Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.06.2000
Aktenzeichen: 12 Sa 851/99
Rechtsgebiete: BGB, BAT


Vorschriften:

BGB § 636
BAT § 55

Entscheidung wurde am 02.01.2003 korrigiert: kein Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 Sa 851/99

Verkündet am: 28.06.2000

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Selke und den ehrenamtlichen Richter Sonnenschein für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 10.03.1999 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer als außerordentliche Beendigungskündigung sowie als außerordentliche Änderungskündigung ausgesprochenen Druckkündigung.

Der Kläger, am 07.08.1937 geboren, verheiratet, 1 minderjähriges Kind, trat im Juni 1980 als Arzt in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die das Krankenhaus L.enn betreibt. Die Parteien vereinbarten für das Arbeitsverhältnis die Anwendung der Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) und der diesen ändernden Tarifverträge.

Mit Schreiben vom 18.06.1980 wurde der Kläger ab 16.07.1980 zum 1. Oberarzt und ständigen Vertreter des Chefarztes der Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe ernannt und in VerGr. I BAT eingruppiert. Seit März 1985 ist Prof. Dr. K.aulhaus Chefarzt dieser Abteilung. In einem Schreiben an die Beklagte vom 06.05.1991 führte Prof. Dr. K.aulhaus Beschwerde über Qualifikation, Leistung und Verhalten des Klägers.

Am 18.12.1995 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit dem Vorwurf des grob fahrlässigen Behandlungsfehlers (Totgeburt des Kindes V.e S.ebasti) die fristlose Kündigung. In dem anschließenden Kündigungsschutzprozess gab das Arbeitsgericht Wuppertal mit Urteil vom 07.03.1996 der Klage statt. Danach erklärten die Kreißsaalhebammen sowie die Assistenz- und Oberärzte in Stellungnahmen vom 11. und 12.03.1996, dass sie sich außerstande sähen, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten.

Die Beklagte legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung ein. In der Folgezeit ging der Kläger, von der Beklagten nicht weiterbeschäftigt, einer Tätigkeit als Chefarztvertreter in einem Krankenhaus in W.ipperfür nach. Auf das Zwischenzeugnis des dortigen Chefarztes der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung Dr. R.üg vom 23.10.1998 (Bl. 219 f. der Gerichtsakte) wird verwiesen. Mit Urteil vom 17.03.1998 wies die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf nach Einholung von Gutachten die Berufung der Beklagten zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten blieb erfolglos.

Am 26.03.1998 und 06.04.1998 führte die Beklagte mit dem Chefarzt Prof. Dr. K.aulhaus Unterredungen über die beabsichtigte Wiederbeschäftigung des Klägers. Prof. Dr. K.aulhaus stellte die fachliche und persönliche Eignung des Klägers in Abrede und lehnte die ärztliche und juristische Mitverantwortung ab, falls der Kläger wieder als 1. Oberarzt und Chefarztvertreter eingesetzt werde. Unter dem 08.04.1998 (Bl. 103 f.) bestätigte er seine Haltung.

Am 20./27.04.1998 und mit Info vom 02.05.1998 ordnete die Beklagte den Dienstbeginn des Klägers für den 04.05.1998 an. An diesem Tag erschienen Pressevertreter im Krankenhaus, um hierüber zu berichten. Bereits früher und in der Folgezeit wurde in Zeitungen, vor allem im Lokalteil (Bl. 13ff., 226 ff.), im Rundfunk und auch im Fernsehen über die Vorgänge berichtet. Der Kläger wurde am 04.05.1998 freigestellt. Prof. Dr. K.aulhaus hatte ihn nicht im Dienstplan für Mai und Juni berücksichtigt. Auf dessen Schreiben vom 04.05.1998 (Bl. 108) wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 26.03.1998 an die Beklagte hatte die Ltd. Hebamme I.rm die Stellungnahme der Hebammen vom 11.03.1996 erneuert. Mitte Mai 1998 wiederholten sie und andere Hebammen ihre Ablehnung, mit dem Kläger künftig zusammenzuarbeiten. Frau I.rm bat unter dem 05.06.1998 (Bl. 118) die Beklagte um Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.1998. Sie wechselte danach an ein anderes Krankenhaus, kehrte jedoch im März 1999 zur Beklagten zurück.

