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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.07.2000
Aktenzeichen: 12 Sa 264/00
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 2
BetrAVG § 6

Entscheidung wurde am 02.01.2003 korrigiert: Leitsatz korrigiert
Auslegung einer Versorgungsordnung (vgl. Urteile vom 29.07.1997, AP Nr. 23, 24 zu § 6 BetrAVG)
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 Sa 264/00

Verkündet am: 19.07.2000

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19.07.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Thivessen und den ehrenamtlichen Richter Kamp für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 07.01.2000 wird die Beklagte verurteilt,

1. an den Kläger DM 215,95 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 19.10.1999 zu zahlen,

2. an den Kläger ab dem 01.10.1999 über den anerkannten Betrag von DM 377,91 hinaus monatlich weitere DM 53,99 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Berechnung der dem Kläger zustehenden vorzeitigen Altersrente (§ 6 BetrAVG).

Der im Mai 1939 geborene Kläger trat am 31.07.1961 als Monteur in die Dienste der Beklagten. Er gehörte später und bis zuletzt dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat an.

Die Beklagte sagte dem Kläger ab dem 26.05.1964 betriebliche Versorgungsleistungen zu. Seit dem 01.10.1990 richten sich die von der Beklagten zu gewährenden Versorgungsleistungen nach der für die Konzerngesellschaften geltenden und mit dem Konzernbetriebsrat vereinbarten Versorgungsordnung (Bl. 10 ff. der Gerichtsakten). Die Versorgungsordnung (nachfolgend: VO) bestimmt u. a. Folgendes:

V. Anspruch auf Altersrente 1. Wer nach Erreichen der Altersgrenze und Erfüllung der Wartezeit aus der Firma ausscheidet, hat Anspruch auf Altersrente. Altersgrenze für die Versorgungsordnung ist bei Männern das vollendete 65., bei Frauen das vollendete 60. Lebensjahr. 2. Wer vor Erreichen der Altersgrenze nach Erfüllung der Wartezeit wegen Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes der gesetzlichen Rentenversicherung aus der Firma ausscheidet, hat Anspruch auf eine vorzeitige bzw. flexible Altersrente.

3. Wer vor Erreichen der Altersgrenze nach Erfüllung der Wartezeit aus der Firma ausscheidet, hat auch im Falle einer ersatzweise abgeschlossenen befreienden Lebensversicherung

Anspruch auf eine vorgezogene Firmenrente ab dem Zeitpunkt, ab dem er eine vorgezogene Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könnte. VI. Anspruch auf Invalidenrente 1. Wer wegen Invalidität vor Erreichen der Altersgrenze nach Erfüllung der Wartezeit und nach Vollendung des 40. Lebensjahres aus der Firma ausscheidet, hat Anspruch auf Invalidenrente.

...

IX. Höhe der Altersrente

1. Die Höhe der Altersrente richtet sich nach der anrechnungsfähigen Dienstzeit (Ziff. IV)

und dem rentenfähigen Arbeitsverdienst (Ziff. XII).

2. Die normale Altersrente setzt sich zusammen aus:

a) einem Grundbetrag des rentenfähigen Arbeitsverdienstes nach zehn rentenfähigen Dienstjahren in Höhe von 4 % bei Beginn der Versorgungsleistung bis einschließlich Kalenderjahr 1990 5 % bei Beginn der Versorgungsleistung ab dem Kalenderjahr 1991; b) einem Steigerungsbetrag von DM 5,-- für jedes über 10 Jahre hinausgehende weitere Dienstjahr, wenn die Versorgungsleistung vor 1992 beginnt. Dieser Steigerungsbetrag erhöht sich von DM 5,-- auf DM 7,--, wenn der Versorgungsfall ab 1992 eintritt. 3. Ein Dienstjahr gilt als vollendet, wenn in diesem die Beschäftigungszeit mehr als 6 Monate betrug.

X. Höhe der Invalidenrente / vorzeitigen Altersrente

1. Als Invalidenrente oder vorzeitige Altersrente wird der Teil der Altersrente gewährt, der dem Verhältnis der bei dem Ausscheiden erreichten zur insgesamt bis zum normalen Pensionierungsalter (Ziff. V - 1) erreichbaren anrechnungsfähigen Dienstzeit entspricht.

