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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.06.1998
Aktenzeichen: 12 Sa 520/98
Rechtsgebiete: BUrlG, IAO-Übereinkommen Nr. 132


Vorschriften:

BUrlG § 7
IAO-Übereinkommen Nr. 132 Art. 9
1. Der nach § 7 Abs. 4 BUrlG entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch geht nicht dadurch unter, daß der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.03. des Folgejahres arbeitsunfähig krank ist (z. B. Kammer-Urteile v. 16.02.95, ZTR 95, 320, v. 15.09.94, AuR 95, 32, v. 16.09.93, LAGE § 7 BUrlG Übertragung Nr. 5; gegen die Rspr. d. BAG z. B. Urteil v. 20.01.98, AP Nr. 45 zu § 13 BUrlG).

2. Zu den - auch sprachlichen - Schwierigkeiten am Urlaubsstandort Deutschland.


Sachverhalt: Der Kläger war vom 07.04.97 bis 02.09.97 bei dem Beklagten beschäftigt. Kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde er arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis Juni 1998 fort. Der Kläger verlangt Urlaubsabgeltung. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das LAG hat ihr im Umfang des noch offenen gesetzlichen Urlaubs stattgegeben.

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäfts-Nr.: 12 Sa 520/98

Verkündet am 17.06.1998

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17.06.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Giesen und den ehrenamtlichen Richter Schuh für Recht erkannt:

Tenor:

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom 11.02.1998 wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 610,56 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 16.01.1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 11/14 und der Beklagte zu 3/14 zu tragen.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld zusteht.

Der Kläger war seit dem 07.04.1997 als Dachdeckergeselle bei dem Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für das Dachdeckerhandwerk vom 27.11.1990 i.d.F.v. 06.12.1995 Anwendung.

Am 19.08.1997 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 02.09.1997. In dem vor dem Arbeitsgericht Wesel geführten Rechtsstreit hat der Kläger zunächst die Kündigungsfrist beanstandet. Mit am 16.01.1998 zugestellter Klageerweiterung hat er den Beklagten auf Urlaubsabgeltung in Höhe von DM 2.238, 76 brutto und tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von DM 559,69 brutto in Anspruch genommen.

Der Kläger hatte während des Arbeitsverhältnisses zwei Tage bezahlten Erholungsurlaub erhalten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß sich der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offene gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch auf DM 610,56 brutto belief. Der Kläger wurde im August 1997 arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis Juni 1998 fort.

Durch Urteil vom 11.02.1998 hat das Arbeitsgericht die Klage auf Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Kläger das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sachund Streitstandes verwiesen wird, an. Er meint, daß seine Ansprüche weder tariflich verfallen noch infolge der Arbeitsunfähigkeitszeit untergegangen seien.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 11.02.1998 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Wesel - 4 Ca 3561/97 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.798,45 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab Zustellung der Klage zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nur in Höhe eines Teilbetrages von DM 610,56 brutto begründet. Im übrigen hat sie keinen Erfolg.

I. Die Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs und auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgeldes sind, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt und die Kammer im Hinweisbeschluß vom 12.06.1998 ergänzend ausgeführt hat, nach § 54 RTV-Dachdeckerhandwerk verfallen. Die Ansprüche wurden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Der Kläger hätte sie binnen zwei Monaten, also bis Anfang November 1997, schriftlich geltend machen müssen. Dies hat er versäumt. Die ordnungsgemäße Geltendmachung dem Grunde nach und (ungefähr) der Höhe nach ist erstmals mit der am 16.01.1998 zugestellten Klageerweiterung erfolgt.

II. Dem Kläger verbleibt hingegen nach § 7 Abs. 4 BUrlG der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs.

1. Die Höhe des Anspruchs ist zwischen den Parteien unstreitig. Der gesetzliche Urlaubs(abgeltungs)anspruch steht nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien und wird daher nicht von tariflichen Verfallklauseln erfaßt (BAG 23.04.1996, 9 AZR 165/95, AP Nr. 6 zu § 17 BErzGG).

2. Dem Abgeltungsanspruch steht nicht entgegen, daß der Kläger vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankte und die Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.03.1998 (und darüber hinaus) fortdauerte. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG kommt es auf hypothetische Überlegungen, insbesondere darauf, ob der Urlaubsanspruch noch erfüllt werden könnte, wenn das Arbeitsverhältnis weiter bestünde, nicht an.

Allerdings vertritt der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Auffassung, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch an die gleichen Voraussetzungen gebunden sei wie der Urlaubsanspruch und deshalb am 31.12. des Kalenderjahres bzw. im Fall der Übertragung gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG am 31.03. des Folgejahres erlösche. Habe der Arbeitnehmer vorher den Arbeitgeber in Verzug gesetzt, könne er als Schadensersatz einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag fordern, dies aber nur dann, wenn er bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können, also in diesem Umfang arbeitsfähig gewesen sei (BAG 20.01.1998, 9 AZR 812/96, DB 98, 1237).

