im Streitfall, daß ein wichtiger Grund i. S. von § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.06.1997 im Zeitpunkt ihres Zugangs nicht vorlag.
a) Zunächst ist die Berufungskammer entgegen der Vorinstanz der Auffassung, daß ein an sich" geeigneter Grund für die außerordentliche Kündigung der Beklagten vorlag.
aa) Straftaten, die gegen den Arbeitgeber gerichtet sind, stellen an sich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Hierzu kann auch nötigendes Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber zu seinem eigenen Vorteil zählen, wenn - so das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts zutreffend - der Arbeitnehmer zu diesem Zwecke seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt, die es ihm verbietet, den Arbeitgeber unter Druck zu setzen. Ein solches Verhalten beeinträchtigt das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Pflichtverletzung zugleich den Straftatbestand der versuchten Nötigung nach § 23 Abs. 1, § 240 Abs. 1 und 3 StGB erfüllt (vgl. BAG v. 05.11.1992 - 2 AZR 147/92 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 143; vgl. auch LAG Nürnberg v. 13.01.1993 - 3 Sa 304/92 - LAGE § 626 BGB Nr. 67).
bb) Nach der in sich widerspruchsfreien Aussage des Zeugen Dr.P.fenn, an deren Wahrheitsgehalt kein Zweifel besteht, zumal sie sich mit einer von ihm unmittelbar nach dem Gespräch angefertigten Gesprächsnotiz deckt, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß der Kläger die ihm von der Beklagten zur Last gelegten Äußerungen am 23.05.1997 gemacht hat. Danach hat er der Beklagten gedroht, wenn sie auf einer Versetzung oder Kündigung bestehe, würde er sich nicht scheuen, sich an die Presse zu wenden und sich genötigt sehen, Dinge im Zusammenhang mit L.Luxembur in die Waagschale zu werfen. Auch verfüge er über gute Kundenverbindungen, die sie - die Beklagte - nicht an andere Häuser verlieren wolle. Daraus konnte die Beklagte vom Standpunkt eines unbeteiligten Dritten nur den Willen des Klägers entnehmen, seine aus seiner Sicht drohende Versetzung bzw. Kündigung dadurch verhindern zu wollen, daß er ihr Unannehmlichkeiten in der Öffentlichkeit - und zwar durch die Presse, nicht etwa als Folge eines künftigen Arbeitsgerichtsprozesses bereiten wollte. Damit hat der Kläger gegen die ihm erst recht in seiner Position obliegende Verpflichtung verstoßen, unter dem Gesichtspunkt der unverzichtbaren Loyalität i. S. eines widerspruchsfreien Verhaltens der Unternehmerzielsetzung nicht zuwider zu arbeiten, sondern mit dem Arbeitgeber zu kooperieren (Buchner, ZfA 1979, 335, 352 ff). Das Arbeitnehmern in leitender Position eingeräumte Vertrauen ist regelmäßig sehr intensiv und demzufolge auch besonders störungsempfindlich (Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, 1987, S. 364). Mit seinen Äußerungen vom 23.05.1997 hat der Kläger seine Bereitschaft dokumentiert, gegen die ihm obliegende Interessenwahrungspflicht gegenüber der Beklagten zu verstoßen.
