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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.02.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 1603/05
Rechtsgebiete: TzBfG, BAT-KF, BAT


Vorschriften:

TzBfG § 8
BAT-KF § 15 b
BAT § 15 b
Zur Frage, inwieweit das Organisationskonzept, die wegen Verhaltensschwierigkeiten in einem Haus untergebrachten Kinder und Jugendlichen (zw. 6 und 18 Jahre alt) durch vollzeitbeschäftigte Erzieher nach dem "Mentorenprinzip" zu betreuen, dem Teilzeitanspruch nach § 15 b BAT-KF entgegen steht.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 1603/05

Verkündet am 01. Februar 2006

In Sachen

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 01.02.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Spelmanns und den ehrenamtlichen Richter Voß

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld vom 26.10.2005 wird der Beklagte verurteilt, einer Verringerung der Wochenarbeitszeit der Klägerin von bislang 38,5 Wochenstunden auf 20 Wochenstunden zuzustimmen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt die Zustimmung des Beklagten zur Verringerung ihrer Arbeitszeit von bislang 38,5 Wochenstunden auf 20 Wochenstunden.

Die Klägerin trat gemäß Arbeitsvertrag vom 28.03.2000 zum 15.03.2000 als vollzeitbeschäftigte Erzieherin in die Dienste des Beklagten. Nach § 2 des Arbeitsvertrages gelten für das Arbeitsverhältnis die Arbeitsbedingungen des BAT-KF. Die Klägerin wird beschäftigt in der Evangelischen Kinder- und Familienhilfe C., einem vom Beklagten unterhaltenen Heim für Kinder bzw. Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren. In der Einrichtung C. sind 47 Mitarbeiter tätig. Insgesamt beschäftigt der Beklagte in verschiedenen Einrichtungen, insbes. Kindergärten, ca. 200 Arbeitnehmer, darunter eine Vielzahl von Erziehern.

Die Einrichtung C. umfasst 5 Häuser, in denen jeweils 6 bis 10 Kinder bzw. Jugendliche wohnen und betreut werden. Im Stellenplan sind für jedes Haus 4,2 Erzieher vorgesehen. Mit Ausnahme des Hauses A (Elternarbeitsgruppe) werden in allen Häusern jeweils 4 Erzieher in Vollzeit beschäftigt. Im Haus A sind 2 Erzieherinnen in Teilzeit (zu 19,5 Wochenstunden) tätig, und zwar Frau W., die auch Gruppenleiterin ist, und Frau I.. Aus den verbleibenden Stellenanteilen (5 x 0,2) sind zwei halbe Stellen gebildet, über die zwei zusätzlich beschäftigte Jahrespraktikanten, die in Vollzeit arbeiten, vergütet werden.

Frau W. wurde nach ihrer Elternzeit zunächst befristet vom 01.10.2001 und ab 01.04.2002 unbefristet als Halbtagskraft im Haus A eingesetzt und gleichzeitig mit der Gruppenleitung betraut. Im September 2001 war eine Konfliktsituation mit dem bisherigen Gruppenleiter F. zutage getreten, der daraufhin in die Außenwohngruppe versetzt wurde. Frau I. wurde zum Ende ihrer eigenen Elternzeit ab 13.03.2001 im Haus D als Mutterschutz- und Elternzeitvertretung von Frau I. eingesetzt. Seit Mitte 2001 wird sie als Teilzeitkraft im Haus A eingesetzt.

Die Klägerin ist verheiratet und Mutter eines am 07.10.2002 geborenen sowie eines am 28.07.2005 geborenen Sohnes. Ihr Ehemann ist ebenfalls berufstätig. Er geht als Heimerzieher einer Vollzeitbeschäftigung nach.

Unter dem 17.01.2005 stellte die Klägerin bei dem Beklagten den Antrag auf Teilzeitbeschäftigung nach § 15 b BAT-KF, hilfsweise nach § 8 TzBfG. Mit Schreiben vom 09.02.2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Am 29.04.2005 hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Krefeld Klage eingereicht. Mit Schreiben vom 15.08.2005 an den Beklagten bezog sie sich zunächst auf ihr Klagebegehren, verlangte ansonsten eine auf die Dauer ihrer Elternzeit befristete Teilzeitbeschäftigung, äußerstenfalls Freistellung während der Elternzeit.

