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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 12 TaBV 95/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 10
ArbGG § 81
ZPO § 50
BGB § 25
BGB § 26
BGB § 180
BetrVG § 19
1. Die Verwaltungsstellen der IG Metall sind im Beschlussverfahren nicht parteifähig. Die (parteifähige) Gewerkschaft kann sich jedoch durch die Verwaltungsstelle vertreten lassen.

2. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Betriebsratswahl fällt nach der Satzung der IG Metall der Verwaltungsstelle zu, in deren Bezirk der Betrieb gelegen ist. Die durch eine örtlich unzuständige Verwaltungsstelle erklärte Wahlanfechtung ist unwirksam und kann nicht nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG durch die örtlich zuständige Verwaltungsstelle oder durch den Vorstand der Gewerkschaft genehmigt werden.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

12 TaBV 95/06

Verkündet am 13. Dezember 2006

In dem Beschlussverfahren

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Anhörung vom 13.12.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Hebel und den ehrenamtlichen Richter Witte

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 04.08.2006 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer am 16.03.2006 bei der Beteiligten zu 4 (Arbeitgeberin) durchgeführten Betriebsratswahl. Aus der Wahl ist der Beteiligte zu 3 (Betriebsrat) hervorgegangen. Bei der Beteiligten zu 2 (IG Metall) handelt es sich um eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft, bei der Beteiligten zu 1 um deren Verwaltungsstelle X..

Mit dem am 28.03.2006 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingeleiteten Beschlussverfahren hat die "IG Metall Verwaltungsstelle X., vertreten durch den Geschäftsführer (scil. der Verwaltungsstelle)" die Anfechtung der Betriebsratswahl erklärt sowie deren Nichtigkeit geltend gemacht.

Im Verfahren hat die Antragstellerin zur Begründung ihres Begehrens vorgetragen, dass sich die Anfechtungsberechtigung der "Verwaltungsstelle X." nach § 14 der Satzung der IG Metall aus deren historischer Zuständigkeit für die Beteiligte zu 4 sowie für die mit der Fertigung befasste "X. Technik GmbH & Co KG" und die mit dem Vertrieb befasste "D. L. X. X. GmbH & Co KG" ergebe: Bis zum Umzug im Mai 2000 nach I. habe sich die Hauptverwaltung in X. befunden. Zudem sei, worüber sich eine Aktennotiz verhalte, am 24.03.2006 am Rande einer Geschäftsführerkonferenz zwischen den Geschäftsführern der Verwaltungsstelle X. und der Verwaltungsstelle S./T., deren Bereich die Stadt I. umfasse, die Einleitung und Durchführung des Wahlanfechtungsverfahrens durch die Verwaltungsstelle X. vereinbart worden. Schließlich habe seitens des Vorstandes der IG Metall eine durch Herrn V. Anfang/Mitte März 2006 fernmündlich erteilte Vollmacht vorgelegen; die Vollmacht sei unter dem 30.05.2006 lediglich schriftlich bestätigt worden. Bei der Betriebsratswahl sei - so meinen die Beteiligten zu 1 und 2 - zum einen der Betriebsbegriff verkannt worden, denn die Beteiligte zu 4 führe mit den ebenfalls in I. ansässigen Unternehmen "X. Technik" und der "C K X." einen Gemeinschaftsbetrieb; zum anderen sei der Vorsitzende des Beteiligten zu 3 nicht wählbar gewesen, weil er lediglich in einem Scheinarbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 4 stehe.

