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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: 12 Sa 227/06
Rechtsgebiete: VAG, AVB, BGB, ArbGG, ZPO, VVG


Vorschriften:

VAG § 53
VAG § 81
AVB § 15 a
AVB § 15 a Nr. 3 Abs. 5 Satz 3
BGB § 242
BGB § 315
BGB § 315 Abs. 3 Satz 1
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b
ArbGG § 65
ZPO § 256
VVG § 12 Abs. 1
VVG § 12 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts E. vom 25.01.2007 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte rechtswirksam die aus den jeweiligen Versicherungsverhältnissen geschuldeten Kassenleistungen herabgesetzt hat.

Die Beklagte ist ein kleiner Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit i. S. v. § 53 VAG. Ihr Zweck ist es, den Versicherten Pensionen gemäß der Satzung, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und den Tarifbedingungen (TaB) zu gewähren. Mitglieder der Beklagten sind die Mitarbeiter von sog. Kassenfirmen. Die Mitgliedschaft endet u.a. mit Eintritt des Versicherungsfalls. Anschließend erhalten die versicherten Mitarbeiter Alters-, Hinterbliebenen- oder Berufsunfähigkeitspensionen. Zu den Kassenleistungen gehört nach Maßgabe des § 15 a AVB eine Überschussbeteiligung. Über die Rückstellungs- und Überschussverwendung sowie - im Falle der Ausgleichung eines nicht gedeckten Fehlbetrags - über die Herabsetzung der Leistungen, Erhöhung der Beiträge oder mehrerer solcher Maßnahmen hat nach § 22 der Satzung die Mitgliederversammlung zu beschließen.

Die Kläger waren Mitglieder der Beklagten. Ihr jeweiliger Pensionsbeginn lag im Zeitraum zwischen 1995 und 2002.

In den Jahren 2001 und 2002 erwirtschaftete die Beklagte ausweislich ihres Geschäftsberichts 2002 erhebliche Verluste, die im wesentlichen auf starken Kursrückgängen im Aktien- und Investmentbereich und Wertberichtigungen im Immobilienbereich beruhten. Unter dem 08.04.2003 erstellte die I. AG für die Beklagte ein versicherungsmathematisches Gutachten, das in der GuV-Rechnung einen Verlust von Euro 153.366.523,50 ausweist.

Mit Datum vom 12.06.2003 genehmigte die Bundesanstalt für Finanzaufsicht entsprechend den Beschlussvorlagen der Beklagten die Herabsetzung der Leistungen unter dem Vorbehalt, dass diese auf der Mitgliederversammlung der Beklagten am 27.06.2003 tatsächlich beschlossen würden.

Die Mitgliederversammlung beschloss am 27.06.2003 zu TOP 4 die Herabsetzung der Pensionen um jährlich 1,4 %, beginnend mit dem 01.07.2003 und insgesamt begrenzt auf den Wert der in der Vergangenheit gewährten Gewinnanteile. Mit Rundschreiben vom 17.07.2003 leitete die Beklagte den Pensionsempfängern, so den Klägern, eine Information über die beschlossene Leistungsherabsetzung zu. Noch im Laufe des Jahres 2003 verlangten die Kläger weitere Auskunft über die Neuberechnung ihrer Pensionen.

Am 12.09.2005 haben die Kläger die vorliegende Zahlungs- und Feststellungsklage erhoben. Nach Verweisung des Rechtsstreits vom Arbeitsgericht Essen an das Arbeitsgericht E. hat dieses durch Urteil vom 25.01.2006 die Klagen abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greifen die Kläger das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an.

