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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 11 Sa 281/03
Rechtsgebiete: BetrVG 1972


Vorschriften:

BetrVG 1972 § 37 Abs. 6
BetrVG 1972 § 40 Abs. 1
1. Die Beantwortung der Frage, ob die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer eintägigen Schulungsveranstaltung "Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf" erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist, hängt nicht davon ab, ob bereits ein Arbeitskampf in dem Tarifgebiet, in dem der Betrieb mit dem schulungswilligen Betriebsratsmitglied liegt, begonnen hat. Vielmehr muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass nach den aktuellen Verhältnissen dieses Betriebes Fragen anstehen, die die Rechte und Pflichten des Betriebsrats während eines Arbeitskampfes betreffen.

2. Eine derartige Wahrscheinlichkeit liegt noch nicht in dem Zeitpunkt vor, in dem die Friedenspflicht in dem betreffenden Tarifgebiet abgelaufen ist.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 281/03

Verkündet am: 12.06.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12.06.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Bollweg und den ehrenamtlichen Richter Sobott

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 09.10.2002 - 6 Ca 3169/02 v - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erstattung von Schulungskosten nach § 37 Abs. 6 BetrVG.

Die am 25.10.1952 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 18.10.1976 als Montagearbeiterin tätig und seit 1998 Mitglied des Betriebsrats.

Mit Ablauf des 28.03.2002 endete die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie u. a. für das Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen (NRW). Mit Rundschreiben vom 04.04.2002 an alle Betriebsräte in tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie NRW wies die Ortsverwaltung der IG Metall W. daraufhin, dass sich die Verhandlungen für die Tarifrunde 2002 in dieser Branche als schwierig erweisen würden und es zunehmend wahrscheinlich werde, dass nach Ablauf der Friedenspflicht und auch nach Warnstreiks kein überzeugendes Verhandlungsergebnis zustande komme. Sie fasse die Durchführung von Urabstimmungen und die Anleitung von Streikmaßnahmen ins Auge. Sie halte es für dringend erforderlich, Schulungen für die Betriebsräte aus tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie NRW durchzuführen. In diesem Zusammenhang wies die Ortsverwaltung der IG Metall W. auf eine Betriebsratsschulung mit dem Thema "Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf" am 25.04.2002 hin, das in der Zeit von 08:30 Uhr bis ca. 16:30 Uhr in W. stattfinden sollte, hin. In dem diesem Rundschreiben beigefügten Themenplan heißt es u. a.:

"Um die Betriebsräte sowohl von möglichen Streikbetrieben als auch von solchen Betrieben, die mit Arbeitskampf bedingten Fernwirkungen zu rechnen haben, hinreichend vorzubereiten, werden folgende Themen in der Schulungsmaßnahme behandelt:

- die Neutralitätspflicht des Betriebsrats als Organ im Arbeitskampf § 74 Abs. 2 BetrVG

- die Mitbestimmungsrechte und Pflichten des Betriebsrats in Streikbetrieben

- die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in nicht bestreikten Betrieben innerhalb des Kampfgebiets

- Informationsansprüche des Betriebsrats im Hinblick auf Fernwirkungen des Arbeitskampfes (welche Vorkehrungen hat der Arbeitgeber im Vorfeld getroffen)

- Betriebsrisikolehre des BAG, Kurzarbeitsregeln des Manteltarifvertrages und die Rechte des Betriebsrates bei arbeitskampfbedingter Kurzarbeit

- die Pflichten des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitsämtern und die Beteiligung des Betriebsrats

- Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 und 102 BetrVG

- Mitbestimmung des Betriebsrats bei Beendigung von Arbeitskampf und Fernwirkungen"

In seiner Sitzung vom 10.04.2002 beschloss der Betriebsrat einstimmig, dass sein Mitglied, Frau E., sowie die Klägerin an dem von der IG Metall in W. angekündigten Tagesseminar am 25.04.2002 teilnehmen sollten. Dies teilte der Betriebsrat der Geschäftsleitung der Beklagten noch am gleichen Tag mit.