cc) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist das Verhalten des Klägers am 23.05.1997 nicht etwa mit irgendwelchen Drohungen seitens der Beklagten, den Kläger zu versetzen bzw. ihn zu kündigen, zu rechtfertigen. Zum einen verkennt das Arbeitsgericht den nicht nur im Rechtsleben, abgesehen von besonderen Ausnahmesituationen (vgl. z. B. § 227 BGB bzw. § 23 StGB), anerkannten Grundsatz, daß Unrecht nicht mit Unrecht zu vergelten ist. Zum anderen hat das Arbeitsgericht verkannt, daß der Kläger nicht etwa spontan auf eine von ihm u. U. als Provokation seitens der Beklagten, was die Änderung seiner Arbeitsbedingungen betrifft, reagiert hat. Zwischen dem Gespräch vom 15.05.1997, in dem dem Kläger eröffnet worden sein soll, daß man nur drei Abmahnungen benötige, um ihm eine erfolgreiche Kündigung gegenüber auszusprechen, und dem Gespräch am 23.05.1997 lagen immerhin acht Tage. Diese hat der Kläger sogar genutzt, um sich am 20.05.1997 Rechtsrat einzuholen. Dieser hätte u. a. den Hinweis enthalten müssen, daß zwischen drei Abmahnungen und einer erfolgreichen verhaltensbedingten Kündigung kein Automatismus besteht. Von daher hätte er gelassen in das Gespräch vom 23.05.1997 gehen müssen. Statt dessen hat er, was völlig atypisch im Rahmen eines Personalgesprächs ist, dieses mit dem Vorlesen einer vorbereiteten Erklärung eingeleitet, wodurch er von vornherein für Spannung in diesem Gespräch gesorgt hat.
b) Allerdings ergibt die auf der zweiten Stufe der Prüfung des § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung, daß es der Beklagten zumutbar war, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger trotz der ihm zu Recht vorgehaltenen schweren Vertragsverletzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
aa) Hierfür spricht einerseits die im Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung annähernd 30 Jahre betragende Betriebszugehörigkeit des Klägers. Hinzu kommen die schweren Folgen einer außerordentlichen Kündigung für den Kläger, nämlich Verlust der für den Unterhalt seiner Kinder, gegebenenfalls auch seiner geschiedenen Ehefrau notwendigen Einkünfte, der jedenfalls wegen der drohenden Sperrfrist nach § 119 AFG (seit dem 01.01.1998 § 144 SGB III) nicht kurzfristig durch den Bezug von Arbeitslosengeld gemindert wird, Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle, die gerade bei einer vorangegangenen außerordentlichen Kündigung erst recht bei einem Lebensalter von 47, besonders stark sind, sowie Ansehensverlust. Diesen Überlegungen steht nicht das Interesse der Beklagten entgegen, einen Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigen zu müssen, der sie mit einem illoyalem, zumindest in die Nähe eines Straftatbestandes (§ 240 StGB) anzusiedelnden Verhalten unter Druck gesetzt hat, um einen privaten - wenn auch möglicherweise berechtigten - Vorteil zu erhalten. Schließlich betraf die Drohung des Klägers nicht irgendeinen wichtigen Bereich, sondern es ging um die Wahrung von Firmeninterna, zu denen der Kläger Zugang hatte oder dies jedenfalls nach außen hin - im Hinblick auf die Presse - hätte Glauben machen können.
bb) Dennoch ist vorliegend der Beklagten im Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden. Hierfür spricht zum einen, daß Herr Dr.P.fenn ausweislich seiner protokollierten Zeugenaussage dem Kläger im Gespräch vom 24.05.1997 nicht deutlich gemacht hat, daß seine Drohungen Anlaß für die Beklagte sein könnten, sein Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Er wollte nach wie vor mit dem Kläger eine einvernehmliche Lösung hinsichtlich der Bedingungen für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses suchen. Das Gespräch beendete er mit dem Hinweis, daß er dem Kläger noch einmal verdeutlichte, daß es nicht um eine Gehaltskürzung, sondern um eine Gehaltsumwandlung gehe. Hätte Herr Dr. P.fenn bereits im unmittelbaren Anschluß an die Äußerungen des Klägers vom 23.05.1997 an eine außerordentliche Kündigung des Klägers gedacht, hätte es seiner bzw. der Beklagten Fürsorgepflicht entsprechen müssen, den Kläger hierauf hinzuweisen und auf einen Widerruf bzw. eine Entschuldigung seiner Äußerungen zu drängen. Herr Dr. P.fenn, der den Kläger sogar laut eigener Aussage als launischen, cholerischen Mitarbeiter kannte, hätte ihn ohne weiteres auf die Bedeutung seiner Worte für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hinweisen und auf eine unverzügliche Klarstellung drängen können, daß er - der Kläger - es nicht ernst meine und sich hierfür entschuldigen müsse. Immerhin waren die Äußerungen des Klägers in diesem Zeitpunkt niemand anderem als Herrn Dr. P.fenn bekannt.
