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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 357/06
Rechtsgebiete: ZPO, EStG, SGB IV


Vorschriften:

ZPO § 767
EStG § 38
SGB IV § 28 g
SGB IV § 28 e
1. Das Rechtsschutzinteresse für die Vollstreckungsgegenklage entfällt, wenn der Vollstreckungsgegenbeklagte (Gläubiger) eine Zwangsvollstreckung unzweifelhaft nicht mehr beabsichtigt.

2. Zur Präklusion des Erfüllungseinwandes, wenn der Arbeitgeber bereits vor seiner (uneingeschränkten) Verurteilung zur Bruttolohnzahlung Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hatte.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 357/06

Verkündet am 26. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26.07.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Remmel und den ehrenamtlichen Richter Brinkmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen des Klägers und des Beklagten gegen das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.03.2006 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 97,7 % und der Beklagte zu 2,3 %.

Hinsichtlich der Kosten erster Instanz bleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A. Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob dem Kläger gemäß § 767 ZPO Einwendungen gegen eine titulierte Forderung des Beklagten zustehen.

Der Beklagte erwirkte gegen den Kläger am 20.08.2001 beim Arbeitsgericht Düsseldorf ein rechtskräftiges Urteil über DM 209.000,00 brutto (= Euro 106.860,00) nebst Zinsen wegen rückständiger Arbeitsvergütung aus dem Zeitraum Dezember 1999 bis Juni 2001.

Der Kläger hatte bis Mitte 2001 an die Einzugsstelle (DAK) auf die geschuldete Vergütung Gesamtsozialversicherungsbeiträge gezahlt, wobei der Arbeitnehmeranteil insgesamt Euro 14.830,96 ausmachte. Im Oktober 2001 zahlte der Kläger an die Einzugsstelle (DAK) weitere Euro 827,93. Im August 2002 führte der Kläger an das Finanzamt Euro 15.503,81 als Lohnsteuer 2000 ab. Dem Beklagten flossen Zahlungen auf seine Vergütungsansprüche 2000 erst in den Jahren 2003 und 2006 zu.

In einem vom Beklagten geführten Anfechtungsprozess, in dem dem Kläger der Streit verkündet war, verurteilte das Landgericht Berlin am 16.04.2003 die Mutter des Klägers, die Zwangsvollstreckung in ihren hälftigen Miterbenanteil (Miteigentum an einer ETW in E.-P., L.-G.-Ring 7) zu dulden. Zur Abwendung der Zwangsversteigerung erwarb der Bruder des Klägers mit notariellem Kaufvertrag vom 10.03.2006 vom Beklagten dessen titulierte Forderung gegen Zahlung von Euro 101.146,01. In dem Vertrag wird seitens des Beklagten der Bestand der (abgetretenen) Forderung in dieser Höhe gewährleistet und auf die vorliegende Vollstreckungsgegenklage verwiesen.

Durch Schlussurteil vom 02.03.2006 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf der Vollstreckungsgegenklage in Höhe von Euro 827,93 entsprochen und sie im übrigen abgewiesen.

Mit der Berufung begehrt der Kläger weiterhin, dass wegen der abgeführten Lohnsteuer (Euro 15.503,81) und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (Euro 14.830,96), jeweils nebst Zinsen, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 20.08.2001 für unzulässig zu erklären sei.

Der Beklagte will mit seiner Berufung die Vollstreckungsgegenklage insgesamt abgewiesen wissen. Nachdem der Kläger als Streitverkündeter im Anfechtungsprozess vor dem Landgericht Berlin. wegen des im Oktober 2001 an die Einzugsstelle (DAK) abgeführten Betrages von Euro 827,93 den Erfüllungseinwand erhoben habe, sei er gemäß § 74, § 68 ZPO im vorliegenden Prozess mit diesem Einwand ausgeschlossen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

B. Beide Berufungen sind unbegründet.

1. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.03.2006 hat keinen Erfolg. Soweit er die vom Arbeitsgericht abgewiesene Vollstreckungsklage weiterverfolgt hat, ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsgegenklage entfallen, nachdem die titulierte Forderung des Beklagten gemäß notariellem Kaufvertrag vom 10.03.2006 auf den Bruder des Klägers übergegangen ist.