Sie wenden sich gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass ihre Ansprüche gemäß § 242 BGB verwirkt seien, und machen geltend, dass eine Änderung der Satzung, der AVB und der TaB am 27.06.2003 nicht wirksam beschlossen worden sei, insbes. die auf der Mitgliederversammlung die nach § 18 Abs. 2 der Satzung erforderliche 4/5 Mehrheit weder festgestellt worden sei noch vorgelegen habe. Die Beklagte habe darüber hinaus nicht die Voraussetzungen der Leistungsherabsetzung nachgewiesen, insbes. nicht das versicherungsmathematische Gutachten zur Verfügung gestellt. In der Verhandlung sei lediglich eine Sekunde dauernde Einsicht in das vorgelegte Gutachten gewährt worden. Im übrigen habe die Beklagte nicht die Billigkeit (§ 315 BGB) der beschlossenen Leistungsherabsetzung darstellen können.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen,

a)

an den Kläger zu 1) 497,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit Klageerhebung zu zahlen,

b)

an den Kläger zu 2) 357,12 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit Klageerhebung zu zahlen,

c)

an den Kläger zu 3) 458,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit Klageerhebung zu zahlen,

d)

an den Kläger zu 4) 458,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit Klageerhebung zu zahlen,

e)

an die Klägerin zu 5) 459,12 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit Klageerhebung zu zahlen.

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern ab dem 01.07.2005 eine monatliche Pension zu zahlen, die der Höhe nach den jeweiligen Stand der Pension ohne Gewinnzuschlag am 30.06.2003 nicht unterschreitet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Die Mitgliederversammlung habe mit 4/5 Mehrheit den Herabsetzungsbeschluss gefasst. Ohne Leistungsherabsetzung sei sie, die Beklagte, überschuldet und insolvenzreif gewesen. Die Leistungsherabsetzung sei in dem vorgenommenen Umfang auch notwendig gewesen, wobei die stufenweise Herabsetzung um 1,4 % gegenüber der einmaligen Herabsetzung um 11 % der schonendere Weg gewesen sei. Mit der Begrenzung der Leistungsherabsetzung auf die Gewinnanteile sei der Teilhabe der Versicherten sowohl an den geschäftlichen Erfolgen wie an den Misserfolgen der Beklagten Rechnung getragen worden. Eine Erhöhung der Beiträge sei wegen der flexiblen Beitragsgestaltung ausgeschieden und hätte überdies die derzeitigen Beitragszahler gezwungen, die Leistungen der aktuellen Pensionsempfänger zu finanzieren. Schließlich habe die BaFin den Herabsetzungsbeschluss auf Angemessenheit überprüft.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Auf Anordnung der Kammer hat die Beklagte im Berufungsverfahren das versicherungsmathematische Gutachten der I. AG vom 08.04.2003 (Bl. 562 ff.) vorgelegt. Die Kläger haben zu dem Gutachten unter dem 28.11.2006 schriftsätzlich Stellung genommen, die Beklagte hat unter dem 09.01.2007 erwidert.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klagen abgewiesen.

1. Es kann dahinstehen, ob - wie die Vorinstanz angenommen hat - die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG zuständig sind (vgl. Schaub, Arbeitsgerichtsverfahren, § 10 Rz. 73, Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung, 6. Auflage, § 82 IV 5 Fn. 149, KG Berlin, Beschluss vom 22.06.2001, VersR 2003, 1194, Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 162). Der Beklagte hat die Zulässigkeit des bestrittenen Rechtswegs nicht gerügt. Damit hat das Berufungsgericht gemäß § 65 ArbGG die Zuständigkeit nicht zu prüfen (Vossen, GK-ArbGG, § 65, Rz. 20).

2. Die Klagen sind zulässig. Das gilt insbesondere für die Feststellungsklage. Die Kläger wollen hiermit die Höhe ihres Pensionsanspruchs für die Vergangenheit (ab 01.07.2005) und für die Zukunft klären lassen und haben wegen der bestehenden Meinungsverschiedenheit gemäß § 256 ZPO ein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung (BAG, Urteil vom 22.02.2000, 3 AZR 39/99, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Beamtenversorgung). Der Feststellungsantrag ist geeignet, den Streit der Parteien zu klären.

3. Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Kläger die mit den Leistungsanträgen für den Zeitraum vom 30.06.2003 bis 30.06.2005 bezifferten Differenzbeträge und ab dem 01.07.2005 eine monatliche Pension mindestens in der Höhe ihres Standes am 30.06.2003 (ohne Gewinnzuschlag) zu zahlen.

a) Die Kammer kann offen lassen, ob die geltend gemachten Pensionsansprüche verwirkt sind. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 24.01.2006, 3 AZR 483/04; vgl. Urteil vom 24.05.2006, 7 AZR 201/05, NZA 2006, 1364 ff.) reicht längere Untätigkeit allein für die Verwirkung nicht aus. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz und schließt die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten aus. Daher muss die Untätigkeit des Anspruchstellers unter tatsächlichen Bedingungen (Umständen) stattgefunden haben, die den Eindruck erwecken konnten, er wolle sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass sich der Anspruchsgegner darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Während das Rentenstammrecht, auf dem die einzelnen Rentenzahlungen beruhen, ohnehin nur in seltenen Fällen verwirkt, wird der Schutz des Schuldners vor den einzelnen Rentenzahlungsansprüchen regelmäßig durch das Verjährungsrecht gewährleistet .

Gemessen an diesen Grundsätzen ist schon fraglich, ob das Zeitmoment vorliegt. Zwar haben die Kläger, nachdem sie durch Rundschreiben vom 17.07.2003 eine erste Information über die beschlossene Leistungsherabsetzung erhielten, mit der Klageerhebung etwas mehr als zwei Jahre zugewartet. Sie haben jedoch frühzeitig schriftlich Widerspruch bzw. Einspruch erhoben (Bl. 459 ff.), nähere Auskünfte von der Beklagten gefordert und, bereits anwaltlich vertreten, in der Folgezeit sich durch die Auskunftsschreiben der Beklagten nicht beruhigen lassen. Danach kann von längerer Untätigkeit der Kläger kaum die Rede sein. Erst recht ist das Vorliegen des Umstandsmoments zweifelhaft. Wenn - worauf die Vorinstanz hinweist - das Mitglied eines Vereins gegen einen Beschluss innerhalb angemessener Frist Klage erheben muss, kann dies nicht auf die Rechtsstellung der mittelbar von der Beschlussdurchführung betroffenen Außenstehenden übertragen werden. Die 6-monatige Klagefrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG setzt die schriftliche Ablehnung des erhobenen Anspruchs durch den Versicherer unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge voraus. Eine solche Konstellation ist vorliegend nicht gegeben. Die Fristen des § 12 Abs. 1 VVG wären gewahrt.

b) Die Klagen haben in der Sache keinen Erfolg.

(11) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.12.2001, NJW 2002, 1713) steht das Recht, die Nichtigkeit von Vereinsbeschlüssen geltend zu machen, grundsätzlich nur Mitgliedern und Vereinsorganen, nicht auch Dritten zu. Der Bundesgerichtshof hat, soweit ersichtlich, bisher offen gelassen, ob etwas anderes gilt, wenn ein Dritter durch einen Vereinsbeschluss in seinen Rechten betroffen ist. Die Kammer neigt dazu, dies aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes jedenfalls in den Fällen zu bejahen, in denen der Dritte, zu dessen Versorgung der Verein nach dem Vereinszweck beizutragen hat, unmittelbar durch einen Vereinsbeschluss betroffen ist. Letztlich braucht auch diese Frage hier nicht beantwortet zu werden, weil der Beschluss der Mitgliederversammlung des Beklagten zu TOP 4 vom 27.06.2003 weder nach § 315 BGB noch aus anderen Rechtsgründen zu beanstanden ist.

(22) Mit der BAG-Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass eine rechtlich selbständige, durch Beiträge finanzierte Q. grundsätzlich nur die Leistungen erbringen muss, zu denen sie sich in ihrer Satzung verpflichtet hat, also - umgekehrt - prinzipiell nicht zu Leistungen verpflichtet, die über das satzungsgemäß Gebotene hinausgehen (BAG, Urteil vom 23.03.2004, 3 AZR 279/03, AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Berechnung). Damit kommt es darauf an, ob der Beklagte mit seinem Herabsetzungsbeschluss vom 27.06.2003 die satzungsmäßigen Vorgaben und der dort in Bezug genommenen AVB und TaB (§ 13 Buchst. b, c, § 18 Nr. 2 der Satzung) eingehalten und den Rahmen des § 315 BGB gewahrt hat.

(aa) Der Beschluss vom 27.06.2003 bedurfte nach § 18 Nr. 1 Satz 1 der Satzung der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Diese lag unstreitig vor.

