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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 12 TaBV 377/08
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 99 Abs. 3 Satz 2
BetrVG § 99 Abs. 4
BetrVG § 100 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ArbGG §§ 87 ff.
ArbGG § 89 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom 11.09.2008 wird als unzulässig verworfen.

Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten anlässlich einer zum 01.10.2008 angeordneten Versetzung der Mitarbeiten R. von E. nach G. a. M. darüber, ob die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt oder nach § 99 Abs. 4 BetrVG gerichtlich zu ersetzen ist.

Das Arbeitsgericht Duisburg hat durch Beschluss vom 11.09.2008 die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Gegen den am 24.09.2008 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 25.09.2008 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig um einen Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG erweitert. Mit Schriftsatz vom 25.11.2008, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, hat sie die Beschwerde begründet. Am 08.12.2008 hat sie wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist das Gesuch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und gleichzeitig sowie ergänzend unter dem 16.12.2008 begründet.

Sie trägt vor, dass die Fristenkontrolle, in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Tagesgeschäft in der Kanzlei ihrer Verfahrensbevollmächtigten, dort der seit 1990 tätigen Rechtsanwaltsfachangestellten Frau E. übertragen und von ihr stets fehlerlos wahrgenommen worden sei. In fristgebundenen Sachen würde bei Eingang auf dem jeweiligen Schriftstück das Fristende vermerkt und die Rechtsmittelfrist und Rechtsmittelbegründungsfrist (mit Vor- und Endfrist) zudem im Fristenkalender vermerkt (sog. Notierungsvermerk). Eine Woche vor Fristablauf erhalte der Anwalt mittels eines Vorfristenzettels, einen Tag vor Fristablauf mittels eines Endfristenzettels den Hinweis auf den Fristablauf. Im vorliegenden Fall sei die Eintragung der Beschwerdebegründungsfrist von Frau E. versäumt worden. Der sachbearbeitende Anwalt K. habe am 05.11.2008 den Entwurf der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin übermittelt. Nachdem diese hierzu noch Anmerkungen mitgeteilt habe, sei am 25.11.2008 die Beschwerdebegründung bei Gericht eingereicht worden. Der Anwalt K. habe wegen des ausgebliebenen Fristenhinweises seitens Frau E. darauf vertraut, die Beschwerde am 25.11.2008 fristgerecht begründet zu haben.

Der Betriebsrat sieht in einem Organisations- und Fristenüberwachungsmangel die Ursache für die Fristversäumung und hält daher das Wiedereinsetzungsgesuch für unbegründet.

B. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 89 Abs. 3, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten nach der am 24.09.2008 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen ist (§ 84 Satz 3, § 9 Abs. 5 ArbGG), d.h. bis zum Ablauf des 24.11.2008 begründet worden. Die erst am 25.09.2008 eingegangene Begründung ist verspätet.

Der Wiedereinsetzungsantrag bleibt erfolgslos. Die Arbeitgeberin hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf dem Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 ZPO voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Für die Berechnung, Notierung und Kontrolle von Fristen in arbeitsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nach §§ 87 ff. ArbGG gelten die zur Fristwahrung bei Berufungen in Urteilsverfahren entwickelten Grundsätze. Wird ein Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigter tätig, muss der Rechtsmittelführer einen Geschehensablauf vortragen, der ein Verschulden seines Bevollmächtigten zweifelsfrei ausschließt. Nach zutreffender höchstrichterlicher Spruchpraxis (BAG, Beschluss vom 08.05.2008, 1 ABR 56/06, Juris Rz. 15) verlangt die anwaltliche Sorgfaltspflicht, in Fristsachen das Möglichste zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und der Behandlung von Fristen auszuschließen. Zwar kann der Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigte z.B. die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellten überlassen (BGH, Beschluss vom 09.09.2008, VI ZB 8/08, Juris Rz. 6, Kammer, Beschluss vom 10.09.2008, 12 Sa 843/08, n.v.). Ihn treffen dabei jedoch weiterhin Sorgfaltspflichten, etwa die Obliegenheit, das Empfangsbekenntnis über die Zustellung einer Entscheidung, mit der eine Rechtsmittelfrist zu laufen beginnt, erst zu unterzeichnen und zurückzugeben, wenn auf bzw. in der Handakte die Rechtsmittelfrist vermerkt und die Frist im Fristenkalender notiert ist (BGH, Beschluss vom 27.09.2007, IX ZA 14/07, Juris Rz. 10 f., vom 21.04.2005, I ZR 45/04, Juris Rz. 10, vom 13.02.2003, V ZR 422/02, Juris Rz. 7, Vossen, GK-ArbGG, § 66 Rz. 44c; vgl. Kammer, Urteil vom 13.07.2005, 12 (10) Sa 598/05, Juris Rz. 30). Des Weiteren obliegt dem Anwalt die Fristenkontrolle, wenn ihm die Handakten zur Vorbereitung oder Durchführung einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden (BGH, Beschluss vom 16.10.2008, III ZB 31/08, Juris Rz. 8, Beschluss vom 06.02.2007, VI ZB 41/06, Juris Rz. 8). Ebenso hat er, wenn ihm die Handakte zur Bearbeitung der Rechtsmittelbegründung bzw. sein Entwurf der Begründung vorgelegt wird, spätestens dann die Fristennotierung eigenständig zu prüfen (BGH, Beschluss vom 23.01.2007, VI ZB 5/06, Juris Rz. 12, Beschluss vom 19.04.2005, X ZB 31/03, Juris Rz. 4).

2. Gemessen an diesen Anforderungen hat die Arbeitgeberin die Beschwerdebegründungsfrist nicht aufgrund des individuellen Versagens einer ansonsten als zuverlässig bekannten Angestellten ihrer Verfahrensbevollmächtigten versäumt. Zwar hat die Rechtsanwaltsfachangestellte Frau E. die Begründungsfrist (mit Vorfrist und Endfrist) weder auf dem eingegangenen Beschluss noch im Fristenkalender notiert. Ob ihr dieses Unterlassen als Verschulden anzulasten ist, ist indessen ohne Bedeutung, denn den Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin trifft ein eigenes, für die Fristversäumung ursächlich gewordenes Verschulden.

a) Die Arbeitgeberin hat nicht näher vorgetragen, welche organisatorischen Maßnahmen in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten zur Fristensicherung im Zusammenhang mit der Unterzeichnung eines Empfangsbekenntnisses bestanden haben. Ihrem Vortrag zur allgemeinen Behandlung der fristgebundenen Sachen und zur Eintragung von Beschwerde- und Begründungsfristen lässt sich nicht entnehmen, ob diese Eintragungen vor oder nach der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch den Rechtsanwalt erfolgen und durch welche organisatorischen Maßnahmen überprüft wird, ob die Fristensicherung im Einzelfall auch tatsächlich erfolgt, bevor das Empfangsbekenntnis an das Gericht zurückgegeben wird. Insbesondere ist nicht dargestellt oder sonstwie erkennbar, dass die Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist auf der Handakte notiert wird oder - falls es bei der Notierung auf dem (offenbar zur Handakte genommenen) eingegangen Schriftstück (hier: auf dem arbeitsgerichtlichen Beschluss) belassen wird - welche Vorkehrungen getroffen sind und sicherstellen, dass der sachbearbeitende Anwalt, der die Handakte bearbeitet, auf den ersten Blick den Fristenlauf erkennt. Da die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen in diesem Punkt mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht sind, ist ein Organisationsverschulden des Verfahrensbevollmächtigten zu vermuten. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin die Fristensicherung nicht so gestaltet war, dass der Verfahrensbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis über die Zustellung eines beschwerdefähigen Beschlusses erst dann unterzeichnete und zurückgab, wenn die Beschwerde- und Begründungsfrist auf/in der Handakte und im Fristenkalender festgehalten und vermerkt war. Schon dieser Befund steht entgegen, die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist als unverschuldet i .S .v. § 233 ZPO erscheinen zu lassen.

b) Des Weiteren hätte der die Arbeitgeberin auch in der zweiten Instanz vertretende Verfahrensbevollmächtigte bei Erstellung des Entwurfs der Beschwerdebegründung, der am 05.11.2008 der Arbeitgeberin zur Kenntnis- und ggf. Stellungnahme zugeleitet wurde, anhand der Handakten überprüfen müssen, ob die Begründungsfrist auf der Akte selbst vermerkt und einen Erledigungsvermerk hinsichtlich der Fristeneintragung im Fristenkalender auswies. Hinzu kommt, dass der Verfahrensbevollmächtigte den (weder auf dem Beschluss des Arbeitsgerichts noch auf der Handakte vermerkten) Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist selbst berechnen und dessen Beachtung sicherzustellen hatte, weil er die vorherige Abstimmung der Beschwerdebegründung mit der Arbeitgeberin veranlasste, hierfür nur ein begrenzter, durch den Fristablauf am 24.11.2008 bestimmter Zeitraum zur Verfügung stand und der Anwalt daher diesen Zeitraum festlegen musste, um danach die rechtzeitige Abfassung und Übermittlung der Beschwerdebegründung zu gewährleisten. Im Streitfall ist nicht erkennbar, dass solche Vorkehrungen getroffen wurden.

c) Dem Wiedereinsetzungsantrag (dort Seite 3 des Schriftsatzes vom 08.12.2008) ist schließlich nicht zu entnehmen, wann die Arbeitgeberin schriftlich oder mündlich "noch Anmerkungen zu dem entworfenen Schriftsatz mitgeteilt hatte". Da die Begründung unter dem 25.11.2008 verfasst und an das Gericht gefaxt wurde, kann es so gewesen sein, dass dem Verfahrensbevollmächtigten die Handakte vor dem 25.11.2008 wieder vorgelegt wurde, um unter Berücksichtigung etwaiger "Anmerkungen" der Arbeitgeberin die Begründungsschrift fertigzustellen. Bei dieser Gelegenheit hätte er ebenfalls die Begründungsfrist bzw. deren Eintrag kontrollieren müssen. Dann hätten sich sofort Zweifel an einer ordnungsgemäßen Notierung der Beschwerdebegründungsfrist einstellen und es hätte ihm auffallen müssen, dass die Frist am 24.11.2008 ablief. Unter diesen Umständen wäre die Versäumung der Frist ebenfalls vermieden worden.

C. Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt, § 89 Abs. 3 Satz 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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