Von Seiten der Assistenz- und Oberärzte wurde in schriftlichen Stellungnahmen vom 25.05. und 15.06.1998 (Bl. 114, 119) zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Basis für eine künftige Zusammenarbeit mit dem Kläger sähen.

Die Beklagte hörte unter dem 19.06.1998 (Bl. 121 ff.) den Betriebsrat zur beabsichtigten Beendigungs- und Änderungskündigung an. Dieser äußerte unter dem 22.06.1998 Bedenken (Bl. 128). Mit Schreiben vom 23.06.1998 (Bl. 127) wiederholte die Beklagte unter Nachreichung von Unterlagen die Anhörung. Der Betriebsrat hielt mit Antwort vom 24.06.1998 (Bl. 130) seine Bedenken aufrecht.

Mit Schreiben vom 29.06.1998, das dem Kläger am 30.06.1998 zuging, erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung, hilfsweise die außerordentliche Kündigung zum 31.12.1998 verbunden mit dem Angebot, den Kläger als Oberarzt ohne Funktion ausschließlich in der operativen Gynäkologie ohne Teilnahme am Bereitschaftsdienst und unter Eingruppierung in VergGr. I a BAT weiterzubeschäftigen. Ob dem Kündigungsschreiben der Änderungsvertrag" (Bl. 124 ff.) beigefügt war, ist streitig. Zur Begründung der Kündigung verwies die Beklagte im wesentlichen zum einen auf die ständige Berichterstattung in den Medien, die eine tiefgreifende Schädigung ihres Ansehens befürchten lasse und bereits zu einem gravierenden Rückgang der Belegungszahlen in der Frauenklinik geführt habe, und auf die Verweigerungshaltung der Hebammen und Ärzte und deren Androhung von Eigenkündigungen und Nachteilen für das Krankenhaus im Falle der Wiedereinstellung des Klägers.

Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und hat am 14.07.1998 beim Arbeitsgericht Wuppertal Kündigungsschutzklage eingereicht.

Die Beklagte hat für die Druckkündigungen personen-, verhaltens- und betriebsbedingte Gründe geltend gemacht, dem Kläger Behandlungsfehler, einen inkompetenten Führungsstil, Unkollegialität und Manipulation von Krankenakten vorgeworfen und gemeint, alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen zu haben, um den Druck abzubauen. Die Versuche, in mehreren Einzelgesprächen und auf dem Schriftwege die Beweggründe der Belegschaft für ihre Weigerungshaltung zu erfahren und auszuräumen, seien erfolglos geblieben. Um die Drucksituation abzubauen, sei nur die Beendigungskündigung geeignet, hingegen die Änderungskündigung letztlich ungeeignet gewesen. Die Änderungskündigung sei in der Hauptsache schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil für den Kläger keine andere zumutbare Stelle existiert habe. Im übrigen habe der Kläger das gegen den Willen des Chefarztes und der Oberärzte unterbreitete Änderungsangebot abgelehnt. Er habe seinerseits nicht das ihm Zumutbare getan, um dem Druck entgegenzuwirken und Spannungen abzubauen. Die unternehmerische Entscheidung, den Kläger nun nicht mehr auf die neu zu schaffende Stelle als Oberarzt ohne Funktion" einzustellen, habe allein sie, die Beklagte, getroffen. Sie sei rechtlich nicht verpflichtet, für den Kläger eine neue Stelle zu schaffen.

Der Kläger hat die Vorwürfe seine Person und sein Verhalten als unberechtigt zurückgewiesen. Urheber der Vorwürfe sei Prof. Dr. K.aulhaus gewesen, der über Jahre das Ziel verfolgt habe, ihn, den Kläger, mit allen Mitteln und um jeden Preis aus der Klinik zu entfernen. Prof. Dr. K.aulhaus habe nicht die ihm untergebenen Mitarbeiter zur Zusammenarbeit mit dem Kläger aufgefordert, sondern ihre (nur vorgegebene) Weigerungshaltung gesteuert. Demgegenüber habe die Beklagte keine ernsthaften Versuche unternommen, seine (des Klägers) Weiterbeschäftigung durchzusetzen, und nicht einmal von ihrem Direktionsrecht gegenüber den angeblich widerspenstigen Mitarbeitern Gebrauch gemacht, sondern lediglich um Akzeptanz geworben.

Der Kläger hat eine Drucksituation der Beklagten aufgrund der Berichterstattung in den Medien in Abrede gestellt. Es sei nicht (nur) einseitig berichtet. Ebenso habe es auch für ihn positive Leserbriefe gegeben. Im übrigen habe die Beklagte eine falsche Berichterstattung hingenommen und sich um keine Richtigstellung bemüht. Auch seien aus dem Bereich der Beklagten und mit Zielrichtung gegen ihn, den Kläger, interne Informationen an die Presse gegeben worden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Beendigungskündigung und hilfsweise außerordentliche Änderungskündigung vom 29.o6.1998 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 31.12.1998 hinaus unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 10.03.1999 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil an. Der Kläger verteidigt das Urteil. Im übrigen wiederholen und ergänzen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Druckkündigung" vom 29.o6.1998, die aus einer Beendigungskündigung sowie hilfsweise erklärten Änderungskündigung besteht, unwirksam ist.

I.

Die Unwirksamkeit der Kündigungen folgt schon aus § 55 BAT.

1. Nach § 55 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 BAT kann dem unkündbaren Angestellten (§ 53 Abs. 3 BAT) aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden. Hingegen rechtfertigen andere wichtige Gründe, namentlich dringende betriebliche Erfordernisse, keine Beendigungskündigung, sondern lediglich eine Änderungskündigung zwecks Herabgruppierung des Angestellten um eine Vergütungsgruppe.

Aufgrund seiner Beschäftigungszeit und seines Lebensalters war der Kläger im Kündigungszeitpunkt unkündbar" i. S. v. § 53 BAT.

Die §§ 53 ff. BAT finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Darüber besteht zwischen ihnen kein Streit.

Anzumerken ist, dass sich die Beklagte selbst nicht auf den Assistenzdienstvertrag vom 10.06.1980 beruft, sondern ihn explizit und unwidersprochen als gegenstandslos" bezeichnet (Seite 29 des Schriftsatzes vom 30.09.1998). Zudem wird in § 4 des - von der Beklagten vorformulierten - Assistenzdienstvertrages vom 10.06.1980 global auf den BAT verwiesen, so dass § 3 nicht erkennbar macht, dass der öffentliche Arbeitgeber - seinerseits tarifgebunden und zur Gleichstellung der Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen mit den tarifungebundenen Angestellten veranlasst - die tariflichen Unkündbarkeitsregelungen, namentlich § 55 BAT, ausklammern wollte. Schließlich rechtfertigt der Tatbestand des § 3 Satz 2 des Assistenzdienstvertrages keine fristlose Kündigung und liegt im Streitfall auch nicht vor.

2. Die Beklagte kann die Kündigungen nicht mit personen- oder verhaltensbedingten Gründen i. S. v. § 55 Abs. 1 BAT rechtfertigen.

a) Die Berücksichtigung solcher Gründe ist schon betriebsverfassungsrechtlich ausgeschlossen.

Im Anhörungsverfahren (Anlage 1 zum Schreiben vom 19.06.1998) begründete die Beklagte die beabsichtigte Kündigung zum einen mit ständiger Berichterstattung in den Medien und dadurch ausgelöster Schädigung ihres Ansehens sowie Rückläufigkeit der Belegungszahlen in der Frauenklinik, zum anderen mit der Weigerung des Pflege- und Ärztepersonals, künftig mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Zu der Verweigerungshaltung erwähnte sie zwar den seitens der Hebammen und der Ärzte erhobenen Vorwurf der Ungeeignet des Klägers in fachlicher und personell-sozialer Hinsicht. Hingegen machte sie sich weder diesen Vorwurf zu eigen noch legte sie insoweit dem Betriebsrat einen kündigungsrelevanten Sachverhalt näher dar. Damit folgt aus den Tatumständen, die die Beklagte dem Betriebsrat unter dem 19.06.1998 nannte und unter dem 23.06.1998 durch Zuleitung von Schriftstücken ergänzte, ihre subjektive Determination, die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe zu stützen.