Berechnungsmethode:

De (G + S) = x

Dm

De = Erreichte anrechnungsfähige Dienstzeit DM = Erreichbare anrechnungsfähige Dienstzeit G = Grundbetrag S = Steigerungsbetrag ... XVII. Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses / Unverfallbarkeiten 1. Wird das Arbeitsverhältnis vor Erreichen der Altersgrenze beendet, ohne dass ein Anspruch nach dieser Versorgungsordnung entsteht, so erlischt die Rentenanwartschaft des ausgeschiedenen Betriebsangehörigen, soweit dem nicht gesetzliche Regelungen entgegenstehen. 2. Wird bei Ausscheiden aus der Firma ein Teilanspruch fällig, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für einen unverfallbaren Rentenanspruch erfüllt sind, erhält der Mitarbeiter bei seinem Ausscheiden darüber eine Bescheinigung.

Im Zuge einer von der Beklagten angestrebten vorzeitigen Freisetzung von älteren Mitarbeitern kam es zwischen dem Kläger und dem damaligen Personalleiter D. J.unzu Verhandlungen über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Unter dem 18.01.1996 schlossen die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.1997, die Zahlung einer Abfindung von 170 TDM vorsieht und bestimmt, dass der Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung, der bis zum 31.07.1997 erworben wurde, erhalten bleibe (Ziff. 4). Bei seinem Ausscheiden erteilte die Beklagte dem Kläger eine Bescheinigung gemäß § 2 Abs. 6 BetrAVG" (Bl. 17 f.), die mit der Passage endet:

Bei vorzeitigem Eintritt eines Leistungsfalles (vorzeitige Pensionierung, Invalidität oder Tod vor NPT) besteht ein Teilanspruch auf die ohne das vorzeitige Ausscheiden, aber nach den Verhältnissen bei Ausscheiden sich ergebenden Leistungen. 33x513,88 = 423,95

40

( Unterschriften )

Seit dem 01.06.1999 bezieht der Kläger von der LVA Westfalen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Mit Schreiben vom 09.06.1999 teilte die Firma S.chindl Aufzügefabrik GmbH B.erl, die zwischenzeitlich für die Beklagte die Berechnung der Betriebsrenten übernommen hatte, dem Kläger mit, dass ihm eine monatliche Rente in Höhe von DM 377,91 zustehe. Ihrer Berechnung legte sie eine fiktive Altersrente von DM 513,88 zugrunde, die zunächst gemäß Ziff. X Nr. 1 VO im Verhältnis von erreichter zu erreichbarer Dienstzeit auf DM 431,90 und danach mit dem Unverfallbarkeitsquotienten 432/514 auf DM 377,91 gekürzt wurde.

Der Kläger hat mit der im Oktober 1999 vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach erhobenen Zahlungsklage die Beklagte auf Zahlung einer monatlichen Betriebsrente in Höhe von DM 431,90 in Anspruch genommen. Durch Urteil vom 07.01.2000 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Kläger das Urteil an.

