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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 12 Sa 1323/04
Rechtsgebiete: SGB III, BGB


Vorschriften:

SGB III § 2
SGB III § 37 b
SGB III § 140
BGB § 241
BGB § 280
Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitslosengeld nach § 140 SGB III wegen nicht unverzüglicher Arbeitslosmeldung nach § 37 b SGB III gemindert wurde, kann vom Arbeitgeber keinen Schadensersatz deshalb verlangen, weil der Arbeitgeber seiner Informationsobliegenheit nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht nachgekommen war.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 1323/04

Verkündet am 29. September 2004

In Sachen

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29.09.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Märzke und den ehrenamtlichen Richter Sendke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.07.2004 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt mit der Begründung, dass die Beklagte seine Schadlosstellung zugesagt und ihn außerdem pflichtwidrig bei der Kündigung nicht auf die Notwendigkeit unverzüglicher Arbeitslosmeldung hingewiesen habe, Ersatz für die von der Arbeitsverwaltung gemäß § 140 SGB III verfügte Minderung des Arbeitslosengeldes.

Mit Schreiben vom 29.10.2003 kündigte die Beklagte gegenüber dem Kläger das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.01.2004. Die Beklagte informierte bei der Kündigung den Kläger nicht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III über seine Verpflichtung, sich unverzüglich persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Beiden Parteien waren die zum 01.07.2003 mit den Vorschriften der §§ 37b, 140 SGB III eingeführte Regelung über die Pflicht zur Arbeitssuche während eines noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses und die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen diese Pflicht unbekannt.

Am 06.11.2003 mandatierte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage. Im Beratungsgespräch wies ihn sein Anwalt darauf hin, sich erst einmal sofort beim Arbeitsamt zu melden. Der Kläger tat dies nicht. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 23.23.2003 legten die Parteien den Kündigungsschutzprozess durch einen Abfindungsvergleich bei. Am selben Tag meldete sich der Kläger bei dem Arbeitsamt Düsseldorf arbeitsuchend. Mit Bescheid vom 30.01.2004 minderte die Agentur für Arbeit Düsseldorf gegenüber dem Kläger den Arbeitslosengeldanspruch um Euro 1.500,00 (30 Tage x Euro 50,00). Zur Begründung gab sie an, dass der Kläger es versäumt habe, sich nach Kenntnis der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unverzüglich, i. c. spätestens am 08.11.2003, arbeitsuchend zu melden. Die Beklagte stellte dem Kläger, als er ihr den Bescheid vom 30.01.2004 zeigte, als Hilfe gegenüber der Bundesagentur für Arbeit ein auf den 12.11.2003 rückdatiertes Schreiben aus, wonach "sollte sich beim Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf ein Annahmeverzug ergeben, Sie bis zur vollständigen Klärung der Angelegenheit in zweiter Instanz, weiterhin bei vollem Lohnausgleich beschäftigt bleiben und Ihrer normalen Arbeit nachkommen". Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2004 wies die Bundesagentur für Arbeit den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger sah davon ab, die Entscheidung der Bundesagentur durch Klage beim Sozialgericht anzufechten.

Im April 2004 hat der Kläger die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf auf Schadensersatz in Höhe von Euro 1.500,00 verklagt. Er hat der Beklagten vorgehalten, ihrer Informationsobliegenheit nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht nachgekommen zu sein. Der im Rahmen der anwaltlichen Beratung am 06.11.2003 erfolgte Hinweis seines Prozessbevollmächtigten habe nicht den Aufmerksamkeitswert und die Warnfunktion einer Information des Arbeitgebers über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung beim Arbeitsamt gehabt. Im übrigen habe - so meint der Kläger - die Beklagte ihn mit der rückdatierten Bescheinigung vom 12.11.2003 schadlos stellen wollen.

Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dem Kläger irgendwelche Exspektanzen auf eine Schadlosstellung oder Wiedereinstellung eröffnet zu haben, und gemeint, dass der Kläger die verspätete Arbeitslosmeldung selbst zu vertreten habe, zumal er nicht einmal einem entsprechenden Hinweis seines Prozessbevollmächtigten gefolgt sei.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 14.07.2004 die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass etwaige Obliegenheitsverletzung der Beklagten nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III für den Schadenseintritt nicht mehr kausal geworden sei, nachdem der Kläger dem Hinweis seines Anwalts am 06.11.2003, sich sofort beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, nicht gefolgt sei, sondern bis zum 23.12.2003 mit der Arbeitslosmeldung zugewartet habe.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung greift der Kläger das erstinstanzliche Urteil, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, in rechtlicher Hinsicht an. Die Beklagte verteidigt das Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

I. Für seinen Anspruch auf Ausgleich der entstandenen Arbeitslosengeldminderung kann der Kläger sich nicht auf eine Sondervereinbarung mit der Beklagten berufen. Die "Bescheinigung vom 12.11.2003" gibt inhaltlich nichts dafür her, dass die Beklagte ihm zusagte, ihn schadlos zu stellen, falls die Bundesagentur für Arbeit an ihrer Entscheidung, das Arbeitslosengeld zu mindern, festhalten würde. Wenn die Beklagte dem Kläger, wie dieser behauptet, mit der Bescheinigung eine Argumentationshilfe gegenüber der Bundesagentur geben wollte, so erschöpft sich die Erklärungsbedeutung ihres Verhaltens in der Erweisung einer Gefälligkeit. Hingegen war damit nicht die (weitergehende) Zusage der Schadlosstellung verbunden. Die Beklagte hatte - für den Kläger erkennbar - keine Veranlassung, sich zum Ersatz der Minderung des Arbeitslosengeldes zu verpflichten, denn sie ging davon aus, dass die ordnungsgemäße Arbeitslosmeldung Sache des Klägers und dass dieser von Anfang an anwaltlich beraten war.

II. Ein Schadensersatzanspruch ist weder aus § 280, § 241 Abs. 2 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB begründbar.

Zwar können öffentlichrechtliche Vorschriften verpflichtende Wirkung auch für die privatrechtlichen Beziehungen der Parteien eines Arbeitsverhältnisses haben, und, wenn sie den Schutz des Arbeitnehmers bezwecken, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gestalten und konkretisieren (BAG, Urteil vom 15.01.1992, 5 AZR 15/91, AP Nr. 21 zu § 2 ArbGG 1979; vgl. Urteil vom 02.04.1992, 6 AZR 493/90, AP Nr. 6 zu § 40 BAT). Der Verstoß gegen das Informationsgebot nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB löst jedoch weder unmittelbar noch unter dem Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers wegen der dem Arbeitnehmer entstandenen Minderung des Arbeitslosengeldes aus.

1. Aus der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III werden, nachdem zum 01.07.2003 über § 140 SGB III i.V.m. § 37b SGB III die Minderung von Arbeitslosengeldes bei nicht unverzüglicher Arbeitslosmeldung eingeführt wurde, unterschiedliche arbeitsrechtliche Folgerungen gezogen. Eine verbreitete Meinung in der Literatur nimmt an, dass der Arbeitgeber, der seine sozialgesetzliche Informationsobliegenheit verletze, sich schadensersatzpflichtig mache, wenn infolge der Nichtmeldung oder verspäteten Meldung gegen den Arbeitnehmer Sanktionen nach § 140 SGB III verhängt werden (Brune, AR- Blattei SD 1510 Stellensuche, Rz. 56 f., Peters-Lange, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 41 Rz. 17 c, Kreutz, AuR 2003, 201, Zieglmeier, DB 2004, 1830). Die Gegenmeinung (ArbG Verden, Urteil vom 27.11.11.2003, BB 2004, 1632 [m. Anm. Heins/Höstermann], Küttner/Voelzke, Personalbuch 2004, '43 Arbeitslosengeld, Rz. 81, Henning/Leitherer, SGB III, § 2 Rz. 14, Wolf, NZA- RR 2004, 337) lehnt eine Ersatzpflicht des Arbeitgebers ab: Sie sieht in § 2 SGB III, namentlich in der "Sollvorschrift" des Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, lediglich Programmsätze und negiert schadensersatzrechtliche Konsequenzen aus der Nichtbeachtung der gesetzlichen Informationsobliegenheit.

Die Kammer stimmt der letztgenannten Auffassung zu.

a) Aus § 2 Abs. 2 SGB III können keine konkreten Rechtsfolgen bei Obliegenheitsverletzungen abgeleitet werden.