a) Das Rechtsschutzinteresse für die Vollstreckungsgegenklage liegt vor, sobald und solange eine Zwangsvollstreckung ernstlich droht. Die Vollstreckungsgegenklage bleibt regelmäßig zulässig, bis der Gläubiger (Vollstreckungsgegenbeklagter) den Titel dem Schuldner (Vollstreckungsgegenkläger) ausgehändigt hat. Das Rechtsschutzinteresse entfällt ausnahmsweise dann, wenn seitens des Vollstreckungsgegenbeklagten eine Zwangsvollstreckung nicht droht, weil sie z. B. unzweifelhaft nicht (mehr) beabsichtigt ist (OLG Köln, Urteil vom 30.08.2001, FamRZ 2002, 555, Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 767 Rz. 8, Musielak//Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 767 Rz. 18). Diese Konstellation kann sich ergeben, wenn der Vollstreckungsgegenbeklagte unter keinen Umständen mehr Gläubiger der titulierten Forderung sein kann und alles dagegen spricht, dass er weiterhin aus dem (auf den Zessionar noch nicht umgeschriebenen) Titel vollstrecken wird (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1992, ZIP 1992, 850).

Nach Lage der Dinge droht dem Kläger nicht mehr, dass der Beklagte aus dem Urteil vom 20.08.2001 vollstreckt. Nach dem notariellem Kaufvertrag vom 10.03.2006 ist der Beklagte hinsichtlich der Titelschuld in vollem Umfang befriedigt. Er hat sich des weiteren zur Herausgabe der in § 4 Nr. 2 des Vertrages bezeichneten Originalurkunden und zur Mitwirkung bei der Titelumschreibung auf den Bruder des Klägers (§ 7 Abs. 2) verpflichtet. Nachdem der Kaufpreis am 01.04.2006 beglichen wurde, besteht kein Zweifel, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Titel durch den Beklagten nicht beabsichtigt ist. Eben darauf richtete sich auch der Zweck des Vertrages vom 10.03.2006 .

Ob dem Kläger die Zwangsvollstreckung durch seinen Bruder droht, nachdem die Vollstreckungsklausel auf diesen umgestellt ist, ist vorliegend unerheblich. Im übrigen ergeben sich dafür weder nach dem Vortrag der Parteien noch sonst wie irgendwelche Anhaltspunkte.

Die Kammer übersieht nicht, dass den Parteien, möglicherweise auch dem neuen Forderungsinhaber im Hinblick auf § 5 Nr. 1 des Kaufvertrags vom 10.03.2006, daran gelegen ist, gerichtlich die Höhe der vom Beklagten veräußerten Forderung zu klären. Dieses Anliegen begründet indessen kein Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsgegenklage, sondern allenfalls das Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO, oder ist im Rahmen einer Leistungsklage des Zessionars gegen den Beklagten zu verfolgen.

b) Wäre die Vollstreckungsgegenklage zulässig geblieben, hätte sie als unbegründet abgewiesen werden müssen, soweit der Kläger geltend macht, in Höhe von Euro 15.503,81 eine Lohnsteuerschuld des Beklagten gegenüber dem Finanzamt erfüllt zu haben. Zwar steht nach den Mitteilungen des Finanzamtes Düsseldorf-Altstadt vom 12.07.2005 sowie vom 07.07.2006 fest, dass der Kläger am 13.08.2002 den Betrag von Euro 15.503,81 an das Finanzamt zahlte. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass damit eine entsprechende Lohnsteuerschuld des Klägers erfüllt wurde.