Der Beklagte wendet gegen den erhobenen Teilzeitanspruch der Klägerin ein, dass aufgrund des Mentorenprinzips regelmäßig ein Erzieher als dauernder Ansprechpartner für zwei Kinder/Jugendliche zur Verfügung stehen müsse, was nur durch Vollzeitbeschäftigung des Erziehers zu erreichen sei. Zudem gelte es, den Kreis der Erzieher möglichst klein zu halten, um den Heimbewohnern Konstanz zu ihren Bezugspersonen zu geben. Mit der Teilzeitbeschäftigung von Frau W. und Frau I. sei einer Ausnahmesituation Rechnung getragen worden.

Die Klägerin hält entgegen, dass nur theoretisch dieselbe Bezugsperson zur Verfügung stehe. Praktisch würden wegen Urlaub, Krankheit oder Gewährung von Freizeitausgleich für geleistete Wochenenddienste ständig Erzieher fehlen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 26.10.2005 die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Klägerin das Urteil, auf das hiermit zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, im wesentlichen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an.

Sie beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld vom 26.10.2005 den Beklagten zu verurteilen, einer Verringerung der Wochenarbeitszeit der Klägerin, beginnend ab Rechtskraft, von bislang 38,5 Stunden/Woche auf 20 Stunden/Woche zuzustimmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung hat Erfolg. Der Beklagte hat nach § 15 b Abs. 1 BAT-KF i.V.m. Ziffer 2 des Arbeitsvertrages die Arbeitszeit der Klägerin auf 20 Wochenstunden zu verringern.

1. Die Klage ist zulässig. Dem Bestimmtheitserfordernis (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist genügt, auch wenn sich aus dem Klageantrag kein datumsmäßig bestimmter Zeitpunkt ergibt, zu dem die erstrebte Vertragsänderung wirksam werden soll. Die Bestimmtheit folgt daraus, dass eine Willenserklärung, wie sie die Klägerin erstrebt, nach § 894 ZPO mit Rechtskraft der Entscheidung als abgegeben gilt. Die Zustimmungserklärung des Beklagten wird mithin zu dem Zeitpunkt fingiert, zu dem ein rechtskräftiges Urteil vorliegt (BAG, Urteil vom 21.06.2005, 9 AZR 409/04, AP Nr. 14 zu § 8 TzBfG

2. Die Klage ist begründet. Der Teilzeitanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 15 b Abs. 1 BAT-KF.

a) Nach § 15 b Abs. 1 BAT-KF "soll mit vollbeschäftigten Angestellten auf Antrag eine geringere als die regelmäßige Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen". Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Klägerin ist vollbeschäftigte Angestellte. Sie hat zwei Kinder unter 18 Jahren. Die Kinder werden von ihr tatsächlich betreut, wobei der Ehemann schon aufgrund eigner Vollzeittätigkeit gehindert ist, die ständige Kinderbetreuung zu übernehmen. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 17.01.2005 eine (unbefristete) Teilzeitbeschäftigung zu 20 Wochenstunden beantragt.

b) § 15 b Abs. 1 Satz 1 BAT ist zwar als "Sollvorschrift" formuliert, begründet jedoch einen Rechtsanspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, wenn "dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen.