(11) Die Ambiguenz des Gesetzeswortlauts (Satz 1: "Die Arbeitgeber haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen") macht deutlich, dass an dieser Gesetzesstelle gerade und nur eine programmatische Zielvorstellung verkündet und nicht mehr als ein Appell an Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerichtet wird. Indessen werden weder bestimmte Verhaltenspflichten begründet noch Pflichtverstöße mit sozial- oder arbeitsrechtlichen Sanktionen verbunden. Die konkrete Statutierung und Ausgestaltung von Handlungspflichten und von Rechtsfolgen bei Pflichtverstößen findet vielmehr erst in nachfolgenden, spezifischen Regelungen statt, so in § 37 b SGB III und § 140 SGB III (vgl. auch BSG, Urteil vom 27.05.2003, SozR 4-4300 § 144 Nr. 3; zu § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB III idFv 24.03.1997: BAG, Urteil vom 12.11.1998, 2 AZR 91/98, AP Nr. 51 zu § 2 KSchG 1969). Legt daher § 2 Abs. 2 SGB III dem Arbeitgeber keine konkreten und verbindlichen Pflichten auf, kann diese Norm auch nicht für die Annahme herhalten, dass die allgemeine arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers durch die Pflicht, den Arbeitnehmer über dessen Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitslosmeldung zu informieren, konkretisiert werde.

(22) Der generelle Appell des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB III wird zwar in den "Sollvorgaben" des Satzes 2 näher ausgeführt. Dem Arbeitgeber werden insoweit Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt und angedient. Er wird jedoch zu keinem bestimmtem Handeln verpflichtet. Vielmehr verbleibt Satz 2 innerhalb der Programmatik des Abs. 2 Satz 1 und begnügt sich mit unverbindlichen "Sollvorgaben".

Zwar ist richtig, dass, wenn Normen sich an Behörden richten, "Soll" regelmäßig ein "Muss" bedeutet (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.1985, SozR 1300 § 48 Nr. 19, BGH, Vorlagebeschluss vom 18.01.2000, AP Nr. 1 zu § 20 GBW, Preis, NZA 1998, 453). In § 2 Abs. 2 SGB III geht es jedoch nicht um Verwaltungshandeln und behördliche Ermessensausübung, sondern - wenn diese Norm auf Verhaltensobliegenheiten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer und seine arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht bezogen werden soll - um zivilrechtliche Pflichtenstrukturen. Unter diesem Aspekt ist zunächst festzuhalten, dass im allgemeinen eine Sollvorschrift schwächere Rechtsfolgen zeitigt als eine Mussvorschrift (BAG, Urteil vom 20.04.1994, 4 AZR 413/93, AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR). Alsdann hängt von der jeweiligen Sollvorschrift und ihrer Auslegung ab, ob und welche Rechtsfolgen sie auslöst (vgl. zu § 26 BetrVG; BAG, Beschluss vom 13.11.1991, 7 ABR 8/91, AP Nr. 9 zu § 26 BetrVG 1972, zu § 104 Satz 1 Hs. 2 BPersVG: BAG, Urteil vom 20.02.2002, 7 AZR 707/00, AP Nr. 23 zu § 72 LPVG NW, zu § 5 Abs. 1 MuSchG: BAG, Urteil vom 13.06.1996, 2 AZR 736/95 AP Nr. 22 zu § 9 MuSchG 1968; ferner BGH, Urteil vom 14.01. 2003, NJW 2003, 1389, Beschluss vom 08. 11.1976, DNotZ 1977, 379). Des Weiteren ist zu bemerken, dass § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III sich nicht zum Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers verhält und daher der Aspekt der "Ermessensbindung" als Ansatzpunkt, der Sollvorschrift Rechtswirkungen im Falle der Nichtbeachtung abzugewinnen, ausscheidet (vgl. Preis, a.a.O).

Die Informationsobliegenheit nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III ist in den allgemeinen Appellcharakter der Gesetzesvorschrift eingebettet. Indem § 2 Abs. 2 SGB III weder Arbeitgeberpflichten noch Arbeitnehmerrechte nach Inhalt und Umfang konkret und verbindlich festlegt, wirkt er auf die arbeitsvertragliche Pflichtenstruktur nicht dergestalt ein, dass vorschriftswidriges Verhalten Schadensersatzansprüche begründen kann. Das Gesetz nimmt dem Arbeitnehmer nicht die Selbstverantwortung ab, sich unverzüglich arbeitsuchend zu melden (§ 37 b), legt die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen diese Pflicht ihm auf (§ 140) und verlagert diese nicht auf den Arbeitgeber. Für dieses Gesetzesverständnis spricht weiterhin, dass Zeitpunkt bzw. Frist der Information untechnisch bezeichnet werden ("vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig") und für die Information keine Form vorgeschrieben wird. Überdies ist die Informationsobliegenheit nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht abgestimmt mit der nachträglich eingeführten Sanktion des § 140 SGB III: Die Information über "die Verpflichtung unverzüglicher Meldung beim Arbeitsamt" klärt nämlich den Arbeitnehmer nicht über die Rechtsfolgen der verspäteten Meldung nach § 140 SGB III und nur unzureichend über den Normgehalt des § 37 b SGB III auf. Auch dieser Befund indiziert die Annahme, dass der Schutzzweck des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht darin besteht, den Arbeitgeber in Haftung für die Nachteile, die dem aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer durch die Minderung des Arbeitslosengeldes entstehen, zu bewahren, sondern dass die Sanktion nach § 140 SGB III nur den säumigen Arbeitnehmer treffen soll (Bepler, jurisPR-ArbR: 35/2004 vom 01. September 2004, Anm. 3). Insoweit ist gesetzlich mit der Informationsobliegenheit des ArbG gerade und nur bezweckt, "die Eingliederung von Arbeitssuchenden zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen" (BT-Drucks. 15/25, S. 27), ggf. auch der Bundesagentur für Arbeit den Nachweis zu erleichtern, dass der Arbeitnehmer schuldhaft die unverzügliche Arbeitslosmeldung verzögert habe.

b) Dem Befund, dass die unterlassene Information nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III den Arbeitgeber nicht gegenüber dem Arbeitnehmer zum Schadensersatz wegen der nach § 140, § 37 b SGB III erfolgten Minderung des Arbeitslosengeldes verpflichtet, steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber im Einzelfall aufgrund einer gesteigerten Informations- und Aufklärungspflicht den Arbeitnehmer über die Verpflichtung, sich unverzüglich arbeitsuchend zu melden, und die Nachteile der Verletzung dieser Pflicht belehren muss. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrages initiiert und dabei den Eindruck erweckt, dass auch die Interessen des Arbeitnehmers hinsichtlich eines etwaigen Arbeitslosengeldbezugs gewahrt würden (vgl. BAG, Urteil vom 10.03.1988, 8 AZR 420/85, AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Auch wenn sich regelmäßig der Arbeitnehmer selbst vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages über die Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klarheit verschaffen muss, kann der Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall gehalten sein, den Arbeitnehmer über dessen Handlungsobliegenheit nach § 37b SGB III und die Sanktion nach § 140 SGB III zu unterrichten. Im Streitfall bestand keine dermaßen erhöhte Informationspflicht der Beklagten. Sie setzte den Kläger weder durch die Kündigung als solche noch aufgrund der Begleitumstände atypischen Risiken oder Erschwernissen hinsichtlich einer (unverzüglichen) Arbeitslosmeldung aus.

c) Hält man es im Ansatz für möglich, dass die unterlassene Information des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber Schadensersatzansprüche auslösen kann, soweit infolge verspäteter Arbeitslosmeldung Arbeitslosigkeit eintritt, wird gleichwohl nach § 254 BGB eine (Mit-)Haftung des Arbeitgebers regelmäßig entfallen, weil primär dem Arbeitnehmer selbst die frühzeitige Stellensuche und damit die unverzügliche Arbeitslosmeldung obliegt. Verzögert er die Meldung, wird sein Eigenverschulden derart überwiegen, dass es eine Mitverantwortlichkeit des Arbeitgebers dahinter zurücktritt. Im Streitfall scheidet unter diesem Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch bereits deshalb aus, weil der Kläger selbst nicht behauptet, dass seine Arbeitslosigkeit durch eine frühere Arbeitslosmeldung vermieden worden wäre.

d) Danach braucht nicht vertieft zu werden, ob der Umfang der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht durch Statuierung sozialrechtlicher Aufklärungs- und Informationsobliegenheiten überspannt wird. Immerhin ist zu bedenken, dass Arbeitgeber auch ein "Klein(st)unternehmer" sein kann und ihm Gesetzeskenntnisse zu einer Materie ("Arbeitslosmeldung") zugemutet werden, die genuin den Arbeitnehmer und nicht ihn betrifft.

Dem Unterfangen, der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III einen Schadensersatzanspruch des vom Arbeitgeber nicht informierten Arbeitnehmers wegen späterer Minderung von Arbeitslosengeld zu entnehmen, mag zum einen die Vorstellung zugrunde liegen, dass der Sozialgesetzgeber mit der Schaffung von Rechtsnormen stets den Willen verbinde, dass deren Nichtbefolgung zu Sanktionen führe. Diese Vorstellung ist fehlsam (BSG, Urteil vom 27.05.2003, a.a.O). Zudem fällt es schwer, arbeitsrechtliche Ansprüche aus sozialrechtlichen "Sollvorschriften" abzuleiten, wenn es dem Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, den entsprechenden Willen in eine "Mussvorschrift" zu kleiden. Dies gilt umso mehr, als die Normadressaten einem ihnen als wuchernd erscheinenden Regelungsdickicht auf klar und eindeutig gefasste Rechtsnormen angewiesen sind. Es kann nach Dafürhalten der Kammer nicht Sache der Gerichte sein, politische Rücksichtnahmen und Zurückhaltung des Gesetzgebers durch forsche Gesetzesauslegung zu kompensieren. Zum anderen geht das Bemühen um einen Schadensersatzanspruch tendenziell in die falsche Richtung, weil das Problem, wer für die Minderung des Arbeitslosengeldes nach § 140 SGB III aufkommen muss, in die arbeitsrechtliche Beziehung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber bugsiert wird, anstatt es dort zu lösen, wo es hingehört, nämlich beim Leistungsanspruch des Arbeitnehmers gegen die Bundesagentur für Arbeit und der damit verbundenen Frage, inwieweit die Bundesagentur ohne individuelle Rechtsbelehrung ihrer Versicherten über die Rechtsfolgen nicht unverzüglicher Arbeitslosmeldung deren Verschulden unterstellen und die Sanktion der Arbeitslosengeldminderung verhängen kann (dazu Zieglmeier, DB 2004, 1830/1833). Insoweit muss das Arbeitsrecht nicht sozialrechtlichen Informationsproblemen bei der Einführung neuer rigider Leistungseinschränkungen und einer entsprechenden Verwaltungspraxis den Steigbügel halten.

2. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist, wie die Vorinstanz mit überzeugender Begründung dargestellt hat und worauf verwiesen werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG), die Klage deshalb unbegründet, weil der Umstand, dass die Beklagte den Kläger nicht über dessen Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung beim Arbeitsamt informierte, nicht kausal dafür war, dass der Kläger die Meldung verzögerte. Indem der Kläger auch nach dem Hinweis seines Rechtsanwalts am 06.11.2003 nichts unternahm, steht für die Kammer fest (§ 286 ZPO), dass er sich auf den selben, durch die Beklagte gegebenen Hinweis nicht anders verhalten hätte.

a) Am 06.11.2003 wurde der Kläger von seinem Rechtsanwalt aufgefordert, sich sofort arbeitslos zu melden. Ausweislich der Bescheide der Arbeitsverwaltung wäre die Meldung noch am 08.11.2003 unverzüglich gewesen, so dass das Arbeitslosengeld nicht gemindert worden wäre. Dem Kläger war es auch möglich und zumutbar, sich bis zu diesem Termin beim Arbeitsamt zu melden. Er macht selbst keinen Hinderungsgrund geltend (vgl. zum Freistellungsanspruch nach § 629 BGB: Brune, a.a.O., Rz. 55).

Der Einwand des Klägers, dass für den Arbeitnehmer die Information des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Kündigung eine höhere Warnfunktion habe als der anwaltliche Hinweis des eigenen Prozessbevollmächtigten, ist unzutreffend. Es spricht nichts dafür, dass ein Arbeitnehmer auf Hinweise zur Arbeitslosmeldung mehr hört, wenn sie vom Arbeitgeber anstatt vom eigenen Anwalt kommen. Wenn der Kläger auf die Aufforderung seines Prozessbevollmächtigten nicht reagierte, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er aktiv geworden wäre, wenn die Beklagte ihm gesagt hätte, dass ein gekündigter Arbeitnehmer zur unverzüglichen Meldung beim Arbeitsamt verpflichtet sei. Anders mögen die Dinge liegen, wenn die Beklagte ihn auf die Gefahr der Arbeitslosengeldminderung nach § 140 SGB III aufmerksam gemacht hätte. Diese weitergehende Rechtsbelehrung schuldet indessen der Arbeitgeber nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht.