Nach § 38 EStG wird die Lohnsteuer (nur) erhoben, soweit der Arbeitslohn ausgezahlt wird. Das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten führt den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei (BFH, Beschluss vom 17.06.2005, BFH/NV 2005, 1796). Liegt daher der Zufluss erst dann vor, wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt, fällt Lohnsteuer vor diesem Zeitpunkt nicht an. Etwaige zuvor vom Arbeitgeber an das Finanzamt erbrachte "Lohnsteuerzahlungen" haben keine Erfüllungswirkung. Diese tritt, wenn nach dem Zahlungsurteil der Lohn an den Arbeitnehmer gezahlt, erst zu diesem Zeitpunkt und unter der weiteren Prämisse ein, dass die vom Arbeitgeber vorzeitig abgeführte Lohnsteuer gegen die mit Zufluss der Vergütung entstandene Lohnsteuerschuld verrechnet wird. Damit ist der Arbeitgeber bei vorzeitiger Lohnsteuerzahlung zwar nicht mit dem "Erfüllungseinwand" nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die vorzeitige Lohnsteuerzahlung überhaupt die Erfüllung einer (späteren) Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers bewirkt. Vielmehr ist es zunächst Sache des Beklagten, die ihm nachträglich in voller Höhe zugeflossene Vergütung zu versteuern. Der Arbeitgeber kann seinerseits vom Finanzamt die "vorab abgeführte Lohnsteuer" zurückverlangen. Anders könnte es sich verhalten, wenn das Finanzamt die vom Arbeitgeber vorab abgeführte Lohnsteuer auf die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers verrechnet. Dann wäre - bezogen auf den Streitfall - der Beklagte im Umfang der getilgten Lohnsteuerschuld ungerechtfertigt bereichert. Indem er - zulässsigerweise (BAG GS vom 07.03.2001, GS 1/00, MDR 2001, 1360, BAG, Urteil vom 19.02.2004, 6 AZR 664/02, ZTR 2004, 539) - im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Zahlungstitel vom 20.08.2001 die volle Bruttoforderung beigetrieben hat, muss er dann nach dem Abschluss der Zwangsvollstreckung - in den Grenzen der Rechtskraft des Urteils vom 20.08.2001 und seiner nach den Urteilsgründen endgültig abgelehnten Einwände - nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB die ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben oder nach § 823 BGB oder § 826 BGB in der Zwangsvollstreckung Erlangtes zurückgewähren; andernfalls ist er einer Bereicherungsklage ("verlängerte Vollstreckungsgegenklage") oder einer Schadensersatzklage des Schuldners ausgesetzt (BGH vom 02.04.2001, VersR 2002, 242, OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.1992, MDR 1992, 903).

c) Hinsichtlich der abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (Euro 14.830,96) neigt die Kammer zu der Auffassung, dass die Vollstreckungsgegenklage, wäre sie zulässig, begründet gewesen wäre. Richtig ist, dass die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO dem Schuldner nur insoweit zur Verfügung steht, als nach der letzten mündlichen Verhandlung - vom Prozessgericht nicht rechtskräftig beschiedene - Tatsachenveränderungen eingetreten sind (BGH, Urteil vom 02.04.2001, VersR 2002, 242). Dabei hat für zuvor vom Schuldner (Arbeitgeber) an die Einzugsstelle gezahlte Sozialversicherungsbeiträge folgendes zu gelten:

(11) Im sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrecht gilt nicht das Zuflussprinzip, sondern das Entstehungsprinzip. Danach kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt zahlt und ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es noch verlangen könnte (BSG, Urteil vom 29.06.2000, NZS 2001, 370), ob der Arbeitgeber während eines Kündigungsschutzprozesses die angebotene Arbeit nicht annimmt und dementsprechend auch nicht entlohnt (BSG, Urteil vom 14.07.2004, JuS 2006, 284). Die Anwendung des Entstehungsprinzips kann zu einer Inkongruenz zwischen Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht führen, wenn etwa einerseits die Parteien vor dem Arbeitsgericht z. B. über Ansprüche auf Verzugslohn streiten, andererseits die Einzugsstelle vom Arbeitgeber nach § 28e SGB IV die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags erwartet (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.1981, VersR 1982, 970, vom 29.06.2000, NZS 2001, 370). Die Inkongruenz löst sich auf sozialversicherungsrechtlicher Ebene dadurch auf, dass nach § 26 Abs. 2, 3 SGB IV die entrichteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge zurückzuerstatten wären, sobald sich "arbeitsrechtlich" herausstellt, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht bestanden hat. Fehlt es an der Vergütungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, so erlangt dieser nicht nur durch die Auszahlung des Nettolohns, sondern auch durch die Abführung der Arbeitnehmeranteile an die Sozialversicherung i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Leistung ohne Rechtsgrund (BAG, Urteil vom 29.03.2001, 6 AZR 653/99, DB 2001, 2659).

Dieser Befund legt nach Auffassung der Kammer nahe, dass in den Fällen, in denen die Entstehung von Vergütungsansprüchen zwischen den Arbeitsvertragsparteien umstritten ist, der Arbeitgeber mit der Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Einzugsstelle erkennbar nur seiner sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflicht nach § 28 e SGB IV genügen, quasi zur Abwendung verwaltungsrechtlicher Vollstreckungsmaßnahmen zahlen, aber hierdurch nicht seine arbeitsrechtliche Vergütungspflicht erfüllen will. Die Zahlung an die Einzugsstelle stellt unter diesem Blickwinkel nicht die (teilweise) Erfüllung eines arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruchs dar. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt, dass das Bestehen der arbeitsvertraglichen Zahlungspflicht rechtskräftig festgestellt oder unstreitig wird. Dieser Vorbehalt lässt die Schuldtilgung in der Schwebe (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.1998, MDR 1999, 86). Die Zahlung an die Einzugsstelle wird schon aus diesem Grund nicht von der Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO erfasst. .

