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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.05.2007
Aktenzeichen: 12 Sa 141/07
Rechtsgebiete: TVG, BetrVG, BGB


Vorschriften:

TVG § 3 Abs. 2
BetrVG §§ 111 ff.
BGB § 328
1. Die tarifliche Erweiterung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach § 3 Abs. 2 TVG begegnet keinen grundsätzlichen rechtlichen Bedenken.

2. Tarifnormen, die Nachteilsausgleichsansprüche i.S.v. § 112 BetrVG statuieren, sind regelmäßig keine Betriebsnormen. Sie können gemäß § 328 BGB zu Ansprüchen von Außenseitern auf die tarifliche Abfindung führen.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 141/07

Verkündet am 15. Mai 2007

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15.05.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Winkels und die ehrenamtliche Richterin Stumpf

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 18.12.2006 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Abfindung.

Der Kläger war seit 1982 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, zuletzt der S. Umwelt AG, beschäftigt. Gemäß Anstellungsvertrag vom 19.02.2003 wurde der - tarifungebundene - Kläger als AT-Angestellter geführt. In § 14 ist für "gegenseitige Ansprüche aus diesem Anstellungsvertrag" eine Ausschlussfrist von drei Monaten vorgesehen.

Alleinaktionärin der S. Umwelt AG war die S. AG. Diese veräußerte im Jahre 2004 ihren Aktienbesitz an die R. AG & Co KG, - nach Umfirmierung - die jetzige Beklagte.

Am 24.09.2004 schloss die S. Umwelt AG mit dem den Gewerkschaften ver.di, IG Metall und IG BCE "für alle gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen und Betriebsänderungen gem. §§ 111 ff. BetrVG" einen Sozialtarifvertrag. Der Tarifvertrag gilt nach § 2 "persönlich: für die in diesem Unternehmen beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmer", enthält in § 4 einen "Rahmeninteressenausgleich" und in § 5 einen "Rahmensozialplan", der in Nr. 4 im Fall der arbeitgeberseitig veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abfindungsansprüche statuiert. § 6 Abs. 4 des Sozialtarifvertrages bestimmt, dass "die Unterzeichner sicherstellen [werden], dass der tarifliche Interessenausgleich und Rahmensozialplan in entsprechenden Betriebsvereinbarungen bzw. Gesamtbetriebsvereinbarungen umgesetzt wird."

Am 26.09.2004 vereinbarten die S. AG, S. Umwelt AG und ver.di sowie IGB BCE einen Verkaufs-, Abspaltungs- und Überleitungstarifvertrag.

In der Folgezeit kam es für den Beschäftigungsbetrieb des Klägers nicht zu der nach § 6 Abs. 4 des Sozialtarifvertrages vorgesehenen Umsetzung des tariflichen Rahmeninteressenausgleichs und Rahmensozialplans in eine (Gesamt-)Betriebsvereinbarung.

Unter dem 14.02.2005 erklärte die S. Umwelt AG die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zum 31.01.2006. Unter dem 14.02./ 02.03.2005 schlossen die Parteien einen Abwicklungsvertrag, in dem es - soweit hier von Interesse - heißt:

"2. Abfindung

Herr G. erhält in entsprechender Anwendung der §§ 3 Nr. 9, 24, 34 EStG sowie § 1 a KSchG eine Abfindung in Höhe von brutto 278.000,00 € (i.W.: zweihundertachtundsiebzigtausend Euro)

Damit sind alle Vergütungsansprüche von Herrn G. gegenüber der Gesellschaft abgegolten.

...

3. Rückzahlungsklausel

Sollte Herr G. innerhalb von zwei Jahren nach dem tatsächlichen Beendigungszeitpunkt des Anstellungsverhältnisses ein neues Anstellungsverhältnis innerhalb des S. Konzerns begründen, ist der sich aus der Abfindung nach Ziffer 2 ergebende Nettobetrag jeweils vermindert um 1/24 je zwischen Beendigungszeitpunkt und Einstellungszeitpunkt liegenden Kalendermonat an die Gesellschaft zurückzuzahlen.

Sind die materiellen Bedingungen einer Tätigkeitsaufnahme innerhalb des S.-Konzerngesellschaft schlechter als die des bisherigen Arbeitsverhältnisses, so wird die Differenz für die Dauer von drei Jahren ab Beginn der neuen Tätigkeit ausgeglichen.

...

Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien, gleich aus welchem Rechtsgrund, ausgeglichen und erledigt, außer solchen Ansprüchen, die aus vorsätzlicher Schädigung des Unternehmens durch den Mitarbeiter resultieren."

Mit Schreiben vom 22.11.2005 kündigte der Kläger seinerseits das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2005. Er ist seit dem 01.01.2006 bei der zum S.-Konzern gehörenden S. System AG beschäftigt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.06.2006 forderte der Kläger von der Beklagten die Zahlung der in Nr. 2 Satz 1 des Abwicklungsvertrags vereinbarten Abfindung. Nachdem die Beklagte die Forderung unter Hinweis auf Nr. 3 des Vertrages und das vom Kläger zur S. System AG begründete Anschlussarbeitsverhältnis ablehnte, erhob der Kläger Anfang Oktober 2006 vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach Zahlungsklage. Im Prozessverlauf hat er die Klageforderung auch auf § 5 Nr. 4 des Sozialtarifvertrages i.V.m. dem Verkaufs-Abspaltungs- und Überleitungstarifvertrag gestützt und mit einem Hilfsantrag den Abfindungsbetrag von Euro 132.333,33 beansprucht.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 18.12.2006 die Klage abgewiesen. Mit der Berufung greift der Kläger das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, im wesentlichen mit Rechtsausführungen an und verfolgt die Klage im Umfang des erstinstanzlichen Hilfsantrags weiter.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 18.12.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 132.333,33 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat auch den Hilfsantrag zu Recht abgewiesen. Die Kammer macht sich die in jeder Hinsicht zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen. Der Kläger hat mit seinen Angriffen gegen das Urteil auch dem Berufungsgericht nicht vermitteln können, dass es für seine Abfindungsforderung eine Rechtsgrundlage gibt.

I. Dem Kläger steht die in Ziffer 2 Abs. 1 des Abwicklungsvertrages vereinbarte Abfindung nicht als Teilanspruch im Umfang der Klageforderung zu. Nach Ziffer 3 Abs. 1 müsste der Kläger, der in unmittelbaren Anschluss an die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine neue Anstellung innerhalb des S.konzerns fand, die Abfindung sogleich in voller Höhe zurückzahlen. Daher stünde der Einforderung der vertraglichen Abfindung der Einwand nach § 242 BGB ("dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est") entgegen (vgl. BAG, Urteil vom 03.05.2006, 10 AZR 344/05, AP Nr. 25 zu § 1 AEntG).

II. Der Kläger kann nicht die in § 5 Nr. 4 des Sozialtarifvertrages geregelte Abfindung beanspruchen.

1. Die Rechtsnormen des Sozialtarifvertrages sowie des Verkaufs-Abspaltungs- und Überleitungstarifvertrags gelten nicht "unmittelbar und zwingend" (§ 4 Abs. 1 TVG) für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Es fehlt an der beiderseitigen Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1 TVG) ebenso wie an der Allgemeinverbindlichkeit (§ 5 TVG).

2. Die Beklagte ist zwar tarifgebunden, jedoch regelt der Sozialtarifvertrag in § 5 und § 6 keine betrieblichen Fragen i.S.v. § 3 Abs. 2 TVG.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 17.06.1997, 1 ABR 3/97, AP Nr. 2 zu § 3 TVG Betriebsnormen) regeln Betriebsnormen das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern, die allenfalls mittelbar betroffen sind. Betriebsnormen setzen voraus, dass eine Regelung der Materie im Individualvertrag wegen "evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheidet" und daher eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerlässlich ist. Daher haben sie typischerweise formelle Arbeitsbedingungen zum Gegenstand (Kempen/Zachert, § 3 TVG Rz. 22), z.B. die betriebliche Arbeitszeit und deren Verteilung. Geschieht die tarifliche Regelung formeller Arbeitsbedingungen zum Zweck der Beschäftigungssicherung, können u.U. auch materielle Arbeitsbedingungen, z.B. der im Gegenzug für die ohne Lohnausgleich verlängerte Arbeitszeit zugestandene Schutz vor betriebsbedingten Entlassungen, den Charakter einer Betriebsnorm erhalten. Hingegen liegt in der schlichten Statuierung von Abfindungsansprüchen zum Ausgleich entlassungsbedingter Nachteile keine Betriebsnorm. Es ist im allgemeinen und ebenso im Streitfall nicht ersichtlich, dass die Abfindungsregelung zwingend betriebsübergreifend durch einen Firmentarifvertrag erfolgen müsste (vgl. auch BAG, Beschluss vom 03.05.2006, 1 ABR 15/05, AP Nr. 29 zu § 50 BetrVG 1972).

Diesem Befund steht nicht entgegen, dass es den Tarifvertragsparteien unbenommen bleibt, Tarifnormen zu vereinbaren, die Ansprüche auf Nachteilsausgleich begründen (vgl. BAG, Urteil vom 14.11.2006, 1 AZR 40/06, AP Nr. 181 zu § 112 BetrVG 1972). Diese Tarifnormen unterfallen § 4 Abs. 1 TVG und nicht § 3 Abs. 2 TVG.

3. Es kann dahinstehen, ob durch Tarifvertrag das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten erweitert werden kann (a) und ob der Sozialtarifvertrag in diesem Sinn in § 5 und § 6 betriebsverfassungsverfassungsrechtlichen Fragen i.S.v. § 3 Abs. 2 TVG regelt (b). Jedenfalls resultiert daraus, dass für den Beschäftigungsbetrieb des Klägers keine (Gesamt-)Betriebsvereinbarung nach § 6 Abs. 4 des Sozialtarifvertrages zustande kam, kein "unmittelbaren und zwingenden" Abfindungsanspruch (c) .

a) § 6 Abs. 4 des Sozialtarifvertrages impliziert die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates. Zum einen wird der Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans nicht erst bei Betriebsänderungen i. S.v. §§ 111 ff. BetrVG, sondern bereits bei jedweden gesellschaftsrechtlichen Umstrukurierungsmaßnahmen vorgesehen (§ 1, § 3 Nr. 1). Zum anderen werden die Betriebspartner im Umfang des durch den tariflichen Rahmensozialplan bestimmten Volumens davon befreit, auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihres Sozialplans Rücksicht zu nehmen.

b) In der vorliegenden Art begegnet die Erweiterung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten keinen rechtlichen Bedenken (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.03.2003, AP Nr. 165 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, Ke/Za/Wendeling-Schröder, § 1 TVG Rz. 591, Däubler/ Hensche, TVG, 2. Aufl., § 1 Rz. 836, Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 12, 112a, Rz. 179, Kühling/Bertelsmann, NZA 2005, 1019).

c) Kommt die tarifvertraglich ermöglichte Betriebsvereinbarung nicht zustande, löst die betriebsverfassungsverfassungsrechtliche Tarifnorm selbst keine individuellen Ansprüche der Arbeitnehmer aus. In diesem Licht gibt § 6 Abs. 4 des Sozialtarifvertrages den Betriebsparteien zwar eine Option an die Hand; machen sie jedoch davon keinen Gebrauch, entsteht keine Sozialplanforderung gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG mit der unmittelbaren und zwingenden Wirkung nach § 77 Abs. 4 BetrVG (BAG, 30.03.2004 1 AZR 85/03 AP Nr. 170 zu § 112 BetrVG 1972).

Die Rechtslage unterscheidet sich insoweit nicht von der Konstellation, dass Ansprüche der Arbeitnehmer auf Nachteilsausgleich sich lediglich nach § 113 BetrVG ergeben. Ist schon der gesetzliche Anspruch kein zwingendes Recht und kann der Arbeitnehmer auf einen bereits bestehenden Nachteilsausgleichsanspruch ohne Zustimmung des Betriebsrats wirksam verzichten (BAG, Urteil vom 23.09.2003, 1 AZR 576/02, AP Nr. 43 zu § 113 BetrVG 1972), führt erst recht nicht der Umstand, dass die Betriebsparteien die tarifliche Option, eine Betriebsvereinbarung über den Ausgleich oder die Abmilderung wirtschaftlicher Nachteile nicht geschlossen haben, zu zwingenden und unmittelbaren Nachteilsausgleichsansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer.

II. Es ist nicht ersichtlich, dass die Tarifverträge aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme, Gesamtzusage oder betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden. Selbst wenn man dies annähme oder an ein tarifvertraglich begründetes Forderungsrecht des Klägers nach § 328 Abs. 1 BGB auf "Gleichstellung" oder arbeitsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung dächte, wäre ein danach entstandener Abfindungsanspruch durch den Abwicklungsvertrag vom 14.02./02.03.2005 wirksam rechtswirksam worden.

1. In den vorgenannten Konstellationen wird die tarifliche Regelung (nur) Inhalt des Arbeitsvertrages. Es entsteht keine Tarifbindung. Die Ansprüche sind daher nicht gemäß § 4 TVG unabdingbar, sondern arbeitsvertraglich dispositiv, insbes. auch verzichtbar. Das gilt auch dann, wenn man § 5 Nr. 4 des Sozialtarifvertrages als schuldrechtlichen Normenvertrag zu Gunsten Dritter einordnet (vgl. BAG, Urteil vom 14.04.2004, 4 AZR 232/03, AP Nr. 188 zu § 1 TVG Auslegung) und ein tarifvertraglich begründetes Forderungsrecht des Klägers nach § 328 Abs. 1 BGB auf "Gleichstellung" mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern annimmt. Der gegenteiligen Auffassung des Klägers ist die Vorinstanz zu Recht nicht gefolgt. Die Tarifvertragsparteien sind durch Art. 9 Abs. 3 GG gehindert, Tarifnormen unmittelbar und zwingende Geltung für Außenseiter zu verleihen. Im allgemeinen liegt es auch nicht im erkennbaren Interesse der tarifschließenden Gewerkschaften, Außenseitern die Privilegierung der Unabingbarkeit tariflicher Ansprüche (ohne die damit verbundenen Obliegenheiten, z.B. Einhaltung von tariflichen Ausschlussfristen) zuteil werden zu lassen. Das ist im Streitfall nicht anders und wird durch § 2 Abs. 3 des Sozialtarifvertrages verdeutlicht. Wenn in diesem Tarifvertrag und im Verkaufs-, Abspaltungs- und Überleitungstarifvertrag von "allen" Arbeitnehmern die Rede ist, sind - bezogen auf die unmittelbare und zwingende Tarifgeltung - nur die tarifgebundenen Arbeitnehmer gemeint. Hinsichtlich der übrigen Arbeitnehmer bedurfte es, auch nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien, der Umsetzung der Tarifregelung durch Betriebsvereinbarung (§ 6 Abs. 4 des Sozialtarifvertrages). Dass sich der streitgegenständliche Abfindungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung ergeben könnte, macht der Kläger selbst nicht geltend.

2. Wie die Vorinstanz weiter zutreffend ausgeführt hat, ist ein etwaiger individualvertraglicher Abfindungsanspruch des Klägers durch den Abwicklungsvertrag abbedungen worden. Schon die in Nr. 2 und 3 des Vertrages dezidiert getroffene Abfindungsregelung indiziert den beiderseitigen Willen der Parteien, zu dem Regelungspunkt "Abfindung" eine vollständige und abschließende Vereinbarung zu treffen. Hätten sie beabsichtigt, dem Kläger als "Mindestabfindung" den nach § 5 Nr. 4 des Sozialtarifvertrages zu ermittelnden Abfindungsbetrag zuzugestehen, hätte nichts näher gelegen, dies im Abwicklungsvertrag, insbes. bei der Höhe des nach Nr. 3 zurückzuzahlenden Betrages, zum Ausdruck zu bringen. Die Abgeltungsklausel in Nr. 2 Abs. 2 ist ein weiterer Beleg dafür, dass neben der vertraglich vereinbarten Abfindung keine anderen Entgeltleistungen geschuldet sein sollten. Entscheidend ist in jedem Fall, dass nach Nr. 9 des Abwicklungsvertrages "alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien, gleich aus welchem Rechtsgrund ausgeglichen und erledigt" sein sollten. Die Ausgleichsklausel erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut und - erkennbar weiten - Regelungszweck (vgl. BAG, Urteil vom 07.09.2004, 9 AZR 612/03, AP Nr. 11 zu § 75 HGB) etwaige Ansprüche im Zusammenhang mit den fünf Monate zuvor geschlossenen Tarifverträgen.

3. Der eigene Vortrag des Klägers gibt keinen Anlass, aus anderen Rechtsgründen die Wirksamkeit der Abbedingung etwaiger Abfindungsansprüche i. S. v. § 5 Nr. 4 des Sozialtarifvertrages in Frage zu stellen. Angemerkt sei lediglich, dass selbst dann, wenn Nr. 2 und 3 des Abwicklungsvertrages keine Individualvereinbarung wäre, die Abfindungsregelung den Kläger nicht nach § 307 BGB unangemessen benachteiligt, weil die - gegenüber der Tarifregelung nachteilhafte - Rückzahlungsklausel durch die vertraglich höhere Abfindung (über)kompensiert wird und es ansonsten nicht zu beanstanden ist, wenn für den Fall der nahtlosen Weiterbeschäftigung im S.-Konzern jeder Abfindungsanspruch ausgeschlossen wurde (vgl. § 112 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 BetrVG).

4. Steht dem Kläger kein Abfindungsanspruch zu, kann dahin stehen, ob ein etwaiger Anspruch nach § 14 des Anstellungsvertrages verfallen wäre. Unstreitig machte der Kläger seine Forderung auf die "tarifliche" Abfindung nicht frist- und formgerecht geltend. Ob seine Auffassung zutrifft, dass es sich bei dem Anspruch um keinen "gegenseitigen Anspruch aus dem Anstellungsvertrag" handele, braucht die Kammer nicht zu entscheiden. Immerhin ist festzuhalten, dass die vorliegende Verfallklausel nicht gegen § 307 BGB verstößt (vgl. BAG, Urteil vom 28.09.2005, 5 AZR 52/05, AP Nr. 7 zu § 307 BGB). Des weiteren ist nach der höchstrichterlichen Spruchpraxis (BAG 26.02.1992 7 AZR 201/91 AP Nr. 18 zu § 46 BpersVG) für die Einbeziehung eines Anspruchs in eine Verfallklausel entscheidend "die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis, denn nach dem maßgeblichen Zweck einer derartigen Ausschlussklausel soll über die Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien innerhalb eines Zeitraums, in dem alles noch übersehbar und deshalb ohne besondere Schwierigkeiten zu bereinigen ist, Klarheit geschaffen werden und Gewissheit darüber eintreten, mit welchen Ansprüchen die jeweilige Gegenseite noch zu rechnen hat". Daher hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise eine "Ansprüche aus Arbeitsverträgen" erfassende tarifliche Ausschlussklausel auch auf Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Lohnbeträge bezogen (BAG, Urteil vom 26.04.1978 5 AZR 62/77, AP Nr. 64 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Auch ist seit langem anerkannt, dass z.B. Ansprüche auf Sozialplanabfindung von Ausschlussfristen erfasst sein können (BAG, Urteil vom 27.01.2004, 1 AZR 148/03, AP Nr. 166 zu § 112 BetrVG 1972, Fitting, BetrVG Rz. 184; vgl. zur gesamten Problematik BAG, Urteil vom 09.10.1996 5 AZR 338/95, AP Nr. 50 zu § 2 BeschFG 1985, Urteil vom 19.01.1999 1 AZR 606/98 AP Nr. 9 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Gleichwohl lässt sich angesichts des Wortlauts der gegenständlichen Verfallklausel darüber streiten, ob - bei verständiger Würdigung des § 14 des Arbeitsvertrags auf Grund der Üblichkeit derartiger anspruchsvernichtender Fristen zur Geltendmachung im Arbeitsleben aus objektiver Sicht - ihre Rechtsfolgen für die Arbeitsvertragsparteien sich auch hinsichtlich Ansprüche der gegenständlichen Art ergeben. Das braucht indessen hier nicht entschieden zu werden, weil die Klage schon aus anderen Gründen abzuweisen ist.

B. Die Kosten der Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

Die Kammer hat nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für den Kläger die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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