Eine 4/5-Mehrheit wäre erforderlich gewesen, wenn der Beschluss eine Änderung der Satzung, der AVB oder der TaB bedeutet hätte. Der Beschluss beinhaltete indessen keine solche Änderung, so dass auf den weiteren Streit der Parteien, ob am 27.06.2003 eine 4/5-Mehrheit vorlag, nicht eingegangen zu werden braucht.

Wie das erstinstanzliche Urteil zutreffend ausführt, sieht die Satzung in § 22 Nr. 4 Satz 2 die Möglichkeit u.a. der Leistungsherabsetzung vor, wenn sich nach einem gem. Nr. 1 eingeholten versicherungsmathematischen Gutachten ein Fehlbetrag ergibt, der nicht aus der Verlustrücklage und aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zu decken ist. Die Voraussetzungen lagen hier vor: Das Gutachten der I. AG wies einen Verlust in Höhe von insgesamt Euro 153,4 Mio aus.

Die Kläger haben gegen das Gutachten, die diesem zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen, Bilanzierungs-, Bewertungs- und Berechnungsmethoden und rechnerische Richtigkeit keine beachtenswerte Einwände erheben können. Solche sind auch nicht ersichtlich. Das Bestreiten eines aus Verlustrücklage und Rückstellung nicht zu deckenden Fehlbetrags (Berufungsbegründung vom 21.04.2006, Seite 19; vgl. Schriftsatz der Kläger vom 28.11.2006, Seite 2) haben die Kläger auf die unzureichende erstinstanzliche Einsichtnahme in das versicherungsmathematischen Gutachten bezogen. Dieser Einwand ist im Berufungsverfahren durch die Überreichung des Gutachtens erledigt worden.

Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 30.01.2007, Seite 3) die Entstehung der Verluste bestreiten, ist der diesbezügliche Angriff der Kläger als verspätet zurückzuweisen (§ 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG). Die Berücksichtigung des (nicht unverschuldeten) verspäteten Vorbringens würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Daher braucht nicht erörtert zu werden, ob das Bestreiten der Kläger zulässig und erheblich wäre. Letzteres hält die Kammer für zweifelhaft, weil der von der BaFin genehmigten Beschussvorlage das versicherungsmathematische Gutachten zugrunde lag und die Beklagte zur Vermeidung von Aufsichtsmaßnahmen der BaFin gehalten war, das genehmigte Sanierungskonzept zu vollziehen.

Im übrigen hat Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 07.02.2007 erläutert, dass die Verluste aus Wertberichtigungen bei den Immobilienanlagen (ca. 49,4 Mio. Euro), Verlusten bei Aktien (ca. 90 Mio. Euro) und Emerging-Market-Anleihen (ca. 10 Mio. Euro) zurückzuführen waren. Sie hat weiter dargestellt, dass - unter Verringerung des Aktienanteils von früher 20 % auf nunmehr 10 % - die Spezialaktienfonds zum 31.12.2001 aufgelöst wurde und die Umschichtung in Anleihen stattfand. Da die Begutachtung der Immobilien (zum Stichtag 31.12.2001) im Laufe des Jahres 2002 durch öffentlich bestellte Sachverständige erfolgte, durfte (und musste) die Beklagte deren Wertschätzungen zugrunde legen. Klägerseitig ist in der mündlichen Verhandlung den Ausführungen der Beklagten zu den entstandenen Verlusten nicht weiter entgegen getreten worden.

Nach Abzug der Verlustrücklage (Euro 21,9 Mio.) und der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (Euro 18,5 Mio) errechnete sich der Fehlbetrag von Euro 113 Mio, so dass gemäß 22 Nr. 4 Satz 2 der Satzung eine Herabsetzung der (Versicherungs-)Leistungen beschlossen werden konnte. Damit stellte der Beschluss keine Satzungsänderung dar.

