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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 03.09.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 608/09
Rechtsgebiete: BGB, HebO NRW v. 04.05.2002


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
HebO NRW v. 04.05.2002 (GV.NRW.S. 102) § 3
HebO NRW v. 04.05.2002 (GV.NRW.S. 102) § 6
HebO NRW v. 04.05.2002 (GV.NRW.S. 102) § 8
Eine Hebamme, die aufgrund eines sog. Beleghebammenvertrages in einem Krankenhaus tätig ist, steht in keinem Arbeitsverhältnis zu dem Krankenhaus (im Anschluss an BAG 26.06.1991 - 5 AZR 453/90 - RzK I 4 a Nr. 45).
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 24.04.2009 - 5 Ca 68/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die am 20.07.1963 geborene Klägerin ist ausgebildete Hebamme. Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus mit einer geburtshilflichen Abteilung. In diesem Krankenhaus arbeiten circa zehn Hebammen, die sich in einer sog. Hebammengemeinschaft zusammengeschlossen haben. Grundlage ist der "Vertrag über eine Hebammengemeinschaft" vom 30.09.2000, der einen Zusammenschluss in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorsieht. Nach § 9 dieses Vertrages werden Gewinne und Verluste auf die Hebammen verteilt, die monatlich Abschlagszahlungen nach Vorliegen der Monatsergebnisse erhalten. Für die Klägerin ergab sich hieraus ein monatlicher Verdienst von ca. 2.000,-- bis 3.000,-- €. Die Einnahmen der Gesellschaft erfolgen durch die Abrechnung von Leistungen gegenüber den Krankenkassen und Patienten. Die Klägerin und ihre Kolleginnen haben keinen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte.

Neben der Tätigkeit in der geburtshilflichen Abteilung der Beklagten betreibt die Hebammengemeinschaft in den Räumen des Krankenhauses ihre Praxis. Hierzu wurde ein gesonderter Nutzungsvertrag vereinbart. Die Beklagte stellt der Hebammengemeinschaft darüber hinaus die Standardausrüstung an Einrichtungsgegenständen, insbesondere an Apparaten und Instrumenten, zur Verfügung. Die Tätigkeit der einzelnen Hebammen im Krankenhaus wird durch sog. Beleghebammenverträge näher geregelt. In dem Beleghebammenvertrag zwischen den Parteien vom 12.12.2002 heißt es u. a.:

"§ 1

Tätigkeiten der Beleghebammen

...

(2) Frau S. leistet ab 02.01.2003 als Beleghebamme der geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses Hebammenhilfe nach den gesetzlichen Vorschriften.

...

§ 2

Stellung der Beleghebammen

...

(2) Die Beleghebammen stehen zum Krankenhaus und dessen Träger weder in einem Anstellungsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Arbeitsrechtliche Vorschriften, wie z. B. das Kündigungsschutzgesetz, finden keine Anwendung.

(3) Der Betrieb der Hebammenpraxis erfolgt selbstständig und eigenverantwortlich durch die Hebammengemeinschaft...

(4) Beleghebammen sind sowohl in der geburtshilflichen Abteilung als auch in der Hebammenpraxis an die vom Krankenhaus bestimmte Aufgabenstellung und Zielsetzung gebunden.

§ 3

Rechte und Pflichten

...

(3) Die Beleghebammen sind verpflichtet, im Rahmen der Hebammengemeinschaft die Versorgung des Kreißsaales der Klinik bei Tag, Nacht und am Wochenende zu gewährleisten.

...

§ 4

Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegepersonal

(1) ... Alle Beteiligten sind zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet und werden sich hierzu in die Arbeitsabläufe des Krankenhauses eingliedern.

(2) Die Beleghebammen unterstehen innerhalb der geburtshilflichen Abteilung den Weisungen des zuständigen Facharztes in hygienischen und medizinischen Fragen.

...

(4) Die Beleghebammen werden den zuständigen Facharzt zu jeder Entbindung - unabhängig vom Verlauf - beiziehen und ihm alle erforderlichen Auskünfte erteilen, insbesondere über Risikofaktoren und/oder Regelwidrigkeiten.

...

§ 6

...

(5) Auch das Krankenhaus ist zur Kündigung gegenüber einzelnen Mitgliedern der Hebammengemeinschaft innerhalb derselben Frist berechtigt.

§ 7

...

(2) Besteht von Seiten der Hebammengemeinschaft der Wunsch, eine weitere Hebamme in die Gemeinschaft aufzunehmen, wird das Krankenhaus dieser weiteren Hebamme einen Beleghebammenvertrag entsprechend den hier vereinbarten Bestimmungen anbieten, soweit die Zustimmung des ärztlichen Leiters vorliegt und nicht besondere, in der Person der weiteren Hebamme liegende Gründe, entgegenstehen.

..."

Durch Untergesellschaftsvertrag vom 19.12.2002 trat die Klägerin zum 01.01.2003 als sog. Untergesellschafterin und später zum 01.07.2003 als Gesellschafterin der Hebammengemeinschaft bei.

Die Klägerin leistete circa 114 Stunden monatlich Dienst zuzüglich 5 Bereitschaftsdienste mit je 24 Stunden. Sie wurde dabei ebenso wie die anderen Beleghebammen von der Hebammengemeinschaft eingeteilt. Der Abruf von Diensten während der Rufbereitschaft erfolgte bei Bedarf durch die Beklagte.

Die Tätigkeit der Beleghebammen umfasst sämtliche in der Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger (HebBO NRW) geregelten Aufgaben. Im Vorfeld der Geburten werden Routineuntersuchungen von den Hebammen allein durchgeführt. Bei Problemfällen sind Ärzte anwesend. Während der Geburt im Krankenhaus erfolgt die Betreuung im Beisein eines Arztes. Für die nach Entlassung aus dem Krankenhaus durchzuführende Wöchnerinnenbetreuung nehmen die Hebammen Hausbesuche vor.

Mit Schreiben vom 16.12.2008 erklärte die Hebammengemeinschaft gegenüber der Klägerin den Ausschluss aus der Gesellschaft zum 31.03.2009. Diese Beendigungserklärung ist Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen der Klägerin und der Hebammengemeinschaft vor dem Arbeitsgericht Essen - 6 Ca 64/09 -. Mit ihrer beim Arbeitsgericht Essen am 07.01.2009 eingereichten und der Beklagten am 15.01.2009 zugestellten Klage begehrt die Klägerin zuletzt die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten, da sie deren Weisungen unterworfen sei. Dies betreffe einerseits die Geburten, die sämtlich in Anwesenheit eines Arztes durchgeführt würden. Im Kreißsaal befinde sich sogar ein "Weisungsordner" mit Richtlinien zum Verhalten in bestimmten Situationen. Andererseits müssten sich die Hebammen auch bei denjenigen Untersuchungen und Behandlungen im Vorfeld der Geburt, bei denen ein Arzt anwesend sei, dessen Weisungen unterziehen. Die Bestellung und Verwaltung der von ärztlicher Seite verordneten Medikamente habe ihr oblegen. Für die Dokumentation einschließlich der Aufnahme von Patienten im Krankenhaus habe das SAP-Programm der Beklagten verwendet werden müssen. Selbst die ärztliche Dokumentation sei teilweise von den Hebammen durchgeführt worden. Seitens der Beklagten habe die Vorgabe bestanden, eine Gesamtdokumentation zu führen. Diese bestimme nahezu vollständig die Öffentlichkeitsarbeit des Hebammenzentrums mit. Die Beklagte nehme über § 6 Abs. 5 und § 7 Abs. 2 des Beleghebammenvertrages sogar Einfluss auf die Zusammensetzung der Hebammengemeinschaft.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten gemäß Vertrag vom 12.12.2002 ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vor allem die Ansicht vertreten, die Klägerin sei als Mitglied der Hebammengemeinschaft selbstständig tätig gewesen.

Durch sein am 24.04.2009 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Bei Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines Selbstständigen ergebe sich, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestehe. So sei die Klägerin hinsichtlich der Lage ihrer Arbeitszeit an keine Weisungen der Beklagten gebunden gewesen. Die Einteilung der Hebammen zu den jeweiligen Schichten erfolge allein durch die Hebammengemeinschaft. Weiter spreche gegen ein Arbeitsverhältnis, dass weder die Hebamme noch die Hebammengemeinschaft Vergütungen von dem Krankenhaus beziehen würden. Gegenteiliges folge nicht daraus, dass die Klägerin und ihre Kolleginnen in medizinischen und hygienischen Fragen den Weisungen der Ärzte der Beklagten unterliegen würden. Soweit in dem als "Weisungsordner" bezeichneten Ordner aus dem Kreißsaal das Vorgehen bei bestimmten - kritischen - Situationen bei Geburten vorgegeben sein sollte, handele es sich um eine Konkretisierung des medizinischen Weisungsrechts. Soweit die Klägerin behaupte, die Dokumentation für ärztliche Tätigkeiten seien teilweise von den Hebammen miterledigt worden, sei ihr Vorbringen nicht geeignet, einen Rückschluss auf ein Arbeitsverhältnis zuzulassen. Soweit die Klägerin behauptet habe, es bestehe die Weisung, für die Dokumentation das SAP-Programm der Beklagten zu verwenden, lasse sich hieraus nicht auf eine Direktion der Beklagten schließen. Es gebe eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die die Beleghebammen ohne jegliche Weisung seitens der Beklagten ausüben würden. Weder die räumliche Unterbringung noch die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten mit der Hebammengemeinschaft würden irgendwelche Rückschlüsse auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zulassen. Schließlich würden auf die Regelungen in § 6 Abs. 5 und § 7 Abs. 2 des Hebammenvertrages kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis ergeben.

Gegen das ihr am 18.05.2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit einem bei Gericht am 15.06.2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem hier am 16.07.2009 eingereichten Schriftsatz begründet.

Die Klägerin macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung zahlreiche Punkte, die sie bereits erstinstanzlich vorgebracht habe, gänzlich unberücksichtigt gelassen. So sei der Umstand, dass die Hebammen früher im Angestelltenverhältnis zur Beklagten gestanden hätten, unberücksichtigt geblieben. Die Konstruktion mit der Hebammengemeinschaft und dem Beleghebammenvertrag sei lediglich gewählt worden, um den Arbeitnehmerstatus der Hebammen auf diesem Weg zu umgehen. Auch habe sich das Arbeitsgericht nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, dass die Beklagte auch bei Einstellung von Hebammen mitspracheberechtigt sei (vgl. § 7 Abs. 2 des Beleghebammenvertrages), die Beklagte für den Fall, dass die Hebammengemeinschaft einzelne Hebammen aus ihrer Gemeinschaft ausschließen wolle, anzuhören sei (§ 6 Abs. 4 des Beleghebammenvertrages) sowie mit dem Umstand, dass alle ausscheidenden Hebammen von der Beklagten ein Arbeitszeugnis erhalten würden. Unberücksichtigt geblieben seien auch die wirtschaftliche Abhängigkeit der Hebammen sowie die vollständige Eingliederung der Klägerin in den Organisationsbereich der Beklagten. Die Vorinstanz lasse auch zahlreiche Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes außer Betracht wie die Tatsache, dass die Beklagte darüber bestimme, dass jederzeit eine Hebamme anwesend sein müsse sowie eine weitere Hebamme Rufbereitschaft zu leisten habe. Dem jeweils diensthabenden Arzt obliege die Entscheidung, ob eine Hebamme, die sich in Rufbereitschaft befinde, konkret zur Arbeit erscheinen müsse. Darüber hinaus verkenne das Arbeitsgericht den wahren Umfang des ärztlichen Weisungsrechts. Den Ärzten stehe nicht nur bei der Durchführung der Geburten ein voll umfängliches Weisungsrecht gegenüber den Hebammen zu, sondern auch bereits im Vorfeld bei vorbereitenden Maßnahmen und Untersuchungen sowie auch im Nachhinein bei den erforderlichen Nachsorgemaßnahmen. Der Weisungsordner enthalte auch allgemeine Anweisungen für sonstige problematische Fälle, ohne dass eine pathologische oder medizinische Situation vorliege. Auch die Dokumentationspflichten, die den Hebämmen obliegen würden, würden vom Arbeitsgericht nur unzureichend berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 24.04.2009 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Essen - 5 Ca 68/09 - festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten gem. Vertrag vom 12.12.2002 ein Arbeitsverhältnis bestehe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und weist darauf hin, dass sich die Berufung der Klägerin im Wesentlichen darauf beschränke, die bereits erstinstanzlich vorgebrachten und widerlegten Einwände zu wiederholen.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Klägerin, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. Denn die nach § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässige Feststellungsklage ist unbegründet. Zutreffend hat die Vorinstanz angenommen, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht. Hieran vermögen die Angriffe der Berufung nichts zu ändern.

I. Das Arbeitsgericht ist zunächst zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat.

1. Hiernach unterscheiden sich beide durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet, wobei eine wirtschaftliche Abhängigkeit weder erforderlich noch ausreichend ist (BAG 13.03.2008 - 2 AZR 1037/06 - Rz. 17, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 159). Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (z. B. BAG 14.03.2007 - 5 AZR 499/06 - Rz. 13, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 10; BAG 20.05.2009 - 5 AZR 31/08 - Rz. 19, juris m. w. N.). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG 13.03.2008 - 2 AZR 1037/06 - Rz. 18; EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 159; BAG 20.05.2009 - 5 AZR 31/08 - Rz. 19, a. a. O.). Selbstständig ist dagegen, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB (BAG 13.03.2008 - 2 AZR 1037/06 - R. 18, a. a. O.).

2. Bei der danach vorzunehmenden Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines Mitarbeiters sind alle Umstände des Einzelfalles in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben (BAG 20.05.2009 - 5 AZR 31/08 - Rz. 19, juris m. w. N.). Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (z. B. BAG 13.03.2008 - 2 AZR 1037/06 - Rz. 19, a. a. O.; BAG 20.05.2009 - 5 AZR 31/08 - Rz. 19, juris).

3. Unter Beachtung dieser Grundsätze kann nach dem Vertrag vom 12.02.2002 nicht zu Gunsten der Klägerin vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten ausgegangen werden.

a) Das von den Parteien durch den Beleghebammenvertrag begründete Dauerrechtsverhältnis als solches erlaubt nicht bereits den Schluss auf ein Arbeitsverhältnis. Vielmehr muss geprüft werden, ob Arbeitsbedingungen vereinbart worden sind. Dafür genügt es nicht, dass die Parteien in dem Beleghebammenvertrag vom 12.02.2002 die Tätigkeit der Klägerin als "freiberuflich" bezeichnet haben. Entscheidend ist vielmehr, worauf bereits oben hingewiesen wurde, der Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welcher der zur Dienstleistung Verpflichtete steht. Daran fehlt es, worauf die Vorinstanz zu Recht hingewiesen hat, soweit die Klägerin sich auf den zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit beruft.

aa) Die Beklagte hat der Klägerin keine feste Arbeitszeit vorgeschrieben. Vielmehr erfolgt die Einteilung der Hebammen zu den jeweiligen Schichten durch die Hebammengemeinschaft. Auch soweit diese bei Bedarf zusätzliche Hebammen anfordert, kann sie nicht bestimmen, wer zu erscheinen hat. Vielmehr ist sie an die Einteilung der Hebammen zu Rufbereitschaften durch die Hebammengemeinschaft gebunden. Soweit die Klägerin einwendet, die Beklagte habe ihr Bestimmungsrecht darüber, welche Hebamme welchen Dienst zu leisten habe, auf die Leiterin der Hebammengemeinschaft delegiert, die für die Hebammen die Dienstpläne erstelle, hat sie dies nicht näher konkretisiert, geschweige denn hierfür Beweis angetreten.

bb) Ebenso wenig können die Ärzte des Krankenhauses darauf Einfluss nehmen, in welcher Schicht eine der Hebammen eingesetzt wird (vgl. auch BAG 26.06.1991 - 5 AZR 453/90 - RzK I 4 a Nr. 45). Ihnen obliegt nur die Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Hebamme, die sich in Rufbereitschaft befindet, zum Dienst erscheinen muss.

b) Ebenso wenig lässt sich für eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin etwas daraus herleiten, dass sie bei der Geburt einen Arzt hinzuziehen muss und sie den ärztlichen Weisungen unterliegt. Diese Regelung ergibt sich, wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, aus der Berufsordnung der Hebammen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 HebBO NRW vom 04.05.2002 (GV.NRW.S. 102) hat die Hebamme auf Wunsch der Gebärenden ärztliche Hilfe hinzuzuziehen. Außerdem bestimmt § 3 Abs. 2 HebBO NRW, dass das Behandeln pathologischer Vorgänge bei Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und Neugeborenen Ärztinnen und Ärzten vorbehalten ist. Wie aus § 6 Abs. 4 und § 8 HebBO NRW folgt, gilt die Berufsordnung für Hebammen unabhängig davon, ob sie freiberuflich tätig sind oder aber im Angestelltenverhältnis (vgl. auch BAG 26.06.1991 - 5 AZR 453/90 - a. a. O.).

c) Die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin lässt sich entgegen ihrer Auffassung auch nicht aus sonstigen Umständen herleiten.

aa) Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien kann nicht daraus hergeleitet werden, dass die Hebammen früher, vor Gründung der Hebammengescheinschaft, im Arbeitsverhältnis zu der Beklagten standen. Zum einen kommt es ausweislich des Klagebegehrens der Klägerin ausschließlich auf das durch den Beleghebammenvertrag vom 12.12.2002 zwischen den Parteien begründete Rechtsverhältnis an. Zum anderen ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass Tätigkeiten sowohl im Rahmen eines Arbeits- wie freien Dienstverhältnisses erledigt werden können. Es kommt allein auf die tatsächliche Ausgestaltung der jeweils vertraglich geschuldeten Tätigkeit an (vgl. BAG 09.05.1996 - 2 AZR 438/95 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 85; BAG 13.03.2008 - 2 AZR 1037/06 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 159).

bb) Aus dem Umstand, dass der Beklagten nach näherer Maßgabe des § 7 Abs. 2 bzw. §§ 6 Abs. 4 des Beleghebammenvertrages vom 12.12.2002 ein Mitspracherecht bei der Aufnahme von Hebammen in die Hebammengescheinschaft bzw. bei dem Ausschluss aus dieser Gemeinschaft zusteht, kann die Klägerin nichts für das von ihr reklamierte Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien herleiten. Dieser Umstand betrifft weder die Durchführung noch die Ausgestaltung der von der Klägerin erbrachten Tätigkeit als Beleghebamme.

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht auch nicht die von ihr angeführte wirtschaftliche Abhängigkeit von der Beklagten aufgrund ihres Einsatzes bei dieser als Beleghebamme dafür, dass dieser im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt. Für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses kommt es allein auf die persönliche, nicht auf die wirtschaftliche Abhängigkeit an, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Die wirtschaftliche Abhängigkeit kann lediglich für das Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Person, z. B. i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG sprechen. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige. An die Stelle der das Arbeitsverhältnis prägenden persönlichen Abhängigkeit durch Weisungsgebundenheit tritt die wirtschaftliche Abhängigkeit. Diese ist regelmäßig gegeben, wenn der Beschäftigte auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist (vgl. nur BAG 21.02.2007 - 5 AZB 52/06 - Rz. 11, EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 41 m. w. N.).

dd) Soweit die Klägerin moniert, die Vorinstanz habe ihre vollständige Eingliederung in den Organisationsbereich "nahezu überhaupt nicht" berücksichtigt, ist ihr entgegen zu halten, dass es hierauf für die Frage, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, gar nicht ankommt. Hierfür ist allein maßgeblich, ob die von der Klägerin erbrachte Tätigkeit zeit- und weisungsgebunden ist oder nicht (vgl. auch BAG 26.06.1991 - 5 AZR 453/90 - RzK I 4 a Nr. 45 a. E.). Die Vorinstanz hat zu Recht darauf hingewiesen, hierfür gebe der Umstand, dass die von den Beleghebammen betreuten Geburten im Krankenhaus der Beklagten stattfinden und die Hebammengemeinschaft, deren Mitglied die Klägerin ist, darüber hinaus die Räumlichkeiten im Krankenhaus für sonstige Tätigkeiten nutzt, nichts her. Auch die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten mit der Hebammengemeinschaft lässt keinen Rückschluss auf eine weisungsabhängige Tätigkeit der Klägerin zu.

ee) Ebenso ist der Vorinstanz darin zu folgen, dass der Inhalt des von der Klägerin als "Weisungsordner" bezeichnete Ordner aus dem Kreißsaal keinen Rückschluss auf ein Arbeitsverhältnis zulässt. Es ist bereits weiter oben darauf hingewiesen worden, dass aus der Tatsache, dass die Klägerin den ärztlichen Weisungen bei der Geburt von Kindern unterliegt, nichts für die von ihr reklamierte Arbeitnehmereigenschaft hergeleitet werden kann. Die Klägerin hat im Kammertermin vom 03.09.2009, in dem die Beklagte einen Aktenordner "Notfall" sowie einen Aktenordner "Leitlinien-Empfehlungen-Informationen" aus dem Kreißsaal vorgelegt hat, erklärt, bei den ärztlichen Anordnungen, die sie nach kurzer Durchsicht dieser beiden Aktenordner im genannten Termin nicht gefunden habe, handele es sich u. a. um Verhaltensmaßnahmen, die der Arzt angegeben habe, falls ein Blasensprung vorliege. Auch hätten sich darin Anweisungen des Arztes befunden, wie man sich bei Terminüberschreitungen, d. h. falls der voraussichtliche Geburtstermin überschritten sei, zu verhalten habe. Hierbei handelt es sich nach Überzeugung der Kammer um medizinisch notwendige ärztliche Anweisungen, die gerade nicht, wie dargestellt, für eine persönliche Weisungsabhängigkeit der Klägerin von der Beklagten sprechen.

ff) Soweit die Klägerin die von ihr angeführten Dokumentationspflichten für den Nachweis ihrer persönlichen Weisungsabhängigkeit anführt, ist ihr entgegen zu halten, dass diese nur von untergeordneter Bedeutung für die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses sind, da sie nicht die Art der von der Klägerin erbrachten Arbeit, sondern deren schriftlichen Nachweis betreffen. Die gleiche untergeordnete Bedeutung hat die angebliche Weisung, für die Dokumentation das SAP-Programm der Beklagten zu nutzen.

gg) Schließlich könnte die Klägerin die von ihr reklamierte persönliche Weisungsgebundenheit nicht daraus herleiten, wenn, wie sie behauptet, alle ausscheidenden Hebammen von der Beklagten ein Arbeitszeugnis erhalten würden. Auch hierbei geht es nicht um die Art der Tätigkeit, die die Klägerin als Beleghebamme erbringt. Vielmehr dient dieses Arbeitszeugnis allenfalls dem Nachweis ihrer Tätigkeit.

hh) Entscheidend spricht schließlich gegen ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten der Umstand, dass sie von letzterer keinerlei Entgelt für ihre Tätigkeit erhält. Damit fehlt vorliegend ein wesentlicher Bestandteil eines Arbeitsverhältnisses. Denn wie aus § 611 Abs. 1 BGB folgt, hat derjenige, der in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen steht, Anspruch auf ein Arbeitsentgelt. Die Arbeitspflicht und die Entgeltzahlungspflicht stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Hieran fehlt es vorliegend. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang anführt, den Hebammen sei das Recht eingeräumt, direkt mit den jeweiligen Krankenkassen zu liquidieren, hilft ihr dies nicht weiter. Da es vorliegend, wie bereits erwähnt, an einer zeit- und weisungsgebundenen Tätigkeit der Klägerin gegenüber der Beklagten fehlt, lässt sich aus dieser Abrechnungsmodalität nichts für oder gegen die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin herleiten (BAG 26.06.1991 - 5 AZR 453/90 - RzK I 4 a Nr. 45 a. E.).

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

C.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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