Nach Ablauf der Friedenspflicht am 28.03.2002 wurden in NRW Warnstreikmaßnahmen durchgeführt, in die der Beklagten am 11.04.2002 und 15.05.2002 jeweils in der Zeit von 12:00 Uhr bis 15:15 Uhr einbezogen war. In der Zeit bis zum 18.04.2002 beteiligten sich rund 150.000 Beschäftigte aus 812 Betrieben in Nordrhein-Westfalen an den Warnstreikmaßnahmen.

Am 22.04.2002 beschloss die Tarifkommission für die Metall- und Elektroindustrie NRW beim Vorstand der IG Metall zu beantragen, dass dieser das Scheitern der Verhandlungen formell feststellen möge, die Bezirksleitung der IG Metall NRW zu beauftragen, dieses der Arbeitgeberseite mitzuteilen und ferner die Bezirksleitung der IG Metall NRW mit der Durchführung einer Urabstimmung zu beauftragen. Dieser Beschluss wurde dem Vorstand der IG Metall für die am 23.04.2002 stattfindende Vorstandssitzung übermittelt unter Beifügung eines detailliert ausgearbeiteten Streikkonzeptes für das Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen. Darauf beauftragte der Vorstand der IG Metall noch am gleichen Tag alle Bezirksleitungen - auch in Nordrhein-Westfalen -, die jeweiligen Tarifverhandlungen für gescheitert zu erklären. Es wurden dann die Bezirksleitungen Baden-Württemberg und Berlin/Brandenburg beauftragt, in der Zeit vom 25. bis 30.04.2002 Urabstimmungen durchzuführen. Am 24.04.2002 erklärte die IG Metall Bezirksleitung NRW dem Landesverband der Arbeitgeber formell das Scheitern der Verhandlungen und es wurde bei der IG Metall Bezirksleitung in Düsseldorf ein Streikbüro für das Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen eingerichtet. Alle Vorbereitungen zur Durchführung einer Urabstimmung und anschließender Streikmaßnahmen waren zu diesem Zeitpunkt bis auf die Genehmigung durch den Vorstand abgeschlossen.

Die Warnstreiks wurden in Nordrhein-Westfalen bis zum 18.05.2003 laufend durchgeführt. An ihnen beteiligten sich rund 300.000 Beschäftigte. Am 23.05.2002 führten Tarifverhandlungen für Nordrhein-Westfalen zu einem Verhandlungsergebnis mit Erklärungsfrist. Am 07.06.2002 erfolgte die Annahme des Tarifergebnisses durch die Arbeitgeberseite und die formelle Beendigung des Tarifkonfliktes in Nordrhein-Westfalen.