Soweit in dem Anhörungsschreiben vom 19.06.1998 ausgeführt ist, dass daneben .... in den vergangenen Tagen von Seiten ehemaliger Patienten schwere Vorwürfe gegen Herrn O.esterhelerhoben worden (sind), nach denen er auch in ihrem Fall gegen die Regel der ärztlichen Kunst behandelt hat", hat es die Beklagte daran fehlen lassen, diesen Grund so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschung die Stichhaltigkeit der Vorwürfe" hätte prüfen und sich insoweit über seine Stellungnahme schlüssig werden zu können (vgl. BAG, Urteil vom 15.11.1995, 2 AZR 974/94, AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 192, zu II 1, Urteil vom 27.02.1997, 2 AZR 302/96, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 5 a). Anzumerken ist, dass es sich bei dem am 23.06.1998 übermittelten Schreiben der Assistenzärzte vom 18.03.1996 (Bl. 115 ff.) nicht um neue Vorwürfe ehemaliger Patienten gehandelt haben kann und die Beklagte auch im Prozess solche Vorwürfe nicht dargelegt hat.

b) Etwaige personen- oder verhaltensbedingte Gründe waren zudem längst bekannt und resultierten aus der Zeit vor der Kündigung vom 18.12.1995. Daher steht die zweiwöchige Ausschlussfrist (§ 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT) einer kündigungstragenden Verwertbarkeit dieser Gründe entgegen.

Mit dem Vorwurf der Ungeeignetheit lässt sich kein Dauertatbestand" darstellen. Bei den angeführten Vorgängen (Schriftsatz der Beklagten vom 30.09.1998, Seite 6 ff.) handelte es sich um streitige Einzelvorkommnisse, die schon angesichts der Weiterbeschäftigung des Klägers (bis Ende 1995) nichts für die Annahme einer fachlichen oder persönlichen Ungeeignetheit hergeben. Im übrigen sprechen die Zwischentätigkeit des Klägers und seine dort erfahrene Beurteilung für das Gegenteil.

c) Die Beklagte selbst hat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil auch nicht darauf gestützt, dass bei der Überprüfung der Kündigungen Vortrag zu personen- und verhaltensbedingten Gründe übergangen worden sei (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).

Letztendlich wäre sie mit diesen Gründen aufgrund des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses ausgeschlossen.

3. Kommen danach allein betriebsbedingte Umstände als Kündigungsgrund in Frage, ist die Beendigungskündigung nach § 55 BAT unzulässig.

a) Zwar bestehen gegen Tarifregelungen, die das Kündigungsrecht des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen schlechthin ausschließen, verfassungsrechtliche Bedenken (BAG, Urteil vom 05.02.1998, 2 AZR 227/97, AP Nr. 143 zu § 626 BGB, zu II 2 b, Urteil vom 17.09.1998, 2 AZR 419/97, AP Nr. 148 zu § 626 BGB, zu II 4 b). Diese Bedenken greifen jedoch gegen § 55 BAT schon deshalb nicht durch, weil die Vorschrift die betriebsbedingte Änderungskündigung zulässt (BAG, Urteil vom 31.01.1996, 2 AZR 158/95, AP Nr. 3 zu § 626 BGB Druckkündigung, zu II 5 c).