Für dieses Verständnis hat die Kammer im Urteil vom 05.03.2003 (12 Sa 1523/02, n.v., [zu der vergleichbaren Tarifvorschrift des § 15 b BAT]) wie folgt argumentiert: "Schon vom Wortlaut her engt die Vorschrift den Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers stärker ein als § 8 Abs. 4 TzBfG, der "betriebliche Gründe" genügen lässt. Derselbe Befund ergibt sich aus dem Normzweck des § 15 b BAT im Vergleich zum Normzweck des § 8 TzBfG. § 15 b BAT hat zum Ausgangspunkt, dass familiäre Betreuungsaufgaben, deren Bedeutung unwiderleglich vermutet wird, den Angestellten in eine "Pflichtenkollision" zur Inanspruchnahme aus dem Vollzeitarbeitsverhältnis bringen. Die Tarifnorm will mit der Teilzeitbeschäftigung den Weg ebnen, Familie und Berufstätigkeit miteinander zu vereinbaren. Indem die Norm vom Ansatz her an die Interessen des Angestellten und seine Vorstellungen über den Umfang der weiteren Arbeitstätigkeit anknüpft, verleiht sie ihnen besondere Relevanz. Konsequent werden die Einwände des Arbeitgebers beschränkt, nämlich auf der Teilzeitbeschäftigung entgegenstehende betriebliche Belange, die zudem nur unter der Prämisse ihrer Dringlichkeit anerkannt werden. Demgegenüber setzt § 8 TzBfG einerseits in der Sphäre des Arbeitnehmers keine Begründung für die Arbeit in Teilzeit voraus (vgl. Boewer, TzBfG, § 8 Rz. 95), erleichtert andererseits aber auch dem Arbeitgeber die Ablehnung, indem er "betriebliche Gründe" ohne Dringlichkeit genügen lässt. Nach der Instanzrechtsprechung (LAG Köln, Urteil vom 04.12.2001, AuR 20012, 189, LAG Niedersachsen, Urteil vom 02.08.2002, NZA-RR 2003, 6) genügen als "betriebliche Gründe" i.S. v. § 8 Abs. 4 TzBfG rationale nachvollziehbare Gründe, die ein gewisses Gewicht haben müssen. Anders liegen die Dinge bei § 15 b BAT. Entgegen der vom Arbeitsgericht angezogenen Kommentierung von Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese (BAT, § 15 b, Erl. 3 a.E.) stellt die Rechtsprechung (LAG Bremen, Urteil vom 23.11.2000, LAGE Nr. 5 zu § 15 BErzGG , LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2000, ZMV 2001, 96) hier zu Recht deutlich höhere Anforderungen an die "betrieblichen Gründe" und zwar sowohl im Hinblick auf ihre Dringlichkeit als auch auf ihre Darlegung durch den Arbeitgeber im Prozess. An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Sie stehen nach Einschätzung der Kammer im Einklang mit der BAG-Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2003, 9 AZR 126/02, AP Nr. 3 zu § 8 TzBfG, Urteil vom 18.05.2004, 9 AZR 319/03, in AP Nr 3 zu AVR Caritasverband Anlage 5). Danach ist der Anspruch nach § 15 b BAT-KF an dieselben Voraussetzungen gebunden wie der gesetzliche Anspruch auf Elternteilzeit nach § 15 BErzGG. "Im Gegensatz zu § 8 Abs. 4 TzBfG genügen für die Ablehnung eines Anspruchs auf Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BErzGG jedoch nicht betriebliche Gründe jeder Art. Vielmehr müssen diese Gründe "dringend", d. h. von besonderem Gewicht sein" (BAG, Urteil vom 19. 04.2005, 9 AZR 233/04, AP Nr. 44 zu § 15 BErzGG).

c) Die Vorinstanz ist zutreffend von diesem Ansatz ausgegangen (Seite 4 des Urteils). Sie hat im folgenden den Anspruch der Klägerin nach der von der BAG-Rechtsprechung (Urteil vom 21.06.2005, 9 AZR 409/04, AP Nr. 14 zu § 8 TzBfG, Küttner/Reinecke, Personalbuch 2005, Teilzeitbeschäftigung, Rz. 34 ff.; krit. H. Hanau, RdA 2005, 301 ff.) entwickelten dreistufigen Prüfungsreihenfolge abgehandelt.

Des weiteren hat die Vorinstanz angenommen, dass zwar das "Mentorenprinzip" auch durch Beschäftigung von zwei Teilzeitkräften anstelle einer Vollzeitkraft zu verwirklichen sei. Jedoch werde die Beschäftigung von Vollzeitkräften dadurch bedingt, dass die Zahl der Erzieher in einem Haus möglichst klein gehalten werden solle, um für die Kinder/Jugendlichen Konstanz dergestalt zu gewährleisten, dass diese sich nur auf vier und nicht auf bis zu acht Erzieher einstellen müssten. Dem stehe nicht entgegen, dass tatsächlich in einem Haus zwei Teilzeitkräfte beschäftigt würden. Indem der Beklagte dies plausibel mit Besetzungsschwierigkeiten erläutert habe, bedeute der Einsatz von zwei Halbtagskräften keine Abkehr von dem Organisationskonzept, Erzieher nur in Vollzeit zu beschäftigen (Seite 7 f. des Urteils).