Nachdem die Beklagte der Klägerin bereits am 08.05.2002 mitgeteilt hatte, dass sie für den 25.04.2002 bei der Lohnabrechnung für April 2002 sieben Stunden in Abzug gebracht habe, forderte die Klägerin über ihre Einzelgewerkschaft die Beklagte mit Schreiben vom 07.06.2002 auf, ihr das am 25.04.2002 angefallene Fahrgeld in Höhe von 1,75 € sowie den Lohnausfall an diesem Tag in Höhe von 66,42 € brutto bis zum 21.06.2002 zu zahlen.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Wuppertal am 09.07.2002 eingereichten und der Beklagten zwei Tage später zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Schulung, an der sie teilgenommen habe, habe Kenntnisse vermittelt, die sie in der laufenden Tarifauseinandersetzung benötigt habe. Zwar sei es richtig, dass die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erst dann von diesem in Anspruch genommen werden könnten, wenn es zur Urabstimmung und Streik im Tarifgebiet der Beklagten und zu entsprechenden Fernwirkungen auf deren Betrieb komme. Um diese Rechte aber im Ernstfall im vollen Umfang wahren zu können, müsse sich der Betriebsrat aber bereits vor Beginn des Arbeitskampfes die notwendigen Grundlagen erarbeiten. Die in Rede stehende Schulung wäre sogar obsolet gewesen, wenn die Durchführung des Streiks in Nordrhein-Westfalen bereits beschlossen gewesen wäre. Denn der Betriebsrat hätte in so kurzer Zeit gegebenenfalls erforderliche Informationen ohnehin nicht mehr besorgen können. Aus diesem Grunde sei die streitgegenständliche Schulung als erforderlich anzusehen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1,75 € netto sowie 66,42 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.05.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die strittige Schulung sei nicht im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich gewesen. In der Tarifrunde 2002 sei ein Arbeitskampf für Nordrhein-Westfalen und damit auch für ihren Betrieb nicht geplant gewesen. Von daher fehle es an dem von der Rechtsprechung geforderten aktuellen Bezug für die Schulung des Betriebsrats zu dem Thema "Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf." Was die in der Tagesschulungen am 25.04.2002 dargestellte Neutralitätspflicht des Betriebsrats nach § 74 Abs. 2 BetrVG und die arbeitskampfbedingten Fernwirkungen beträfe, würden auch diese Themenpunkte die Erforderlichkeit nicht begründen. Die Klägerin verfüge über Grundkenntnisse zum Betriebsverfassungsgesetz. Sie kenne insbesondere die Grundsätze für die Zusammenarbeit, wie sie in § 74 BetrVG niedergelegt seien. Mit Fernwirkungen durch den Arbeitskampf in den von der IG Metall ausgewählten Bezirken Baden-Württemberg und Berlin/Brandenburg sei in ihrem Bezirk nicht zu rechnen gewesen. Sie seien auch tatsächlich nicht aufgetreten. In die von der IG Metall durchgeführten Flexistreiks seien jeden Tag andere Betriebe oder andere Betriebsteile einbezogen worden. Mit dieser Kampftaktik habe gerade verhindert werden sollen, dass Betriebe im Kampfgebiet, aber auch außerhalb mittelbar betroffen würden.

Das Arbeitsgericht hat durch sein am 09.10.2002 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt:

Es sei schon nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der streitbefangenen Schulungen, am 25.04.2002, damit zu rechnen gewesen sei, dass es im Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen und damit auch im Betrieb der Beklagten tatsächlich zu einem Arbeitskampf kommen werde. Das ergebe sich insbesondere daraus, dass der Vorstand de IG Metall am 23.04.2002 nicht die Bezirksleitung der IG Metall für Nordrhein-Westfalen, sondern die Bezirksleitung Baden-Württemberg und Berlin/Brandenburg beauftragt habe, Urabstimmungen vorzubereiten und durchzuführen. Auch sei zu berücksichtigen, dass es, worauf die Beklagte unwidersprochen hingewiesen habe, im Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen in den Jahren zuvor immer wieder nur zu Warnstreiks, nie aber zu Arbeitskampfmaßnahmen zwischen den Tarifvertragsparteien der Metallindustrie gekommen sei. Soweit die Klägerin darauf verwiesen habe, Gegenstand der Schulungsveranstaltung am 25.04.2002 seien auch arbeitskampfbedingte Fernwirkungen sowie die Neutralitätspflicht des Betriebsrates im Arbeitskampf gewesen, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ließen nicht erkennen, dass sich die Schulung zeitlich oder inhaltlich überwiegend mit diesen "Teilthemen" beschäftigt habe.

Gegen das ihr am 07.02.2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit einem beim Landesarbeitsgericht am 05.03.2003 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.04.2003 mit einem an diesem Tag bei Gericht eingereichten Schriftsatz begründet.

Die Klägerin hat unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend gemacht:

Im Betrieb der Beklagten seien keinerlei Kenntnisse vorhanden, die sich mit dem Verhalten und dem Aufgabenbereich des Betriebsrates während Arbeitskampfmaßnahmen befassen würden. Gerade in Zeiten des Arbeitskampfes würden sich aus den üblichen Betriebsratsaufgaben eine Vielzahl von Fragen ergeben, die auch für die Amtsausübung eines normalen Betriebsratsmitgliedes von Bedeutung seien. Zum Zeitpunkt der Einladung der IG Metall W. vom 04.04.2002 sei nicht absehbar gewesen, dass Nordrhein-Westfalen sich nicht direkt am Hauptarbeitskampf beteiligen würde. Der Betriebsrat habe aufgrund seiner eigenen Entscheidungskompetenz gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG und nach pflichtgemäßen Ermessen ihre Teilnahme an der Schulungsmaßnahme vom 25.04.2002 beschließen dürfen, weil er nach seinen Informationen zum Zeitpunkt der Anmeldung davon habe ausgehen können, dass Arbeitskampfmaßnahmen auf ihn zukommen würden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 09.10.2002 - Az.: 6 Ca 3169/02 v - abzuändern und gemäß dem erstinstanzlichen Schlussantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend aus:

Für die Beurteilung der Erforderlichkeit sei entscheidend, dass die Kenntniserlangung nicht nur abstrakt, sondern wegen der konkreten Situation im Betrieb geboten sei, damit die Betriebsratsmitglieder ihre Amtsobliegenheiten sachgerecht wahrnehmen könnten. Diese von § 37 Abs. 6 BetrVG und von der Rechtsprechung geforderte konkrete Erforderlichkeit sei auch nach dem zweitinstanzlichen Vorbringen der Klägerin nicht zu erkennen. Eine solche Erforderlichkeit habe nicht einmal im Zeitpunkt der Beschlussfassung und Anmeldung zu der Veranstaltung vorgelegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Betrieb durch Arbeitskampfmaßnahmen, ob direkt oder durch Fernwirkung betroffen werde, sei zum Zeitpunkt der Beschlussfassung wie auch zur Anmeldung nicht konkret genug, um eine Erforderlichkeit nach § 37 Abs. 6 BetrVG zu begründen.

Wegen des sonstigen Vorbringen der Parteien im einzelnen wird auf den mündlich vorgetragen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Klägerin, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat, bezogen auf die von ihr besuchte Schulungsveranstaltung am 25.04.2002, da diese für ihre Betriebsratsarbeit nicht erforderlich war, weder einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts für sieben Stunden in unstreitiger Höhe von 66,42 € brutto nach § 611 Abs. 1 BGB, § 37 Abs. 2 BetrVG i. V. m. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG noch einen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 1,75 € netto gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG i. V. m. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG.

I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten nur dann für die Betriebsratsarbeit nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG erforderlich, wenn der Betriebsrat diese unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Kenntnisse, die für den Betriebsratarbeit nur verwertbar und nützlich sind, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (BAG 20.10.1993 - 7 ABR 14/93 - EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 116; BAG 15.02.1995 - 7 AZR 670/94 - zu § 37 BetrVG 1972; vgl. auch BAG 04.06.2003 - 7 ABR 42/02 - Pressemitteilung Nr. 42/03). Soweit es sich dabei nicht um die Vermittlung sog. Grundkenntnisse handelt, ist für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade des zu der Veranstaltung entsandten Betriebsratsmitglied erforderlich macht, darauf abzustellen, ob nach den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen anstehen oder in absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrats unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissenstand des Betriebsrats und unter Berücksichtung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung gerade dieses Betriebsratsmitglieds geboten erscheint (BAG 20.12.1995 - 7 ABR 14/95 - EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 130). Der Betriebsrat hat bei seiner Beschlussfassung die Frage der Erforderlichkeit nicht nach subjektiven Ermessen zu beantworten, sondern sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten zu stellen, der die betrieblichen Interessen einerseits, diejenigen des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abwägt. Entscheidend ist hierbei auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung selbst abzustellen, wobei unerheblich ist, ob aus späterer Sicht rückblickend betrachtet die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung im strengem objektiven Sinne erforderlich war. Die gerichtliche Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlussfassung gegebenen Umständen eine derartige Entscheidung ebenfalls getroffen hätte (BAG 20.10.1993 - 7 ABR 14/93 - a. a. O.; BAG 15.02.1995 - 7 AZR 670/94 - a. a. O.).

II. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte eine Erforderlichkeit der von der Klägerin am 25.04.2002 besuchten Schulungsveranstaltung i. S. des § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG nicht festgestellt werden.

1. Die Teilnahme der Klägerin an der streitgegenständlichen Schulungsveranstaltung war nicht bereits deshalb als erforderlich anzusehen, weil sie auf die Vermittlung arbeitsrechtlichen Grundwissens ausgerichtet gewesen wäre. Die laut Themenplan auf der Schulungsveranstaltung am 25.04.2002 vermittelten Kenntnisse über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf sind nicht als unbedingte Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit anzusehen. Denn auch ohne diese Kenntnisse kann der Betriebsrat seine Tag für Tag anfallende Arbeit ordnungsgemäß erledigen.

2. Danach musste die Erforderlichkeit der Teilnahme der Klägerin an der Schulungsveranstaltung am 25.04.2002 besonders festgestellt werden. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass unter den aktuellen Verhältnissen des Betriebes der Beklagten im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats über die Teilnahme der Klägerin an der streitgegenständlichen Schulungsveranstaltung, nämlich am 10.04.2002, Probleme die die Betriebsratsarbeit während eines Arbeitskampfes betreffen, bereits anstanden oder aber in absehbarer Zeit anstehen konnten.

a) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Betriebsrat während eines Arbeitskampfes im Betrieb nicht etwa funktionsuntüchtig ist. Aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ergibt sich jedenfalls mittelbar, dass Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien die Rechte und Pflichten des Betriebsrats grundsätzlich unberührt lassen. Der Betriebsrat bleibt mit allen Rechten und Pflichten im Amt und hat dieses auch während eines Arbeitskampfes - neutral - wahrzunehmen. Der Fortbestand des Betriebsratsamts und die Fortexistenz eines betrieblichen Regelungspartners liegen dabei auch im wohlverstandenen Interesse des Arbeitgebers, etwa bei der Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung oder der Vereinbarung eines Notdienstes bei fehlender Regelung durch die Kampfparteien selbst (BAG 21.04.1971 - GS 1/68 - EzA Art. 9 GG Nr. 6; BAG 25.10.1988 - 1 AZR 368/87 - EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 89; BAG 10.12.2002 - 1 ABR 7/02 - EzA § 80 BetrVG 2001 Nr. 1).

b) Allerdings unterliegen einzelne Beteiligungsrechte des Betriebsrats trotz Fortbestands des Betriebsratsamts in einem vom Arbeitskampf unmittelbar betroffenen Betrieb arbeitskampfbedingten Einschränkungen. In Betrieben, die von einem Streik betroffen sind, entsteht regelmäßig eine Konfrontation zwischen Belegschaft und Arbeitgeber. In einer solchen Konfliktsituation besteht bei Aufrechterhaltung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte die Gefahr, dass der Betriebsrat eine dem Arbeitgeber sonst mögliche Abwehrmaßnahme vereitelt und dadurch zum Nachteil des Arbeitgebers in das Kampfgeschehen eingreift (BAG 22.12.1980 - 1 ABR 76/79 - EzA § 615 BGB Betriebsrisiko Nr. 8). Die Tarifautonomie und der aus ihr abzuleitende Grundsatz der Kampfmittelparität verlangen in diesen Fällen eine arbeitskampfkonforme Auslegung und damit eine Einschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats (BAG 14.02.1978 - 1 AZR 54/76 - EzA § 15 KSchG n. F. Nr. 19; BAG 10.12.2002 - 1 ABR 7/02 - a. a. O.). So hat der Betriebsrat z. B. bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellungen und Versetzungen (§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) sowie Entlassungen (§§ 102, 103 BetrVG) nicht mitzubestimmen (vgl. näher BAG 10.12.2002 - 1 ABR 7/02 - a. a. O.).

c) Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Schulung "Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf vom 25.04.2002 nach dem im Tatbestand wiedergegebenen Themenplan in erster Linie über Problemfelder unterrichtete, die die Rechte und Pflichten eines Betriebsrats während eines Arbeitskampfs im Betrieb betrafen. Wenn auch die Erforderlichkeit einer Schulung mit diesem Themenkreis nicht davon abhängen kann, ob bereits ein Arbeitskampf in dem Tarifgebiet, in dem der Betrieb mit den schulungswilligen Betriebsratsmitgliedern liegt, begonnen hat, muss nach Auffassung der Kammer doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass nach den aktuellen Verhältnissen des in Rede stehenden Betriebes Fragen anstehen, die die Rechte und Pflichten des Betriebsrats während eines Arbeitskampfes betreffen. Hiervon konnte im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, d. h. bei Beschlussfassung über die Teilnahme der Klägerin an der streitbefangenen Tagesschulung, also am 10.04.2002, nicht ausgegangen werden. Zum einen stand zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht fest, ob es im Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen in der Metall- und Elektroindustrie überhaupt zu einem Streik kommen würde. Zwar war in diesem Tarifgebiet am 28.03.2002 die Friedenspflicht abgelaufen. Dies bedeutete jedoch nicht, dass es anschließend unbedingt zu einem Streikaufruf der IG Metall kommen musste. Streikmaßnahmen drohten frühestens in dem Moment, in dem die Tarifkommission für die Metall- und Elektroindustrie NRW beim Vorstand der IG Metall am 22.04.2002 beantragte, das Scheitern der Verhandlungen formell festzustellen, die Bezirksleitung der IG Metall NRW zu beauftragen, dieses der Arbeitgeberseite mitzuteilen und ferner die Bezirksleitung der IG Metall NRW mit der Durchführung einer Urabstimmung zu beauftragen. Erst zu diesem Zeitpunkt hätte der Betriebsrat der Beklagten über die Teilnahme der Klägerin an einer Schulung, wie sie am 25.04.2002 stattgefunden hat, befinden dürfen.

III. Ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis ergibt sich nicht etwa aus dem Umstand, dass auf der Betriebsräteschulung am 25.04.2002 auch über Themen informiert wurde, die einen nicht im Gebiet eines Arbeitskampfes ansässigen Betrieb betreffen können, wie z. B. Informationsansprüche des Betriebsrats im Hinblick auf Fernwirkungen des Arbeitskampfes, und die im Hinblick auf den u. a. in Baden-Württemberg nach dem 25.04.2002 durchgeführten Arbeitskampf alsbald hätten aktuell werden können.

1. Allerdings ist dann, wenn eine Schulungsveranstaltung sich aus einem "erforderlichen" und einem "nicht erforderlichen" Teil zusammensetzt, ihre Erforderlichkeit i. S. des § 37 Abs. 6 BetrVG grundsätzlich einheitlich zu bewerten. Über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung entscheidet dann, ob die i. S. des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen (BAG 21.07.1978 - 6 AZR 561/75 - EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 60; LAG Hamburg 26.09.1996 - 1 TaBV 2/96 - NZA-RR 1997, 344, 345; GK-BetrVG/Wiese/Weber, 7. Aufl. 2002, § 37 Rz. 171 m. w. N.). Ein derart hoher zeitlicher Anteil an "erforderlichen" Themen ist dem Themenplan der Betriebsräteschulung vom 25.04.2002 nicht zu entnehmen. Im Übrigen hat die insoweit als Gläubigerin nach den allgemeinen Regeln darlegungspflichtige Klägerin hierzu nichts vorgetragen.

2. Da die Schulungsveranstaltung vom 25.04.2002 mangels entsprechender Anhaltspunkte und entsprechenden Vorbringens der Klägerin nicht in der Weise teilbar war, dass die "erforderlichen" Themen klar von den nicht erforderlichen Themen abgrenzbar waren und zeitlich hätten so behandelt werden können, dass ein zeitweiser Besuch möglich und sinnvoll gewesen wäre, auch kein Anspruch zugunsten der Klägerin nach § 37 Abs. 6 BetrVG an der teilweisen Teilnahme der Veranstaltung mit der Folge, dass sie auch nur einen Teil des von ihr beanspruchten Entgelts (§ 37 Abs. 2 BetrVG) inklusive der Fahrtkosten (§ 40 Abs. 1 BetrVG) zu beanspruchen gehabt hätte.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Streitsache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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