Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 291/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 398
BGB § 399
1. Die (Voraus-)Abtretung eines dem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes (§§ 9, 10 KSchG i. V. m. § 3 Nr. 9 EStG a. F. und n. F.) ist nicht nach § 399 1. Alt. BGB wegen ihrer Entschädigungsfunktion (zuletzt wieder BAG 24.04.2006 - 3 AZB 12/05 - EzA § 115 ZPO 2002 Nr. 3) ausgeschlossen.

2. Voraussetzung für eine wirksame Vorausabtretung ist, dass die abgetretene Forderung, hier der Abfindungsanspruch, von dem Abtretungsvertrag erfasst wird. Dies ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung festzustellen.

3. Die Vorausabtretung von Arbeitsentgeltansprüchen schließt nicht den Abfindungsanspruch ein. Dem steht nicht die Rechtsprechung des BAG (vgl. nur BAG 20.08.1996 - 9 AZR 964/94 - EzA § 767 ZPO Nr. 2), wonach die Pfändung von Arbeitseinkommen i. S. der §§ 850 ff. ZPO auch eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG erfasst, entgegen (vgl. auch LAG Köln 27.03.2006 - 14 (9) Sa 1335/05 - NZA-RR 2006, 365, 366).


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 291/06

Verkündet am 29. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29.06.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Kuhn und den ehrenamtlichen Richter Zeise

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.01.2006 - 9 Ca 6957/05 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage vor allem darüber, ob die Klägerin ihre Verpflichtung aus einem am 17.01.2005 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf geschlossenen Vergleich erfüllt hat.

Der am 30.04.1969 geborene Beklagte, der verheiratet ist, war vom 01.06.1998 bis zum 28.02.2005 bei der Klägerin als Kraftfahrer beschäftigt.

Aus Anlass der Aufnahme eines Kredites schloss die Citibank Privatkunden AG mit dem Beklagten und seiner Ehefrau am 08.02.2002 einen mit "Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitseinkommen und Sozialleistungen" überschriebenen Vertrag. In diesem Vertrag heißt es u.a.:

"I. Abgetretene Ansprüche und Auskunftsrecht 1. Wir treten hiermit den pfändbaren Teil unserer Lohn-, Gehalts-, Pensions- und sonstigen Entgeltansprüche aus unseren gegenwärtigen und künftigen Arbeitsverhältnissen gegen die jeweiligen Arbeitgeber sowie unserer Provisions- und sonstigen Entgeltansprüche gegen den jeweiligen Leistungsverpflichteten an die Citibank ab. Ferner treten wir die gem. § 59 Abs. 9 Sozialgesetzbuch (SGB) - 1. Buch - abtretbaren Teile unserer etwaigen gegenwärtigen und künftigen Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie etwa auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld (§ 19 SGB), Krankengeld (§ 21 SGB), Erwerbsunfähigkeits-, Berufsunfähigkeits-, Alters- und Hinterbliebenenrente (§§ 22, 23, 24 SGB) gegen die jeweiligen Leistungsträger an die Citibank ab. ..."

Am 27.02.2004 trafen die Parteien dieses Rechtsstreits folgende "Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag":

"In Ergänzung zum Arbeitsvertrag zwischen F. Containerdienst GmbH und Herrn N. L. vom 16.05.1998 wird hiermit der Ausschluss von Lohn- und Gehaltsabtretungen gemäß § 399 BGB vereinbart."

Mit Schreiben vom 29.10.2004 teilte die Citibank Privatkunden AG der Klägerin unter Vorlage der Abtretungserklärung vom 08.02.2002 mit, dass der Beklagte den pfändbaren Teil seiner Lohn-, Gehalts-, Pensions- und sonstigen Entgeltansprüche aus seinem gegenwärtigen und künftigen Arbeitsverhältnissen gegen die jeweiligen Arbeitgeber an sie - die Citibank Privatkunden AG - abgetreten habe.

Am 08.12.2004 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis der Parteien "fristgerecht mit einer Frist von 14 Tagen nach Zugang der Kündigung, hilfsweise zum nächstmöglichen gesetzlich zulässigen Termin." In dem vom Beklagten gegen diese Kündigung vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Kündigungsschutzprozess - 9 Ca 9283/04 - schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich diese auf u. a. auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2005 verständigten und die Klägerin dem Beklagten die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.000,-- € gem. §§ 9, 10 KSchG i. V. m. § 3 Ziff. 9 EStG zusagte. Von dem ihnen in diesem Vergleich vorbehaltenen Widerruf machten beide Parteien keinen Gebrauch.