b) Danach kann dahinstehen, ob - unter der Prämisse, dass die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III unterbliebene Information Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers hinsichtlich der Minderung von Arbeitslosengeld auslösen kann, - häufig auch ein Mitverschulden des Arbeitnehmers vorliegt. Dies wird von Hanau (ZIP 2003, 1575) zutreffend unter Hinweis auf die Konsequenzen nach § 254 BGB bejaht. Denn der Verstoß des Arbeitgebers gegen die Informationsobliegenheit fällt zusammen mit einer eigenen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nach § 37 b SGB III.

III. Nach allem kann dahinstehen, ob die Bundesagentur für Arbeit nach § 140 SGB II i.V.m. § 37b SGB III das Arbeitslosengeld des Klägers zu Recht minderte oder ob ihre Entscheidung unrichtig war und es vom Kläger versäumt wurde, sie vor dem Sozialgericht anzufechten.

1. Ob dem Arbeitnehmer nach § 37b SGB III dessen Rechtsunkenntnis schon bei erster Arbeitslosigkeit nach der neuen Gesetzeslage (ab 01.07.2003) vorgeworfen werden kann, ist in der Instanzrechtsprechung der Sozialgerichte und der Literatur umstritten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06. 2004, L 3 AL 1267/04 [BSG B 11 AL 47/04 R], SG Freiburg, Urteil vom 02.06 2004, S 3 AL 382/04, Gagel/Kruse, SGB III, § 37b Rz. 8, Zieglmeier, DB 2004, 1832 f.; ferner HWK/Peters-Lange, § 37b SGB III, Rz. 5). Auch im Streitfall mit seinen Besonderheiten bleibt zweifelhaft, ob der Vorwurf der Bundesagentur für Arbeit an den Kläger, sich nicht unverzüglich bis zum 08.11.2003 arbeitsuchend gemeldet zu haben, berechtigt war. Dass der Kläger bei Erhalt der Kündigung weder seine Verpflichtung zu unverzüglicher Meldung beim Arbeitsamt noch die Sanktion des § 140 SGB III kannte, ist unstreitig. Er wurde hierüber auch nicht durch die Beklagte informiert. Zwar erhielt er mit dem Hinweis seines Prozessbevollmächtigten im Beratungsgespräch am 06.11.2003 praktisch die Information entsprechend dem ab 01.01.2003 geltenden § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III. Weil der Hinweis jedoch nicht mit der Belehrung über ab 01.07.2003 eingeführten Minderung des Arbeitslosengeldes bei nicht unverzüglicher Meldung verbunden war, blieb ihm indessen die Tragweite des Zuwartens mit der Arbeitslosmeldung verborgen. Schließlich mochte der Kläger eine Arbeitslosmeldung für verfrüht halten, weil nach seiner (allerdings bestrittenen) Behauptung der Geschäftsführer der Beklagten Anfang November 2003 erklärte, ihn, den Kläger, im Falle der Verbesserung der Auftragslage wiedereinzustellen.

2. Auch könnte der Frage nachzugehen sein, wie es sich mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verträgt, dass der Meldepflicht nach § 37b SGB III nur solche Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis (§ 24 Abs. 1 SGB III) endet, also insbes. Arbeitnehmer, unterworfen werden, wohingegen andere Arbeitsuchende (zum Personenkreis: Zieglmeier, a.a.O.), bei nicht unverzüglicher Meldung keine Minderung ihres Arbeitslosengeldanspruchs erfahren.

IV. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Berufung sind gemäß § 97 Abs. 1 ZPO vom Kläger zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Ein gesetzlicher Grund für die Revisionszulassung ist nicht erkennbar. Weil die Ausführungen zu II 2 die vorliegende Entscheidung tragen, kann nach Auffassung der Kammer nicht wegen der weiteren, unter II 1 gegebenen Begründung eine höchstrichterliche Klärung der insoweit rechtsgrundsätzlich bedeutsamen Problematik veranlasst werden. Wegen der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird der Kläger auf § 72a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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