Die Beteiligten zu 3 und 4 haben die Anfechtungsberechtigung der Beteiligten zu 1 in Abrede gestellt und einer durch Schriftsätze vom 29.05.2006 und 08.06.2006 beantragten Rubrumsberichtigung entgegengehalten, dass mit einem darin liegenden Verfahrensbeitritt die Beteiligte zu 2 nicht mehr die zweiwöchige Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gewahrt sei. Zwischen der Beteiligten zu 4 sowie der "X. Technik" und der "C K X." gebe es auf der Grundlage von Dienstleistungsverträgen und Aufträgen eine rein unternehmerische Zusammenarbeit, hingegen keine, auch keine stillschweigende rechtliche Verbindung zur gemeinsamen Betriebsführung. So fehle es an der Praktizierung eines arbeitgeberübergreifenden Personaleinsatzes. Der Vorsitzende des Beteiligten zu 3 stehe gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 03.01.2000 in einem Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 4.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat durch Beschluss vom 04.08.2006 die Anträge als unbegründet zurückgewiesen: Der "Verwaltungsstelle X." habe es an der erforderlichen Anfechtungsberechtigung gefehlt; vielmehr sei nach § 14 der Satzung der IG Metall die Verwaltungsstelle S./T. für die Wahlanfechtung des in ihrem räumlichen Zuständigkeitsbereich gelegenen Betriebs der Beteiligten zu 3 zuständig gewesen. Soweit die "IG Metall" aufgrund Vollmachterteilung vom 30.05.2006 als weitere Beteiligte in das Verfahren eingetreten sei, sei ihre Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG verfristet. Im übrigen reichten die geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe für die Annahme einer Nichtigkeit der Wahl nicht aus.

Die Beteiligten zu 1 und 2 greifen mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde den erstinstanzlichen Beschluss, auf den hiermit zur näheren Darstellung des Sachverhalts und Streitstandes verwiesen wird, unter Wiederholung und Ergänzung ihres Vorbringens an.

Sie haben - soweit im Beschwerdeverfahren noch von Interesse - beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 04.08.2006, die Betriebsratswahl bei der Beteiligten zu 4. vom 16.03.2006 für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten zu 3 und 4 haben beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

B. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat keinen Erfolg.

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist nicht deshalb zu verwerfen, weil die Antragstellerin bei Einlegung der Beschwerde nicht parteifähig gewesen sein könnte. Beim Streit über die Parteifähigkeit ist der Rechtsmittelführer als parteifähig zu behandeln (BAG, Urteil vom 09.05.1990, 3 AZR 266/82, AP Nr. 8 zu § 9 TVG). In diesem Zusammenhang kann auch dahin stehen, ob in erster Instanz die Bezeichnung der Antragstellerin zu berichtigen und gemäß den Anträgen vom 29.05.2006 und 08.06.2006 als Antragstellerin die Beteiligte zu 2 aufzuführen war. Nachdem die Berichtigung unterblieben ist und das Arbeitsgericht auf Antragstellerseite die Verwaltungsstelle X. neben der IG Metall (vgl. II B 2 der Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses) gesehen hat, ist die Beteiligte zu 1 durch den Beschluss beschwert und muss ihn daher durch die Beschwerde angreifen können. Die Beschwerde selbst ist frist- und formgerecht eingelegt worden, § 9 Abs. 5 Satz 4, § 87 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1, § 89 ArbGG.

II. Die Beteiligte zu 1 ist nicht parteifähig, § 10 Satz 1 ArbGG. Daher ist der von ihr gestellte Antrag, die Unwirksamkeit der Wahl des Beteiligten zu 3 festzustellen, unzulässig.