cc) Auch ist bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, daß die Beklagte den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.12.1997 von der Arbeit unter Anrechnung noch offenstehenden Urlaubs hätte freistellen können. Auf sie wären zwar immer noch Entgeltansprüche nach §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB ohne eine Gegenleistung zugekommen. Durch die Freistellung hätte sie jedoch erreichen können, daß sie den Kläger trotz ihres fehlenden Vertrauens nicht hätte tatsächlich weiterbeschäftigen müssen. Die der Beklagten damit zugemutete Entgeltverpflichtung nach §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB erscheint der Kammer im Hinblick auf die fast 30-jährige Betriebszugehörigkeit des Klägers im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB noch als hinnehmbar zu sein.
II.
Erfolgreich ist dagegen die Berufung der Beklagten insoweit, als diese sich gegen die Feststellung auch der Unwirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung zum 31.12.1997 wehrt. Insoweit kommt die Berufungskammer zu dem Ergebnis, daß diese Kündigung wirksam ist und somit das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.12.1997 sein Ende gefunden hat.
1. Der Umstand, daß die Beklagte im Hinblick auf die zugleich am 03.06.1997 ausgesprochene außerordentliche Kündigung die ordentliche Kündigung hilfsweise" ausgesprochen hat, enthält keine Bedingung, die der Wirksamkeit dieser ordentlichen Kündigung im Wege steht. Zwar muß eine Kündigung wegen der mit ihr bezweckten Rechtsfolge, Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Termin, genügend bestimmt und klar sein, weshalb der Kündigungsempfänger nicht durch eine Kündigung in eine ungewisse Lage versetzt werden darf (BAG v. 27.06.1968 - 2 AZR 329/67 - AP Nr. 6 zu § 626 BGB Bedingung; BAG v. 10.11.1994 - 2 AZR 207/94 - EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 43). Eine derartige Bedingung enthält jedoch das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 03.06.1997 nicht. Denn ihr Wille, den Arbeitsvertrag mit dem Kläger fristgemäß zu beenden, ist unbedingt ausgesprochen. Die hier in Rede stehende Formulierung sollte nur ausdrücken, daß die Beklagte auf die günstigere Rechtsstellung aus der außerordentlichen Kündigung vom gleichen Tag, soweit sie rechtskräftig als wirksam angesehen würde, nicht verzichten wollte (vgl. BAG v. 12.10.1954 - 2 AZR 36/53 - AP Nr. 5 zu § 3 KSchG 1951).
2. Die ordentliche Kündigung der Beklagten ist nicht wegen fehlender sozialer Rechtfertigung nach § 1 Ab. 1 KSchG unwirksam.
a) Gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist die ordentliche Kündigung u. a. nur sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Im Streitfall hat die Beklagte die ordentliche Kündigung vom 03.06.1997 als verhaltensbedingte ausgesprochen, da sie dem Kläger ein Fehlverhalten bei der Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vorwirft.
b) Bei einer Entscheidung darüber, ob eine verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, müssen sowohl die Interessen des Arbeitnehmers einerseits als auch andererseits die des Betriebes und des Arbeitgebers sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung ist aber durch das Kündigungsschutzgesetz nicht insoweit eingeschränkt worden, daß ein Grund - ähnlich wie bei der fristlosen Entlassung - gegeben sein müßte, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist überhaupt unzumutbar machen würde. Das Kündigungsschutzgesetz will vielmehr nur verhüten, daß dem Arbeitnehmer sein Arbeitsplatz durch die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts ohne zureichenden, d. h. sozial nicht gerechtfertigten Grund, genommen wird. Als zureichender Grund ist jeder Umstand anzusehen, der einen verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann. Hierzu genügen solche Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers sowie des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (BAG v. 07.12.1988 - 7 ARZ 122/88 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 26). Dabei ist nicht vom Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen. Vielmehr gilt ein objektiver Maßstab, in dem es nämlich auf einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber ankommt (BAG v. 11.07.1991 - 2 AZR 633/90 - AP Nr. 1 zu Art. 6 LPVG Bayern; BAG v. 21.05.1992 - 2 AZR 10/92 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 43).
c) Es ist bereits in anderem Zusammenhang dargestellt worden, daß dem Kläger eine für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung notwendige rechtswidrige Pflichtverletzung, nämlich seine durch nichts zu rechtfertigenden vertrauensverletzenden Äußerungen am 23.05.1997, vorgeworfen werden kann. Als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten hierauf ist jedenfalls, wie aus den Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung zu entnehmen ist, die ordentliche Kündigung anzusehen. Dem steht nicht etwa entgegen, daß die Beklagte vor Ausspruch der streitbefangenen ordentlichen Kündigung den Kläger nicht einschlägig, d. h. bezüglich Verletzungen im Vertrauensbereich - die Abmahnung vom 12.12.1995 betraf den Leistungsbereich - abgemahnt hat.
aa) Aus dem Tatbestandsmerkmal bedingt" in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel abgeleitet. Danach ist eine Kündigung nur erforderlich ( ultima ratio"), wenn sie nicht durch mildere Maßnahmen zu vermeiden ist. Eine gegenüber der Kündigung mildere Maßnahme ist die Abmahnung (BAG v. 26.01.1995 - 2 AZR 649/94 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 46). Abmahnung bedeutet, daß der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt (Dokumentationsfunktion) und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (Warnfunktion). Sie ist nach der Rechtsprechung des BAG immer dann grundsätzlich auszusprechen, wenn wegen eines nicht vertragsgerechten Verhaltens gekündigt werden soll und die Störungen im Leistungsbereich liegen (BAG v. 17.02.1994 - 2 AZR 616/93 - EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 30; BAG v. 18.05.1994 - 2 AZR 626/93 - AP Nr. 8 zu § 108 BPersVG 1975; BAG v. 26.01.1995 - 2 AZR 649/94 - a.a.O.). Während nach früherer Rechtsprechung des BAG bei Störungen im Vertrauensbereich eine vorherige Abmahnung i. d. R. entbehrlich (vgl. z. B. BAG v. 04.04.1974 - 2 AZR 452/73 - AP Nr. 1 zu § 626 BGB Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat; BAG v. 30.11.1978 - 2 AZR 145/77 - AP Nr. 1 zu § 64 SeemG) und ausnahmsweise dann erforderlich war, wenn der Arbeitnehmer annehmen durfte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig bzw. der Arbeitgeber werde es zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten ansehen (vgl. z. B. BAG v. 05.11.1992 - 2 AZR 147/92 - EzA § 626 BGB n. F. BGB Nr. 143; BAG v. 14.02.1996 - 2 AZR 274/95 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 160), ist nach neuerer Rechtsprechung das Abmahnungserfordernis bei jeder Kündigung, die wegen eines steuerbaren Verhaltens des Arbeitnehmers oder aus einem Grund in seiner Person ausgesprochen wurde, den er durch sein steuerbares Verhalten beseitigen, wenn also eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann, erforderlich (BAG v. 04.06.1997 - 2 AZR 526/96 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 168).
bb) Ausgehend von dieser neueren Rechtsprechung des BAG ist die erkennende Kammer der Auffassung, daß eine Abmahnung bei einer Verletzung im Vertrauensbereich, genauso wie bei einer Störung im Leistungsbereich (hierzu BAG v. 26.08.1993 - 2 AZR 154/93 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 148; BAG v. 24.04.1997 - 2 AZR 268/96 - EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 43) bei besonders groben Pflichtverletzungen, bei denen dem Arbeitnehmer sein pflichtwidriges Verhalten ohne weiteres erkennbar ist und bei denen er mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber nicht rechnen kann, entbehrlich ist. Dieser Ausnahmetatbestand ist vorliegend gegeben. Jeder Arbeitnehmer, insbesondere wenn er sich in der Position des Klägers befindet, muß wissen, daß er seinen Arbeitgeber nicht durch die Androhung von Presseveröffentlichungen mit dem Ziel unter Druck setzen kann, daß dieser von ihm nach Gesetz und Rechtsprechung zustehenden arbeitsrechtlichen Sanktionen auf für ihn nicht zufriedenstellende Leistungen des Arbeitnehmers, wie Versetzung und Kündigung, Abstand nimmt.
3. Die ordentliche Kündigung der Beklagten ist schließlich nicht etwa nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
a) Eine Anhörung war erforderlich; denn § 102 BetrVG ist auf den Kläger anwendbar, da dieser nicht leitender Angestellter i. S. d. § 5 Abs. 3 S. 1 BetrVG ist.
aa) Der Kläger hatte zwar Prokura (§ 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG), jedoch nur Gesamtprokura; jedenfalls ist nicht nachgewiesen, daß die Prokura im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend war. Auch eine der Zweifelsregeln des § 5 Abs. 4 BetrVG greift nicht ein. So hat die Beklagte insbesondere nicht vorgetragen, daß der Kläger einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind (Nr. 3) oder ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist (Nr. 4).
bb) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG, da nicht ersichtlich ist, daß der Kläger Entscheidungen im wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflußt. Vielmehr untersteht der Kläger seiner Vorgesetzten, G.räf v. S.chme. Daß der Kläger der vierten Führungsebene angehört, besagt für sich allein noch nichts. Insbesondere ist damit noch nicht dargetan, daß er Entscheidungen im wesentlichen frei von Weisungen trifft.
b) Wenn eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG mithin erforderlich war, so ist sie auch ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insbesondere scheitert eine ordnungsgemäße Anhörung nicht an einer etwa unvollständigen Begründung der Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Um seiner Begründungspflicht zu genügen, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über all diejenigen Gesichtspunkte - hierzu zählen Tatsachen und subjektive Gesichtspunkte - zu unterrichten, die ihm Anlaß zur Kündigung geben (KR-Etzel, 4. Aufl. 1996, § 102 BetrVG Rdnr. 62); abzustellen ist hierbei auf die aus Sicht des Arbeitgeber maßgeblichen Gründe, sog. subjektive Determination (BAG v. 22.09.1994 - 2 AZR 31/94 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 86; KR-Etzel, a. a. O.).
aa) Zwar ist auch die Mitteilung einer Gegendarstellung erforderlich (BAG v. 31.08.1989 - 2 AZR 453/88 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 75; KR-Etzel, a. a. O.). Gleichwohl konnte vorliegend die Mitteilung der Gegendarstellung des Klägers vom 15.12.1995 unterbleiben, da sich die Kündigung nicht auf die mit der Abmahnung vom 12.12.1995 erhobenen Vorwürfe bezog. Die Kündigung stützt sich, wie die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung klarstellt, ganz entscheidend auf das Verhalten des Klägers vom 23.05.1997 und nicht auf etwa vorangegangene Pflichtverstöße. Dies ergibt sich auch aus der Anhörung; dort stellt die Beklagte auf über zwei Seiten die - angeblichen - Äußerungen des Klägers vom 23.05.1997 und ihre daraus resultierende rechtliche Wertung dar. So schreibt sie insbesondere, der Kläger habe durch dieses unverfrorene Verhalten jede Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit ... zerstört". Eine Versetzung - wie sie ursprünglich, allerdings aus freilich ganz anderen Gründen - erwogen worden war - komme nicht in Betracht. Damit stellt die Beklagte klar, daß sie ihre Kündigung auf das Verhalten des Klägers vom 23.05.1997 stützen will und nicht auf die Vorgänge, die der Abmahnung aus dem Dezember 1995 zugrunde lagen. Sonst hätte sie den Begriff der ganz anderen Gründe" nicht verwenden müssen. Daß überhaupt die Vorgänge aus der zurückliegenden Zeit angesprochen werden, hat vielmehr den Hintergrund, den Betriebsrat davon in Kenntnis zu setzen, wie es überhaupt zu dem Gespräch vom 23.05.1997 gekommen war. Zwar nimmt die Beklagte auch inhaltlich Bezug auf ihre Abmahnung. Dies ist jedoch allenfalls in Bezug auf eine Zukunftsprognose zu sehen; daß sie ihre Kündigung nicht auf die Vorgänge von 1995 stützt, wird auch aus der im gleichen Zusammenhang erfolgenden Ausdrucksweise deutlich, bei den jetzigen Vorwürfen handele es sich um einen ungleich schwerwiegenderen Vorgang".
bb) Das gefundene Ergebnis wird auch durch die nähere Betrachtung der Abmahnung von 1995 im Vergleich zu dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat deutlich. Zwar bezieht sich auch die Abmahnung auf verhaltensbedingte Gründe. Gleichwohl wird dies später dahingehend konkretisiert, daß die Abmahnung auf Schlechterfüllung der Arbeitsleistung gestützt wird. Aus dem Anhörungsschreiben wiederum läßt sich nicht entnehmen, daß die Beklagte die Kündigung auch auf diese - behaupteten - Leistungsmängel des Klägers gestützt werden sollte, sondern nur auf die Vorfälle vom 23.05.1997. Ansonsten wäre wiederum der Hinweis auf eine ursprünglich geplante Versetzung aus ganz anderen Gründen" unverständlich. Wollte aber die Beklagte ihre Kündigung nur mit dem Verhalten des Klägers vom 23.05.1997 begründen, so dienten die Ereignisse aus der zurückliegenden Zeit nur als Vorgeschichte. Demgemäß konnte die Beifügung der Gegendarstellung unterbleiben.
cc) Auch der Umstand, daß die Beklagte den Betriebsrat nicht über Inhalte des Gesprächs vom 15.05.1997 unterrichtet hatte, führt nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Die Vorgänge vom 15.05.1997 standen - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit den Äußerungen des Klägers mehr als eine Woche später. Insbesondere konnte der Kläger - unterstellt, Herr Dr. P.fenn habe ihm gedroht - kein wie auch immer geartetes Notwehrrecht" beanspruchen, das ihn dazu berechtigen könnte, eine versuchte Nötigung - dies einmal als wahr unterstellt - zu begehen. Ergibt sich hieraus mithin keine Entlastung für den Kläger, so brauchte die Beklagte als Arbeitgeberin den Betriebsrat auch nicht über das Gespräch vom 15.05.1997 unterrichten.
III.
Die Berufung ist auch bezüglich des Weiterbeschäftigungsverlangens des Klägers erfolgreich. Da zwischen den Parteien aufgrund der wirksamen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 03.06.1997 ab dem 01.01.1998 kein Arbeitsverhältnis mehr besteht, kann der Kläger jedenfalls seit diesem Zeitpunkt von der Beklagten nicht seine Weiterbeschäftigung nach §§ 611 Abs. 1, 613 BGB i. V. m. § 242 BGB verlangen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
Die Kammer hat der Rechtssache im Hinblick auf den im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigten Aspekt, daß die Beklagte den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zur Vermeidung einer Weiterbeschäftigung von der Arbeit unter Fortzahlung seiner Bezüge freistellen konnte und auch im Hinblick auf die bei der ordentlichen Kündigung wegen einer Verletzung im Vertrauensbereich angenommene Entbehrlichkeit der Abmahnung trotz des nach der neueren Rechtsprechung des BAG bestehenden grundsätzlichen Abmahnungserfordernisses bei jeder Kündigung, grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für beide Parteien zugelassen.
Ende der Entscheidung
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