Die Kammer ist dieser Auffassung wiederholt entgegengetreten (LAG Düsseldorf 30.08.1995, ZTR 96, 29, 16.02.1995, ZTR 95, 320, 15.09.1994, AuR 95, 32, 16.09.1993, LAGE Nr. 5 zu § 7 BUrlG Übertragung, 05.09.1991, LAGE Nr. 3 zu § 7 BUrlG Übertragung, 21.03.1991, LAGE Nr. 9 zu § 7 AWbG NRW, 13.06.1990, AuR 90, 387, 20.09.1989, LAGE Nr. 2 zu § 7 BUrlG Übertragung; vgl. auch Schäfer, NZA 93, 204 ff., Weber, RdA 95, 233 f., Leege, Das Verhältnis von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch, 1996, S. 154 ff.). Sie hält hieran fest.

3. Nach Wortlaut und Sinn ist § 7 Abs. 4 BUrlG eindeutig. Die Vorschrift ordnet die Abgeltung des Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Damit wird jedweden Überlegungen, ob, wann und inwieweit bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses der Urlaub hätte gewährt werden können oder nicht, der Boden entzogen.

a) Nach allgemeiner Meinung hat die Gesetzesauslegung vom Wortlaut auszugehen. Weil die Normadressaten auch den gesetzlichen Gesamtzusammenhang erkennen können, ist dieser mitzuberücksichtigen. Danach ist der Sinn der Norm, die ratio legis, zu ermitteln. U.U. können aus der gesetzlichen Entstehungsgeschichte weitere Anhaltspunkte für die Auslegung gewonnen werden (Staudinger/Coing, BGB, 13. Bearb., Einl. zu BGB, Rz. 138 ff., Wank, RdA 98, 74 f.; vgl. BVerfG 19.06.1973, BVerf- GE 35, 263 ff., BVerfG 11.o6.198o, BVerfGE 54, 297). Im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt, das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (BVerfG 11.06.1980, a.a.O., 299, BVerfG 07.04.97, AP Nr. 11 zu Art. 100 GG; vgl. auch BAG 12.11.1992, 8 AZR 157/92, EzA Nr. 18 zu Art. 20 Einigungsvertrag).

b) Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offener Urlaub abzugelten". Das Gesetz enthält keine eigene Definition dieses Begriffs. Daher ist das Wort abgelten" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen, nämlich als bezahlen, eine Schuld, einen Verlust = "(Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6. Aufl. 1997; ähnl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch A - Z,3. Aufl. 1996). Nach diesem allgemeinen Verständnis ist Abgeltung" die meist einmalige Leistung, durch die ein Rechtsanspruch unter Ausschluß weiterer Forderungen endgültig abgegolten wird" (dtv-Brockhaus-Lexikon, 1988, Stichwort: Abfindung, Abgeltung"; ähnl. Der Brockhaus in fünfzehn Bänden", 1997, Stichwort: Abfindung (Abgeltung, Ablösung)". In diesem Sinn wird der Begriff ebenfalls in der Rechtssprache verwendet (vgl. LAG Düsseldorf 15.09.1994, a.a.O.). Abgeltung bedeutet auch hier Ausgleich durch Geldzahlung" (BAG 07.02.1995, 3 AZR 483/95, AP Nr.54 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; ähnl. BAG 15.10.1992, 6 AZR 349/91, AP Nr. 19 zu § 17 BAT, BAG 26.06.1992, 5 AZR 468/91, EEK I/1093).

Das, was allgemein gilt, sieht der Urlaubssenat anders. Er zieht den Begriff Abfindung" heran, gibt danach diesem Begriff eine andere linguistische und rechtsprachliche Bedeutung als dem Begriff Abgeltung" und leitet aus der so entwickelten Unterschiedlichkeit rechtserhebliche Schlußfolgerungen ab. Dabei ist nach Sprachverständnis und Definition des Senats der Abfindungsanspruch ein einfacher Geldanspruch" und steht dem Abgeltungsanspruch (mit urlaubsrechtlichen Merkmalen wie Bestand und Erfüllbarkeit) gegenüber (BAG 20.01.1998, a.a.O., 09.08.94, 9 AZR 346/92, AP Nr. 62 zu § 7 BUrlG Abgeltung, 31.05.1990, 8 AZR 161/89, AP Nr. 54 zu § 7 BUrlG Abgeltung, 20.04.1989, 8 AZR 621/87, AP Nr. 48 zu § 1 BUrlG Abgeltung).

Die Kammer spricht deutsch. Deshalb geht sie mit den Wörterbüchern von der im allgemeinen synonymen Verwendung beider Begriffe aus. Ebensowenig ist aus der Rechtsterminologie die vom Urlaubssenat vorgenommene Abwertung des Abfindungsanspruchs" und Überhöhung des Abgeltungsanspruchs" bekannt. Sowohl bei der Abgeltung" wie bei der Abfindung" geht es darum, für die definitive Aufgabe bzw. den Verlust einer Rechtsposition einen Ausgleich, in der Regel durch einmalige Geldzahlung, festzulegen (vgl. § 1585 Abs. 2 BGB; § 10 KSchG, § 113 BetrVG, § 3 BetrAVG, § 37 Abs. 3, 2. Halbsatz BetrVG).