Er ist der Auffassung, das Ziff. X Nr. 1 VO nur die einmalige, zeitanteilige Kürzung der vollen Altersrente zulasse. In dieser Weise habe die Beklagte selbst in der Bescheinigung gemäß § 2 Abs. 6 BetrAVG" seine Betriebsrente berechnet. In gleicher Weise sei sie bei allen Mitarbeitern verfahren, die bis Ende 1998 mit den Anspruch auf vorzeitige Altersrente ausgeschieden seien. Bis zu diesem Zeitpunkt sei bei Mitarbeitern im Bezug von vorzeitiger Altersrente keine doppelte Kürzung vorgenommen worden. Erst nach der Übernahme der Betriebsrentenberechnung durch ihre B.erlin Obergesellschaft habe die Beklagte die doppelte Kürzung" vorgenommen. Der Kläger sieht in der Bescheinigung gemäß § 2 Abs. 6 BetrAVG" ein Anerkenntnis der Beklagten und behauptet, dass in den Vertragsaufhebungsverhandlungen mit der Beklagten der vereinbarten Abfindung neben der Differenz zwischen bisherigem Bruttoeinkommen und Arbeitslosengeld sowie dem Ausgleich für die Minderung der gesetzlichen Rente eine um ca. DM 90,-- monatlich verminderte Betriebsrente zugrunde gelegt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 07.01.2000 abzuändern und 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 215,95 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 19.10.1999 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den anerkannten Betrag von DM 377,91 hinaus monatlich weitere DM 53,99 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Bescheinigung gemäß § 2 Abs. 6 BetrAVG" eine bloße Wissenserklärung und zudem auch inhaltlich nicht für die Kläger ergiebig sei. Die zweifache Kürzung sei nach der Versorgungsordnung berechtigt. Aus Ziff. X Nr. 1 VO ergebe sich, dass zur Berechnung der vorzeitigen Altersrente weder auf die bis zum Eintritt des Leistungsfalles erdiente Rente abgestellt noch auf eine zeitanteilige Kürzung verzichtet werde. Der Fall, dass der Arbeitnehmer bereits vor Eintritt des Leistungsfalles (Inanspruchnahme vorzeitiger Altersleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung) aus dem Betrieb ausgeschieden sei, werde nicht erfasst. Ziff. XVII VO belege, dass diesem Arbeitnehmer bei Eintritt des Leistungsfalles nur ein nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 BetrAVG gekürzter Anspruch zustehen solle. Sie, die Beklagte, könne nicht ausschließen, dass das Prinzip der doppelten Quotierung" in Einzelfällen versehentlich unberücksichtigt geblieben sei.

Die Beklagte tritt den klägerischen Ausführungen zu der im Aufhebungsvertrag festgelegten Abfindung entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den von den Parteien vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist begründet.

1. Die Berechnung der vorzeitigen Altersrente nach Ziffer X Nr. 1 VO führt zu dem - der Höhe nach unstreitigen - Betrag von DM 431,90 monatlich. Daraus ergibt sich gegenüber der von der Beklagten anerkannten und gezahlten Betriebsrente von monatlich DM 377,91 ein Differenzbetrag in Höhe von DM 53,99 zu Gunsten des Klägers. Die Beklagte war daher zur Nachzahlung dieses Betrages - beginnend mit Juni 1999 - zu verurteilen. Sie hat die Nettogeldschuld aus DM 215,95 brutto (Zahlungsrückstände für Juni bis September 1999) gemäß § 291, § 288 Abs. 1 BGB mit 4 % p. a. zu verzinsen.

2. Ziff. X Nr. 1 Satz 1 VO regelt die Höhe der Invalidenrente/vorzeitigen Altersrente" und legt sie auf den Teil der (normalen) Altersrente fest, der dem Verhältnis der bei dem Ausscheiden erreichten zur insgesamt bis zum normalen Pensionsalter ... erreichbaren anrechnungsfähigen Dienstzeit entspricht". Damit schreibt Ziff. X VO die Höhe der Teilrente auf die zeitanteilig gekürzte normale Altersrente fest. Diesem Befund entspricht die in Ziff. X Nr. 1 VO vorgegebene Berechnungsmethode". Danach ist die sich aus Grundbetrag und Steigerungsbetrag zusammensetzende normale Altersrente (vgl. Ziff. IX Nr. 2 VO) in das Verhältnis von erreichter zu erreichbarer anrechnungsfähiger Dienstzeit zu setzen. Soweit die Kammer im Beschluss vom 17.05.2000 (dort unter 3.) erwogen hat, dass die Berechnungsformel nicht auf die normale Altersrente abstellen müsse, sondern auf die beim vorzeitigen Ausscheiden erreichte Altersrente abstellen könne, ist die Beklagte selbst einem solchen Verständnis entgegengetreten (Seite 3 f. ihres Schriftsatzes vom 23.05.2000). In der Tat ergibt sich aus Satz 1 und dem Kontext zu Ziff. IX, dass als Altersrente die normale Altersrente", also die bei Ausscheiden nach Erreichen der Altersgrenze (Ziff. V Nr. 1 VO) erreichbare Altersrente gemeint sein muss.

3. Ziff. X Nr. 1 VO regelt abschließend die Berechnung der vorzeitigen Altersrente und schließt es damit aus, eine weitere, doppelte" Kürzung vorzunehmen.

a) Der Wortlaut ist eindeutig, denn er bestimmt, dass die Teilrente (= zeitanteilig gekürzte Vollrente) gewährt" wird. Gewähren" bedeutet: leisten, zahlen.

b) Ziff. X Nr. 1 (Ziff. V Nr. 2, Nr. 3, Ziff. VI) VO erfasst berechnungstechnisch den Fall, dass der Arbeitnehmer die in der Versorgungsordnung grundsätzlich vorgesehene Betriebstreue, nämlich Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Altersgrenze (Ziff. V Nr. 1), nicht in vollem Umfang erbracht hat. Dieser Umstand rechtfertigt eine entsprechende Kürzung, die zeitabhängig ratierlich vorzunehmen ist. Zwar wäre im Hinblick darauf, dass der Kläger die Betriebsrente nicht erst bei Erreichen der Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres), sondern vorzeitig zusammen mit der vorgesetzlichen Altersrente in Anspruch nimmt, es nicht zu beanstanden, wenn die Versorgungsordnung eine weitere Kürzungsmöglichkeit vorgesehen hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Ziff. X VO sieht gerade und nur die zeitanteilige Kürzung vor. Die Auslegungsregeln, die das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 28.03.1995 (3 AZR 900/94, AP Nr. 21 zu § 6 BetrAVG) entwickelt hat, kommen der Beklagten nicht zugute. Die Regeln gelangen nur dann zu Anwendung, wenn die Versorgungsordnung die Berechnung der vorzeitigen Altersrente i. S. v. § 6 BetrAVG nicht näher bestimmt (BAG, Urteile v. 29.07.1997, 3 AZR 114/96 und 3 AZR 134/96, AP Nr. 23 u. 24 zu § 6 BetrAVG). Für die Berechnung der vorzeitigen Altersrente kommt es in erster Linie auf die Regelung in der Versorgungsordnung an. Diese kann auf die zeitanteilig erdiente Vollrente abstellen und auf weitere Kürzungen und Abschläge verzichten.

Anzumerken ist, dass das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 28.03.1995, a.a.O.) die Auslegungsregeln für die vorzeitige Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente durch den Arbeitnehmer nach § 6 BetrAVG entwickelt hat. Die Berechnungsvorschrift in Ziff. X VO ist jedoch nicht nur unter dem Aspekt des § 6 BetrAVG zu sehen, sondern muss, weil sie auch für die Berechnung der Invalidenrente gilt, in Gleichklang mit dem Zweck dieser Versorgungsleistung gebracht werden. Nach Auffassung der Kammer spricht weniger dafür, dass die Invalidenrente einer doppelten Kürzung unterworfen sein sollte.

c) Ziff. XVII gibt nichts für eine zusätzliche Kürzungsmöglichkeit her. Die Bestimmung verhält sich zur Unverfallbarkeit und zu der nach § 2 Abs. 6 BetrAVG zu erteilenden Bescheinigung, hingegen nicht zur Berechnung der normalen Altersrente, vorzeitigen Altersrente oder Invalidenrente.

d) Richtig ist, dass nach Ziff. V Nr. 2 VO der Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente voraussetzt, dass der Arbeitnehmer wegen Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes der gesetzlichen Rentenversicherung aus der Firma ausscheidet". Die Formulierung, namentlich das Wort wegen", könnte nahe legen, dass zwischen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und Inanspruchnahme der vorgezogenen gesetzlichen Rente ein kausaler und zeitlicher Zusammenhang bestehen muss. Gleichwohl ist diese Erwägung nicht tragfähig, um eine doppelte Kürzung zu rechtfertigen.

Zum einen weist Ziff. V Nr. 3 VO darauf hin, dass im Falle des Ausscheidens vor Erreichen der Altersgrenze der Anspruch auf die vorzeitige Altersrente lediglich auf den Zeitpunkt verlegt werden soll, ab dem der Arbeitnehmer die vorgezogene gesetzliche Altersrente beanspruchen könnte. Für eine Schlechterstellung der Arbeitnehmer ohne befreiende Lebensversicherung gegenüber den in Ziff. V Nr. 3 VO angesprochenen Arbeitnehmern mit befreiender Lebensversicherung gibt es keinen sachlichen Grund, so dass schon der Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG) eine Gleichbehandlung dergestalt erfordert, dass allen Arbeitnehmern die vorzeitige Altersrente ab dem Zeitpunkt zusteht, ab dem sie die vorgezogene gesetzliche Rente beanspruchen können. Insoweit gilt die Festlegung in Ziff. XIV Nr. 1 VO, dass der Anspruch auf Rentenzahlung mit dem Versorgungsfall (entsteht), der mit dem Beginn der Sozialversicherungsrenten übereinstimmt". Versorgungsfall ist das Alter, die Invalidität oder der Tod, wobei die Versorgungsleistung des Arbeitgebers dazu dienen muss und soll, die Versorgung des Arbeitnehmers nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbs- oder Berufsleben zu sichern (vgl. BAG, Urteil vom 03.11.1998, 3 AZR 454/97, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG). Mit der Inanspruchnahme der vorgezogenen gesetzlichen Rente scheidet der Arbeitnehmer aus dem Berufs- oder Erwerbsleben aus und ist daher auf Versorgungsleistungen angewiesen. Dies rechtfertigt ebenfalls die Auslegung, dass Ziff. V Nr. 2 VO einen Anspruch auf vorzeitige Altersrente ab" Inanspruchnahme des vorgezogenen gesetzlichen Altersruhegeldes begründen will. Die Beklagte selbst hat schließlich zu keiner Zeit in Abrede gestellt, dass dem Kläger, obwohl bereits kurz nach Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeschieden, die vorzeitige Altersrente nach der Versorgungsordnung zusteht. Zum anderen lag der Aufhebungsvereinbarung der Parteien vom 18.01.1996 die (auch tatsächlich eingetretene) Erwartung zugrunde, dass der Kläger nach seinem Ausscheiden arbeitslos sei und zum frühestmöglichen Zeitpunkt gesetzliche Altersrente (i. c. wegen Arbeitslosigkeit) in Anspruch nehmen würde. Mithin ist der Kläger auch wegen Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes der gesetzlichen Rentenversicherung" bei der Beklagten ausgeschieden und hat sich, betrieblich veranlasst, lediglich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 31.07.1997 bereit erklärt. Einen anderen Grund oder Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte nicht vorgetragen. Dafür bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte.

4. Für die dargestellte Auslegung von Ziff. X Nr. 1 VO sprechen weitere Umstände:

a) Der Kläger hat unter Hinweis auf die vorgenannte Regelung, die ihm und anderen ehemaligen Mitarbeitern der Beklagten erteilten Bescheinigung gemäß § 2 Abs. 6 BetrAVG", seinen Kenntnissen als Betriebsratsmitglied sowie seiner Beteiligung im Konzernbetriebsrat bei der Neufassung der Versorgungsordnung vorgetragen, dass die Beklagte eine doppelte Kürzung" der vorzeitigen Altersrente nicht vorzunehmen pflegte, vielmehr sie nur gegenüber den noch nicht in Rente gegangenen Mitarbeitern erst ab dem Zeitpunkt anders verfuhr, als ihre B.erlin Obergesellschaft die Bearbeitung bzw. Berechnung der Betriebsrentenfälle übernahm. Der Vortrag des Klägers ist unstreitig geworden (§ 138 ZPO). Die Beklagte hat zwar nur die versehentliche Unterlassung der doppelten Quotierung in Einzelfällen" eingeräumt (Seite 2 f. ihres Schriftsatzes vom 05.07.2000), hingegen keinen einzigen Fall genannt, bei dem gegenüber einem Arbeitnehmer, der vor 1998 in den Bezug von vorzeitiger Altersrente kam, eine doppelte Kürzung vorgenommen wurde. Da es ca. 1.000 Versorgungsempfänger gibt, deren Altersrente teilweise auf Grundlage der streitbefangenen Berechnung ermittelt wurde (Seite 5 des Schriftsatzes der Beklagten vom 23.05.2000), und der Beklagten, weil sie über alle Daten und Unterlagen verfügt, ein Leichtes gewesen wäre, die Fälle doppelter Kürzung gegenüber versehentlicher Unterlassung quantitativ aufzulisten, stellt ihr pauschaler Hinweis auf Einzelfälle" kein beachtliches Bestreiten des klägerischen Vortrages dar. Danach hat die Kammer davon auszugehen, dass bei der Beklagten eine ständige Handhabung derart bestand, dass die vorzeitige Altersrente allein mit der einmaligen Kürzung gemäß Ziff. X Nr. 1 VO gewährt wurde. Die ständige Handhabung bestätigt die vorerwähnte Auslegung der Versorgungsordnung, namentlich von Ziff. X Nr. 1 VO. Danach kann dahinstehen, ob eine betriebliche Übung mit gleichem Inhalt entstanden ist (vgl. BAG, Urteil vom 16.07.1996, 3 AZR 352/95, AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung, Urteil vom 26.03.1997, 10 AZR 612/96, AP Nr. 50 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Für die betriebliche Übung kommt es auf das Erklärungsverhalten des Arbeitgebers und das durch seine gleichförmige Verhaltensweise erweckte Vertrauen der Arbeitnehmer an. Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber bewusst" handelte. Allenfalls mag der Arbeitgeber bei der Zusage und Erbringung von Versorgungsleistungen sich in dem Irrtum befinden, dazu rechtlich verpflichtet zu sein. Ein solcher, für die begünstigten Arbeitnehmer nicht erkennbarer Rechtsirrtum schließt freilich das Entstehen von Ansprüche aus betrieblicher Übung nicht aus. Ebenso wenig genügt die Berufung auf einen Rechtsirrtum, um eine sachwidrige Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

b) Weil die von der Beklagten reklamierte doppelte Kürzung" von erheblicher Auswirkung ist, hätte es bei der Neufassung der Versorgungsordnung Anfang 1990 nahegelegen, die doppelte Kürzung klar und unmissverständlich zu normieren. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich bei der Versorgungsordnung um eine mitbestimmte Regelung handelt (vgl. BAG, Urteil vom 11.09.1980, 3 AZR 185/80, AP Nr. 3 zu § 6 BetrAVG) und also für die Willensbildung des Konzernbetriebsrats von Bedeutung war, ob und wie die vorzeitige Altersrente gleichermaßen wie die Invalidenrente berechnet und in welchem Umfang sie gekürzt werden sollten. Hinzu kommt, dass vielfach von der Möglichkeit, eine vorzeitige Altersrente über die zeitanteilige Kürzung hinaus wegen ihrer längeren Laufzeit nochmals zu kürzen, keinen Gebrauch gemacht wurde (Griebeling, Kassler Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., 2.9, Rz. 495) oder, weil eine Mehrfachkürzung gegenüber dem Betriebsrat nicht durchsetzbar oder gegenüber der Belegschaft nicht opportun erschien, keinen Gebrauch gemacht werden sollte. Wenn der Arbeitgeber in einer mitbestimmten Versorgungsregelung die von ihm angestrebte Mehrfachkürzung nicht deutlich zum Ausdruck gebracht hat, sondern sich - wie im Streitfall - auf die formulierte Einmalkürzung beschränkte, kann er nicht mit der Möglichkeit einer anderen, fernliegenden Auslegung einen ihm günstigen Regelungsinhalt der Versorgungsordnung darstellen. Der Arbeitgeber muss sich dann an der für in ungünstigeren Auslegung der Versorgungsordnung festhalten lassen (vgl. BAG, Urteil vom 27.01.1998, 3 AZR 444/96, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen). Dies gilt auch für den Streitfall. Anders könnten die Dinge liegen, wenn die Beklagte bzw. die S.chindl-Gruppe gegenüber Belegschaft bzw. Konzernbetriebsrat anlässlich der Neufassung der Versorgungsordnung Anfang 1990 klargestellt hätte, wie die vorzeitige Altersrente zu berechnen sei, insbesondere dass bei vorzeitigem Ausscheiden (und bei Invalidität) mit einer Mehrfachkürzung zu rechnen sei. Die Beklagte behauptet selbst nicht, ein solches Verständnis der Versorgungsordnung kundgetan zu haben.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

III. Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen, weil es unstreitig eine Vielzahl gleichgelagerter (Streit-)Fälle gibt, dies auch außerhalb des Bezirks des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf.

Ende der Entscheidung

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