b) Die Kammer braucht daher - unabhängig von den nachfolgenden Erwägungen zu I 5 - nicht zu entscheiden, ob die fristlose Kündigung der nach § 626 Abs. 1 BGB gebotenen Interessenabwägung Stand hält. Immerhin ist nicht erkennbar, dass die Beklagte Ende Juni 1998 einem unabweisbaren Handlungszwang ausgesetzt war. Denn zum einen war zu diesem Zeitpunkt über die Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht entschieden; zum anderen war der (freigestellte) Kläger von der Durchsetzbarkeit seiner tatsächlichen Beschäftigung, auch wenn er hierauf bestand, noch einiges entfernt. Dabei kam - als milderes Mittel gegenüber der Kündigung - die weitere Suspendierung des Klägers vom Dienst in Betracht. Zwar steht § 626 Abs. 1 BGB grundsätzlich entgegen, dem Arbeitgeber die Suspendierung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten (BAG, Urteil vom 11.03.1998, 2 AZR 507/98, NZA 99, 587 ff., zu II 2 d). Vorliegend geht es jedoch sowohl um den Sonderfall der betriebsbedingten Druckkündigung als auch darum, dem Unkündbarkeitsschutz gemäß § 55 BAT Rechnung zu tragen. Sieht man Herkunft und Zweck der Tarifbestimmung darin, den Bestandsschutz von Angestellten dem von Beamten anzunähern, müssen Fälle, in denen dem Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen die Beschäftigung des Angestellten vorübergehend oder dauerhaft auch unter Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe unmöglich oder unzumutbar ist, nicht zwangsläufig mit der Zulassung der außerordentlichen Kündigung gelöst werden. Vielmehr wird der Pflichtenstellung des Arbeitgebers nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT eher gerecht, ihm die Suspendierung des Angestellten zuzumuten. Dies gilt jedenfalls für den - auch vorliegend gegebenen - Regelfall, dass der Arbeitgeber imstande ist, die mit der Suspendierung verbundene Belastung, namentlich die Vergütungszahlung, zu tragen (vgl. Preis/Hamacher, FS Arbeitsrecht und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 258 ff., Bröhl, FS- Schaub, S. 65 ff.).

4. Die Änderungskündigung vom 29.06.1998 ist gemäß § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT unwirksam.

a) Nach dieser Vorschrift der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen, wenn eine Beschäftigung des Angestellten zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist. Darüber hinaus setzt die Änderungskündigung zu ihrer sozialen Rechtfertigung voraus, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen unzumutbar ist und dem Arbeitnehmer die neuen Bedingungen zumutbar sind (BAG, Urteil vom 31.01.1996, 2 AZR 158/95, AP Nr. 3 zu § 626 BGB Druckkündigung, zu II 4).

b) Die Beklagte selbst trägt vor, dass das Änderungsangebot gegen den Willen des Chefarztes und der Oberärzte unterbreitet worden und es letztlich ungeeignet (sei), den bestehenden Druck abzuwenden" (Schriftsatz vom 30.09.1998, Seite 48/44). Zudem verweist sie auf die unternehmerische Entscheidung, den Kläger nun nicht mehr auf die neu zu schaffende Stelle als `Oberarzt ohne Funktion' einzusetzen". Dieser Vortrag läuft darauf hinaus, dass Änderungsangebot entweder von vornherein nicht ernst gemeint war oder jedenfalls die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch zu den angebotenen neuen Bedingungen für unzumutbar angesehen wurde, und es lediglich deshalb unterbreitet wurde, um formell der Vorschrift des § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT zu genügen. Von einem Arbeitnehmer kann billigerweise nicht erwartet werden, dass er auf ein solches Angebot eingeht.

c) Danach braucht nicht erörtert zu werden, ob es dem Kläger zumutbar war, die Beschränkung seiner Betätigung auf die operative Gynäkologie und den Ausschluss vom Bereitschaftsdienst hinzunehmen. Ebenso kann offen bleiben, ob der Änderungsvertrag", der nach der vorgelegten Kopie (Bl. 124) in § 1 nicht ausgefüllt war, dem Kläger mit dem Kündigungsschreiben zugeleitet wurde. Der Kläger hat dies in der letzten mündlichen Verhandlung weiter bestritten, während die Beklagte hat zu ihrem Beweisangebot (Schriftsatz vom 30.09.1989, Seite 24) nachgetragen hat, dass ihr Prozessbevollmächtigter die benannten Zeugen entsprechend angewiesen habe.

d) Ist die Änderungskündigung schon aus den genannten Gründen unwirksam, kann dahin stehen, ob der Betriebsrat hierzu ordnungsgemäß angehört wurde (vgl. BAG, Urteil vom 05.02.1998, a. a. O., zu II 5). Zwar gab die Beklagte dem Betriebsrat die neuen Arbeitsbedingungen an. Hingegen stellte sie deren Angemessenheit nicht näher dar, insbesondere nicht im Hinblick darauf, ob der neue Arbeitsplatz noch geschaffen werden konnte und geeignet war, der Drucksituation zu begegnen.

5. Das Arbeitsgericht hat die Wirksamkeit der Kündigung an dem Fehlen eines wichtigen Grundes scheitern lassen.

a) Gemessen an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 31.01.1996, a. a. O., zu II 5 a) gestellten Anforderungen ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, dass Chefarzt, Ärzte und Hebammen ernsthaft eine Eigenkündigung oder Arbeitsniederlegung androhten und die arbeitsnotwendige Zusammenarbeit mit dem Kläger verweigert hätten, dies selbst dann, wenn sie mit Konsequenzen, insbes. einer fristlose Kündigung, hätten rechnen müssen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist auch nicht so, dass im Krankenhausbereich tätige Ärzte und Hebammen sorglos ihr Arbeitsverhältnis aufs Spiel setzen könnten. Die Ltd. Hebamme I.rmedrohte, selbst wenn mit der Situation bei der Beklagten unzufrieden und gegen eine Zusammenarbeit mit dem Kläger eingenommen gewesen sein mochte, nicht mit ihrer Kündigung. Tatsächlich wechselte sie - nach zwischenzeitlicher Tätigkeit in einem anderen Arbeitsverhältnis zur Beklagten zurück, obwohl sie - abhängig vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits - mit der Rückkehr des Klägers in die Frauenklinik rechnen musste. Danach stellt sich die vom Ärzte- und Pflegepersonal geäußerte Verweigerung der Zusammenarbeit als keine ernst zu nehmende, nachhaltige Drohung dar.

Hinzu kommt, dass die Beklagte sich nur halbherzig für den Kläger einsetzte. Vor allem unterließ sie es, auf den Chefarzt einzuwirken, der aufgrund seiner Stellung einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten der ihm unterstellten Mitarbeiter hat. Stattdessen nahm sie sein obstruktives Verhalten gegen die Beschäftigung des Klägers und die Abgabe vernichtender Beurteilungen ohne besondere Gegenwehr und in Anbetracht dessen hin, dass sein Verhalten Signalwirkung für die ihm unterstellten Ärzte und Hebammen haben musste.

Aufgrund dieser Umstände sowie der Tatsache, dass dem Kläger keine fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen Ärzten oder den Hebammen angelastet werden kann, unterscheidet sich der Streitfall grundlegend von dem Geschehen, über das das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 1o.12.1992 ( 2 AZR 271/92, AP Nr. 41 zu Art. 140 GG) entschieden hat.

b) Richtig ist allerdings, dass der Presserummel" den Ruf der Frauenklinik gefährdete und für die Beklagte - was diese allerdings nicht substantiiert vorgetragen hat - zu wirtschaftlichem Schaden führte, falls Patientinnen hierdurch abgehalten wurden, sich in ihr Krankenhaus zu begeben. Ebenso wenig ist zu übersehen, dass die Berichterstattung und die Leserbriefe teilweise negativ waren. Die Beklagte hatte nach allem ein Interesse daran, aus den Schlagzeilen zu kommen. Andererseits muss sie sich entgegenhalten lassen, sich trotz der aus dem Vorprozess deutlich gewordenen Vielschichtigkeit nicht nachhaltig um die Richtigstellung unsachlicher und einseitig verkürzender Darstellungen bemüht und durch ihr zuzurechnende Indiskretionen und Äußerungen aus den eigenen Reihen die Eingenommenheit von Pressevertretern, Lesern und Dritten gegenüber dem Kläger bestärkt zu haben.

Die Kammer neigt daher im Ergebnis der Auffassung des Arbeitsgerichts zu, dass die Beklagte nicht alles ihr Zumutbare getan hat, um dem Druck der Belegschaft und Berichterstattung in den Medien entgegenzuwirken. Sie braucht, da die streitbefangene Kündigung - wie ausgeführt - schon aus anderen Gründen rechtlich nicht haltbar ist, in diesem Zusammenhang letztlich nicht darüber zu befinden, inwieweit einem Arbeitgeber zuzumuten ist, insbesondere einem durch Berichterstattung in den Medien ausgeübten Druck zu widerstehen oder diesem Druck - i.c. durch Entlassung des in die Kritik geratenen Mitarbeiters - nachzugeben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der unter I 3 erörterten Rechtsfrage im Hinblick auf die betriebsbedingte Druckkündigung zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück