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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.09.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 788/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 15 Abs. 5 Satz 1
Zwar ist der Arbeitgeber, wenn es zur Stilllegung einer Betriebsabteilung kommt, gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 BetrVG u. U. auch verpflichtet, für das dort beschäftigte Betriebsratsmitglied in einer anderen Betriebsabteilung einen geeigneten Arbeitsplatz durch Kündigung freizumachen (vgl. nur BAG 13.06.2002 - 2 AZR 391/01 - EzA § 15 KschG Nr. 55, unter B I 3 a der Gründe). Dabei sind jedoch die sozialen Belange des hiervon betroffenen Arbeitnehmers und die berechtigten betrieblichen Interessen an seiner Weiterbeschäftigung einerseits gegen die Interessen der Belegschaft an der Kontinuität der Besetzung des Betriebsrats und die Interessen des durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmers an seiner Weiterbeschäftigung andererseits gegeneinander abzuwägen (so auch schon LAG Düsseldorf 25.11.1997 - 8 Sa 1358/97 - LAGE § 15 KSchG Nr. 16, S. 10).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 788/05

Verkündet am 15. September 2005

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15.09.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Dültgen und den ehrenamtlichen Richter Hansen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 10.03.2005 - 1 Ca 2622/04 - wird, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten des Rechtsstreits, soweit dieser übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger, soweit seine Berufung zurückgewiesen worden ist, zugelassen.

Tatbestand:

Der am 08.02.1952 geborene verheiratete Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Fliesenleger. Als solcher war er seit dem 16.05.1995 bei der Beklagten in der Abteilung Fliesenverlegung beschäftigt. Der Kläger ist Vorsitzender des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates.

Der Betrieb der Beklagten gliederte sich bislang in insgesamt drei Betriebsabteilungen auf, nämlich die Abteilung "Fliesenverlegung", die Abteilung "Fliesenhandel" und die Abteilung "Verwaltung, Lager und Fuhrpark".

Als Lagerverwalter ist der am 06.01.1947 geborene und seit dem 01.10.1975 im Lager bei der Beklagten beschäftigte Herr A. tätig. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Der Warenfluss im Lager wird maßgeblich durch ein EDV-Programm (Warenwirtschaftsprogramm) gesteuert. Über Kenntnisse im Umgang mit diesem Programm verfügt der Kläger, der jedoch den Umgang mit gängigen PC-Programmen beherrscht, nicht.

Der Betriebsrat bestand zunächst aus dem Kläger sowie zwei weiteren, dem kaufmännischen Bereich zuzurechnenden Mitarbeitern. Im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Betriebsrats ergaben sich verschiedentlich Gegensätze zwischen den Interessen der Fliesenleger und den Interessen der Mitarbeiter der Handelsabteilung, wobei der Kläger - jedenfalls primär - die Interessen der Fliesenleger vertrat. Die beiden anderen Betriebsratsmitglieder legten im Jahr 2003 wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Kläger im Zusammenhang mit einem Streik der Fliesenleger ihr Mandat nieder. Ende des Jahres 2003 rückte Herr V. I., der seit dem 24.03.2003 (bis jedenfalls Mitte Oktober 2004) arbeitsunfähig erkrankt war, für die beiden ausgeschiedenen Mitarbeiter in den Betriebsrat nach. Weitere Betriebsratsmitglieder bzw. Ersatzmitglieder sind nicht vorhanden. Herr I. war im Juli 2004 bei einer von der Geschäftsleitung der Beklagten organisierten Mitarbeiterveranstaltung zugegen, stellte sich dort jedoch nicht als Betriebsratsmitglied vor.

Unter dem 08.07.2004 richteten 13 Mitarbeiter der Beklagten ein Schreiben an den Kläger, in welchem sie ihm mitteilten, sie fühlten sich von ihm als Betriebsratsmitglied nicht vertreten, sondern in ihrer Arbeit behindert.

Im Jahr 2004 traf die Beklagte, da diese Abteilung seit Jahren nur noch verlustreich arbeitete, die Entscheidung, die Abteilung Fliesenverlegung zum 31.05.2005 zu schließen. Aufgrund dieser Entscheidung wurde zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat am 04.10.2004 ein Interessenausgleich und Sozialplan mit Namensliste geschlossen, wobei der Kläger namentlich bei den zu kündigenden Arbeitnehmern aufgeführt ist. Die Verhandlungen mit der Beklagten wurden seitens des Betriebsrates allein durch den Kläger geführt.

Am 05.10.2004 teilte die Beklagte dem Kläger in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender die von ihr beabsichtigte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit. In einem Formschrieben teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass er in einer datumsmäßig nicht näher bezeichneten Sitzung die ordentliche Kündigung zum 31.05.2005 behandelt habe. Dieses Schreiben ist handschriftlich wie folgt vom Kläger unterzeichnet worden: "12.10.04 zu Kenntnis genommen".

Anfang Oktober 2004, im Zeitraum nach dem 05.10. und vor dem 14.10.2004, fand in einer Gaststätte in P. eine Betriebsversammlung statt, bei der der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende I. anwesend war und gemeinsam mit dem Kläger auftrat.

Mit Schreiben vom 14.10.2004, dem Kläger zwei Tage später zugegangen, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.05.2005.

Die nach der Stillegung der Fliesenverlegung bei der Beklagten verbliebenen Mitarbeiter gaben unter dem 28.12.2004 eine Erklärung ab, derzufolge sie eine weitere Vertretung ihrer Interessen durch den Kläger nicht wünschen und sie es vorziehen würden, nach seinem Ausscheiden einen neuen Betriebsrat zu wählen.

Mit seiner am 05.11.2004 beim Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen und der Beklagten drei Tage später zugestellten Klage hat der Kläger zunächst die Unwirksamkeit der Kündigung vom 14.10.2004 geltend gemacht. Mit einem beim Arbeitsgericht am 28.01.2005 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger außerdem seine Weiterbeschäftigung ab dem 01.06.2005 verlangt.

Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Beklagte müsse den Arbeitsplatz des Herrn A. für ihn freikündigen, da es sich bei diesem Arbeitsplatz um einen solchen handele, auf dem er weiterbeschäftigt werden könne. Er könne sich bei einer fachkundigen Einarbeit innerhalb eines Zeitraums von maximal drei Tagen mit allen EDV-Vorgängen, die im Lager anfallen, vertraut machen. Auch sei er in der Lage, alle übrigen im Lager anfallenden Tätigkeiten nach kurzer Einarbeitungszeit sachgerecht ausführen zu können. Er sei insbesondere in der Lage, die anfallenden schweren körperlichen Arbeiten im Lager auszuüben. Auch verfüge er, da er - unstreitig - seit 30 Jahren Fliesenleger sei, über die gleichen Materialkenntnisse wie Herr A.. Ferner sei die Kündigung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.10.2004, zugegangen am 16.10.2004, nicht aufgelöst wurde, sondern ungekündigt fortbesteht.

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Lagerverwalter ab dem 01.06.2005 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Eine Weiterbeschäftigung des Klägers in einer anderen Betriebsabteilung sei nicht möglich. Einen hierfür geeigneten Arbeitsplatz gebe es nicht. Insbesondere könne der Kläger nicht als Lagerverwalter eingesetzt werden. Zum einen könne er die mit dieser Tätigkeit verbundenen schweren körperlichen Arbeiten von seiner körperlichen Konstitution her nicht verrichten. Zum anderen habe er auch nicht die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten wie der derzeitige Arbeitsplatzinhaber, Herr A., der auch am Aufbau des die Warenflüsse im Lager steuernden Warenwirtschaftsprogramms beteiligt gewesen sei. Herr A. verfüge zudem über eine Vielzahl von Kundenkontakten, auf welche sie nicht verzichten könne. Außerdem weise er umfangreiche Materialkenntnisse und ein hohes Maß an Vertrautheit im Umgang mit den im Lager anfallenden EDV-Vorgängen auf, was bezüglich des Klägers nicht der Fall sei.

Das Arbeitsgericht Oberhausen hat die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt, da sie auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruhe. Die Kündigung verstoße auch nicht gegen § 15 KSchG, da eine Freikündigungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen des § 15 Abs. 5 KSchG nicht uneingeschränkt bestehe. Vielmehr seien die sozialen Belange des betreffenden Arbeitnehmers und die berechtigten betrieblichen Interessen an dessen Weiterbeschäftigung einerseits und die Interessen des durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmers an seiner Weiterbeschäftigung sowie das Interesse der Belegschaft an einer Kontinuität der Betriebsratstätigkeit andererseits gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung falle im vorliegenden Fall zugunsten des Mitarbeiters A. aus, da dieser - nicht zuletzt wegen seines höheren Alters und der darauf beruhenden geringen Chancen am Arbeitsmarkt - in höherem Maße sozial schutzwürdig sei als der Kläger.

Gegen das ihm 06.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 09.06.2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 15.07.2005 eingereichtem Schriftsatz begründet.

Der Kläger macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im wesentlichen geltend: Einerseits seien seine Interessen höher zu gewichten als jene des Mitarbeiters A.. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass dieser - unstreitig - einen Anspruch auf einen zweiunddreißigmonatigen Bezug von Arbeitslosengeld habe und im Anschluss daran mit einem Abschlag von 14,4 Prozent in Rente gehen könne. Demgegenüber habe er, der Kläger, - unstreitig - lediglich Anspruch auf 26 Monate Arbeitslosengeld. Sodann habe er lediglich Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Auch seien seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt keineswegs größer als jene des Herrn A., da die Arbeit als Fliesenleger mit einem frühzeitigen Verschleiß der Gelenke und insbesondere der Wirbelsäule verbunden sei und daher kein Arbeitgeber bereit sei, einen Fliesenleger in einem höheren Alter als 50 Jahren einzustellen. Er könne sich auch nicht selbständig machen, da dies zum einen eine unzulässige Scheinselbständigkeit darstellen würde und er zum anderen das hierzu erforderliche Kapital nicht aufbringen könne, zumal auch keine Aufträge zu erwarten seien. Außerdem müsse er ein hohes Risiko tragen, ohne zu wissen, ob er auf Dauer in Anbetracht seiner Gesundheit zu einer ertragbringenden Erwerbstätigkeit in der Lage sei. Überdies habe das Arbeitsgericht seinen Vortrag zur mangelnden Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung völlig unberücksichtigt gelassen.

Mit einem bei Gericht am 14.09.2005 eingegangen Schriftsatz hat der Kläger im Hinblick auf einen von der Beklagten ihm mit Schreiben vom 10.08.2005 zum 01.07.2005 angezeigten Betriebsübergang auf die Firma I. Fliesen + Marmor P. GmbH den Rechtsstreit bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrags für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dem in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2005 angeschlossen.

Der Kläger beantragt nunmehr noch,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 10.03.2005 - 1 Ca 2622/04 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.10.2004, zugegangen am 16.10.2004, nicht aufgelöst wurde, sondern ungekündigt fortbesteht,

Die Beklagte beantragt insoweit,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet ferner, in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht habe der Kläger auf die Frage, ob er von den im Lager der Beklagten anfallenden Arbeiten eine Vorstellung habe, mit "nein" geantwortet.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis, welches zwischen den Parteien bestanden hat, hat aufgrund der wirksamen fristgerechten Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 31.05.2005 sein Ende gefunden.

I. Im Falle der Betriebsnachfolge (§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB) ist die Klage nach § 4 Satz 1 KSchG gegen den bisherigen Arbeitgeber zu richten bzw. der Prozess gegen ihn fortzusetzen, wenn er die Kündigung ausgesprochen hat und sie vor dem Betriebsübergang dem Arbeitnehmer zugegangen ist (st. Rspr., z. B. BAG 16.05.2002 - 8 AZR 320/01 - AP Nr. 9 zu § 113 InsO; BAG 24.05.2005 - 8 AZR 246/04 - demnächst EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 32).

II. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt es für die Wirksamkeit der streitbefangenen Kündigung nicht auf deren soziale Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG an, da der Kläger Betriebsratsvorsitzender ist und der Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder in §§ 15, 16 KSchG abschließend geregelt ist (Stahlhacke/Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. [2005], Rdnr. 1638 m.w.N.).

III. Die ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist auch aus noch so dringenden betrieblichen Erfordernissen nicht möglich (vgl. BAG 25.11.1981 - 7 AZR 382/79 - AP § 15 KSchG Nr. 11 zu III 1 der Gründe). Lediglich für die Fälle der Betriebsstillegung und der Stillegung einer Betriebsabteilung sind in § 15 Abs. 4 und Abs. 5 KSchG Ausnahmetatbestände normiert.

1. Der Ausnahmetatbestand des § 15 Abs. 5 KSchG ist im vorliegenden Fall erfüllt. Zum einen schließt die Beklagte die Betriebsabteilung Fliesenverlegung, in welcher der Kläger beschäftigt ist. Zum anderen sind auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt, unter denen einem Betriebsratsmitglied im Fall der Stillegung einer Betriebsabteilung ausnahmsweise ordentlich gekündigt werden kann.

2. In einem solchen Fall kann gem. § 15 Abs. 5 KSchG einem Betriebsratsmitglied dann nach der Vorschrift des § 15 Abs. 4 KSchG über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs ordentlich gekündigt werden, wenn das Betriebsratsmitglied in der Betriebsabteilung beschäftigt wird, welche geschlossen werden soll und es aus betrieblichen Gründen nicht in eine andere Betriebsabteilung übernommen werden kann, vgl. § 15 Abs. 5 S. 2 KSchG. So liegt der Fall hier. Der Kläger war bei der Beklagten als Fliesenleger in der Abteilung Fliesenverlegung beschäftigt, welche mit Ablauf des 31.05.2005 stillgelegt wurde.

3. Dies genügt jedoch für sich genommen noch nicht, um die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zu bejahen. Grundsätzlich ist nämlich gem. § 15 Abs. 5 S. 1 KSchG das Betriebsratsmitglied in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Hierzu war die Beklagte aber gem. § 15 Abs. 5 S. 2 KSchG deshalb nicht verpflichtet, weil die Übernahme des Klägers in eine andere Betriebsabteilung aus betrieblichen Gründen nicht möglich war. Für diese Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG 25.11.1981 - 7 AZR 382/79 -AP § 15 KSchG Nr. 11, III 1).

a) Bei Berücksichtigung aller von der Beklagten substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragenen Gesichtspunkte ergibt sich bereits aufgrund der unstreitigen Tatsachen, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers in einer anderen Betriebsabteilung bei der Beklagten aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist. Es fehlt nämlich in den verbleibenden Betriebabteilungen (Fliesenhandel und Verwaltung, Lager und Fuhrpark) an einem für eine Weiterbeschäftigung des Klägers geeigneten Arbeitsplatz. Zwar meint der Kläger, er könne auf dem Arbeitsplatz des Lagerverwalters weiterbeschäftigt werden. Dies trifft jedoch nicht zu. Denn dieser Arbeitsplatz, den bislang der Lagerverwalter A. innehat, steht für eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zur Verfügung.

b) Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich in der Lage wäre, die Aufgaben des Herrn A. - ggf. nach einer kurzen Einarbeitungszeit- vollständig zu übernehmen.

aa) Dagegen spricht zunächst, dass der Kläger nicht über Kenntnisse im Umgang mit dem bei der Beklagten eingesetzten EDV-Warenwirtschaftsprogramms verfügt. Die Kenntnis im Umgang mit diesem Programm kann naturgemäß nicht durch die Kenntnisse des Klägers im Umgang mit gängigen PC-Programmen ersetzt werden, da das bei der Beklagten eingesetzte Programm maßgeblich den Fluss der Waren im Lager steuert und der Lagerverwalter sich daher gerade mit diesem Programm auskennen muss. Die Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass mit einer langwierigen Einarbeitungszeit des Klägers im Umgang mit dem Warenwirtschaftsprogramm zu rechnen sei.

bb) Dieser Darlegung der Beklagten zur zu erwartenden Einarbeitungszeit des Klägers ist dieser nicht in beachtlicher Art und Weise entgegengetreten. Hat der Arbeitgeber nämlich dargelegt, dass eine Weiterbeschäftigung in einer anderen Betriebsabteilung unmöglich sei, so muss das Betriebsratsmitglied, um dem entgegenzutreten, nunmehr seinerseits darlegen, wie es sich seine Weiterbeschäftigung im Einzelnen vorstellt (vgl. Stahlhacke/Stahlhacke, a.a.O., Rdnr. 1636). Dies hat der Kläger jedoch im Hinblick auf die im Lager anfallenden EDV-Vorgänge gerade nicht getan. Zwar hat er vorgetragen, er könne sich bei einer fachkundigen Einarbeit innerhalb einer Einarbeitungszeit von maximal drei Tagen mit allen EDV-Vorgängen, die im Lager anfallen, vertraut machen und bestritten, dass es mehrere Monate dauern würde, bis er in das Warenwirtschaftsprogramm eingewiesen sei. Diese Argumentation des Klägers ist jedoch unbeachtlich, da sie ohne Kenntnis der fraglichen EDV-Vorgänge und der übrigen im Lager anfallenden Arbeiten erfolgt ist. Der Kläger behauptet ohne nähere Begründung, dass er sich binnen kurzer Zeit in alle EDV-Vorgänge und die übrigen im Lager anfallenden Tätigkeiten einarbeiten könne. Dabei handelt es sich, da der Kläger selbst einräumt, das Warenwirtschaftsprogramm nicht zu kennen, ersichtlich um eine Behauptung "ins Blaue hinein", mit der der Kläger seiner Darlegungslast nicht genügt (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl. [2004], § 138 Rdnr. 17).

c) Jedenfalls aber ist die Weiterbeschäftigung des Klägers auf dem Arbeitsplatz des Herrn A. deshalb nicht möglich, weil die Beklagte nicht verpflichtet ist, diesen Arbeitsplatz für den Kläger "freizukündigen".

aa) Grundsätzlich folgt aus der in § 15 Abs. 5 S. 1 KSchG statuierten Verpflichtung des Arbeitgebers, einen von einer Betriebsteilstillegung betroffenen und durch § 15 KSchG geschützten Mandatsträger in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen auch die Pflicht, dort etwa vorhandene geeignete Arbeitsplätze durch Umsetzung und notfalls durch Kündigung freizumachen (vgl. BAG 18.10.2000 - 2 AZR 494/99 - EzA § 15 KSchG Nr. 51, unter B I 1 a; BAG 13.06.2002 - 2 AZR 391/01 - EzA § 15 KSchG Nr. 55, unter B I 3 a; LAG Düsseldorf 25.11.1997 - 8 Sa 1358/97- LAGE § 15 KSchG Nr. 16, S. 8; APS/Linck, Kündigungsrecht, 2. Aufl. [2004], § 15 KSchG Rdnr. 185; KR/Etzel, 7. Aufl. [2004], § 15 KSchG Rdnr. 126).

bb) Dieser Verdrängungsanspruch besteht jedoch nicht uneingeschränkt. Vielmehr sind nach zutreffender Ansicht die sozialen Belange des betroffenen Arbeitnehmers und die berechtigten betrieblichen Interessen an seiner Weiterbeschäftigung einerseits gegen die Interessen der Belegschaft an der Kontinuität der Besetzung des Betriebsrats und die Interessen des durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmers an seiner Weiterbeschäftigung andererseits gegeneinander abzuwägen (vgl. LAG Düsseldorf 25.11.1997 - 8 Sa 1358/97- LAGE § 15 KSchG Nr. 16, S. 10; KR/Etzel, a.a.O., § 15 KSchG Rdnr. 126; APS/Linck, a.a.O., § 15 KSchG Rdnr. 185; Stahlhacke/Stahlhacke, a.a.O., Rdnr. 1634; Gamillscheg, ZfA 1977, 276).

cc) Nur eine Abwägung zwischen den vorgenannten Gesichtspunkten vermag zu sachgerechten Ergebnissen zu führen. Überdies vertrüge sich die Annahme eines absoluten Vorrangs des Sonderkündigungsschutzes gem. § 15 KSchG gegenüber dem allgemeinen Kündigungsschutz auch nicht mit dem dem gesamten Kündigungsschutzrecht zugrundeliegenden Grundsatz der sozialen Rücksichtnahme. Ein absoluter Vorrang des Sonderkündigungsschutzes liegt der gesetzgeberischen Konzeption des § 15 Abs. 5 KSchG ersichtlich nicht zugrunde. Aus § 15 Abs. 5 S. 2 KSchG ergibt sich vielmehr gerade, dass im Falle der Betriebsteilstillegung dem Sonderkündigungsschutz keine absolute Wirkung zukommt, sondern dieser durch betriebliche Gründe überwunden werden kann. Auch verstieße eine Lesart des § 15 Abs. 5 KSchG, derzufolge der Sonderkündigungsschutz immer einen Anspruch des betroffenen Betriebsratsmitglieds auf Freikündigung zur Folge hätte, jedenfalls in solchen Fällen offenkundig gegen § 78 S. 2 BetrVG, in denen eine Freikündigung ersichtlich zur Erreichung des Schutzzwecks des § 15 Abs. 5 KSchG, nämlich der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Vertretungsorgans, nicht erforderlich wäre, namentlich im Nachwirkungszeitraum (vgl. auch APS/Linck, a.a.O., § 15 KSchG Rdnr. 185a).

dd) Die Weiterführung des Betriebsratsmandates besitzt von Gesetzes wegen einen besonderen Stellenwert, der in der Vorschrift des § 15 Abs. 5 KSchG zum Ausdruck kommt (vgl. BAG 13.06.2002 - 2 AZR 391/01 - EzA § 15 KSchG Nr. 55, unter B I 3 a; LAG Düsseldorf 25.11.1997 - 8 Sa 1358/97 - LAGE § 15 KSchG Nr. 16). Dieser ist im Rahmen der gebotenen Abwägung angemessen zu berücksichtigen. Aus diesem Grund darf sich die Abwägung nicht auf einen bloßen Vergleich der maßgeblichen sozialen Kriterien beschränken. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Betriebsratsmitglieds kann vielmehr nur unter der Voraussetzung entfallen, dass der von der Entlassung bedrohte Arbeitnehmer von der Kündigung in erheblichem Maße sozial härter betroffen wäre (LAG Düsseldorf 25.11.1997 - 8 Sa 1358/97 - LAGE § 15 KSchG Nr. 16).

ee) Die gebotene Abwägung geht im vorliegenden Fall, auch unter Berücksichtigung des besonderen Stellenwertes, den die Weiterführung des Betriebsratsmandates von Gesetzes wegen besitzt, zugunsten des Mitarbeiters A. aus.

(1) Dem auf Seiten des Klägers zu berücksichtigenden Interesse der Belegschaft an der Kontinuität des Betriebsratsmandats kommt im vorliegenden Fall nur eine untergeordnete Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang lässt die Kammer die von zahlreichen Mitarbeitern der Beklagten unterzeichnete Erklärung vom 28.12.2004, derzufolge diese sich durch den Kläger nicht (mehr) vertreten fühlen, ebenso außer acht, wie das von verschiedenen Mitarbeitern am 08.07.2004 an den Kläger gerichtete Schreiben, welches den gleichen Tenor aufweist. Auf beide Äußerungen kam es nämlich im vorliegenden Fall deshalb nicht an, weil aufgrund des unbestrittenen Sachvortrags der Beklagten, der Kläger habe im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit zumindest vorrangig die Interessen der Fliesenleger vertreten (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 28.02.2005, S. 8), jedenfalls feststeht, dass in der Vergangenheit im Rahmen der Betriebsratstätigkeit Gegensätze zwischen den Interessen der Fliesenleger und den Interessen der Mitarbeiter der Handelsabteilung aufgetreten waren. Durch die Schließung der Abteilung "Fliesenverlegung" hat sich die Interessenlage der Belegschaft geändert. Einer Vertretung der Interessen der Fliesenleger bedarf es nach Schließung der Abteilung "Fliesenverlegung" gerade nicht mehr. Da der Kläger primär gerade die Interessen der Fliesenleger vertreten hat, liegt es auf der Hand, dass das Interesse der Belegschaft an der Fortführung des Amtes des Klägers nach Schließung der Abteilung "Fliesenverlegung" als gering einzuschätzen ist.

(2) Da dem, im Rahmen der Abwägung üblicherweise maßgeblich zu berücksichtigenden Kriterium des Interesses der Belegschaft an der Kontinuität der Betriebsratstätigkeit im vorliegenden Fall aus den vorgenannten Gründen keine nachhaltige Bedeutung zukommt, rückt hier ausnahmsweise der Vergleich der sozialen Kriterien in den Vordergrund. Dieser Vergleich ergibt, dass der Mitarbeiter A. von einer Kündigung in erheblichem Maße sozial härter betroffen würde als der Kläger. Denn im Gegensatz zum Kläger verfügt der Mitarbeiter A. nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Bereits dies rechtfertigt, jedenfalls unter Berücksichtigung des Alters des Herrn A. (58 Jahre), die Annahme, dass dieser keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt hat. Demgegenüber verfügt der fünf Jahre jüngere Kläger über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Fliesenleger, so dass seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt jedenfalls erheblich höher einzuschätzen sind, als jene des Herrn A..

(3) Der Kläger hat dem substantiierten Vortrag der Beklagten zu den fehlenden Arbeitsmarktchancen des Herrn A. gegenüber nicht substantiiert dargelegt, weshalb er als Fliesenleger keinerlei Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt zu haben meint. Seine Ausführungen u. a. in seinem Schriftsatz vom 07.09.2005 mögen aufzeigen, dass er erhebliche Schwierigkeiten bei der Suche eines Arbeitsplatzes haben würde. Aus seinen Ausführungen wird aber nicht deutlich, weshalb er sich in einer aussichtslosen Situation befinden sollte. Zudem kann für den Kläger die Möglichkeit in Betracht kommen, sich - unterstützt durch die Arbeitsverwaltung - als Fliesenleger selbständig zu machen. Dem steht nicht entgegen, dass der Weg in die Selbständigkeit sich aufwändig gestalten würde und der Kläger überdies sein Krankheitsrisiko zu tragen hätte. Dieses sind für die Selbständigkeit typische Faktoren. Der Vortrag des Klägers, dass für ihn keine "Vermittlungschancen" als Selbständiger bestehen würden, ist insofern unbeachtlich, als Selbständige ohnehin nicht "vermittelt" werden. Schließlich ist auch weder ersichtlich noch vom Kläger dargetan, weshalb es sich um eine unzulässige Scheinselbständigkeit handeln sollte, würde der Kläger sich selbständig machen.

(4) Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass Herr A. seit 30 Jahren bei der Beklagten beschäftigt ist, während der Kläger lediglich über eine Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren verfügt. Diese erhebliche Diskrepanz wirkt sich im Rahmen der Interessenabwägung ebenfalls zugunsten des Herrn A. aus. Da Herr A., selbst wenn er mit Vollendung des 60. Lebensjahres bereits Altersrente erhalten könnte, erhebliche Rentenminderungen (14,4 %) in Kauf nehmen müsste, ändert die Möglichkeit eines frühzeitigen Renteneintritts nichts am Ergebnis der Interessenabwägung.

IV. Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlender Beteiligung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

1. Zu einer nach § 15 Abs. 5 S. 2 KSchG zulässigen ordentlichen Kündigung bedarf es nicht der Zustimmung des Betriebsrates. Dieser ist lediglich gem. § 102 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG zu beteiligen (vgl. KR/Etzel, a.a.O., § 15 KSchG Rdnr. 130; APS/Linck, a.a.O., § 15 KSchG Rdnr. 188; Stahlhacke/Preis, a.a.O., Rdnr. 1638; HK-Dorndorf, 4. Aufl. 2001, § 15 KSchG Rdnr. 162; ebenso BAG 21.06.2001 - 2 AZR 137/00 - AP § 15 KSchG Nr. 50 für die ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 15 Abs. 4 KSchG).

2. Einer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedurfte es im vorliegenden Fall indes nicht, da der Betriebsrat bei Ausspruch der Kündigung funktionsunfähig war. Funktionsunfähigkeit des Betriebsrates liegt dann vor, wenn alle Betriebsratsmitglieder an der Amtsausübung vorübergehend gehindert sind.

a) Im vorliegenden Fall waren sowohl der Betriebsratsvorsitzende als auch sein Stellvertreter zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorübergehend verhindert über die von der Beklagten beabsichtigten Kündigung des Klägers im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs 1 Satz 1 und 2 BetrVG zu beraten und einen Beschluss zu fassen. Dies führt, da keine weiteren Betriebsratsmitglieder oder Ersatzmitglieder vorhanden waren und sind, zu einer Funktionsunfähigkeit des Betriebsrates.

aa) Der Kläger als Betriebsratsvorsitzender war im Hinblick auf die Kündigung gem. § 26 Abs. 2 S. 1 BetrVG vorübergehend verhindert, da er persönlich in seiner individualrechtlichen Stellung als Arbeitnehmer durch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses unmittelbar betroffen war. In einem solchen Fall ist das individualrechtlich betroffene Betriebsratsmitglied im Hinblick auf die jeweilige Maßnahme, hier Beratung und Beschlussfassung (vgl. § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG, zeitweilig verhindert. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass zur Vermeidung von Interessenkollisionen niemand "Richter in eigener Sache" sein kann. Der Betriebsrat hat die Interessen der von ihm repräsentierten Belegschaft wahrzunehmen. Diese Aufgabe kann er nicht ordnungsgemäß erfüllen, wenn bei der Beschlussfassung die eigenen Interessen von Betriebsratsmitgliedern so stark sind, dass diese gegenüber den Interessen der Belegschaft in den Vordergrund treten (vgl. BAG 03.08.1999 - 1 ABR 30/98 - AP § 25 BetrVG 1972 Nr. 7; BAG 19.03.2003 - 7 ABR 15/02 - EzA § 40 BetrVG 2001 Nr. 3; Fitting, BetrVG, 22. Aufl. [2004], § 26 Rdnr. 39 i.V.m. § 25 Rdnr. 18).

bb) Auch der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende I. war vorübergehend verhindert. Dieser war nämlich zum Zeitpunkt der Anhörung seit über einem Jahr arbeitsunfähig erkrankt. Die Situation krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eines Betriebsratsmitglieds kann - muss aber nicht - zu dessen zeitweiliger Verhinderung führen (vgl. BAG 15.11.1984 - 2 AZR 341/83 - EzA § 102 BetrVG Nr. 58, zu B IV 1 der Gründe). Im Krankheitsfall streitet jedoch eine tatsächliche Vermutung für die Unfähigkeit zur Amtsausübung, die der klagende Arbeitnehmer widerlegen muss (vgl. APS/Koch, a.a.O., § 102 BetrVG Rdnr. 48; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 9. Aufl. [2004], § 102 Rdnr. 36; auch das BAG 15.11.1984 - 2 AZR 341/83 - EzA § 102 BetrVG Nr. 58, zu B IV 1 der Gründe, neigt zu dieser Auffassung). Dem Kläger ist es nicht gelungen, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen.

(1) Einerseits ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende I., der erst während seiner längerfristigen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit in den Betriebsrat nachgerückt ist, zu keinem Zeitpunkt vor Ausspruch der Kündigung gegenüber der Beklagten ausdrücklich seine Fähigkeit zur Mandatsausübung angezeigt hat Andererseits fehlt es auch an einer Darlegung, dass der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende I. vor Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte tatsächlich sein Mandat wahrgenommen, also Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Soweit der Kläger ausführt, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende I. habe im Juli 2004 an einer von der Geschäftsführung organisierten Mitarbeiterveranstaltung teilgenommen und dort die Position des Betriebsrates und der Mitarbeiter vertreten, wird aus diesem Vortrag nicht ersichtlich, dass Herr I. in Ausübung seiner Funktion als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender an der Veranstaltung teilgenommen hat. Das Teilnehmen an einer Mitarbeiterveranstaltung stellt sich auch dann noch nicht als Mandatswahrnehmung dar, wenn eine Meinung artikuliert wird, die den Positionen des Betriebsrats inhaltlich entspricht. Vielmehr wäre es, da Herr I. zuvor jedenfalls gegenüber der Beklagten noch nie als Betriebsratsmitglied in Erscheinung getreten war, zumindest erforderlich gewesen, dass Herr I. erkennbar als Betriebsratsmitglied aufgetreten wäre. Da er erst im Jahr 2004 in den Betriebsrat nachgerückt war, wäre dies zwingend geboten gewesen, damit die Beklagte hätte erkennen können, dass Herr I. trotz seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sein Betriebsratsmandat wahrnimmt.

(2) Auch die Tatsache, dass Herr I. Anfang Oktober 2004 - und damit vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung - an einer Betriebsversammlung in P. teilgenommen hat, ändert nichts an seiner zeitweiligen Verhinderung zum maßgeblichen Zeitpunkt. Maßgeblicher Zeitpunkt war nämlich der Zeitpunkt, zu dem die Beklagte versucht hat, den Betriebsrat gem. § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG anzuhören, also dem Zeitpunkt der Zustellung der Anhörung an den Kläger am 05.10.2005. Die Betriebsversammlung, an welcher Herr I. unstreitig teilgenommen hat, fand nach diesem Zeitpunkt statt, so dass es dahinstehen kann, ob die Teilnahme des Herrn I. an dieser Betriebsversammlung geeignet wäre, die tatsächliche Vermutung seiner vorübergehenden Verhinderung zu widerlegen, da die tatsächliche Vermutung der Amtsunfähigkeit in diesem Falle jedenfalls erst ab dem Zeitpunkt dieser Betriebsversammlung widerlegt wäre.

b) Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, wegen der Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats zum maßgeblichen Zeitpunkt (05.10.2004) die von ihr beabsichtigte Kündigung zu verschieben, um sodann den Betriebsrat gem. § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG anhören zu können. Ein solches Zuwarten war der Beklagten deshalb nicht zuzumuten, weil sich einerseits an der vorübergehenden Verhinderung des Klägers wegen Selbstbetroffenheit auch durch Zuwarten nichts geändert hätte und andererseits aus "ex ante-Sicht" für die Beklagte keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass die auf Krankheit beruhende vorübergehende Verhinderung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden I. in absehbarer Zeit überwunden sein würde, da Herr I. zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits seit über einem Jahr arbeitsunfähig erkrankt war.

3. Aber selbst dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht von der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG am 05.10.2004 ausginge, bliebe es dabei, dass die streitbefangene Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam wäre.

a) Zwar wäre der Kläger, wie bereits dargestellt, bei der Beratung und Beschlussfassung über die von der Beklagten beabsichtigte ordentliche Kündigung im Rahmen des Anhörungsverfahrens (§ 102 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG) verhindert i. S. von § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gewesen. Dies bedeutet aber nicht, dass er in dieser Situation auch nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gehindert war, das Anhörungsschreiben vom 05.10.2004 entgegenzunehmen. Denn hierbei bestehen keine Entscheidungsspielräume, die von Eigeninteressen beeinflusst werden könnten. Der Kläger handelte als Betriebsratsvorsitzender bei der Entgegennahme des Anhörungsschreibens nicht als Vertreter des Betriebsrats im Willen, sondern lediglich als dessen Vertreter in der Entgegennahme einer Erklärung des Arbeitgebers.

b) Soweit der Kläger - die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats weiterhin unterstellt - selbst den Beschluss gefasst hat, die von der Beklagten beabsichtigte ordentliche Kündigung lediglich "zur Kenntnis zu nehmen", ist dies zwar aufgrund seiner Befangenheit unrechtmäßig gewesen. Mängel, die in der Sphäre des Betriebsrats liegen, berühren jedoch die Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 und 2 BetrVG nicht. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder nach dem Umständen vermuten kann, dass die Behandlung durch den Betriebsrat nicht fehlerfrei erfolgt ist (BAG 16.01.2003 - 2 AZR 707/01 - EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 2; BAG 11.12.2003 - 2 AZR 536/02 - EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5).

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des § 15 Abs. 5 KSchG grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision für den Kläger nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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