c) Gesetzesauslegung erschöpft sich, wie der Neunte Senat im Ansatz richtig sieht (BAG 05.12.1995, 9 AZR 871/94, AP Nr. 70 zu § 7 BUrlG Abgeltung, dort im Anschluß an zielführende Auslassungen zum Prozeßkostenhilferecht), nicht in der isolierten Wortauslegung, sondern ist zu ergänzen durch die Anwendung der teleologischen Auslegungsmethoden, um hierdurch den Regelungszweck freizulegen. (1) Was § 7 Abs. 4 BUrlG anbelangt, entspricht der Normzweck dem Wortsinn. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann bezahlter Erholungsurlaub nicht mehr gewährt werden. Der Arbeitgeber schuldet dafür, daß er von der Naturalverpflichtung befreit wird, dem Arbeitnehmer Wertersatz, die Urlaubsabgeltung. § 7 Abs. 4 BUrlG fokussiert den Ausgleich auf einen Geldbetrag in Höhe des Arbeitsentgelts für die offenen Urlaubstage und terminiert, wie Art. 11 des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation über den bezahlten Jahresurlaub bestätigt, die Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers auf den Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis endet . Ob der Arbeitnehmer danach krank wird, krank bleibt oder tot umfällt, ist unerheblich. Der Arbeitgeber schuldet die Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Damit verfolgt die Urlaubsabgeltung den typischen Zweck jeder Abgeltungsregelung, nämlich eine vereinfachte und beschleunigte Klärung dadurch herbeizuführen, daß der Gläubiger für den Verlust seiner Rechtsposition einen Ausgleich in Geld (oder anderen vermögenswerten Leistungen) erhält. Konsequenterweise verlieren mit der Fixierung des Abgeltungsbetrages künftige Geschehnisse ihre Relevanz. All dies hält die Kammer für rechtliches Allgemeingut.

(2) Der Urlaubssenat des BAG löst sich hiervon, greift den Terminus Surrogat" auf, versteht ihn zunächst untechnisch (BAG 20.04.1989, 8 AZR 621/87, AP Nr. 48 zu § 7 BUrlG Abgeltung, vgl. BAG 05.12.1995, a.a.O.), um sodann aus ihm rechtstechnische Anspruchsvoraussetzungen, i.c. die hypothetische Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs nach beendetem Arbeitsverhältnis, abzuleiten. Dies mag den Charme der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung und des Freirechtsdenkens haben (vgl. Birk, Anm. zu AG AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG: weitgehend freischwebend"). Das Gesetz spricht indessen von Abgeltung" und bezweckt diese. Darüber hinaus hat der Gedanke an ein Surrogat" oder eine nachvertragliche Erfüllbarkeit" keinen Niederschlag im Bundesurlaubsgesetz oder im Übereinkommen Nr. 132 gefunden. Das Übereinkommen ist am 30.04.1975 (BGBl. II, 745 ff./2oo5) Gesetz geworden und zumindest im Rahmen der völkerrechtskonformen Interpretation in die Auslegung einzubeziehen.

Dabei übersieht die Kammer nicht, daß bereits in früheren BAG-Judikaten die Urlaubsabgeltung als Surrogat des Urlaubsanspruchs bezeichnet wird, dies allerdings gerade und nur mit der Absicht, die Abgeltung der tariflichen Disposition zu entziehen (vgl. BAG 30.11. 1977, 5 AZR 667/76, AP Nr. 4 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit, BAG 18.06.1980, 6 AZR 328/78, AP Nr. 6 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit) und nicht mit der jetzt befürworteten Postulation zusätzlicher Anspruchsvoraussetzungen. Tatsächlich stellt erst die neuere BAG-Rechtsprechung die vertragliche Abdingbarkeit des Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruchs her, und zwar ab dem Zeitpunkt, in dem sich dieser Anspruch in einen Schadensersatzanspruch umwandelt. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Ist den Arbeitsvertragsparteien nicht an der Gewährung von Naturalurlaub, sondern an der Ausbezahlung des Urlaubs gelegen, braucht der Arbeitnehmer nur den Urlaub (am besten gleich zu Beginn des Kalenderjahres) anzumahnen. Wenn der Arbeitgeber den Urlaub nicht bis zum Ablauf der Fristen des § 7 Abs. 3 BUrlG gewährt, geht der gem. § 13 Abs. 1 BUrlG unabdingbare Urlaubsanspruch unter. Der Sekundäranspruch auf Schadensersatz steht nunmehr zur Disposition der Parteien; die Parteien könnten den (untergangenen) Urlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzen.

(3) Des weiteren hat die Kammer die Probleme aufgezeigt, die mit der Erfüllbarkeitshypothese, wenn sie konsequent angewendet würde, verbunden sind (LAG Düsseldorf 20.09.1989, a.a.O., S. 12). Allerdings streitet der Neunte Senat (BAG 05.12.1995, a.a.O.) ab, mit der Erfüllbarkeit ein hypothetisches Geschehen zu berücksichtigen. Vielmehr werde die reale Tatsache (der andauernden Krankheit) beurteilt. Gänzlich abwegig sei der Verweis auf schadensersatzrechtliche Vorstellungen.