Am 25.02.2005 überwies die Klägerin an die Citibank Privatkunden AG zur Kundennummer des Beklagten auf der Grundlage der Abtretungserklärung vom 08.02.2002 4.000,-- €. Zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung hinsichtlich dieses Betrages, den der Beklagte aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich vom 17.01.2005 für sich beanspruchte, hinterlegte die Klägerin in dieser Höhe - ohne Verzicht auf das Recht der Rücknahme - einen Geldbetrag beim Amtsgericht Düsseldorf - Hinterlegungsstelle (Az. 4 HL E 14/05).

Mit ihrer am 06.10.2005 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten und dem Beklagten am 17.10.2005 zugestellten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 17.01.2005 - 9 Ca 9283/04 - und begehrt die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs sowie die Freigabe des hinterlegten Betrages vom Beklagten.

Die Klägerin hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, sie sei jedenfalls ihrer aus dem in Rede stehenden Vergleich folgenden Verpflichtung zur Zahlung des Abfindungsbetrages nachgekommen, da der Abfindungsanspruch des Beklagten von der von ihm unter dem 08.02.2002 zu Gunsten der Citibank Privatkunden AG erfolgten Abtretung erfasst worden und das Abtretungsverbot vom 07.02.2004 gegenüber dieser Bank unwirksam sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.01.2005 - 9 Ca 9283/04 - für unzulässig zu erklären;

2. den Beklagten zu verurteilen,

a) die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des vorgenannten Vergleichs an sie - die Klägerin - herauszugeben,

b) gegenüber dem Amtsgericht Düsseldorf - Hinterlegungsstelle - zu Az. 4 HL E 14/05 die Freigabe des hinterlegten Betrages in Höhe von 4.000,-- € zu ihren - der Klägerin - Gunsten zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat im Wesentlichen die Ansicht vertreten, der Abfindungsbetrag stehe ihm zu, da die Klägerin seinen Anspruch durch die Zahlung an die Citibank Privatkunden AG nicht mit schuldbefreiender Wirkung erfüllt habe.

Mit seinem am 19.01.2006 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage des Klägers stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die statthafte Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sei begründet, weil die Klägerin durch geeignete Belege nachgewiesen habe, dass sie ihren Verpflichtungen aus dem gerichtlichen Vergleich vom 17.01.2005 nachgekommen sei. Dies betreffe insbesondere die Erfüllung des dem Beklagten nach diesem Vergleich zustehenden Abfindungsbetrages in Höhe von 4.000,-- €. Die Abtretungserklärung zu Gunsten der Citibank Privatkunden AG vom 08.02.2002 habe nämlich auch den Abfindungsanspruch des Beklagten erfasst, da es sich hierbei um einen sonstigen Entgeltanspruch i. S. dieser Erklärung gehandelt habe. Die Klägerin habe gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs gem. § 371 BGB, da die Klägerin ihren Verpflichtungen aus diesem Vergleich nachgekommen sei. Der Anspruch auf Freigabeerklärung hinsichtlich des hinterlegten Betrages in Höhe von 4.000,-- € ergebe sich aus §§ 812, 378 BGB. Da die zu tilgende Forderung bereits erfüllt sei, sei die Hinterlegung des Betrages in Höhe von 4.000,-- € gem. § 812 BGB rückabzuwickeln.

Gegen das ihm am 15.02.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem bei Gericht am 15.03.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.05.2006 -mit einem bei Gericht am 15.05.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung beziehe sich die Abtretungsvereinbarung vom 08.02.2002 ausdrücklich nur auf wiederkehrende zahlbare Vergütungen und nicht auf Abfindungsansprüche.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 9 Ca 6957/05 - vom 19.01.2006 abzuändern und die

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin weist insbesondere darauf hin, dass die Vorinstanz zu Recht den Abfindungsanspruch als "sonstigen Entgeltanspruch" i. S. der Abtretungserklärung vom 08.02.2002 angesehen habe. Das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Urteil vom 13.11.1991 - 4 AZR 20/91 - Abfindungen gem. §§ 9, 10 KSchG auch gerade deswegen als "Arbeitseinkommen" i. S. der §§ 850 ff ZPO angesehen, weil sie als mittelbare, sonstige aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Entgeltansprüche anzusehen seien.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung des Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist begründet.

I.

Die Begründetheit der Berufung betrifft zunächst die mit dem Antrag zu 1) erhobene Vollstreckungsgegenklage i. S. von § 767 Abs. 1 ZPO.

1. Richtig erkannt hat die Vorinstanz, dass diese Klage zulässig ist.

a) Die Vollstreckungsgegenklage ist zunächst gem. § 767 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthaft. Sie richtet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich. Auf solche Klagen ist die Vorschrift des § 767 Abs. 1 ZPO anwendbar (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 795 Satz 1 ZPO).

b) Zudem macht die Klägerin eine materielle Einwendung gegen den vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf am 17.01.2005 geschlossenen Vergleich - 9 Ca 9283/04 - geltend. Sie beruft sich nämlich vorrangig auf die Erfüllung des dem Beklagten an sich gemäß diesem Vergleich zustehenden Abfindungsanspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB i. V. m. § 398 Satz 2 BGB.

2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist aber die Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 Abs. 1 ZPO unbegründet.

a) Die Tatsache, dass der Klägerin die Abtretungserklärung des Beklagten vom 08.02.2002 im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses am 17.01.2005 bekannt war, steht der Geltendmachung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen einer etwaigen Erfüllung des gemäß dem vorstehenden Vergleich an sich dem Beklagten zustehenden Abfindungsanspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB i. V. m. § 398 Satz 2 BGB nicht entgegen. Die in § 767 Abs. 2 ZPO statuierte Beschränkung auf materiell-rechtliche Einwendungen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind, greift nicht ein. Zwar sind auf die Zwangsvollstreckung von Prozessvergleichen gem. §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795 Satz 1 ZPO die Vorschriften der §§ 724 bis 793 ZPO entsprechend anzuwenden. § 767 Abs. 2 ZPO dient aber allein der Sicherung des Bestandes einer getroffenen gerichtlichen Entscheidung und damit der materiellen Rechtskraft. Prozessvergleiche erwachsen jedoch nicht in materieller Rechtskraft. Ihnen kommt nicht die prozessuale Wirkung eines Urteils (§ 322 Abs. 1 ZPO) zu. § 767 Abs. 2 ZPO ist deshalb auf Prozessvergleiche nicht anwendbar (vgl. BAG 12.09.1979 - 4 AZR 420/77 - EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 8; BGH 14.05.1987 - BLw 5/86 - WM 1987, 1209, 1210; BGH 29.06.1998 - II ZR 353/97 - BGHZ 139, 132, 135 m. w. N.).

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist aber der Abfindungsanspruch des Beklagten in Höhe von 4.000,-- € gegen die Klägerin gemäß dem gerichtlichen Vergleich vom 17.01.2005 nicht nach § 362 Abs. 1 BGB i. V. m. § 398 Satz 2 BGB durch die Zahlung dieses Betrages seitens der Klägerin an die Citibank Privatkunden AG erloschen.

aa) Allerdings kann auch ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gem. §§ 9, 10 KSchG i. V. m. § 3 Nr. 9 EStG i. d. F. des Art. 1 Nr. 4 lit. a aa des "Haushaltsbegleitgesetz 2004 (HBegl 2004)" vom 29.12.2003 (BGBl. I, S. 3076) - künftig: § 3 Nr. 9 EStG a. F. - gezahlt werden soll, gem. § 398 Satz 1 BGB abgetreten werden. Die Entschädigungsfunktion,die einer solchen Abfindung für die Aufgabe des als "sozialer Besitzstand" anzusehenden Arbeitsplatzes zukommt (vgl. BAG 12.06.2003 - 8 AZR 341/02 -EzA § 628 BGB 2002 Nr. 1; BAG 15.07.2004 - 2 AZR 630/03 - EzA § 271 BGB 2002 Nr. 1; BAG 24.04.2006 - 3 AZB 12/05 - EzA § 115 ZPO 2002 Nr. 3; APS/Biebl, 2. Aufl. 2004, § 9 KSchG Rz. 38; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. 2005, Rz. 2005 m. w. N. in Fn 113), schließt die Abtretung nicht nach § 399 1. Alt. BGB aus (vgl. LAG Hamm 16.01.1987 - 16 (11) Sa 1921/86 - n. v.; ArbG Karlsruhe 10.04.2002 - 9 Ca 679/01 - NZA - RR 2003, 212, 213; ErfK/Ascheid, 6. Aufl. 2006, § 10 KSchG Rz. 20; APS/Biebl, 2. Aufl. 2004, § 10 KSchG Rz. 42).

bb) Der Abtretung steht auch nicht entgegen, dass der Abfindungsanspruch des Beklagten im Zeitpunkt des Abtretungsvertrages vom 08.02.2002 noch nicht entstanden war. Die Abtretung künftiger Forderungen ist zulässig (vgl. nur BGH 22.06.1989 - III ZR 72/88 -NJW 1989, 2383, 2384; BAG 27.06.1968 - 5 AZR 312/67 - AP Nr. 3 zu § 398 BGB; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 398 Rz. 11 m. w. N.). Dies gilt auch für einen Abfindungsanspruch gem. §§ 9, 10 KSchG i. V. m. § 3 Nr. 9 EStG a. F. (vgl. LAG Hamm 16.01.1987 - 16 (11) Sa 1921/86 - n. v.; LAG Köln 27.03.2006 - 14 (9) Sa 1335/05 - NZA - RR 2606, 365, 366; KR/Spilger, 7. Aufl. 2005, § 10 KSchG Rz. 15; Löwisch/Spinner, KSchG, 9. Aufl. 2004, § 10 Rz. 38).

cc) Voraussetzung für eine wirksame Vorausabtretung ist aber, dass die abgetretene Forderung, hier der Abfindungsanspruch des Beklagten, spätestens bei ihrer Entstehung nach Gegenstand und Umfang bestimmt oder bestimmbar ist (BGH 16.03.1995 - IX ZR 72/94 NJW 1995, 1668, 1969; BGH 12.10.1999 - XI ZR 24/99 - NJW 2000, 276, 277; Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 398 Rz. 14). Es muss sich aus dem Abtretungsvertrag eindeutig ergeben, dass im konkreten Fall eine zum Entstehen gelangte Forderung von der Abtretung umfasst ist (vgl. BGH 12.10.1999 - XI ZR 24/99 - NJW 2000, 276, 277; Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 398 Rz.14).

dd) Aus Abschnitt I Nr. 1 der Abtretungsvereinbarung vom 08.02.2002 kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz gerade nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden, dass auch der pfändbare Teil (vgl. § 400 BGB) der dem Beklagten von der Klägerin in dem Vergleich vom 17.01.2005 versprochenen Abfindung unter die abgetretenen Ansprüche fallen soll.

(1.) Die Abtretungserklärung ist anhand der für Willenserklärungen geltenden Grundsätze der §§ 133, 157 BGB auszulegen. Dabei ist im vorliegenden Fall die in § 305 c Abs. 2 BGB normierte Auslegungsregel zu beachten. Denn der Abtretungsvertrag vom 08.02.2002 ist von den Vertragsparteien (dem Beklagten, seiner Ehefrau und der Citibank-Privatkunden AG) nicht i. S. von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgehandelt worden (vgl. hierzu näher BAG 18.01.2006 - 7 AZR 191/05 - EzA § 307 BGB 2002 Nr. 13 m. w. N.). Vielmehr handelt es sich um einen von der Citibank-Privatkunden AG vorformulierten Vertragstext, der für eine Vielzahl von Fällen zur Anwendung gelangt. Es handelt sich also um allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.

(2.) Der streitbefangene Abfindungsanspruch ist nicht ausdrücklich in Abschnitt I Nr. 1 der Abtretungsvereinbarung vom 08.02.2002 erwähnt. Streitig zwischen den Parteien ist, ob er unter den Begriff der "sonstigen Entgeltansprüche" aus den Arbeitsverhältnissen gefasst werden kann. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass in Abschnitt I 1 Satz 1 konkret ausschließlich Arbeitsentgelte, wie Lohn-, Gehalts- und Provisionsansprüche genannt sind, die der Arbeitgeber für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gem. § 611 Abs. 1 BGB schuldet. Soweit dazu noch konkret Pensionsansprüche genannt sind, handelt es sich um Entgeltansprüche mit Versorgungscharakter im Ruhestand (vgl. nur BAG 18.03.2003 - 3 AZR 81/02 - NZA 2003, 98, 100).