Er beinhaltete ebenso wenig eine Änderung von § 15a AVB (§ 22 Nr. 5 der Satzung). Der Schlusssatz dieser Vorschrift (Nr. 3 Abs. 5 Satz 3), wonach auf die Leistungen aus der Überschussverwendung ein Rechtsanspruch besteht , knüpft daran an, dass zuvor die Mitgliederversammlung einen Beschluss über die jährliche Überschussverwendung gefasst hat und dieser Beschluss von der Aufsichtsbehörde gebilligt worden ist (Nr. 3 Abs. 5 Satz 1 und 2). Der Beschluss der Mitgliederversammlung bezieht sich gerade und nur auf das jeweilige Versicherungsjahr, einen in diesem Jahr entstandenen Überschuss (Nr. 1 Satz 3), der verteilungsfähig ist (Nr. 2) und dessen Zuteilung nicht nach Nr. 2 Abs. 4 Satz 3 ausnahmsweise entfällt. Keineswegs garantiert § 15a Nr. 3 Abs. 5 Satz 3 AVB (vorbehaltlich der Änderung gemäß § 18 Nr. 2 der Satzung) die Pension in der Höhe der vorjährigen Überschussbeteiligung.

Dass durch den Beschluss vom 27.06.2003 die TaB geändert wurden, ist ebenfalls nicht ersichtlich und wird von der Berufung der Kläger auch nicht geltend gemacht.

Den Klägern kommt für ihre Auslegung von § 15a AVB nicht die Unklarheitenregel zugute (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1997, NJW 1998, 454, BGH, Urteil vom 13.12.2001, NJW 2002, 1713, BAG, Urteil vom 09.11.1999, 3 AZR 623/98). Anhand der Satzung (§ 18, § 22) und der AVB (§ 15a) sind die Voraussetzungen und Möglichkeiten der Leistungsherabsetzung (ohne Änderung der Satzung, AVB, TaB) eindeutig erkennbar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.06.1993, VersR 1993, 1342). Eine präzisere Formulierung mag wünschenswert sein. Sie ist jedoch erlässlich, weil nach den anerkannten Auslegungsmethoden Satzung (§ 18, § 22) und AVB (§ 15a) in dem streitgegenständlichen Punkt genügend klar sind.

(bb) Der Beschluss vom 27.06.2003 hält der Billigkeitskontrolle (§ 315 BGB) stand.

(111) Das erstinstanzliche Urteil hat Bedenken geäußert, ob der Beschluss nach der von der BaFin grundsätzlich gebilligten (Schreiben vom 23.01.2003, Bl. 580, Antwortschreiben der Beklagten vom 06.03.2003, Bl. 576) und unter dem 12.06.2003 genehmigten (Bl. 137) Leistungsherabsetzung zur Vermeidung der Überschuldung der Beklagten der inhaltlichen Nachprüfung durch die Arbeitsgerichte unterliegt. Nach Auffassung der Kammer ist effektiver Rechtsschutz der Versicherten nicht schon durch die Rechtsaufsicht von Versicherungsunternehmen sicher gestellt, zumal Ziel der Aufsicht auch die Gewährleistung eines funktionstüchtigen Privatversicherungswesens ist und das durch § 81 VAG angestrebte konsensuale Verwaltungshandeln nicht gewährleistet, dass die Rechte von Versicherten und deren schutzwürdige Interessen stets ausreichend berücksichtigt sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 26.07.2005, NJW 2005, 2376 ff., Beschluss vom 15.02.2006, NJW 2006, 1783 ff.). Demnach ist der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 27.06.2003 einer Billigkeitskontrolle zu unterziehen.