Ob das Bundesarbeitsgericht die zu § 8 Abs. 4 TzBfG vorgegebene Prüfungsreihenfolge für andere Arbeitszeitverringerungsansprüche, namentlich für vertragliche Ansprüche wie nach § 15 b BAT-KF, angewendet wissen will, kann dahin stehen. Jedenfalls genügt nicht das Vorliegen "betrieblicher Gründe" i.S.v. § 8 Abs. 4 TzBfG (dazu Kammerurteile vom 19.01.2005, 12 Sa 1512/04, EzA-SD 2005, Nr. 11, 9, vom 02.07. 2003, 12 Sa 407/03, NZA-RR 2004, 234); vielmehr müssen die Gründe "dringend" und daher besonders gewichtig sein.

Derartige dringende betriebliche Gründe vermag die Kammer weder in dem "Mentorenprinzip" noch an anderen, vom Beklagten angeführten pädagogischen Erwägungen zu erkennen.

d) Der Beklagte hat sich dadurch, dass er zwei Erzieherinnen (Frau W. und Frau I.) seit 2001 Teilzeit zugestanden hat, in Widerspruch zu dem Konzept gesetzt, dass - wegen des "Mentorenprinzips" und wegen der durch wenige, aber dafür vollzeitig tätige Bezugspersonen pro Haus angestrebten Kontinuität - die Kinder/Jugendlichen durch nicht mehr als vier Erzieher pro Haus zu betreuen seien. Er befand und befindet sich auch nicht in signifikanten "Besetzungsschwierigkeiten". Vielmehr trug er zum einen der betrieblichen Möglichkeit, eine Stelle (Haus A) mit zwei Teilzeitkräften zu besetzen, und zum anderen einem Wunsch von Frau I. nach Teilzeit (Seite 3 des Schriftsatzes vom 18.01.2006) bzw. einer entsprechenden Bereitschaftserklärung von Frau W. (Seite 4) Rechnung. Wenn der Beklagte ausführt, dass "eine Neueinstellung mit einer Vollzeitkraft einen erneuten Beziehungsabbruch für die Kinder bedeutet hätte", gesteht er letztlich ein, dass die Beschäftigung von Teilzeitkräften nicht unvereinbar mit seinem pädagogischen Konzept ist.

e) Im übrigen kann in der Praxis das Mentoren- und Kontinuitätsprinzip auch aus personellen Zwängen nicht durchgängig umgesetzt werden. So sind die Wochenenddienste aus den Reihen der Erzieher jedes Hauses zu leisten. Das bedeutet nicht nur, dass die Kinder/Jugendlichen am Wochenende (wie auch nachts) durchweg ohne ihren persönlicher Mentor sind, sondern dass, weil der Wochenenddienst in Freizeitausgleich abgegolten wird, auch zu den normalen Dienstzeiten nicht alle Erzieher (Mentoren) im Haus anwesend sind. Daher fehlt, wie die Klägerin unwidersprochen in der Verhandlung vorgetragen hat, regelmäßig ein Erzieher, weil von jedem Haus auch Ausfälle wegen Urlaub und Krankheit aufzufangen sind. Zwar handelt es sich, wie der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 18.03.2003, 9 AZR 126/02, AP Nr. 3 zu § 8 TzBfG) erkannt hat, bei Krankheits- und Urlaubsvertretungen um äußere Umstände, die vom Arbeitgeber nicht beeinflusst werden können. Auch ist aus dem Umstand, dass Arbeitnehmer zwingend Anspruch auf Urlaub haben und krankheitsbedingt ausfallen können, nicht zwingend zu folgern, dass jeder Arbeitsplatz teilbar ist. Wenn jedoch die "äußeren Umstände", insbes. personelle, sächliche oder finanzielle Zwänge, so gelagert sind, dass ein pädagogisches Konzept nur unter wesentlichen Einschränkungen realisierbar ist, reicht die vom Arbeitgeber reklamierte konzeptionelle Idealvorstellung nicht aus, um einen der gerichtlichen Kontrolle entzogenen dringenden betrieblichen Ablehnungsgrund darzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 18.05.2004, a.a.O.). Eine andere Frage ist es, ob das pädagogische Konzept, auch wenn es in der Praxis nur mit Abstrichen umsetzbar ist, so gewichtig bleibt, dass es eine Betreuung der Kinder/Jugendlichen nur durch Vollzeitkräfte gebietet und durch den Einsatz von Teilzeitkräften verfehlt würde.

f) Das Bundesarbeitsgericht hat, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, für den Kindergartenbereich das Konzept des Arbeitgebers anerkannt, die durchgängige Anwesenheit der Bezugspersonen durch Vollzeitbeschäftigung von Erziehern zu bewirken (BAG, Urteil vom 19.09.2003, 9 AZR 542/02, AP Nr. 4 zu § 8 TzBfG, Urteil vom 18.03.2003, a.a.O.). Es mag gerade für Kinder im Kindergartenalter wichtig sein, dass sie während ihrer Verweilzeit in der Einrichtung eine feste Bezugsperson haben, und also die volle zeitliche Kongruenz durch die vollzeitig als Erzieherin beschäftigte Bezugsperson hergestellt wird. Diese Sichtweise ist auf andere Erziehungs-, Betreuungs- oder Pflegekonstellationen nicht ohne weiteres übertragbar. Dass ein pädagogischer Mitarbeiter "Bezugsperson" ist, hat angesichts der Ambiguenz dieses Begriffs wenig Aussagekraft. Noch weniger trägt die bloße Begrifflichkeit die Annahme, dass der Erziehungs- und Betreuungsauftrag des Arbeitgebers das konstante Vorhandensein dieses Mitarbeiters, dessen durchgängige Anwesenheit in der Einrichtung erfordert. Das ist auch praktisch nicht darstellbar, wenn - wie vorliegend - die Arbeitszeit des Mitarbeiters hinter dem zeitlichen Betreuungsbedarf deutlich zurückbleibt (vgl. auch BAG, Urteil vom 30.09.2003, 9 AZR 665/02, AP Nr. 5 zu § 8 TzBfG). Daher muss in jedem Einzelfall festgestellt werden, ob das pädagogische Konzept des Arbeitgebers eine Personalpolitik rechtfertigt, die einschränkungslos auf einer Beschäftigung der Erzieher in Vollzeit basiert.

g) Im Streitfall bedingen weder das Mentorenprinzip noch das Bestreben des Beklagten, in den Häusern jeweils die Kinder/Jugendlichen durch wenige Erzieher betreuen zu lassen, die ausschließliche Beschäftigung von Erziehern in Vollzeit. Die Tatsache, dass die betreuten Kinder bzw. Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahre alt sind, gibt den Erziehern in der Einrichtung C. eine andere Aufgabenstellung als den Erziehern in Kindergärten. Während es im Kindergarten darum geht, kleinen Kindern eine Bezugsperson zu geben, die ihnen zur Überwindung der ersten Trennung von den Eltern verhilft, gewinnt für die pädagogische Aufgabenstellung der "Bezugspersonen" (Mentoren) an Gewicht, den Kindern bzw. Jugendlichen, die wegen verschiedenartiger, gravierender Verhaltensschwierigkeiten in der Einrichtung C. untergebracht sind, pädagogische und psychologische Betreuung zuteil werden zu lassen, sie zu erziehen, ihnen in Zusammenarbeit mit Schule, Familie (Eltern) und Jugendamt Hilfestellung zu geben, Informationen, Klärungen und Beratungen vorzunehmen und durch weitere Maßnahmen zur positiven Entwicklung der Kinder/Jugendlichen beizutragen. Die Mentoren sollen nicht die Eltern als Bezugspersonen ersetzen (Bl. 74 d.A. "Elternberatung"). Dass die betreuten Kindern/Jugendlichen (regelmäßig 2) zu ihrem Mentor eine persönliche Bindung finden und Vertrauen fassen sollen, hat nicht zur Konsequenz, dass dieses Ziel nur mit Vollzeitkräften zu schaffen ist. Vielmehr teilt die Kammer die Auffassung der Vorinstanz, dass auch eine Halbtagskraft die Aufgaben des Mentors (dann regelmäßig gegenüber einem Kind oder Jugendlichen) sachgerecht wahrnehmen kann.

Zur Herstellung der personellen Konstanz ist es nicht notwendig, die Zahl der Erzieher auf vier pro Haus zu begrenzen. Aus dem Vortrag des insoweit darlegungspflichtig gebliebenen Beklagten erschließt sich nicht, weshalb gerade und nur durch 4 Erzieher (und nicht etwa durch 3 oder 5 Erzieher) Konstanz in den zwischen 6 und 10 Kindern/Jugendlichen umfassenden Gruppen hergestellt wird. Wenn die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin in einem Haus den Einsatz einer zweiten Teilzeitkraft auslöst, wären dort insgesamt 5 Erzieher tätig. Dafür, dass die Gruppe der Kinder/Jugendlichen sich nicht auf eine solche Zahl an Erziehern einstellen könnte, bestehen - zumal im Hinblick auf das Alter der Kinder/Jugendlichen - keine Anhaltspunkte. Die Situation in Haus A belegt, dass z. B. Erzieher für ein Haus zuständig sein können. Wenn die Vorinstanz ausgeschlossen hat, dass die Kinder/Jugendlichen sich in einem Haus auf 8 Erzieher einstellen könnten, so gibt der vorliegende Fall keine Veranlassung, auf den Grenzfall der Umwandlung sämtlicher Vollzeitstellen in Halbtagsstellen einzugehen. Es geht lediglich um die Erhöhung von 4 auf 5 Erziehern zu befinden. Dies erscheint möglich.

h) Geht man in Anlehnung an die Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts zu § 50 Abs. 1 BAT davon aus, dass die betrieblichen Verhältnisse die Arbeitsverringerung dann zulassen, wenn der Ausfall durch die Einstellung einer Ersatzkraft ausgeglichen werden kann (BAG, Urteil vom 25.01.1994, 9 AZR 540/91, AP Nr. 16 zu § 50 BAT), stehen dem Arbeitszeitverringerungsanspruch der Klägerin allemal keine "dringenden betrieblichen Gründe" entgegen.

Hat der Beklagte die infolge der Arbeitszeitverringerung auszugleichende Arbeitszeit durch eine andere Teilzeitkraft abzudecken, findet er bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage im hiesigen Raum leicht einen zur Teilzeittätigkeit bereiten und geeigneten Erzieher. Der Beklagte selbst hat anderes nicht darlegen können. Nicht nur in der Einrichtung C. des Beklagten, sondern vor allem in den Kindergärten werden weitgehend Erzieher (auch) in Teilzeit beschäftigt.

3. Da die Klägerin dem Beklagten die Einteilung der (auf 20 Wochenstunden) verringerten Arbeitszeit überlässt und überdies bereit ist, eine andere Wochenarbeitszeit (bis zu 25 Stunden) zu akzeptieren, erhält der Beklagte zusätzliche Flexibilität und wird in die Lage versetzt, den Einsatz der Klägerin so einzuteilen, dass die Betreuungsarbeit ohne nachhaltige Beeinträchtigungen fortgesetzt werden kann.

4. Ist die Klage aus den vorgenannten Erwägungen begründet, kann dahinstehen, ob der Beklagte den Arbeitszeitverringerungsanspruch der Klägerin durch deren Versetzung in einen Kindergarten erfüllen könnte und müsste. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Klägerin erklärt, dass ihr an einer (Teilzeit-)Tätigkeit in der Einrichtung C. gelegen sei, dass sie aber auch in einem Kindergarten arbeiten würde, um ihren Beruf als Erzieherin ausüben zu können. Daher kann der Beklagte aufgrund seines vertraglichen Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 28.03.200o i. V. m. § 12 Bat-KF die Klägerin in einen Kindergarten auf einen Teilzeitarbeitsplatz versetzen.

II. Da die Klage aus den vorgenannten Gründen Erfolg hat, ist nicht mehr darauf einzugehen, ob der Beklagte auch nach § 8 TzBfG verpflichtet wäre, der Arbeitszeitverringerung zuzustimmen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 ZPO der Beklagte zu tragen.

Die Kammer hat dem vorliegenden Rechtsstreit eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG und daher für den Beklagten die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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