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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.07.2002
Aktenzeichen: 12 TaBV 22/02
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG
Vorschriften:
BetrVG § 50 | |
ArbGG § 98 |
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
Geschäftsnummer: 12 TaBV 22/02
Verkündet am: 03.07.2002
In dem Beschlussverfahren
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Anhörung vom 03.07.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden
beschlossen:
Tenor:
Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Solingen vom 02.04.2002 wird der Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG darum, ob die von der Arbeitgeberin (Antragstellerin) angerufene Einigungsstelle über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat des Werkes O.(Antragsgegner) oder mit dem nach tariflicher Bestimmung für die Sparte Technik gebildeten Gesamtbetriebsrat (bisher GBA-T) zu bilden ist.
Die Arbeitgeberin beschloss am 26.06.2001 die Schließung des Werks O. zum 31.12.2003, sofern sich kein Investor für die Übernahme des Werkes finde. Mit Schreiben vom 08.11.2001 teilte sie dem Betriebsrat mit, dass aufgrund Leistungsrückgangs für das Jahr 2002 und daraus resultierender mangelnder Auslassung des Werkes schnellstmöglichst eine Personalanpassung erforderlich sei. Auf seiner Sitzung am 20.11.2001 beschloss der Betriebsrat, die Verhandlungen über den Interessenausgleich und den Sozialplan an den GBA-T zu delegieren. Mit Schreiben vom 21.11.2001 teilte der Betriebsrat dem GBA-T den gefassten Beschluss mit und erklärte weiter, sich eine Entscheidungsbefugnis vorzubehalten. Unter dem 20.11.2001 unterrichtete der Betriebsrat außerdem die Werksleitung O. von dem Delegationsbeschluss und teilte seine Auffassung mit, dass die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Maßnahme in die originäre Zuständigkeit des GBA-T falle. Am 04.02.2002 kam es zu Verhandlungen über den Interessenausgleich zur Personalanpassung im Werk O.. Mit Schreiben vom 04.02.2002 erklärte die Arbeitgeberin die Verhandlungen für gescheitert und kündigte die Anrufung der Einigungsstelle an.
Mit dem am 15.02.2002 beim Arbeitsgericht Solingen eingereichten Antrag hat die Arbeitgeberin die Bestellung des Vors. Richters am Landesarbeitsgericht U. K. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle beantragt. Sie hat geltend gemacht, dem Personalabbau wegen erheblichen Auftragsrückgangs und nicht wegen der etwaigen Schließung des Werkes zu beabsichtigen. Da sich die Auswirkungen auf das Werk O. beschränkten, sei der Betriebsrat und nicht der Gesamtbetriebsrat der Träger der Mitbestimmungsrechte nach § 112, § 112 a BetrVG. Im Übrigen sei ihr, der Arbeitgeberin, eine Beauftragung des GBA-T nicht erkennbar gewesen.
Der Betriebsrat hat entgegengehalten, dass der Personalabbau im Werk O. in der beabsichtigten Schließung dieses Werkes unter Verlagerung der dortigen arbeitstechnischen Zwecke und Leistungen in andere Werke gründe. Damit sei der GBA-T originär zuständig. Jedenfalls ergebe sich seine Zuständigkeit aufgrund der am 20.11.2001 beschlossenen und ihm am Folgetag schriftlich mitgeteilten Beauftragung.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 02.04.2002 dem Antrag der Arbeitgeberin mit der Begründung stattgegeben, dass die von einem Betriebsrat nach § 50 Abs. 2 BetrVG übertragene Angelegenheit auch dann, wenn sie vom Gesamtbetriebsrat behandelt werde, eine Angelegenheit des Betriebsrates bleibe. Die Einigungsstelle sei daher nicht offensichtlich unzuständig.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde greift der Betriebsrat den Beschluss des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens an. Die Arbeitgeberin verteidigt den Beschluss mit Rechtsausführungen.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Der Antrag der Arbeitgeberin ist gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ArbGG zurückzuweisen. Die Arbeitgeberin führt zu Unrecht das Bestellungsverfahren gegen den Betriebsrat.
Unabhängig davon, ob eine originäre Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG gegeben ist, ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Spartengesamtbetriebsrat kraft Aufgabendelegation nach § 50 Abs. 2 BetrVG dafür zuständig geworden, mit der Arbeitgeberin über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan für das Werk O. zu verhandeln und die angerufene Einigungsstelle zu bilden.
1. Auftragsgegenstand nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist die Behandlung einer Angelegenheit-. Einerseits beschränkt die Bestimmung die Delegationsbefugnis auf eine Angelegenheit. Daher kann der Betriebsrat den Auftrag nur im Hinblick auf eine bestimmte Angelegenheit erteilen und nicht die Zuständigkeit ganzer Sachbereiche auf den Gesamtbetriebsrat übertragen (BAG, Urteil vom 26.01.1993, 1 AZR 303/92, AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972, zu II 2 c, cc der Gründe). Andererseits erfasst sie durch die Verwendung des Begriffs Behandlung- alle Stadien der Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien. Dazu gehört nicht nur die Beratung, Erörterung, Unterbreitung von Vorschlägen und der Abschluss von Betriebsvereinbarungen und Regelungsabreden, sondern zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten- (§ 74 Abs. 1 Satz 2, § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) auch die Durchführung des Einigungsstellenverfahrens. Dieser Befund findet seine Bestätigung in der gesetzlichen Systematik. § 50 BetrVG begründet die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in Abs. 1 für den Fall, dass die zu regelnde Angelegenheit nicht auf den einzelnen Betrieb beschränkt ist und deshalb die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr auf der betrieblichen Ebene gewahrt werden können (BAG, Urteil vom 11.12.2001, 1 AZR 193/01, z. V. v., zu II 1 a), in Abs. 2 für den Fall der Aufgabenübertragung. Die originäre, wie abgeleitete Zuständigkeit für die Behandlung von Angelegenheiten- (Abs. 1 Satz 1) umfasst die Ausübung der Mitwirkung und Mitbestimmung auch vor der Einigungsstelle. Der Gesamtbetriebsrat kann daher die Einigungsstelle anrufen und ist an ihren Verfahren zu beteiligen. Dies gilt mithin auch für den Fall der Beauftragung nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG: Mit der Beauftragung gibt der Betriebsrat seine Kompetenz ab, die Angelegenheit mit dem Arbeitgeber selbst zu regeln und ggf. durch die Einigungsstelle entscheiden zu lassen. Denselben Befund ergibt der Rückschluss aus § 50 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Danach kann sich der Betriebsrat gerade und nur die Entscheidungsbefugnis in der übertragenen Angelegenheit vorbehalten. Er kann damit zwar verhindern, dass der Gesamtbetriebsrat mit dem Arbeitsgericht eine Betriebsvereinbarung abschließt oder anderweitig die Angelegenheit mit verbindlicher Wirkung regelt, jedoch nicht die Behandlung der Angelegenheit selbst durch den Gesamtbetriebsrat steuern und etwa die Anrufung der Einigungsstelle mit der Konsequenz, dass unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats am Verfahren - die Einigungsstelle über die Angelegenheit durch Spruch entscheidet, ausnehmen. Vielmehr verweist § 50 Abs. 2 Satz 3 BetrVG den Betriebsrat darauf, den dem Gesamtbetriebsrat erteilten Handlungsauftrag zu widerrufen, wenn er selbst über die Anrufung der Einigungsstelle befinden oder an ihrem Verfahren beteiligt werden will.
Allerdings wird in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, dass, wenn der Betriebsrat sich die Entscheidungsbefugnis nach § 50 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorbehalten habe, die Anrufung der Einigungsstelle seiner Zustimmung bedürfe (DKK/Trittin, BetrVG, 8. Aufl., § 50 Rdz. 69) bzw. er die Einigungsstelle anrufe und die arbeitnehmerseitigen Beisitzer stelle (ErfK/Eisemann, 2. Aufl., § 50 Rdz. 10; vgl. Löwisch/Kaiser, BetrVG, 5. Aufl., § 50 Rdz. 16). Diese Auffassung steht im Widerspruch zu Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Zudem lässt sie unberücksichtigt, dass zum Einen die formalisierte Zuständigkeitsabgrenzung Klarheit zwischen den Beteiligten über deren Kompetenzen schafft, zum Anderen die vom Betriebsrat erkannte Zweckmäßigkeit der Delegation sich auf alle Schritte des Gesamtbetriebsrates bis hin zur Verhandlung vor der Einigungsstelle bezieht. Richtig ist zwar, dass einer Einigung auf der Grundlage einer zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat ausgehandelten Verständigung an dem Entscheidungsvorbehalt- scheitern kann und deshalb Versuche der Einigungsstelle, die Beteiligten zu einigen, erfolglos bleiben können. Diese Komplikation ist jedoch durch § 50 Abs. 2 Satz 2, 3 BetrVG stets vorgegeben und rechtfertigt daher nicht die Annahme, dass bei der Bildung der Einigungsstelle und der Beteiligung am Einigungsstellenverfahren die nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG an den Gesamtbetriebsrat abgegebene Kompetenz an den Betriebsrat zurückfällt. Im Übrigen setzt das Zustandekommen einer Einigung nach § 112 Abs. 3 Satz 3 BetrVG ohnehin die Beschlussfassung durch das zuständige Gremium voraus (vgl. BAG, Urteil vom 24.02.2000, 8 AZR 180/99, AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste, zu II 3 b, Fittung/ u. a., BetrVG, 21. Aufl., §§ 112, 112 a, Rz. 45). Es ist ein im Einigungsstellenverfahren alltägliches Geschehen, dass der Erfolg des Einigungsversuches abhängt von der Haltung nicht im Verfahren beteiligter, aber für die Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite einflussreicher Dritter abhängt.
2. Im Licht dieser Ausführungen erweist sich das Begehren der Arbeitgeberin, eine Einigungsstelle mit dem Betriebsrat und nicht dem zuständigen Gesamtbetriebsrat zu bilden, als unbegründet.
Am 20.11.2001 beschloss der Betriebsrat ordnungsgemäß die Beauftragung des Gesamtbetriebsrats mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich und den Sozialplan. Gegenstand der Aufgabendelegation war eine bestimmte Angelegenheit, nämlich der von der Arbeitgeberin wegen Arbeitsmangels für 2002 beabsichtigte Personalabbau, und dessen Behandlung- i. S. v. § 112, § 112 a BetrVG. Indem der Betriebsrat die Übertragung dem Gesamtbetriebsrat unter dem 21.10.2001 in der erforderlichen Schriftform (§ 50 Abs. 2 Satz 3, § 27 Abs. 3 Satz 3 BetrVG) mitteilte, wurde diese wirksam. Die Streitfrage, ob der Gesamtbetriebsrat den Auftrag ablehnen kann (vgl. KHzA/Etzel, 2. Aufl., 9.1 Rdz. 1287, Fitting, § 50 Rz. 71), braucht für den Streitfall nicht beantwortet zu werden: Der GBA-T nahm den Verhandlungsauftrag des Betriebsrats an.
Die Arbeitgeberin war sowohl durch Schreiben des Betriebsrats vom 21.11.2001 als auch durch Schreiben des GBA-T vom 06.12.2001 über die Beauftragung des Gesamtbetriebsrats unterrichtet worden. Dementsprechend erklärte sie mit Schreiben vom 04.02.2002 gegenüber dem GBA-T die Verhandlungen über den Interessenausgleich für gescheitert. Sie kann daher nicht reklamieren, über die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats im Unklaren und gutgläubig der Annahme gewesen zu sein, dass der Betriebsrat zuständig sei.
Da sich der Verhandlungsauftrag auf das Einigungsstellenverfahren erstreckt, braucht im Streitfall schließlich nicht erörtert zu werden, ob der Betriebsrat sich überhaupt eine Entscheidungsbefugnis nach § 50 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorbehielt. Im Schreiben des Betriebsratsvorsitzenden vom 21.11.2001 ist zwar dieser Vorbehalt ausdrücklich erklärt worden. Der Beschluss vom 20.11.2001 erwähnt jedoch keinen Vorbehalt und spricht lediglich von der Delegierung der Verhandlungen an den GBA-T-. Nach zutreffender Ansicht (ErfK/Eisemann, a. a. O., Rdz. 10, m. w. N.) muss der Betriebsrat im Vertragsbeschluss den Entscheidungsvorbehalt eindeutig zum Ausdruck bringen; im Zweifel enthält der Auftrag nach § 50 Abs. 2 BetrVG keine Einschränkungen. Damit spricht einiges dafür, dass nach dem Beschluss vom 20.11.2001 auch die Entscheidungsbefugnis auf den zuständigen Gesamtbetriebsrat, also den GBA-T bzw. den ihm rechtlich nachfolgenden Spartengesamtbetriebsrat, übertragen wurde.
3. Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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