(222) Der Beklagten steht nach § 22 Nr. 4 Satz 2 der Satzung ein die Leistungsherabsetzung umfassendes Bestimmungsrecht zu. Gemäß § 315 BGB darf sie dieses Recht nur nach billigem Ermessen ausüben. Für ihre Beurteilung gilt daher die allgemeine Regel, wonach der Arbeitgeber billiges Ermessen dann wahrt, wenn er die wesentlichen Umstände des Einzelfalles und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Weil die durch § 22 Nr. 4 Satz 2 der Satzung ermöglichten Maßnahmen einschneidend und für die Versicherten belastend sind, müssen sie sich aus dem Umfang des auszugleichenden Fehlbetrages nach Eingriffsintensität, Regelungsziel, Art der auszuwählenden Maßnahme (Leistungsherabsetzung und/oder Beitragserhöhung o.ä.) und Gruppenbetroffenheit (Aktive, Pensionäre) rechtfertigen lassen und i.S.v. § 315 BGB billigenswert und ausgewogen sein. Die getroffene Maßnahme hat den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu genügen. Dabei muss die Beklagte angesichts der Vielzahl der Fälle im Anwendungsbereich des § 22 Nr. 4 Satz 2 der Satzung typisieren, pauschalieren und generalisieren dürfen. Wenn die Typisierungen und Generalisierungen nur in geringfügigen und besonders gelagerten Fällen zu Ungerechtigkeiten und Härtefällen führen und nicht in einem größeren Umfang systemwidrige Benachteiligungen entstehen, ist dies hinzunehmen. Es ist nicht Sache des Gerichts, eine für zweckmäßiger gehaltene Lösung an die Stelle der vom Bestimmungsberechtigten getroffenen Entscheidung zu setzen.

(333) Der Herabsetzungsbeschluss vom 27.06.2003 wird diesen Maßstäben gerecht. Der insoweit zutreffenden Begründung des erstinstanzlichen Urteils, der die Kammer folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), ist auf die Angriffe der Berufung hin Folgendes anzufügen:

Nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Schuldner darzulegen und zu beweisen, dass die getroffene Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht. Die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich auch auf den Inhalt der getroffenen Anpassungsentscheidung. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Billigkeit der von der Beklagten beschlossenen Herabsetzung der Pensionen aus den unstreitig gewordenen Sachverhaltsumständen.

Die Beklagte stand am 27.06.2003 vor der Aufgabe, einen Verlust von Euro 153,4 Mio. bzw. Euro 113 Mio. auszugleichen. Der Fehlbetrag gefährdete ihre Zahlungsfähigkeit und Existenz. Zudem war sie durch die BaFin unter Handlungsdruck gesetzt und zum Ergreifen einschneidender Maßnahmen gezwungen. Daher war es - wie auch die Kläger nach den ihnen zugänglich gemachten Geschäftsbericht und versicherungsmathematischen Gutachten nicht ernsthaft in Abrede stellen können - für die Beklagte unabweisbar, gemäß § 22 Nr. 4 Satz 2 der Satzung den Fehlbetrag auszugleichen. Ob die Verluste auf Fehlentscheidungen der Beklagten beruhten, ist unerheblich, weil dies nichts an der kritischen wirtschaftlichen Lage der Beklagte und dem Zwang, hierauf zu reagieren, ändert. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Veräußerung von Aktien und Neubewertung oder der Verkauf von Immobilien im Jahr 2002 zum schlechthin ungünstigsten Zeitpunkt geschah. Im übrigen war im Jahr 2002 nicht sicher, dass bzw. wann und in welchem Umfang der Aktienmarkt eine positive Entwicklung nehmen würde. Inwieweit eine unvorhergesehen schnelle und signifikante Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in späteren Jahren Veranlassung gibt, die Leistungen heraufzusetzen (vgl. § 15a Nr. 2 Unterabs. 1 AVB), ist hier nicht zu entscheiden. Bei der hier vorzunehmenden Abwägung ist nur auf die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts, nicht auf eine tatsächliche nachträgliche Entwicklung abzustellen (BAG, Urteil vom 11.04.2006, 9 AZR 557/05, AP Nr. 17 zu § 307 BGB).

Die stufenmäßige Leistungsherabsetzung um 1,4 % war gegenüber der einmaligen Herabsetzung um 11 % die schonendere Maßnahme.

Die Möglichkeit, den Pensionären die Zahlung eines Zusatzbetrages zur Vermeidung der Leistungskürzung anzubieten, stellte unter keinem Aspekt eine gebotene Alternative dar. Die Kläger selbst vermögen auch nicht plausibel zu erklären, weshalb diese Möglichkeit wirtschaftlich vorzuziehen wäre, zumal die Bemessung des Zusatzbetragsvolumens an dem Fehlbetrag (153 Mio. Euro) und nicht etwa einem von den Pensionären für verträglich gehaltenen Teilbetrag orientiert werden müsste.