Die Tatsachenlage erfährt mit der Rechtskraft des Zahlungsurteils und der Auszahlung der Arbeitsvergütung eine Veränderung: Die erfolgte Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages lässt nunmehr den besonderen öffentlichrechtlichen Erfüllungseinwand (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.2004, BSGE 92, 113) bzw. den (aufrechenbaren) Ausgleichsanspruch des Arbeitgebers entstehen (BAG GS, Beschluss vom 07.03.2001, GS 1/00, MDR 2001, 1360).

In diesem Zusammenhang braucht nicht vertieft zu werden, dass der Arbeitgeber § 28g Satz 2 und 3 SGB IV den Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf den von diesem zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen und einen unterbliebenen Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachholen kann. Diese Regelung bezweckt nicht den Schutz des Arbeitnehmers vor verspäteter Lohn- und Gehaltszahlung, so dass der Arbeitgeber regelmäßig bei verspäteter Entgeltzahlung und -abrechnung berechtigt ist, den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages vom Arbeitsentgelt abzuziehen (BAG, Urteil vom 01.02.2006, 5 AZR 395/05, ZTR 2006, 319, BAG GS vom 07.03.2001, a.a.O., Urteil vom 15.12.1993, 5 AZR 326/93, MDR 1994, 1129).

(22) Hielte man den Erfüllungseinwand des Arbeitgebers nach § 767 Abs. 2 ZPO für präkludiert, so spricht nach Dafürhalten der Kammer vieles dafür, die Beitreibung der mit der Bruttoforderung ausgeurteilten, aber bereits abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und die Berufung des Gläubigers auf § 767 Abs. 2 BGB für treuwidrig (§ 242 BGB) zu halten.

Nach zutreffender Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2004, BGHReport 2004, 776; ferner Urteil vom 11.07.2002, VersR 2003, 616, [zur Unmöglichkeit] OLG Hamm, Beschluss vom 18.02.1988, NJW-RR 1988, 1087, BVerwG, Urteil vom 28.03.1963, BVerwGE 16, 36) steht der Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn der Rechtsmissbrauch den Bestand der zu vollstreckenden Forderung zum Zeitpunkt zur letzten mündlichen Verhandlung betrifft und der Vollstreckungsgläubiger redlicherweise die Forderung nicht (mehr) hätte geltend machen dürfen.

(aa) Der Arbeitnehmer wäre nach Beitreibung des Bruttobetrages gehalten, den in dem Bruttobetrag enthaltenen Steueranteil und Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung selbst abzuführen (Küttner/Huber, Personalbuch 2005, 'Bruttolohnvereinbarung', Rz. 13, Küttner/Griese, Sozialversicherungsbeiträge', Rz. 10(6), ErfK/Preis, 6. Aufl., § 611 BGB Rz. 598, LAG Nürnberg, Urteil vom 26.05.2002, AR-Blattei ES 110, Nr. 85, LG Karlsruhe, Beschluss vom 07.10.2003, InVo 2004, 334). Der Arbeitnehmeranteil steht ihm nach dessen Zweckbestimmung nicht zur beliebigen, privaten Verwendung zu. Ist mithin der in der ausgeurteilten Bruttolohnzahlung enthaltene Arbeitnehmeranteil zur zweckgebundenen Beitragsabführung bestimmt, macht der Umstand, dass der Arbeitnehmeranteil (hier: durch den Arbeitgeber) bereits an die Einzugsstelle gezahlt worden, die Zweckerreichung unmöglich. Der Vollstreckung des auf eine unmögliche Leistung gerichteten Urteils muss durch die Vollstreckungsgegenklage begegnet werden können.