Nun gehört es zu den Fundamentalprinzipien des Zivilrechts, daß späteres Geschehen, solange es nicht den Tatbestand einer Gegennorm erfüllt, den einmal entstandenen Anspruch nicht beseitigt. Ausnahmsweise, insbes. im Schadensersatzrecht, kann es eine wertende Beurteilung geboten erscheinen lassen, den hypothetischen Verlauf zu berücksichtigen, also danach zu fragen, ob der Anspruch des Gläubigers deshalb entfällt, weil ohne das anspruchsbegründende Ereignis späteres Geschehen zu gleichen oder anderen Nachteilen geführt haben würde. Reale Ursache dafür, daß der (noch offene) Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch übergeht, ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Damit ist der Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden. Richtig ist, daß es ebenso eine (zeitlich nachfolgende) reale Tatsache darstellt, wenn der Arbeitnehmer in der Zeit ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis Ende des Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums arbeitsunfähig krank ist. Die Frage, ob diese nachfolgende Tatsache als Reserveursache" geeignet ist, die an sich gegebene Abgeltungspflicht des Arbeitgebers zu beeinflussen, beantwortet das BAG selbst nach einem hypothetischen Ansatz, nämlich ob der Urlaubsanspruch noch erfüllt werden könnte, wenn das Arbeitsverhältnis weiter bestünde" (BAG 20.01.1998, a.a.O.). Zumindest hält die Kammer mangels höheren Realitätssinns dies für einen hypothetischen Ansatz".

4. Einzige Rechtfertigung für die BAG-Auffassung kann danach das Empfinden von Ungerechtigkeit sein, weil der arbeitsunfähige Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis fortbesteht, den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub zum 31.o3. des Folgejahres ersatzlos verlieren soll und also schlechter da steht als jener (ebenfalls arbeitsunfähige) Arbeitskollege, der Urlaubsabgeltung kassierte, als sein Arbeitsverhältnis beendet wurde (BAG 07.03.1985, 6 AZR 334/82, AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG Abgeltung = SAE 86, 262, m. abl. Anm. Wandt).

a) Indessen wäre die mögliche unterschiedliche Betroffenheit weder ungerecht noch planwidrig, sondern typische Folge jeder Abgeltungs- und Abfindungsregelung. Sie fußt darauf, daß künftige Nachteile nur prognostiziert und pauschal ausgeglichen werden können. Unter diesem Aspekt muß die urlaubsmäßige Gleichbehandlung des ausgeschiedenen mit dem weiterbeschäftigten Arbeitnehmer weder erreichbar noch geboten sein (insoweit richtig BAG 27.05.1997, 9 AZR 337/95, EzA Nr. 2 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 1 d).

b) Hiervon unabhängig geht der Urlaubsanspruch nicht zum 31.12. des Kalenderjahres bzw. 31.03. des Folgejahres unter. Auch dies hat die Kammer wiederholt im einzelnen ausgeführt.

(1) Der Wortlaut des Gesetzes gibt nichts her für die Annahme, daß der Urlaubsanspruch untergeht. Wie auch immer die Rechtsfolge des Untergangs formuliert werden könnte: Im Bundesurlaubsgesetz ist von Erlöschen" oder Verfall" o. ä. keine Rede. Ebensowenig ist dem Gesetz zu entnehmen, daß der Arbeitnehmer zur Vermeidung von Rechtsverlust Urlaub unter Einhaltung einer Erfüllbarkeitsfrist geltend machen ( anmahnen") muß. Im Ergebnis läuft daher die BAG-Rechtsprechung darauf hinaus, in das Bundesurlaubsgesetz eine ungeschriebene und durch das Erfüllbarkeitserfordernis verschärfte Verfallklausel hineinzuinterpretieren.

Im einzelnen gilt folgendes:

(a) Daraus, daß nach § 1 BUrlG jeder Arbeitnehmer in" jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub hat, läßt sich schon deshalb nichts herleiten, weil andernorts, z.B. in §§ 19 Abs. 1 JArbSchG, 53 Abs. 1 SeemG, der Gesetzgeber das Wort für" gewählt hat (vgl. BAG 19.o1.1993, 9 AZR 79/92, AP Nr. 1 zu § 53 SeemG).

(b) Die erkennende Kammer (21.03.1991, a.a.O., 05.09.1991, a.a.O., 16.09.1993, a.a.O.) und ebenso die 6. Kammer des LAG Düsseldorf (29.09.1992, LAGE Nr. 2 zu § 7 BUrlG Abgeltung) haben daraus, daß nach der amtlichen Übersetzung zum Übk. Nr. 132 Urlaub für" das Dienstjahr und nicht im" Dienstjahr zu gewähren ist, überdies Art. 9 weiträumige (Nach-)Gewährungsfristen vorsieht, ein weiteres Argument gegen die Befristung des Urlaubsanspruchs auf das Kalenderjahr gewonnen.

Der Neunte Senat (Urteil vom 07.12.1993, 9 AZR 683/92, AP Nr. 15 zu § 7 BUrlG) hat dem u.a. folgendes entgegengehalten: Die Formulierung in Art. 9 Abs. 1 nach Ablauf des Jahres, für den (gemeint ist wohl: das) der Urlaubsanspruch erworben wurde" legt den Beginn der Frist fest, innerhalb derer der Urlaubsanspruch zu erfüllen ist. Über den zeitlichen Bestand des Anspruchs sagt sie dagegen nichts aus. Im übrigen können aus der Verwendung des Wortes für" rechtliche Folgen nicht abgeleitet werden, weil der gemäß Art. 24 des Übereinkommens maßgebende französische und englische Wort von Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens die Worte pour" und for" nicht verwendet".

Diese fremdsprachliche Erkenntnis beruht sichtlich auf dem Befund, daß sich im französischen Text durchgehend das Wort pour" (Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 11) findet, während Art. 9 Abs. 1 die Formulierung la fin de l'année ouvrant droit au congé"wählt. Hier könnte es sich um ein Participe présent handeln, das einen Relativsatz vertritt, und das Wort ouvrir (un droit)" soviel bedeuten wie (einen Anspruch) begründen" (Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 5. Aufl., Stichwort: ouvrir un droit"). Im englischen Text wird das Wort for" verwendet (Art. 3 Abs. 1, Art. 11) oder der Ausdruck in respect of" (Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1). Den letztgenannten Begriff übersetzen Wörterbücher mit im Hinblick auf, hinsichtlich, bezüglich, in Anbetracht" (von Beseler/Jacobs-Wüstefeld, Law Dictionary, 4. Aufl., Romain, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, Engl.-Dt., 4. Aufl., jeweils zum Stichwort respect") Danach trifft, wovon das BAG ausgeht, die amtliche Übersetzung für" nicht zu. Sie ist eher etwas blaß ausgefallen, weil sie zu wenig verdeutlicht, daß das Kalenderjahr (Art. 4 Abs. 2) als Bezugszeitraum für den Erwerb des Urlaubsanspruchs angesehen wird.

Die Kammer verkennt hierbei nicht, daß sie sich auf die Übersetzung in Wörterbüchern stützt und - wie schon bei dem Begriff Abgeltung" - die angegebene Sprachbedeutung der höchstrichterlichen Überprüfung nicht stand halten muß.

Art. 9 Abs. 1, der gemäß Abs. 3 nicht zur nationalen Disposition steht und - wie das gesamte Übereinkommen Nr. 132 - keine Schutzregelung zugunsten der Arbeitgeber darstellt, ordnet an, daß zwei Urlaubswochen spätestens ein Jahr und die übrigen Urlaubstage spätestens anderthalb Jahre nach dem Bezugsjahr", also dem Kalenderjahr, zu gewähren und zu nehmen sind. Abs. 2 ermöglicht unter der Voraussetzung, daß der Arbeitnehmer zustimmt, die Verlängerung dieser Gewährungsfristen. Danach sagt Art. 9 durchaus etwas über die Pflicht zur Urlaubsgewährung aus, nämlich daß diese keineswegs zum Jahresende erlischt, sondern (mindestens) ein Jahr bzw. anderthalb Jahre lang fortbesteht.

(c) Der Wortlaut des § 7 Abs. 3 BUrlG läßt keine Schlußfolgerung darauf zu, daß der Urlaubsanspruch erlischt. § 7 Abs. 3 BUrlG verhält sich nicht über den Anspruch auf Urlaub, sondern über die aufgrund des Anspruchs zu erbringende Leistung. Schuldverhältnis und Leistung sollten nach § 241 Satz 1 BGB voneinander unterschieden werden. Wird für die Leistung eine Frist vorgegeben und diese nicht eingehalten, entfällt deshalb nicht der Anspruch. Ausgenommen den Fall der absoluten Fixschuld (Unmöglichkeit) wird der Schuldner nicht befreit. Ob er in Verzug gerät, beurteilt sich nach § 284 Abs. 2, § 285 BGB (z.B. Staudinger/Löwisch, 13. Bearb., § 275 Rz. 45).

(2) Danach könnte der Anspruchsuntergang nur aus dem Urlaubszweck im allgemeinen bzw. dem spezifischen Zweck der Urlaubsgewährungsfristen hergeleitet werden.

(a) Sinn des Gesetzes ist es, dem Arbeitnehmer Zeit zur Erholung und/oder zur freien Selbstbestimmung zu geben. Diese Zielsetzung wird erreicht, wenn der Urlaub gewährt wird, und verfehlt, wenn der Urlaub verfällt. Das Bundesurlaubsgesetz ist zudem Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer. Ihr Interesse an bezahltem Urlaub an Erholung bzw. bezahlter Arbeitsbefreiung erlischt nicht mit dem Ablauf der Fristen des § 7 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 BUrlG.

Zu demselben Befund führt der amorphe Aspekt der sozialpolitischen Zwecksetzung", insbesondere der Volksgesundheit" (z.B.: Dersch, Anm. zu RAG 24.11.1937, ARS 35, 277: Vielmehr ist der Urlaub im Gefüge der heutigen Sozialordnung eine vom Unternehmer zu erfüllende Fürsorgepflicht im Interesse der Gemeinschaft zur Erhaltung der Arbeitskraft der Gefolgschaftsmitglieder für die Volksgemeinschaft und damit zugleich ebensosehr eine Pflicht des Gefolgschaftsmitgliedes, den Urlaub auch tatsächlich zu diesem Zweck zur Erholung zu nutzen."). Abgesehen davon, daß dieser Aspekt der Vergangenheit angehören dürfte (zutr. BAG 25.02.1988, 8 AZR 596/85, AP Nr. 3 zu § 8 BUrlG, vgl. Leege, a.a.O., S. 17 ff.; a. A. Leinemann/Schütz, ZfA 94, 16, die gesundheitspolitische Ziele" der staatlichen Urlaubsgesetzgebung ausmachen), ist hiermit nicht begründbar, daß für Erholungsurlaub nach dem 31.12. das Bedürfnis entfallen ist.

(b) Sinn des § 7 Abs. 3 BUrlG ist es zu verhindern, daß der Arbeitgeber die Gewährung von Urlaub hinauszögert.

Nach § 7 Abs. 1 BUrlG ist es Sache des Arbeitgebers, den Urlaub zu gewähren. Das ihm zustehende Leistungsbestimmungsrecht ist Anknüpfung für die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Der Arbeitnehmer darf Urlaubswünsche" äußern, die dann zu berücksichtigen sind, nicht mehr und nicht weniger (vgl. Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl., § 611 Rz. 873 f., Leipold, Anm. Zu BAG AP Nr. 1o zu § 7 BUrlG, Hohmeister, DB 98, 1131 [Fn. 23]). Die Selbstbeurlaubung ist ihm verwehrt. Unterläßt der Arbeitgeber die zeitliche Festlegung des Urlaubs, kann der Arbeitnehmer die benötigte Abgabe der Willenserklärung gerichtlich - wegen § 894 ZPO - regelmäßig nur mit großem Zeitverzug herbeiführen (vgl. Leinemann, BB 95, 1959 f.). Die einstweilige Verfügung ist ohnehin nicht als Instrument zur Befriedigung von Ansprüchen gedacht (zur Problematik bei Willenserklärungen: OLG Hamburg 20.06.1990, NJW-RR 91, 382) und zudem kaum geeignet, die künftige Zusammenarbeit im Arbeitsverhältnis zu fördern.

Indem § 7 Abs. 3 BUrlG daran anknüpft, daß der Arbeitgeber die zeitliche Festlegung des Urlaubs in der Hand hat, wendet sich die Vorschrift mit den vorgegebenen Gewährungsfristen in erster Linie an den Arbeitgeber. Damit würde es die Zielrichtung des § 7 Abs. 3 BUrlG in ihr Gegenteil verkehren, wenn diese Norm die Schuldbefreiung des säumigen Arbeitgebers bewirkte.

Nebulös bleibt der gelegentliche Hinweis des BAG auf die Pflichten eines Schuldners, dessen Gläubiger die Leistung nicht abfordert oder nicht abfordern kann"(vgl. BAG 21.03.1995, 9 AZR 959/93, n.v., 23.o6.1992, 9 AZR 57/91, AP Nr. 22 zu § 1 BUrlG). Die Nichtabnahme einer vertragsgemäß angebotenen Leistung führt nicht zu deren Erlöschen. Allerdings gerät der Schuldner dann nicht in Verzug und kann nach Ablauf der Verjährungsfrist dem Anspruch die Einrede der Verjährung entgegenhalten.

(c) Die Aussage, daß § 7 Abs. 3 BUrlG einer unerwünschten Hortung von Urlaub" begegnen wolle, taugt schon deshalb nicht als Argument, weil der Arbeitnehmer die Verwirklichung des Urlaubs innerhalb der Fristen des § 7 Abs. 3 BUrlG praktisch nicht erzwingen kann. Aus dem Gesetzeszweck ist auch nicht begründbar, daß der Arbeitnehmer, der Urlaub aufspart, etwas tut, an dem er objektiv kein Interesse hat oder haben darf. Selbst wenn man ihm die Nebenpflicht auferlegt, den Arbeitgeber um rechtzeitige Urlaubsgewährung zu bitten, könnte mit der Nichterfüllung dieser Nebenpflicht der Anspruchsuntergang nur dann begründet werden, wenn man das Schuldrecht um unverhältnismäßige Sanktionen erweitert. Dagegen stehen die Wertentscheidungen der Verfassung (Art. 2, Art. 20 Abs. 1 GG).

Der Arbeitgeber mag sich nicht wünschen, aufgelaufenen Urlaub an einem Stück gewähren zu müssen. Er hat es freilich in der Hand, eine ihm ungenehme Kumulation von Urlaub mittels Betriebsferien, Urlaubsplänen, Urlaubslisten und Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechts zu vermeiden. Versäumt er dies, sind organisatorische Schwierigkeiten, die mit der Gewährung einer längeren Urlaubszeit verbunden sind, von ihm zu vertreten. Im übrigen wird die Bewältigung solcher Schwierigkeiten dem Arbeitgeber in anderen, selbst unvorhersehbaren Fällen, insbes. bei Erkrankung des Arbeitnehmers, abverlangt.

Nach allem erweist sich der Aspekt der unerwünschten Urlaubshortung" als diffuses Scheinargument, das weder teleologisch verifizierbar noch mit empirisch abgesicherten Sachnotwendigkeiten begründbar ist.

(3) Gleichwohl soll - nach der Diktion des Urlaubssenats - einmal der Urlaubsanspruch "befristet" sein, dann seine Erfüllung gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich" werden.

(a) Unmöglichkeit" wäre in der Tat Voraussetzung dafür, um über die § 287 Satz 2, § 280 BGB zum Schadensersatzanspruch zu gelangen. Dem Arbeitgeber ist freilich nach dem 31.12. des Kalenderjahres bzw. 31.03. des Folgejahres die Gewährung des Urlaubs ( = Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht) weiter möglich. Der Arbeitnehmer hat hieran auch ein Interesse. Dabei kann dahin stehen, ob man den Urlaubszweck in der (zur freien Selbstbestimmung nutzbaren) Arbeitsbefreiung oder in einem unwiderleglich vermuteten Erholungsbedürfnis" (BAG 21.o2.1995, 9 AZR 166/94, AP Nr. 7 zu § 47 SchwbG 1986) sieht. Denn das Erholungsbedürfnis wird nicht dadurch gestillt, daß der Arbeitnehmer bis zum Jahresende keinen Urlaub erhält. Sähe man dies anders und würde zum 31.12. die Urlaubsgewährung unmöglich", könnte der Schadensersatzanspruch nur auf Geld gehen. § 7 Abs. 4 BUrlG stünde nicht entgegen, weil er den Urlaubsanspruch und keinen Schadensersatzanspruch betrifft. Das Ergebnis, Geldersatz, entspricht der nahezu einhelliger Meinung zu § 280 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 280 Rz. 5, Erman/Battes, BGB, 9. Aufl., § 280 Rz. 4, Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 280 Rz. 21). Demgegenüber verweist das BAG den Gläubiger (Arbeitnehmer) über § 280 BGB auf Naturalrestitution. Damit hält es selbst die Nachgewährung von Urlaub für möglich, konträr zu dem Ausgangspunkt, daß die Urlaubsgewährung zum 31.12. KJ / 31.o3. FJ unmöglich werde. Die für die Beurteilung, ob eine Leistung unmöglich wird, gängige Differenzierung zwischen absoluter und relativer Fixschuld läßt das BAG als Verkennung grundlegender rechtlicher Zusammenhänge" für Nebenpflichten nicht gelten (BAG 28.11.1990 8 AZR 570/89, AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Übertragung). Dieser Verkennung ist die Kammer ebenso erlegen wie die allgemeine Meinung (z.B. Palandt/Heinrichs, § 275 Rz. 2, MüKo-Emmerich, 3. Aufl., § 275 Rz. 5, MüKo-Thode, § 284 Rz. 3). Tatsächlich korreliert mit dem Verbot, Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis abzugelten, das Gebot, noch offenen Urlaub in natura zu gewähren. Daher indiziert § 7 Abs. 4 BUrlG (Art. 7 Abs. 2 der EG-Richtlinie 93/104/EG v. 23.11.1993 [Abl. EG Nr. L 3o7 v. 13.12.1993, S. 18]) den Fortbestand des Urlaubsanspruchs und die Möglichkeit auch der nachträglichen Urlaubsgewährung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

(b) Die Befristung" paßt nicht zu der Herleitung des Schadensersatzanspruchs, der Unmöglichkeit i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB erfordert. Schon aus diesem Grund erledigt sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Befristungsthese.

Sollte die Unmöglichkeit" damit begründet werden, daß der Urlaubsanspruch befristet sei, läge ein Denkfehler (Zirkelschluß) vor. Gleiches gilt in Gegenrichtung, nämlich die Befristung" damit begründen zu wollen, daß die Urlaubsgewährung nach Ende des Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums unmöglich sei. Die Frage, ob überhaupt der Urlaubsanspruch untergeht, ist gerade und nur nach dem gesetzlichen Regelungszweck zu beantworten.

Hinzu kommt folgendes: Zwar ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, gesetzliche Ansprüche zu befristen. Hierbei handelt es sich jedoch um einen rechtstechnisch ungewöhnlichen Vorgang. Es bedarf daher eines besonderen Aufwandes, um eine derartige gesetzliche Abnormität zu begründen. Dies gilt umso mehr, als der Anspruchsverfall der gravierendste Eingriff in berechtigte Gläubigerpositionen ist und deshalb aufgrund des Rechtsstaatsprinzip, namentlich des Gebots der Normenklarheit, in der Regelung eindeutig zum Ausdruck kommen muß.

Was den Erholungsurlaub anbelangt, müßte überdies ein (beabsichtigter) Anspruchsuntergang ergänzt werden durch den gesetzlichen Hinweis an den Arbeitnehmer, was er tun muß, um den Untergang abzuwenden oder Kompensation zu erhalten. Denn einerseits kann der Arbeitnehmer, wie ausgeführt, den Urlaubsanspruch nicht innerhalb der Fristen des § 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 BUrlG durchsetzen, weil ihm die Selbstbeurlaubung verwehrt ist und er eines rechtskräftigen Urteils gegen den gewährungsunwilligen Arbeitgeber bedarf. Andererseits ist es nicht hinnehmbar, einen Schuldner für seine Leistungsunwilligkeit durch Schuldbefreiung zu belohnen. Daher wäre es für den Gesetzgeber aus Gründen des Sachzwangs und der Gerechtigkeit geboten, dem Gläubiger die (fristgerechte) Geltendmachung" seiner Ansprüche zur Vermeidung eines sonst eintretenden Anspruchsuntergangs aufzuzeigen. Dies gilt erst recht für Gesetze, die den Arbeitnehmer-Schutz bezwecken und also einen Adressatenkreis begünstigen wollen, der gemeinhin weder über besondere juristische Kenntnisse verfügt noch sich aus den amtlichen Entscheidungssammlungen informiert, sondern auf das angewiesen ist, was er dem einschlägigen Gesetz entnehmen kann. Im Bundesurlaubsgesetz hat der Gesetzgeber keine Geltendmachungsobliegenheit normiert. Da ihm nicht unterstellt werden kann, daß er ein verfassungsrechtlich obsoletes Regelungswerk schaffen wollte, muß auch aus der fehlenden Statuierung der Geltendmachungsobliegenheit gefolgert werden, daß der Urlaubsanspruch nicht erlischt.

(c) Die Befristungsthese des Urlaubssenats beruht offenbar auf der Vorstellung, daß generell arbeitsvertragliche Leistungen, die in einem bestimmten Zeitrahmen zu erbringen sind, befristet" sind. So führen Leinemann/Linck (Urlaubsrecht, § 7, Rz. 94) aus: Die arbeitstäglich für den Arbeitnehmer entstehende Arbeitspflicht ist auf den Arbeitstag befristet. Sie endet jeweils mit dem Ende der täglichen Arbeitszeit." Auch in diesem Punkt pflegen Rechtsprechung und Schrifttum einen andere Sichtweise und stellen auf den Fixschuldcharakter der Leistungspflicht ab (BAG 17.03.1988, 2 AZR 576/87, AP Nr. 99 zu § 626 BGB, Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 5. Aufl, § 18 I 1, Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl, § 611 Rz 333 ff., RGRK/Schliemann, 12. Aufl, § 611 Rz 1524, MünchArbR/Blomeyer, § 55 Rz 9 ff.).

(d) Die Kammer verkennt nicht den Reiz von Verfalltatbeständen, zum einen für den Schuldner, weil er frei wird, zum anderen für den Tatrichter, weil er sich nicht weiter mit Anspruchsgrund und -höhe befassen muß. Ein zusätzlicher Reiz geht von ungeschriebenen Verfalltatbeständen aus, weil ihre Kenntnis und Anwendung die Überlegenheit des Fachgerichts, i.c. gegenüber dem unkundigen Arbeitnehmer, ausweist. Nach Meinung der Kammer gehören indessen beide Aspekte nicht zu den anerkannten juristischen Auslegungsmethoden.

(4) Der Anspruchsuntergang mag dem BAG notwendiges Korrektiv dafür sein, daß ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf bezahlten Urlaub haben soll, wenn er im Kalenderjahr überhaupt nicht gearbeitet hat. Demgegenüber definiert die Kammer den Standort Deutschland auch urlaubsrechtlich anders und meint im Ansatz, daß ein Arbeitnehmer nicht durch Arbeitsversäumnis Anspruch auf Urlaub erwirbt, sondern durch Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft. Hat er letzteres getan, stellt die anschließende Erkrankung keinen Sachgrund dar, ihn um den erworbenen Urlaub zu bringen und so quasi zu bestrafen. Die Kammer meint, daß sich ihre Sichtweise mit den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen im Arbeitsleben deckt. Diese Vorstellungen reflektiert der Sprachgebrauch. Danach erarbeitet" oder verdient" man sich Urlaub, man erfehlt" oder erkrankfeiert" ihn nicht. Gesetzesauslegung darf auch daran gemessen werden, ob ihre Ergebnisse befriedigen und allgemein für gerecht gehalten werden (vgl. Kraft, ZfA 94, 48o; allg. BVerfG o2.o4.1974, E 37, 81, Staudinger/Coing, a.a.O., Rz. 149 f.)

(a) Die Ansicht, daß der Bestand des Arbeitsverhältnisses allein zur Anspruchsbegründung ausreicht, erscheint der Kammer nahezu abwegig in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer bewußt und unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist (vgl. Westhoff, AuR 95, 263 f.). Damit teilt sie die sich aus Art. 5 Abs. 4 Übk. Nr. 132 ergebende, gleichartige Einschätzung des Gesetzgebers.

(b) Geht man hiervon aus, ist im Wege der teleologischen Reduktion zu ermitteln, inwieweit entschuldigtes Fehlen zu Urlaubsansprüchen führt. Dabei mag es zwar schwierig sein, das Maß der im Kalenderjahr zu erbringenden Mindestarbeit zu vermitteln. Diese Schwierigkeiten sind jedoch lösbar; die frühere Rechtsprechung hatte sie gemeistert.

(c) Schließlich führt, wie die Kammer nachgewiesen hat ( LAG Düsseldorf 16.o9.1993 a.a.O., zu 3 d [S. 1o f.]; ebenso Staudinger/Richardi, Rz. 878), die Annahme des Anspruchsuntergangs zu sachwidriger Ungleichbehandlung und ist auch aus diesem Grund abzulehnen (vgl. BVerfG 19.o6.1973, a.a.O., 28o, BVerfG 28.o9.1992, AP Nr. 31 zu Art. 119 EWG-Vertrag, zu II 2 b aa).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG für den Beklagten die Revision zugelassen. Der Kläger wird wegen der Nichtzulassungsbeschwerde auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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