Wenn die Beklagte sich für die Leistungsherabsetzung und gegen die Beitragserhöhung entschied, trug sie dem Umstand Rechnung, dass in der Vergangenheit die Pensionsempfänger von der Überschussbeteiligung profitiert hatten. Daher drängte es sich auf, vorab bei den Pensionsempfängern einen Beitrag zum Verlustausgleich einzufordern. Insoweit ist die Leistungsherabsetzung, weil auf den versicherungsmathematischen Barwert der in der Vergangenheit gewährten Gewinnanteile beschränkt, sachgerecht und vernünftig. Demgegenüber hätte eine Beitragserhöhung allein die aktiven Beitragszahler getroffen, die noch nicht in den Genuss von durch Überschussbeteiligung erhöhten Pensionszahlungen gekommen waren. In diesem Zusammenhang war es, weil die Beklagte Träger der betrieblichen Altersversorgung für eine Vielzahl voneinander unabhängiger Unternehmen ist, ein sachlicher Gesichtspunkt, dass der - den Fortbestand der Q. stabilisierende - Zugang neuer Unternehmen nicht durch Heraufsetzung der Beiträge oder Kürzung des Rentenniveaus der neuen Firmenmitglieder belastet würde und ein genügender Anreiz für die aktiven Mitglieder und Kassenfirmen bleiben würde, ein Versicherungsverhältnis gerade mit der Beklagten zu begründen und beizubehalten. Solchermaßen vernünftig begründeten Erwägungen kann ein Versicherungsverein höheres Gewicht beimessen als dem Besitzstands- und Anspruchsdenken von Pensionären. Daher forderte entgegen der Auffassung der Kläger die Billigkeit der nach § 315 BGB zu treffenden Leistungsbestimmung keine Belastung aller Mitglieder und Versicherten.

Weil als Reaktion auf die Verluste keine Beitragserhöhung beschlossen werden musste, erledigen sich auch die Überlegungen der Kläger zu einer Kombination von Leistungsherabsetzung und Beitragserhöhung.

Die Festlegung des Stichtags 31.12.2001 entspricht ebenfalls der Billigkeit. Nach zutreffender Spruchpraxis des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 22.02.2000, a.a.O.) sind Stichtagsregelungen trotz der damit verbundenen Härten grundsätzlich zulässig. Insoweit besteht ein weiter Gestaltungsspielraum. Es genügt, dass sich die Stichtagsregelung am gegebenen Sachverhalt orientiert und sachlich vertretbar ist.

So verhält es sich im Streitfall. Die Verluste, die den Zwang zur Leistungsherabsetzung auslösten, waren vor dem 31.12.2001 eingetreten, so dass an dieses Datum sachgerecht angeknüpft werden durfte und nicht ein späteres Datum, z. B. der 31.12.2002, genommen werden musste. Überdies konnte die Beklagte auf den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (Juni 2003) exakt berechenbaren Faktor für die Leistungsherabsetzung Rücksicht nehmen. Dieser war auf Basis 31.12.2001 vorhanden. Danach bildete der 31.12.2001 und der zuvor eingetretene Versorgungsfall einen sachgerechten Anknüpfungspunkt für die Festlegung des Stichtags.

Im übrigen wird seitens der Kläger in diesem Punkt wie auch sonst zu wenig gewürdigt, dass die Beklagte durch die BaFin unter Handlungsdruck gesetzt war und in relativer kurzer Zeit ein Sanierungskonzept entwickeln musste, das wirtschaftlich tragfähig war und sowohl die Genehmigung der BaFin als auch Billigung der Mitgliederversammlung finden musste.

(444) Schließlich war eine besondere Lage, die eine Übergangsvorschrift oder Härtefallregelung gebot, nicht gegeben. Die Kläger tragen keine Umstände dafür vor, dass die Leistungsherabsetzung sich wegen ihrer besonderen persönlichen Verhältnisse als unzumutbare Härte auswirken würde.

II. Die Kosten der Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht besteht keine Veranlassung, da Zulassungsgründe i.S.v. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht ersichtlich sind. Hinsichtlich der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird die Beklagte auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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