(bb) Des weiteren wollen die Parteien den Rechtsstreit über eine Bruttoforderung regelmäßig nicht mit der Klärung belasten, inwieweit Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen sind, und gehen übereinstimmend davon aus, dass etwaige vom Arbeitgeber abgeführte Beiträge unter dem Vorbehalt der rechtskräftigen Verurteilung stehen und bis dahin keine Erfüllung im Sinne von § 362 BGB sind. Im allgemeinen geht es nämlich den Parteien darum und ist auch Sinn der Urteilsformel, die Brutto- Zahlungspflicht festzustellen und die sich nach der Abrechnung (§ 108 GewO) ergebende Abführung der Lohnabzüge als technische Abwicklungsfrage in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 704 Rz. 6). Dem Gläubiger (Arbeitnehmer) ist daran gelegen, dass überhaupt Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteil gezahlt werden; auf den Zahlungszeitpunkt kommt es ihm nicht an. Solange der Arbeitnehmer seiner Obliegenheit auf Abführung der Lohnsteuer und Entrichtung des Arbeitnehmeranteils Lohnsteuer zur Sozialversicherung nicht nachkommt, haftet der Arbeitgeber weiterhin dem Finanzamt und der Einzugsstelle. Leistet er Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteil, wird er wirtschaftlich für Rechnung des Arbeitnehmers tätig und hat demnach gegen ihn einen Erstattungsanspruch analog § 670 BGB (BAG GS vom 07.03.2001, a.a.O., LAG C., Urteil vom 16.05.1990, LAGE Nr. 1 zu § 28g SGB IV, LAG Köln, Urteil vom 13.06.2001, AR-Blattei ES 860.4, Nr. 4, LAG C. LAGE Nr.1 zu § 28 g SGB IV) oder nach § 826 BGB zu (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.04.1993, NZA 1994, 509). Ansonsten wäre der Arbeitnehmer aus § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 2 BGB zum Wertersatz in Höhe der vom Arbeitgeber abgeführten Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung verpflichtet. Denn durch die Abführung hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Verpflichtung befreit, aus dem beigetriebenen Bruttobetrag, Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung selbst abzuführen. M.a.W.: Steht dem Arbeitnehmer die Bruttovergütung zu, erlangt er nach Vereinnahmung des Bruttobetrages im Umfang der vom Arbeitgeber abgeführten Steuern eine entsprechende Befreiung einer gegenüber dem Fiskus bestehenden Steuerschuld und ebenso durch die Abführung der Arbeitnehmeranteile an die Sozialversicherung eine Leistung ohne Rechtsgrund, die er nach Maßgabe des § 818 BGB herauszugeben bzw. für die er Wertersatz zu leisten hat (BAG, Urteil vom 19.02.2004, 6 AZR 664/02, ZTR 2004, 539). Auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) kann sich der Arbeitnehmer in dieser Konstellation nicht berufen. Wer einen Bruttobetrag beitreibt, weiß, dass er darauf entfallende Steuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen hat und lediglich den danach verbleibenden Nettobetrag nach Belieben verwenden und ausgeben darf. Wenn er den gesamten Bruttobetrag ausgibt, kann er dies nur in bösem Glauben tun.

(cc) Diese Überlegungen wären nach Einschätzung der Kammer durchaus geeignet gewesen, den Einwand des Rechtsmissbrauchs auch im Streitfall zu begründen.

2. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Kläger nicht durch § 74, § 68 ZPO daran gehindert, wegen des im Oktober 2001 an die Einzugsstelle (DAK) abgeführten Betrages von Euro 827,93 die Erfüllung des Zahlungstitels zu reklamieren.

Die Interventionswirkung setzt nach § 68, § 72 Abs. 1 ZPO voraus, dass ein rechtskräftiges Sachurteil zu Ungunsten des Streitverkünders ergangen ist (Zöller/Vollkommer, § 74 Rz. 6). Daran fehlt es. Der Beklagte obsiegte mit der Anfechtungsklage.

Für die Bindungswirkung ist des weiteren kein Raum, wenn im Urteil Feststellungen, die das an sich bei gehöriger Ausschöpfung des Prozessstoffs hätte treffen müssen, fehlen ( Zöller/Vollkommer, § 68 Rz. 10). Das Landgericht Berlin befasst sich in dem Urteil vom 16.04.2003 nicht mit dem Vortrag der Anfechtungsbeklagten, dass "die Sozialversicherungsabgaben einschließlich Krankenkasse ... ausgeglichen worden seien".

C. Die Kosten der Berufung sind nach § 92 Abs. 1 (§ 97 Abs. 1) ZPO zu verteilen. Hinsichtlich der Kosten erster Instanz hat es danach bei dem Kostenausspruch des Arbeitsgericht zu verbleiben.

Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht besteht keine Veranlassung, da Zulassungsgründe i.S.v. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht ersichtlich sind. Hinsichtlich der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde werden die Parteien auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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