Nach § 10 Satz 1 u. 3 ArbGG sind Gewerkschaften im arbeitsgerichtlichen Urteils- und Beschlussverfahren parteifähig. Mit dem Begriff der Gewerkschaft knüpft das Gesetz an den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gewerkschaftsbegriff an (dazu: BAG, Beschluss vom 19.09.2006, 1 ABR 53/05, Pressemitteilung Nr. 57/06) und meint regelmäßig die Gesamtorganisation und nicht Unterorganisationen des Hauptverbandes. Unterorganisationen sind ausnahmsweise nur dann selbst parteifähig, wenn sie (1) körperschaftlich organisiert sind, (2) gegenüber der Gesamtorganisation selbständig tätig werden können und (3) handlungsfähig i. S. eigener Tariffähigkeit sind (vgl. BAG, Beschluss vom 19.11.1985, 1 ABR 37/83, Beschluss vom 29.11.1989, 7 ABR 64/87, Beschluss vom 14.12.1999, 1 ABR 74/98, vgl. Sächs. LAG, Urteil vom 0.12.2003, 7 Sa 458/03, LAG Niedersachen, Urteil vom 02.06.2004, 7 Sa 819/04, LAG Hamm, Urteil vom 31.05.200, 18 Sa 858/00, Urteil vom 04.08.1999, 18 Sa 2151/98, LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.1987, 3 Sa 144/87; Oetker, AuR 2001, 42 ff., Däubler/Peter, TVG, 2. Aufl., § 2 Rz. 54, Kempen/Zachert, TVG, 4. Aufl., § 2 Rz. 84, Dörner, GK-ArbGG, § 10 Rz. 16, ErfK/Koch, 6. Aufl., § 10 ArbGG Rz. 5).

Die "Verwaltungsstelle X." ist nicht tariffähig. Die IG Metall ist - wie die meisten Gewerkschaften (Däubler/Peter, § 2 Rz. 46) - dreistufig gegliedert, nämlich in Verwaltungsstellen, Bezirke und Vorstand. Die tarifpolitische Hoheit liegt beim Vorstand bzw. bei den Bezirken. Den Verwaltungsstellen fehlt die genuine Handlungsfähigkeit im tariflichen Bereich.

Ob - als weitere Voraussetzung der Parteifähigkeit gem. § 10 ArbGG - die Unterorganisation über eigenes Vermögen verfügen muss (dafür: Oetker, AuR 2001, 88 f.), braucht danach nicht erörtert zu werden. Weil es für das vorliegende Beschlussverfahren auf die Parteifähigkeit nach § 10 ArbGG ankommt, bedarf es an dieser Stelle keiner Klärung, ob § 50 ZPO an die Parteifähigkeit abweichende Voraussetzungen aufstellt. Insoweit mag einiges für eine differenzierte Behandlung sprechen (Lindacher, MüKo-ZPO, 2. Aufl. § 50 Rz. 46, Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 10 Rz. 15, vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.05.1986, NJW-RR 1986, 1506, BGH, Urteil vom 08.02.1952, AR-Blattei, Berufsverbände, Entscheidungen 1).

C. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist unbegründet.

I. In der Antragsschrift und nachgehend im erstinstanzlichen Beschluss wird die Antragstellerin mit "IG Metall (,) Verwaltungsstelle X., vertreten durch den Geschäftsführer" bezeichnet. Diese Bezeichnung ist ungenau und entsprechend dem Antrag der Antragstellerin in den Schriftsätzen vom 29.05.2006 und 08.06.2006 zu berichtigen gewesen.

Die Bezeichnung der Antragstellerin ist auslegungsfähig. Die Antragsschrift lässt die IG Metall als Antragstellerin erkennen.

Im Beschlussverfahren gelten gemäß § 80 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 2 ArbGG die zu § 50 ZPO entwickelten Auslegungsmaßstäbe (Germelmann, ArbGG, 5. Aufl., § 46 Rz. 36 b, Schütz, GK-ArbGG, § 46 Rz. 91). BAG 22.1.1975, 5 AZR 130/4, AP Nr. 2 zu § 268 ZPO, Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., vor § 50, Rz. 7).

Die Antragsschrift führt in der Bezeichnung der Antragstellerin die "IG Metall" auf. Damit knüpft sie ersichtlich an die in § 10 ArbGG statuierte Parteifähigkeit der Gewerkschaft und, was aus der Antragsbegründung hervorgeht, an das den "Gewerkschaften" in § 19 Abs. 2 BetrVG zugestandene Anfechtungsrecht an. Es spricht nichts dafür, dass die weder parteifähige noch anfechtungsberechtigte "Verwaltungsstelle" als Partei (Antragstellerin) des Anfechtungsverfahrens auftreten wollte. Vielmehr ist aus dem Umstand, dass die Antragsschrift zusätzlich zur "IG Metall" (= Antragstellerin) die "Verwaltungsstelle X." bezeichnet, zu folgern, dass diese Verwaltungsstelle als organschaftliche Vertreterin der Gewerkschaft das Beschlussverfahren einleiten und durchführen und aufgrund satzungsgemäßer Ermächtigung die Wahlanfechtung erklären wollte (vgl. Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 19 Rz. 40).

II. Die IG Metall darf sich im Beschlussverfahren selbst, das über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl geführt wird, durch die Verwaltungsstelle X. vertreten lassen. Die Vollmachterteilung vom 30.05.2006 ist durch § 18 Nr. 3 d, § 14 Nr. 4 a der Satzung gedeckt und hat - bezogen auf die Führung des Beschlussverfahrens - einen etwaigen Mangel der Vertretungsmacht behoben (§ 56 Abs. 2 ZPO).

III. Die IG Metall ist antragsbefugt. Die Antragsbefugnis des Antragstellers ist Voraussetzung für eine Sachentscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (BAG, Beschluss vom 25.10.1989, 7 ABR 89/88, n. v., BAG, Beschluss vom 15.08.1978, 6 ABR 10/76, AP Nr. 1 zu § 23 BetrVG 1972). Sie ergibt sich daraus, dass die IG Metall das in § 19 Abs. 2 BetrVG der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft verliehene Wahlanfechtungsrecht in Anspruch nimmt (vgl. Dörner, GK-ArbGG, § 81 Rz. 60 ff. , 100, 102).

Ob - was die Vorinstanz anzunehmen scheint - die fehlende Antragsbefugnis zur Unbegründetheit und nicht Unzulässigkeit des Antragsbegehrens führt, ist zweifelhaft. Jedenfalls ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die Frage, ob die Betriebsratswahl nichtig oder wirksam angefochten ist , keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Anträge zu 1) und 2) ist (vgl. BAG, Beschluss vom 20.08.1991, 1 ABR 85/90, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt).

IV. Soweit die Wahl des Beteiligten zu 3) wegen Verkennung des Betriebsbegriffs angefochten, ist die weitere Zulässigkeitsvoraussetzung, dass auch die Wahlen der bei der "X. Technik" und C K X." gewählten Betriebsräte angefochten worden sind, erfüllt. Dabei bedeutet die rechtskräftige Zurückweisung der Wahlanfechtung im vorliegenden Verfahren für die weiteren Wahlanfechtungsverfahren, dass der Beteiligte zu 3) und die Betriebsräte bei "X. Technik" und C K X." wirksam gewählt sind (vgl. BAG, Beschluss vom 11.04.1978, 6 ABR 22/77, AP Nr. 8 zu § 19 BetrVG 1972, Hess. LAG, Beschluss vom 05.04.2002, 9 TaBV Ga 61/02, n.v.; ferner BAG, Beschluss vom 31.05.2000, 7 ABR 78/98, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb).

V. Der Antrag ist unbegründet.

1. Nach zutreffender Spruchpraxis des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 19.11. 2003, 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972) ist die Nichtigkeit einer Betriebsratwahl nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Handelt es sich bei den einzelnen Verstößen um Mängel, die jeder für sich genommen die Anfechtung der Betriebsratswahl rechtfertigen, nicht aber die Wahl als nichtig erkennen lassen, so führt weder die Summe der Fehler noch eine Gesamtwürdigung zur Nichtigkeit der Wahl.

a) Die Verkennung des Betriebsbegriffs führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl (BAG, Beschluss vom 19.11.2003, 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972, Schneider, DKK-BetrVG, 10. Aufl., § 19 Rz. 19). Das Vorliegen eines "Gemeinschaftsbetriebes" setzt eine (zumindest) konkludente Führungsvereinbarung voraus, aufgrund der die Funktionen des Arbeitgebers institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Dabei kann die Personenidentität in der Unternehmensleitung zwar Indiz für das Bestehen eines einheitlichen Leitungsapparats auch auf betrieblicher Ebene sein. Jedoch bedeutet der Umstand, dass eine Person der Leitung mehrerer Unternehmen angehört, noch nicht, dass sie diese Aufgaben für alle Unternehmen einheitlich wahrnimmt. Sie kann die Unternehmen auch organisatorisch voneinander getrennt leiten. Das gilt auch für die personellen und sozialen Angelegenheiten der Unternehmen (BAG, Beschluss vom 17.08.2005, 7 ABR 62/04, n.v.). Für die Frage, ob der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung ausgeübt wird, kann daher entscheidend sein, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist (BAG, Beschluss vom 22.06.2005, 7 ABR 57/04, AP Nr. 23 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb).

Zwischen den Beteiligten zu 4 und der "X. Technik" sowie der "C K X." gibt es zweifelsfrei eine enge unternehmerische Zusammenarbeit, die sich in der gemeinsamen Unternehmensgeschichte, räumlichen Nähe und Verflechtung der Geschäftstätigkeiten und in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht manifestiert. Ob die Unternehmen sich zur einheitlichen Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktionen verbunden haben und einen arbeitgeberübergreifenden Personaleinsatz in einem Umfang, die für den normalen Betriebsablauf charakteristisch ist, praktizieren, hat die Kammer im vorliegenden Verfahren auch nach Anhörung der Beteiligten nicht eindeutig feststellen können. Einerseits schließt die Schilderung von übergreifenden Personaleinsätzen nicht aus, dass diese auf einer unternehmerischen Zusammenarbeit (Dienstleistungen) beruhen und, soweit sie darüber hinausgehen, nur gelegentlich geschehen und die Betriebsabläufe nicht charakterisieren.

Andererseits weist manches darauf hin, dass die "Dienstverträge" und deren praktische Durchführung nicht mehr sind als ein Blankett für tatsächlich ausgeübte Leistungseinheit und eine Grundlage, die zwischen "Kostenstellen" ausgetauschten Leistungen zu verrechnen und z. B. aus Gründen der steuerlichen Optimierung auf verschiedene Unternehmen aufzuteilen. Der Annahme eines (Gemeinschafts-)Betriebes steht nämlich nicht entgegen, dass verschiedene (im vorliegenden Fall zudem untereinander verzahnte) arbeitstechnische Zwecksetzungen verfolgt und im Rahmen arbeitsteiliger Organisationsstruktur Betriebsmittel, Räumlichkeiten und Personal den jeweiligen Betriebsteilen ("Abteilungen") zugeordnet werden.

Ist danach die Feststellung und Bewertung der Tatsachen, die in ihrer zu beachtenden Vielzahl auf einen "Gemeinschaftsbetrieb" schließen lassen sollen, erschwert, kann eine etwaige Fehleinschätzung nicht für derart grob und offensichtlich erachtet werden, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht besteht, die Betriebsratswahl am 16.03.2006 quasi "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn trägt" (vgl. BAG vom 19.11.2003, a.a.O.).

b) Die Verkennung des aktiven und/oder passiven Wahlrechts kann zwar die Anfechtung der Betriebsratswahl begründen, wenn durch die Beteiligung nicht wahlberechtigter Personen das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte (BAG, Beschluss vom 26.06.1996, 7 ABR 52/95, n.v.). Allerdings genügt die einem "Beschäftigten" aufgrund der Fehlbeurteilung seines Status ermöglichte Teilnahme an der Wahl nicht, um einen Nichtigkeitsgrund anzunehmen (vgl. BAG, Beschluss vom 25.03.1992, 7 ABR 52/91, AP Nr. 48 zu § 5 BetrVG 1972, vgl. Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, 9. Aufl., § 19 Rz. 8 m.w.N.). Im Streitfall spricht der vorgelegte Arbeitsvertrag dafür, dass Herr H. seit 2000 in einem Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 4 steht (vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2003, 8 AZR 59/02, AP Nr. 249 zu § 613a BGB, Urteil vom 09.02.1995, 2 AZR 389/94, NJW 1996, 1299). Für die Annahme eines (offenkundigen) "Scheinarbeitsvertrages" fehlen auch im Vortrag der Beteiligten zu 2 hinreichende Anhaltspunkte.

c) Danach hat das Arbeitsgericht mit zutreffenden Ausführungen die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 16.03.2006 verneint.

2. Die Anfechtung der Betriebsratswahl greift nicht durch.

Die Wahlanfechtung ist innerhalb der Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG mit dem am 28.03.2006 eingeleiteten Beschlussverfahren erklärt worden. Als Anfechtungserklärende ist für die IG Metall die Verwaltungsstelle X. aufgetreten. Indessen war die Verwaltungsstelle X. weder nach der Satzung noch aufgrund Vereinbarung mit der (zuständigen) Verwaltungsstelle S./T. oder Vollmachterteilung durch den Vorstand oder Bezirk berechtigt, die Wahl anzufechten.

Der zutreffenden Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ist zur Klarstellung folgendes anzufügen:

a) Die Frage, welches Organ einer Gewerkschaft für die Erklärung einer Betriebsratswahl zuständig ist, beantwortet sich nach der Satzung. Grundsätzlich obliegt gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 BGB dem Vorstand die Vertretung. Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 25 BGB kann seine Vertretungsmacht allerdings durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 26 Rz. 5).

b) § 14 Nr. 4 c der Satzung weist den Verwaltungsstellen die Aufgabe der "Unterstützung und Überwachung bei der Einleitung und Durchführung von ... Betriebsratswahlen" und damit die Geltendmachung ihrer Unwirksamkeit zu (BAG, Beschluss vom 01.06.1966, 1 AR 17/65, AP Nr. 15 zu § 18 BetrVG, m. Anm. Neumann-Duesberg). Die Wahrnehmung dieser Aufgabe wird durch § 14 Nr. 4 a abgestützt, der den die Verwaltungsstelle leitenden Ortsvorstand zur Vertretung der Verwaltungsstelle "nach innen und außen, sowohl den Mitgliedern als auch Dritten gegenüber" ermächtigt. Dem Vorstand der IG Metall oder den Bezirken fallen nach der Satzung grundsätzlich andere Aufgaben zu, nämlich - als wichtigste Aufgabe der Bezirksleitung - die Tarifpolitik (§ 16) und - als Hauptaufgabe des Vorstandes - die Überwachung der Einhaltung der Satzung, die Umsetzung der Beschlüsse des Gewerkschaftstages und die Entscheidung über Tarifkündigungen, Urabstimmung und Streik. Diese Abgrenzung der Zuständigkeiten hat vor dem Hintergrund, dass die Verwaltungsstelle die grundlegende Einheit der Organisation der IG Metall ist, zur Konsequenz, dass im allgemeinen gerade und nur die Verwaltungsstellen ermächtigt sind, die Unwirksamkeit von Betriebsratswahlen geltend zu machen.

Nach § 14 Nr. 1 Satz 1 der Satzung sind die Verwaltungsstellen "für vom Vorstand abgegrenzte und festgelegte Bereiche" errichtet. Wie auch aus § 14 Nr. 1 Satz 2 der Satzung und § 16 Nr. 1 der Satzung zu ersehen ist, sind unter "Bereiche" räumliche Gebiete zu verstehen. Dem ist in der Praxis durch die flächendeckende Einrichtung von über 170 Verwaltungsstellen im Bundesgebiet Rechnung getragen. Indem die Gebiete voneinander "abgegrenzt und festgelegt" sind, ist jede Verwaltungsstelle in ihrem Gebiet für die "Unterstützung der gewerkschaftlichen Arbeit in den Betrieben, zur Beratung der Mitgliedschaft und im Hinblick auf die Verwirklichung der Aufgaben und Ziele der IG Metall" zuständig. Daraus folgt einerseits ihre örtliche Zuständigkeit bei der bei der Einleitung, Durchführung und Anfechtung von Betriebsratswahlen innerhalb ihres Gebiets und andererseits ihre Unzuständigkeit für Betriebsratswahlen, die außerhalb ihres Gebiets stattfinden. Dieser Befund entspricht dem Zweck der Satzungsregelung, nämlich die Zuständigkeit der Verwaltungsstellen orts- und sachnah entsprechend der räumlichen Nähe zu den Betrieben (und dort beschäftigten Mitgliedern) zu regeln. Damit soll der einzelnen Verwaltungsstelle durch die Zuteilung eines abgegrenzten Gebietes ein klar definierter Zuständigkeitsbereich mit entsprechender Aufgabenstellung gegeben und gleichzeitig vermieden werden, dass durch ihre Betätigung in anderen Verwaltungsstellen zugeteilten Gebiete Kompetenzkonflikte zwischen den Verwaltungsstellen oder durch unklare Zuständigkeiten ausgelöste Defizite bei der gewerkschaftlichen Aufgabenwahrnehmung entstehen.

Daher ist nach § 14 der Satzung die Verwaltungsstelle S./T. für die Anfechtung der bei der Beteiligten zu 4 abgehaltenen Betriebsratswahl zuständig. Der Betrieb der Beteiligten zu 4), im übrigen auch ein von dieser mit der "X. Technik" und der "C K X." gebildeter Gemeinschaftsbetrieb, liegt in ihrem Gebiet. Der Verwaltungsstelle X. fehlt die nach § 14 Nr. 1 Satz 1 der Satzung erforderliche örtliche Zuständigkeit.

c) Die Einwände der Beteiligten zu 2) greifen nicht durch.

Mit dem Hinweis auf die frühere (historische) Zuständigkeit der Verwaltungsstelle X. (bis Mai 2000) und "internen Spielregeln" bei der Änderung von Zuständigkeiten macht sie Umstände geltend, die nach der Satzung unbeachtlich sind. Nach der Rechtsprechung kann eine Satzung lediglich aus ihrem Inhalt heraus ausgelegt werden (BGH, Urteil vom 21.01.1991, NJW 1991, 1727, Staudinger/Weick, BGB [2005], § 25 Rz. 16 Baumberger/Roth/Schwarz, BGB, § 25 Rz. 14/26). Diese Auslegungsmaxime muss auch im vorliegenden Fall gelten, insbesondere zum Schutz von neu eingetretenen Mitgliedern, die sich zur Mitgliedschaft aufgrund der vorliegenden Satzung entschlossen haben. Die Satzung bestimmt die körperschaftliche Verfassung der Gewerkschaft und objektiviert ihr rechtliches Wollen als Zusammenfassung aller Mitglieder. Eine satzungsübersteigende, zuständigkeitsändernde Dispositionsbefugnis des Vorstandes oder anderer Organe ist überdies mit der Vereins- und Tarifautonomie der Gewerkschaften kaum vereinbar. Außerhalb der Satzung liegende Umstände dürfen allenfalls dann berücksichtigt werden, wenn deren Kenntnis bei den Betroffenen, namentlich den bisherigen und neu beitretenden Mitgliedern allgemein erwartet werden kann (BAG, Urteil vom 03.11.1998, 3 AZR 474/97, EzA-SD 1999, Nr. 24, 3). Was die von der Beteiligten zu 2 reklamierte "nachwirkende Zuständigkeit" von Verwaltungsstellen bzw. eine zwischen den Verwaltungsstellen oder vom Vorstand gehandhabte Zuständigkeitsklärung anbelangt, kann schon die Existenz anerkannter "Spielregeln" und noch weniger deren allgemeine Bekanntheit festgestellt werden. Vielmehr handelt es sich bei den "Spielregeln" lediglich um die Bewältigung im Einzelfall auftretender Organisations- und Kommunikationsschwierigkeiten oder interner Interessenkonflikte bei Zuständigkeitsänderungen.

Zu der (angeblich) am 24.03.2006 zwischen den Geschäftsführern der Verwaltungsstellen X. und S./T. getroffenen Zuständigkeitsvereinbarung hat es die Beteiligte zu 2 auch im Beschwerdeverfahren an substantiiertem Vorbringen fehlen lassen. Ebenso wenig ist die "Aktennotiz vom 24.03.2006" vorgelegt worden. Im übrigen sind die geschäftsführenden Bevollmächtigten von Verwaltungsstellen satzungsgemäß nicht ermächtigt, über festgelegte funktionelle und örtliche Zuständigkeiten zu disponieren.

Aus dem selben Grund ist unerheblich, ob Herr V. für den Vorstand die Einleitung des Wahlanfechtungsverfahrens durch die Verwaltungsstelle billigte. Zum einen kann der Vorstand nicht in festgelegte Zuständigkeitsbereiche eingreifen. Die insoweit eingetretene Selbstbindung wird nicht schon durch das dem Vorstand in § 18 Nr. 3 Buchst. a Satz 1, Buchst. d der Satzung gewährte Recht aufgehoben, "den Verwaltungsstellen die zur Durchführung ihrer Arbeit entsprechenden Anweisungen zu erteilen". Zum anderen ist festzuhalten, dass das Vorbringen der Beteiligten zu 2) auch in diesem Punkt keinen brauchbaren Tatsachenkern hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Einverständnis von Herr V. mit einer Wahlanfechtung eine "Anweisung" war und insoweit der Verwaltungsstelle S./T. zu Gunsten der Verwaltungsstelle X. die Zuständigkeit entzogen werden sollte.

d) War die Verwaltungsstelle X. weder satzungsgemäß zuständig noch wirksam erklärter bevollmächtigter Vertreter, ist die von ihr erklärte Wahlanfechtung unzulässig gewesen (vgl. Schneider, DKK-BetrVG, § 19 Rz. 23).

Die Beteiligte zu 2 hat die Anfechtung durch die unter dem 30.05.2006 erteilte Vollmacht die Anfechtung nicht rückwirkend genehmigen können. Die Wahlanfechtung stellt ein einseitiges Rechtsgeschäft dar. Das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht ist entsprechend § 180 Satz 1 BGB unzulässig. Die rückwirkende Genehmigung eines einseitigen Rechtsgeschäfts, das an eine gesetzliche Ausschlussfrist gebunden ist, kann nur innerhalb dieser Ausschlussfrist erfolgen(vgl. BAG, Urteil vom 14.08.2002, 5 AZR 341/01, AP Nr. 16 zu § 174 BGB, Urteil vom 04.02.1987, 7 AZR 583/85, AP Nr. 24 zu § 626 BGB Ausschlussfrist, Urteil vom 26.03.1986, 7 AZR 585/84, AP Nr. 2 zu § 180 BGB, BSG, Urteil vom 11.06.1992, SozR 3-2200 § 313 Nr. 1). Eine Genehmigung nach § 180 Satz 2 oder Satz 3 BGB scheidet wegen des Regelungszwecks des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG aus. Die gesetzliche Zweiwochenfrist dient der Rechtssicherheit. Nach Ablauf dieser Frist soll nicht nur feststehen, ob die Wahl überhaupt angefochten worden ist, sondern auch, wer gegebenenfalls die Wahl angefochten hat (BAG Beschluss vom 12.02.1985, 1 ABR 11/84, AP Nr. 27 zu § 76 BetrVG 1952, Beschluss vom 10.06.1983, 6 ABR 50/83, AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972). Daher muss die im Betrieb vertretene Gewerkschaft, wenn sie die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt, innerhalb der Anfechtungsfrist selbst bzw. durch das satzungsgemäß zuständige Organ oder einen ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertreter die Wahl anfechten. Die nachträgliche Genehmigung läuft, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, auf einen - nach Ablauf der Anfechtungsfrist ausgeschlossenen - Beitritt zum Anfechtungsverfahren hinaus.

D. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nach § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst. Wegen der Nichtzulassungsbeschwerde werden die Beteiligten zu 1 und 2 auf die Voraussetzungen nach § 92 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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