(3.) Damit können unter "sonstige Entgeltansprüche" einerseits nur solche gemeint sein, die für eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gem. § 611 Abs. 1 BGB geschuldet werden. Hierunter fallen sowohl Entgelte, die im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis zur vereinbarten Arbeitsleistung stehen, sog. Entgelt im engeren Sinn, als auch solche, die dem Arbeitnehmer aufgrund sonstiger Regelungen zustehen, sog. Entgelt im weiteren Sinn (zu diesen Begriffen vgl. BAG 07.09.2004 - 9 AZR 631/03 - NZA 2005, 941, 942 f). Andererseits können unter den Begriff "sonstige Entgeltansprüche" nur solche mit Versorgungscharakter in Ruhestand gemeint sein. Ein derartiger Entgelt- bzw. Versorgungscharakter kommt der streitgegenständlichen einmaligen Abfindung jedoch gerade nicht zu. Vielmehr hat sie, wie bereits dargestellt, eine Entschädigungsfunktion für den Verlust des Arbeitsplatzes des Beklagten.

dd) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz spielt es für die Frage, ob die streitgegenständliche Abfindung ein "sonstiger Entgeltanspruch" i. S. von Abschnitt I Nr. 1 Satz 1 des Abtretungsvertrages vom 08.02.2002 ist, keine Rolle, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG 13.11.1991 - 4 AZR 20/91 - NZA 1992, 384, 385; BAG 20.08.1996 -9 AZR 964/94 EzA § 767 ZPO Nr. 2) die Pfändung von "Arbeitseinkommen" i. S. der §§ 850 ff ZPO auch eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG erfasst (ebenso LAG Schleswig-Holstein 13.12.2005 - 2 Sa 384/05 - NZA - RR 2006, 371; APS/Biebl, a. a. O. § 10 KSchG Rz. 43; Bauer, Festschrift für Hanau, 1999, S. 151, 170; KR/Spilger, a. a. O., § 10 KSchG Rz. 17). Zum einen sind Pfändung und Abtretung voneinander zu unterscheiden (so ausdrücklich ArbG Karlsruhe 10.04.2002 - 9 Ca 679/01 - NZA - RR 2003, 212, 214). Zum anderen befasst sich das Bundesarbeitsgericht in den genannten Entscheidungen allein mit der Auslegung eines Rechtsbegriffs in einer bestimmten gesetzlichen Bestimmung, nämlich § 850 ZPO. Dabei argumentiert es in der grundlegenden Entscheidung vom 12.09.1979 (- 4 AZR 420/77 - EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 8) entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur Auslegung von Gesetzen mit dem Wortlaut des § 850 Abs. 4 ZPO ("alle Vergütungen, die dem Schuldner aus der Arbeits- oder Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Ernennungs- oder Berechnungsart"), der Bedeutung des § 850 ZPO als Definition für die §§ 850 a bis i ZPO und dem Sinn und Zweck des § 850 ZPO (Bestreben des Gesetzgebers, einen umfassenden Pfändungsschutz aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu erreichen). Das Ergebnis der damit vorgenommenen Gesetzesauslegung lässt sich nicht auf die Auslegung individualrechtlicher Vereinbarungen, die, wie bereits dargestellt, eigenen Auslegungsgrundsätzen unterliegen, übertragen (so ausdrücklich LAG Hamm 16.01.1987 - 16 (11) Sa 1921/86 - n. v.; vgl. auch LAG Köln 27.03.2006 - 14 (9) Sa 1335/05 - NZA - R 2006, 365, 366).

ee) Sofern man aufgrund der vorstehenden Auslegung nicht zu dem eindeutigen Ergebnis kommt, dass die von dem Beklagten beanspruchte Abfindung nicht unter die gem. Abschnitt I Nr. 1 Satz 1 der Abtretungsvereinbarung vom 08.02.2002 genannten Entgeltansprüche fällt, kann allenfalls zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass zwei Auslegungsergebnisse denkbar sind, nämlich einerseits eine Gleichsetzung mit dem "Arbeitseinkommen" i. S. der §§ 850 ff ZPO und andererseits eine Anknüpfung an den Entgeltcharakter von Leistungen im Arbeitsverhältnis (vgl. § 611 Abs. 1 BGB), der einer Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG i. V. m. § 3 Nr. 9 EStG a. F. üblicherweise gerade fehlt. Besteht aber keine hinreichende Klarheit, ist die Auslegungsregel des § 305 c Abs. 2 BGB anzuwenden mit der Folge, dass hier zu Gunsten des Beklagten eine kundenfreundliche Auslegung vorzunehmen ist. Diese muss dazu führen, die vom Beklagten beanspruchte Abfindung nicht unter die "sonstigen Entgeltansprüche" zu subsumieren (vgl. auch LAG Köln 27.03.2006 - 14 (9) Sa 1335/05 - NZA - RR 2006, 365, 366; ArbG Karlsruhe 10.04.2002 - 9 Ca 679/01 - NZA - RR 2003, 212, 214). Zwar hätte eine schuldbefreiende Zahlung der Klägerin an die Citibank-Privatkunden AG auch die Wirkung zu Gunsten des Beklagten gehabt, diesen von einer bestehenden Verbindlichkeit gegenüber dieser Bank in der entsprechenden Höhe zu befreien. Dem Beklagten wäre damit jedoch die Möglichkeit genommen, eigene Dispositionen zu treffen, in welchem Umfang und in welcher Reihenfolge er verschiedene bestehende Verbindlichkeiten tilgt (vgl. auch ArbG Karlsruhe 10.04.2002 - 9 Ca 679/01 - AZR - RR 2003, 212, 213. Damit aber konnte die Klägerin den Anspruch des Beklagten auf Zahlung der ihm gemäß dem gerichtlichen Vergleich vom 17.01.2005 zustehenden Abfindung nicht durch Zahlung an die Citibank-Privatkunden AG erfüllen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist auch hinsichtlich der mit dem Antrag zu 2) verfolgten Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs vom 17.01.2005 - 9 Ca 9283/04 - unbegründet.

1. Allerdings ist diese Klage zulässig.

a) Überwiegend wird die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels in analoger Anwendung des § 371 BGB zugelassen (BGH 21.01.1994 - V ZR 238/92 - NJW 1994, 1161, 1162; BGH 22.09.1994 - IX ZR 165/93 - BGHZ 127, 146, 148; Pfeiffer in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 1. Aufl. 2006, § 371 Rz. 4; MünchKom - ZPO/K.Schmidt, 2. Aufl. 2000, § 767 Rz. 20 m. w. N.). Eine prozessrechtliche Klage auf Herausgabe eines solchen Titels wäre nicht statthaft, da der Anwendungsbereich des § 757 ZPO nicht erweitert werden kann (BGH 22.09.1994 - IX ZR 165/93 - BGHZ 127, 146, 148 m. w. N.).

b) Für die mit dem Antrag zu 2) erfolgte Herausgabeklage hat die Klägerin auch ein Rechtsschutzinteresse. In analoger Anwendung des § 371 BGB über schreitet die Wirkung des § 767 Abs. 1 ZPO, weil sie den Gläubiger jeder Möglichkeit beraubt, die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Demgegenüber führt das der Vollstreckungsgegenklage stattgebende Urteil nur über § 775 Nr. 1 ZPO - im Streitfall i. V. m. §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795 Satz 1 ZPO - zur Einstellung der Zwangsvollstreckung (BGH 22.09.1994 - IX ZR 165/93 - BGHZ 127, 146, 149; vgl. auch Pfeiffer, a. a. O., § 371 Rz. 4).

2. Die Klage der Klägerin auf Herausgabe des streitgegenständlichen Vollsteckungstitels ist jedoch unbegründet.

a) Solange die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungstitel nicht gemäß § 767 Abs. 1 ZPO für unzulässig erklärt worden ist, steht der Titel dem Gläubiger vollstreckungsrechtlich zu. Deshalb ist die erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO Voraussetzung für den Anspruch aus § 371 BGB analog (Pfeiffer, a. a. O., § 371 Rz. 4; vgl. auch BGH 21.01.1994 - V ZR 238/92 - NJW 1994, 1161, 1162).

b) Im Streitfall ist die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 17.01.2005 in zweiter Instanz gerade nicht für unzulässig gemäß § 767 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795 Satz 1 ZPO erklärt worden. Wegen der näheren Begründung wird auf die Ausführungen unter I 2 verwiesen.

III.

Schließlich ist die Berufung des Beklagten auch hinsichtlich des mit dem Klageantrag zu 2 b geltend gemachten Anspruchs auf Abgabe einer Freigabeerklärung des Beklagten gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Düsseldorf unbegründet.

Zwar hat die Vorinstanz richtig erkannt, dass dieser Anspruch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB gestützt werden kann (vgl. nur BGH 12.10.1999 - XI ZR 24/99 - NJW 2000, 276, 277). Denn der Beklagte ist durch die Hinterlegung des Abfindungsbetrages durch die Klägerin nach Maßgabe des § 379 Abs. 1 BGB nicht in irgendeiner Weise bereichert, da die Klägerin den gerichtlichen Vergleich vom 17.01.2005 jedenfalls hinsichtlich des Abfindungsbetrages noch nicht erfüllt hat und der entsprechende Anspruch des Beklagten deshalb nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist.

B.

Die Kosten des Rechtsstreits waren der Klägerin gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG aufzuerlegen.

Das Gericht hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision für die Klägerin nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück