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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 11 Sa 532/01
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 75 d
Auf eine so genannte Mandantenübernahmeklausel ist § 75 d Satz 2 HGB analog anzuwenden.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 532/01

Verkündet am: 28.06.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28.06.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Strutz und den ehrenamtlichen Richter Lamsfuß

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.02.2001 - 7 Ca 8393/00 -wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte schloss am 08.01.1988 mit dem heutigen Vorstandsmitglied der Klägerin, Herrn Dipl.-Kfm. R. T., der damals eine Steuerberaterpraxis betrieb, einen auf den 06.01.1988 datierten Anstellungsvertrag. Danach trat die Beklagte mit Wirkung vom 01.04.1988 in die Praxis des Herrn T.als Fachgehilfin in Steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen (Steuerassistentin) ein. Ihr Aufgabengebiet umfasste Buchführungsarbeiten, Lohnabrechnungen, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen und alle sonstigen Beratungsaufgaben.

In Ziffer 10 des Anstellungsvertrages heißt es unter der Überschrift "Entschädigung":

"Übernehmen Sie bei oder im Zusammenhang mit Ihrem Ausscheiden aus den Diensten meiner Praxis unmittelbar oder mittelbar Mandate meiner Praxis, so werden Sie als Entschädigung für einen Zeitraum von 5 Jahren seit dem Ausscheiden einen Betrag in Höhe von 20 % Ihres Gesamtumsatzes mit dem betreffenden Mandanten an mich abführen. Die Zahlungen sind jeweils am 1. März eines Jahres für den Jahresumsatz des vorangegangenen Kalenderjahres fällig."

Das Steuerberatungsbüro R. T.ging auf die Firma R. T. Steuerberatungsgesellschaft m. b. H. über. Ihre Rechtsnachfolgerin ist die Klägerin. Die Eintragung der formwechselnden Umwandlung der Firma R.T. Steuerberatungsgesellschaft m. b. H. in die Beklagte erfolgte in das Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf unter HR B 35704 am 03.03.1998.

Die Beklagte bestand im Jahre 1998 das Steuerberaterexamen. Zum 31.01.1999 endete das Anstellungsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin. Bis August 1999 war die Beklagte für die Klägerin noch als freie Mitarbeiterin tätig.

Nach dem Ausscheiden der Beklagten im Januar 1999 zeigte sich, dass diverse Mandanten, die während ihrer Anstellung bei der Klägerin von ihr betreut worden waren, das Mandatsverhältnis zu der Klägerin kündigten bzw. die Dienste nicht mehr in Anspruch nahmen. Am 02.02.1999 legte die Beklagte dem Vorstand der Klägerin einen Antrag auf Übertragung von Mandantendaten bei der Datev, dem Rechenzentrum der Steuerberater in Nürnberg, vor. Es handelte sich hierbei um fünf Mandate, die von der Beklagten über einen längeren Zeitraum bei der Klägerin betreut worden waren. Das Vorstandsmitglied der Klägerin, Herr T., stimmte der Übertragung der Mandate zu. Dies geschah nach Behauptung der Klägerin im Vertrauen darauf, dass die Beklagte den eingegangenen Verpflichtungen, d. h. insbesondere der Zahlung entsprechend der Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 06.01.1988, nachkomme.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.09.2000 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr bis zum 12.10.2000 Auskunft über die übernommenen Mandate gemäß der Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 06.01.1988 zu erteilen sowie die vereinbarte Zahlung auf das ihr bekannte Konto zu leisten. Diese Aufforderung wiederholte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 13.10.2000 unter Fristsetzung bis zum 24.10.2000. Unter dem 03.11.2000 wies die Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten die Forderung der Klägerin mit Hinweis auf u. a. die Sittenwidrigkeit der in Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 08.01.1988 getroffenen Regelung zurück.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Düsseldorf am 13.12.2000 eingereichten Klage verfolgt die Klägerin in Form einer Stufenklage ihr Auskunftsverlangen weiter.

Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Sie sei erst dann in der Lage, die Höhe der Zahlungen entsprechend der Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 08.01.1988 festzulegen, wenn sie die einzelnen Mandanten kenne, die nach dem Ausscheiden der Beklagten durch diese weiter betreut würden. Die in dieser Regelung getroffene Mandantenübernahmeklausel sei nicht etwa unwirksam. Zum einen sei die Klausel zum Zeitpunkt des Abschlusses des Anstellungsvertrages vom 06.01.1988 im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer empfohlen worden (vgl. die von der Wirtschaftsprüferkammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 5 WPO erlassenen Richtlinien für die Berufsausübung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer vom 01.12.1977). Zum anderen sei die in Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 06.01.1988 getroffene Abrede nicht darauf gerichtet, die Beklagte als Konkurrentin auszuschalten. Dieser verbleibe nämlich nach Abführung des Honoraranteils eine Gewinnspanne, die die Bearbeitung der Mandate durch sie weiterhin lohne. Die Beklagte habe ausdrücklich ihre - der Klägerin -Mandanten angesprochen und darüber informiert, dass sie sich selbstständig machen werde. Dies sei ihrem Vorstand von zwei Mandanten mitgeteilt worden. Sie habe aufgrund des Fernbleibens von Mandaten festgestellt, dass ein Jahresumsatz in Höhe von ca. DM 120.000,00 fehle.

Die Klägerin hat beantragt,

a) die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über die Mandanten, die sie bis zu ihrem Ausscheiden am 31. Januar 1999 bei ihr betreut hat und die sie seit dem Ausscheiden bis heute noch betreut oder betreut hat, und über den Umsatz mit diesen Mandanten zu erteilen,

b) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern,

c) an sie einen Geldbetrag entsprechend der Klausel 10 des Anstellungsvertrages vom 6. Januar 1988 zwischen ihr und der Beklagten nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die streitgegenständliche Regelung im Anstellungsvertrag vom 08.01.1988 sei unwirksam. Diese sei zwischen den Parteien zu einer Zeit getroffen worden, als die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Betreuung von Steuerberatungsmandaten bei ihr noch nicht vorgelegen hätten. Derartige Klauseln dürften aber zwischen nicht gleichberechtigten Partnern nicht vereinbart werden, weil sie sittenwidrig seien. Die Klausel selbst sei zudem völlig unpräzise formuliert. Zur Ausgleichspflicht würden auch "mittelbare" Mandate führen, was auch immer dies heißen möge. Selbst wenn man die Wirksamkeit der hier streitgegenständlichen Klausel zu Gunsten der Klägerin unterstellen würde, wäre die geforderte Ausgleichszahlung wesentlich zu hoch. Sie habe im streitigen Zeitraum lediglich einen Gewinn von unter 30 % erzielt. Daraus folge schon, dass eine Gewinnabschöpfung von 20 % nicht zulässig sein könne. Für sie wäre eine Mandatsübernahme unter diesen Umständen wirtschaftlich uninteressant, weil die Entschädigung unangemessen hoch sei und ihr vielleicht noch ein Gewinn zwischen 5 und 10 % verbliebe. Die Klausel sei deshalb schon gemäß §§ 74 ff., 75 d HGB unwirksam.

Mit seinem am 12.02.2001 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 08.01.1988 sei gemäß § 75 d HGB unwirksam. Dieser Regelung komme eine wettbewerbsähnliche Wirkung zu, sodass die Klägerin mit der Beklagten eine Karenzentschädigung hätte vereinbaren müssen. Die wettbewerbsähnliche Wirkung der streitgegenständlichen Klausel resultiere daraus, dass die Berufsausübung der Beklagten dadurch eingeschränkt werde, dass sie, wenn sie ehemalige Mandate der Klägerin weiter betreue, 20 % des Umsatzes für die nächsten fünf Jahre zu zahlen habe.

Gegen das ihr am 22.03.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 23.04.2001 (Montag) eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 21.05.2001 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin hat unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend ausgeführt:

Die streitgegenständliche Mandantenübernahmeklausel untersage der Beklagten gerade nicht, ihr Wettbewerb zu machen. Aufgrund der übernommenen Mandate erziele die Beklagte Umsätze mit eben diesen Mandaten. Von diesen sei vereinbarungsgemäß ein Anteil an sie abzuführen. Der Beklagten habe es also frei gestanden, gerade die Beziehungen zu nutzen, an die sie während ihrer bisherigen Tätigkeit habe anknüpfen können. Damit entfalle aber ein wichtiger Grund, der die Rechtsprechung bei der allgemeinen Mandantenschutzklausel dazu bewogen habe, insbesondere § 74 Abs. 2 HGB analog anzuwenden. Der Schutzbereich der §§ 74 ff. HGB sei bei einer Mandantenübernahmeklausel nur tangiert, wenn der abzuführende Honoraranteil unangemessen hoch sei. Dies sei aufgrund der zwischen den Parteien vereinbarten Mandantenübernahmeklausel gerade nicht der Fall.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 12. Februar 2001 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf- 7 Ca 8393/00 - die Beklagte im Wege der Stufenklage in der ersten Stufe zu verurteilen, ihr Auskunft über die Mandanten, die sie bis zu ihrem Ausscheiden am 31. Januar 1999 bei ihr betreut hat und die sie seit dem Ausscheiden bis heute noch betreut oder betreut hat, und über den Umsatz mit diesen Mandanten zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend aus:

Eine Mandantenübernahmeklausel könne im Streitfall schon deshalb nicht vorliegen, weil die Parteien nicht zwei sich deckende Willenserklärungen für die Übernahme einzelner Mandate abgegeben hätten. Die Mandanten seien an sie herangetreten und hätten sie mandatiert. Zwischen den Parteien hätten hierzu keinerlei Gespräche stattgefunden und es seien auch keine Vereinbarungen getroffen worden. Im Übrigen hätte die in Rede stehende Klausel nur wirksam sein können, wenn die Klägerin ihr eine Entschädigung dafür gezahlt hätte, dass sie nicht in den Wettbewerb mit ihr - der Klägerin - eintrete. Hierzu sei jedoch keine Vereinbarung getroffen worden.

Hinsichtlich des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird ausdrücklich auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die nach § 254 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässige Stufenklage auf der ersten Stufe abgewiesen, weil der Klägerin der von ihr begehrte Auskunftsanspruch nicht zusteht.

I. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarerweise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BAG 09.11.1999 - 9 AZR 771/98 - EzA § 11 BUrIG Nr. 44; BAG 21.11.2000 -9 AZR 665/99 - DB 2001, 1727, 1728). Dieser Rechtsgrundsatz gilt inzwischen als Gewohnheitsrecht (BAG 07.09.1995 - 8 AZR 828/93 - EzA § 242 BGB Auskunftspflicht Nr. 4 m. w. N.). Im Arbeitsverhältnis wird der Inhalt dieser Nebenpflicht durch eine besondere persönliche Bindung der Vertragspartner geprägt. Das Arbeitsverhältnis beinhaltet spezifische Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des jeweiligen Vertragspartners (BAG 07.09.1995 - 8 AZR 828/93 - a. a. O.).

II. Im Streitfall steht der Klägerin unter Beachtung der genannten Voraussetzungen der von ihr geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Denn die Klägerin kann nicht gemäß Ziffer 10 des zwischen ihrem Rechtsvorgänger und der Beklagten geschlossenen Anstellungsvertrag vom 08.01.1988 20 % von deren Gesamtumsatz mit Mandanten, die diese in ihrer-der Klägerin - Praxis unmittelbar oder mittelbar betreut hat, verlangen, mit der Folge, dass sie - die Klägerin - über die genaue Höhe dieses Betrages auch nicht im Ungewissen sein kann. Die Kammer ist mit der Vorinstanz der Überzeugung, dass die in Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 08.01.1988 vereinbarte Klausel gemäß § 75 d Satz 2 HGB analog unwirksam ist.

1. Nach § 75 d Satz 1 HGB kann sich der Arbeitgeber nicht auf eine Vereinbarung berufen, durch die von den Vorschriften der §§ 74 - 75 c HGB zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen wird. Dieses unmittelbar nur für Wettbewerbsverbote zwischen Handlungsgehilfen und ihren Arbeitgebern aufgestellte Verbot gilt entsprechend für Mandantenschutzklauseln zwischen Arbeitnehmern und frei beruflich tätigen Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Die bei den Angehörigen der freien Berufe beschäftigten Arbeitnehmer sind in gleicherweise sozial schutzbedürftig wie kaufmännischen Angestellten in einem Handelgewerbe. Eine allgemeine Mandantenschutzklausel, durch die dem Arbeitnehmer untersagt wird, für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ehemaligen Mandanten des Arbeitgebers Beratungsverträge abzuschließen, behindert dessen berufliches Fortkommen in gleicher Weise wie ein Wettbewerbsverbot den Handlungsgehilfen nach § 74 Abs. 1 HGB (BAG 10.12.1985 - 3 AZR 242/84 - AP Nr. 31 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; BAG 27.09.1988 - 3 AZR 59/87 - AP Nr. 35 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel).

2. Bei einer allgemeinen Mandantenschutzklausel ist dem Arbeitnehmer untersagt, Beratungsverträge mit ehemaligen Mandanten seines Arbeitgebers abzuschließen. Eine derartige Mandantenschutzklausel enthält Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 08.01.1988 allerdings nicht. Vielmehr handelt es sich um eine sog. Mandantenübernahmeklausel. Im Unterschied zur Mandantenschutzklausel, die ein ausdrückliches Verbot enthält, die Mandanten des früheren Arbeitgebers zu betreuen, besteht bei einer Mandantenübernahmeklausel gerade die Möglichkeit, ohne Einschränkung, sieht man einmal von dem ohnehin zu beachtenden Verbot der Abwerbung ab, Mandanten zu übernehmen. Dem ehemaligen Angestellten steht es damit frei, gerade die Beziehungen zu nutzen, die er während seiner bisherigen Tätigkeit knüpfen konnte. Damit entfällt aber ein maßgeblicher Grund, der die Rechtsprechung bei der allgemeinen Mandantenschutzklausel dazu bewogen hat, insbesondere § 74 Abs. 2 HGB, die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung einer Karenzentschädigung während der Dauer des Wettbewerbsverbots, zum Schutz des früheren Angestellten analog anzuwenden. Damit steht zugleich fest, dass es sich verbietet, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mandantenschutzklausel ohne weiteres auf den Fall der Mandantenübernahmeklausel zu übertragen (Busken, MDR 1985, 898, 900).

3. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass § 75 d Satz 2 HGB auf eine Mandantenübernahmeklausel analog anzuwenden ist. Danach kann sich der Arbeitgeber auch nicht auf eine Vereinbarung berufen, die bezweckt, die gesetzlichen Vorschriften über das Mindestmaß der Entschädigung durch Verrechnungen oder auf sonstige Weise zu umgehen.

a) Der analogen Anwendung von § 75 d Satz 2 HGB steht nicht etwa entgegen, dass für die rechtliche Überprüfung von Mandantenübernahmeklauseln gültiges Standesrecht, im Streitfall die von der Wirtschaftsprüferkammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 5 WPO erlassenen Richtlinien für die Berufsausübung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer vom 01.12.1977, heranzuziehen ist. Das Standesrecht vermag grundsätzlich nur Regeln auf gleicher beruflicher Ebene der Standesgenossen aufzustellen (vgl. BAG 11.02.1960 - 5 AZR 79/58 AP Nr. 20 zu Art. 12 GG). Es ist nicht in der Lage, einem Arbeitnehmer den ihm nach dem Arbeitsrecht zustehenden Schutz zu verringern. Allein der Umstand, dass das Standesrecht die zwischen den Parteien getroffene Mandantenübernahmeklausel ausdrücklich zulässt, beantwortet die Frage nach der Wirksamkeit einer solchen Klausel nicht (vgl. Busken MDR 1985, 898, 900).

b) Überwiegend wird im Schrifttum angenommen, dass man hinsichtlich der Vereinbarkeit von Mandantenübernahmeklausel mit den §§ 74 ff. HGB differenzieren muss. Ist der Honoraranteil, den der ausgeschiedene Mitarbeiter abzuführen hat, derart hoch, dass die Bearbeitung der Mandate des früheren Arbeitgebers wirtschaftlich nicht lohnt, ist der Schutzbereich der §§ 74 ff. HGB tangiert. Eine solche Vereinbarung führt praktisch dazu, dass der ausgeschiedene Mitarbeiter von der Bearbeitung solcher Mandate Abstand nimmt (vgl. BGH 09.05.1968 - II ZR 158/66- NJW 1968, 1717). Bei einer derartigen knebelnden Form der Mandantenübernahmeklausel würde es sich in Wahrheit um eine verdeckte Mandantenschutzklausel handeln, die sich praktisch als Übernahmeverbot auswirkt, mit der Folge, dass der Arbeitgeber das Gebot der Zahlung einer Karenzentschädigung gemäß § 74 Abs. 2 HGB analog unterlaufen würde und eine solche Mandantenübernahmeklausel eine unzulässige Umgehung i. S. des § 75 d Satz 2 HGB darstellen würde (vgl. Büsken MDR 1985, 898, 901; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 2. Aufl. 1999, Rz. 172; dies., DB 1995, 426, 427; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446).

c) Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass eine analoge Anwendung des § 75 d Satz 2 HGB selbst in den Fällen in Betracht kommt, in denen die Bearbeitung der Mandate des früheren Arbeitgebers trotz des an diesen abzuführenden Honoraranteils für den ehemaligen Arbeitnehmer nicht von vornherein wirtschaftlich unsinnig ist.

aa) In der Literatur wird im Anschluss an das oben zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.05.1968 angenommen, dass weder subjektiv noch objektiv eine Umgehung der §§ 74 ff. HGB vorliege, wenn der abzuführende Anteil des mit den ehemaligen Mandanten des Arbeitgebers erzielten Honorars 20 - 30 % nicht übersteige. In diesem Fall soll nach dieser Meinung weder subjektiv noch objektiv eine Umgehung der §§ 74 ff. HGB vorliegen, da die entsprechende Abrede nicht darauf gerichtet sei, den ausgeschiedenen Mitarbeiter als Konkurrenten auszuschalten (Bauer/Diller, a. a. O., Rz. 173; dies., DB 1995, 426, 427; Michalski/Römermann, ZIP 1994, 433, 446 ff.).

bb) Dem kann die Kammer nicht folgen. Unter §§ 74 ff. HGB fällt jede Art der Beschränkung eines Handlungsgehilfen in seiner gewerblichen Tätigkeit, damit auch jedes sachlich, zeitlich und örtlich begrenzte Verbot, sofern es nicht wirtschaftlich gänzlich irrelevant ist (BAG 30.10.1984 - 3 AZR 213/82 - AP Nr. 46 zu § 74 HGB; LAG Bremen 25.02.1994 - 4 Sa 309/93 - NZA 1994, 889). Die Abführung eines 20%tigen Honoraranteils kann aber nicht generell als unerheblich bezeichnet werden (vgl. auch Büsken, MDR 1985, 898, 901). Denn ein Steuerberater kann gerade in der ersten Zeit seiner Selbstständigkeit wirtschaftlich auf die Honorare der nunmehr von ihm betreuten Mandanten seines früheren Arbeitgebers angewiesen sein. Allein diese zum Zeitpunkt der Vereinbarung einer Mandantenübernahmeklausel der vorliegenden Art nicht voraussehbare Möglichkeit rechtfertigt es, ein Wettbewerbsverbot i. S. der handelsrechtlichen Vorschriften (§§ 74 ff. HGB) anzunehmen und sie analog auf eine derartige Klausel anzuwenden (vgl. auch Steindorff, Festschr. f. R. Fischer, 1979,8.747,768).

cc) Im Streitfall hat die Klägerin bzw. ihr Rechtvorgänger zu Gunsten der Beklagten entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung für die in Ziffer 10 des Anstellungsvertrages vom 08.01.1988 vereinbarte Zahlung eines 20%tigen Honoraranteils des mit ihren - der Klägerin - ehemaligen Mandanten getätigten Umsatzes vereinbart. Die vorgenannte Abrede stellt somit eine Umgehung i. S. § 75 Satz 2 HGB analog dar und ist deshalb unwirksam (vgl. auchBAG 10.12.1985-3 AZR242/84-AP Nr. 31 zu §611 BGB Konkurrenzklausel, zu II 2 c).

d) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem bereits in anderem Zusammenhang erwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.05.1968 (- II ZR 158/66 - NJW 1968, 1717). Diese Entscheidung betraf kein Arbeitsverhältnis, sondern die Rechtsbeziehungen einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu ihrem GmbH-Geschäftsführer. Hierauf sind die §§ 74 ff. HGB nicht anwendbar (BAG 10.12.1985-3 AZR 242/84 - a. a. O.).

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

C.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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