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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 12 TaBVGa 8/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 935
ZPO § 940
1. Der Arbeitgeber kann dem vom Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgten Unterlassungsanspruch nicht den Einwand des "unzulässigen Koppelungsgeschäfts" entgegenhalten, wenn der Betriebsrat die Erteilung seiner Zustimmung zur Veränderung von Lage und Verteilung der Arbeitszeit von der Gewährung einer finanziellen "Kompensation" an die betroffenen Arbeitnehmer abhängig macht.

2. Der Verfügungsgrund kann entfallen, sobald der (dies zunächst verweigernde) Arbeitgeber die Einigungsstelle anruft und nunmehr der Betriebsrat seinerseits nicht an der zügigen Durchführung des Einigungsstellenverfahrens mitwirkt.


Tenor:

Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.11.2007 wird der Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.

Gründe:

A. Die Arbeitgeberin (Antragsgegnerin) möchte die betriebsübliche Arbeitszeit bis zum 29.12.2007 an allen Freitagen und Samstagen sowie an einem Donnerstag (27.12.2007) von 20.00 Uhr auf 21.00 Uhr verlängern.

Die Arbeitgeberin betreibt im Bundesgebiet 19 Herrenmodegeschäfte, darunter eines in E. auf der T. straße.

Ende Oktober 2007 teilte sie dem dort gewählten Betriebsrat ihre Absicht mit, die Ladenöffnungszeiten in der Vorweihnachtszeit und Weihnachtszeit verlängern und entsprechend die Arbeitszeiten verändern zu wollen. Unter dem 06.11.2007 antwortete der Betriebsrat, dass er sich gegen die Veränderung entschieden habe. Weiter heißt es in dem Schreiben:

"Grundsätzlich wären wir für die Veränderung der Arbeitszeiten gewesen, haben uns jedoch dagegen entschieden, da uns von Seiten der Unternehmensleitung keinerlei Vergünstigungen (z.B. Bonusprämien, Gutscheine, tarifliche Zeitzuschläge etc.) zugesprochen wurden.

Wie wir durch Gespräche und Erkundigungen bei Mitbewerbern und "Nachbarn" erfahren haben, wird dies in anderen Firmen durchaus gewährt, dies trifft bei tarifgebundenen und sogar bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern zu."

Die Arbeitgeberin lehnte das Verlangen des Betriebsrats ab, den betroffenen Mitarbeitern - über den in der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 22 vorgesehenen Zeitzuschlag von 20 % und ggf. über die Erstattung erforderlicher Taxikosten für die spätere Heimfahrt hinaus - eine zusätzliche Gegenleistung für die Arbeit zu den verlängerten Spätöffnungszeiten zuzugestehen, und ordnete einseitig die Verlängerung der Arbeitszeiten ab dem 23.11.2007 an.

Auf Antrag des Betriebsrats untersagte das Arbeitsgericht Düsseldorf nach mündlicher Anhörung durch einstweilige Verfügung vom 28.11.2007 der Arbeitgeberin, einseitig ohne Zustimmung des Betriebsrats oder Spruch einer Einigungsstelle die vorgesehene Veränderung der Arbeitszeiten durchzuführen.

Am 04.12.2007 schrieb die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit dem Anliegen an, dass sie kurzfristig die Einigungsstelle, die zwei Beisitzer pro Seite haben sollte, anrufen möchte, machte zwei Vorschläge zur Person des Vorsitzenden (Personen aus der Arbeitsgerichtsbarkeit im Düsseldorfer Raum) und erbat eine Rückäußerung bis zum 06.12.2007. Der Betriebsrat antwortete am 06.12.2007, sich hiermit als Tagesordnungspunkt erst auf der nächsten ordnungsgemäß einberufenen Sitzung befassen zu können. Mit Schreiben vom 10.12.2007 lehnte er gegenüber der Arbeitgeberin deren Vorschläge zur Besetzung der Einigungsstelle ab, schlug als Vorsitzenden einen Arbeitsrichter aus N. und drei Beisitzer je Seite vor.

Mit der am 03.12.2007 eingelegten und begründeten Beschwerde greift die Arbeitgeberin den Beschluss des Arbeitsgerichts, auf den hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, im wesentlichen mit Rechtsausführungen an. Sie bestreitet zum einen, dass der Betriebsrat einen ordnungsgemäßen Beschluss über die Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens und Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten gefasst habe. Zum anderen hält sie an ihrer Auffassung fest, dass der Betriebsrat die Erteilung seiner Zustimmung zur Arbeitszeitänderung rechtsmissbräuchlich mit der Forderung nach einer Gegenleistung verknüpft habe: Der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG diene der Vermeidung immaterieller Nachteile durch eine gerechte Arbeitszeitverteilung, nicht hingegen der Erzielung einer materiellen Kompensation, insbes. in Form eines zusätzlichen Entgelt, für etwaige aus der Arbeitszeitveränderung resultierenden Nachteile.

Der Betriebsrat tritt dem Vorbringen der Arbeitgeberin entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

B. Die Beschwerde hat Erfolg.

I. Im Beschwerdeverfahren streiten die Beteiligten in der Sache noch darüber, ob die Arbeitgeberin an sieben Tagen, nämlich am 14., 15., 21., 22., 27., 28. und 29.12. 2007 jeweils ca. 20 ihrer 137 Mitarbeiter von 20.00 Uhr bis 21.00 Uhr unter entsprechender Verlängerung der Ladenöffnungszeiten einsetzen darf. Nachdem die Arbeitgeberin am 04.12.2007 die Einigungsstelle angerufen hat, ist der bis dahin gegebene Verfügungsgrund i.S.v. §§ 935, 940 ZPO entfallen. Daher ist die Unterlassungsverfügung vom 28.11.2007, vom Arbeitsgericht zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung erlassen, abzuändern und der Unterlassungsantrag des Betriebsrats zurückzuweisen.

1. Der Antrag ist zulässig. Entgegen den Einwänden der Arbeitgeberin hat der Einleitung des Verfügungsverfahrens ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats zugrunde gelegen. Dessen Beschluss lautet wörtlich:

"Der Betriebsrat beschließt in seiner Sitzung vom 20.11.2007, die Rechtsanwälte T., X., Q. (T.), S. Straße 49 d, E., mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu beauftragen. Die Beauftragung umfasst die außergerichtliche und ggf. auch gerichtliche Geltendmachung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der vom Arbeitgeber angestrebten vorübergehenden Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeiten bzw. deren Verteilung aufgrund der im Weihnachtsgeschäft geplanten längeren Öffnungszeiten. ..."

Damit ist ein wirksamer Beschluss gefasst worden (BAG vom 09.12.2003, 1 ABR 44/02, AP Nr. 1 zu § 33 BetrVG 1972). Dass der Beschluss die vorliegende Mitbestimmungsangelegenheit betrifft, ist zweifelsfrei. Des weiteren hat der Betriebsrat durch eidesstattliche Versicherung seines Vorsitzenden am 28.11.2007 und weitere Erklärungen auch der übrigen Betriebsratsmitglieder glaubhaft gemacht, dass mit der "gerichtlichen Geltendmachung" die Beantragung auch einer Unterlassungsverfügung gemeint gewesen sei, falls die Arbeitgeberin nicht doch noch einlenken.

Wenn die Arbeitgeberin Unklarheiten im Wortlaut des Beschlusses und eine zu weitgehende Ermächtigung der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats bemängelt, überspannt sie die formellen und inhaltlichen Anforderungen an eine Beschlussfassung unter den gegebenen Umständen. Der Betriebsratsbeschluss muss die in einem nachfolgenden Beschlussverfahren zu stellenden Anträge nicht bereits im einzelnen formulieren. Es reicht aus, wenn der Gegenstand, über den in dem Beschlussverfahren eine Klärung herbeigeführt werden soll, und das angestrebte Ergebnis bezeichnet sind (BAG vom 29.04.2004, 1 ABR 30/02, AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Durchführung). Im vorliegenden Fall ging es ersichtlich dem Betriebsrat darum, gegenüber der Arbeitgeberin die Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG durchzusetzen. Dies konnte, wenn der außergerichtliche Weg erfolglos blieb und die Arbeitgeberin bei der einseitigen Anordnung der Arbeitszeitveränderung blieb, nur auf gerichtlichem Wege und hier nur durch einstweilige Verfügung bewerkstelligt werden.

Das Arbeitsgericht hat daher richtigerweise die Einwände der Arbeitgeberin gegen einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zurückgewiesen.

2. In der Sache erneuert die Arbeitgeberin in der Beschwerde ihre Auffassung, dass der Betriebsrat rechtsmissbräuchlich die Erteilung seiner Zustimmung zur Veränderung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit von "Vergünstigungen", nämlich entgeltwerten Gegenleistungen der Arbeitgeberin abhängig gemacht habe. Die Einwände der Arbeitgeberin schlagen nicht durch. Das Arbeitsgericht hat eingehend und zutreffend abgehandelt, dass die Arbeitgeberin nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unter dem Aspekt des "unzulässigen Koppelungsgeschäfts" übergehen durfte.

a) § 87 BetrVG enthält weder einen Katalog zulässiger Zustimmungsverweigerungsgründe noch überhaupt einen Begründungszwang oder eine Zustimmungsfiktion. Will der Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme durchführen, bedarf er der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats oder eines zustimmungsersetzenden Spruchs der Einigungsstelle (§ 87 Abs. 2 BetrVG), die entweder "bei Bedarf" zu bilden ist oder "ständig" errichtet werden kann (§ 76 Abs. 1 BetrVG). Weder das Schweigen des Betriebsrats auf die ihm mitgeteilte Maßnahme noch seine "grundlose" Zustimmungsverweigerung machen die Anrufung der Einigungsstelle entbehrlich. Grundsätzlich ersetzt erst und nur der Spruch der Einigungsstelle die fehlende Einigung der Betriebspartner und erlaubt fortan dem Arbeitgeber die Durchführung der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit. Nach höchstrichterlicher Spruchpraxis lässt auch die Eilbedürftigkeit der Maßnahme das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht entfallen (BAG vom 02.03.1982, 1 ABR 74/79, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Die damit für den Arbeitgeber verbundenen Handlungseinschränkungen liegen im Rahmen des gesetzlichen Regelungsplans. Der Gesetzgeber hat sich nicht veranlasst gesehen, daran etwas zu ändern und etwa die Ausübung des Mitbestimmungsrechte nach dem Regelungsvorbild des § 99 BetrVG oder § 102 BetrVG zu reglementieren. Ist dies aber so, erledigt sich schon aus dem Grunde der Versuch, nach dem wie auch immer ermittelten Zweck des jeweiligen gesetzlichen Mitbestimmungstatbestandes zwischen der sachlich begründeten, der unbegründeten oder willkürlichen Nichterteilung der Zustimmung zu unterscheiden, und erst recht die daraus abgeleitete Folgerung, dass der Arbeitgeber bei einer gesetzeszweckwidrigen Versagung der Zustimmung die mitbestimmungspflichtige Maßnahme einseitig durchführen dürfe. Der Arbeitgeber ist gesetzlich auf eine Einigung mit dem Betriebsrat angewiesen. Zur Sicherung des nach § 87 Abs. 2 ArbGG vorgesehenen Verfahrens steht daher dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch grundsätzlich auch dann zu, wenn die Gründe, aus denen er die Zustimmung zu der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme versagt, als unzureichend, vorgeschoben oder abwegig erscheinen.

Mit ihrer gegenteiligen Auffassung nimmt die Arbeitgeberin eine unzulässige gesetzesübersteigende Interpretation vor. Einer Reduktion der im Rahmen des § 87 Abs. 1 BetrVG ausgeübten Mitbestimmung auf eine vom Zweck der jeweiligen Mitbestimmungstatbestände abgedeckte Zulässigkeit der Verweigerung steht entgegen, dass der Unterlassungsanspruch nicht die Qualität der ausgeübten Mitbestimmung, sondern die Einhaltung des Mitbestimmungsverfahrens durch den Arbeitgeber sichern soll und daher gegeben ist, wenn und solange der Arbeitgeber einseitig die mitbestimmungspflichtige Maßnahme vornimmt oder die Einleitung und Durchführung des Einigungs- und Einigungsstellenverfahrens (§ 87 Abs. 2 ArbGG) verzögert bzw. vereitelt. Ob der Betriebsrat, von der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme unterrichtet, geschwiegen oder "grundlos" die Zustimmung verweigert hat, ist unerheblich. Umgekehrt folgt aus der Natur des Unterlassungsanspruchs als Verfahrenssicherungsanspruchs die Obliegenheit des Betriebsrats, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren insbesondere an der Bildung der Einigungsstelle, auch damit diese ggf. eine vorläufige Regelung treffen kann, mitzuwirken und insoweit einer Eilbedürftigkeit der Mitbestimmungsangelegenheit besondere Rechnung zu tragen. Unzureichende Kooperation kann, weil der Unterlassungsanspruch kein Blockadeinstrument der Einigung der Betriebspartner sein soll, sich auf den Verfügungsgrund auswirken und zu dessen Wegfall führen, wenn der Arbeitgeber das Verfahren nach § 87 Abs. 2 BetrVG betreibt.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 18.02.2003, 1 ABR 17/02, AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung) begrenzt der Einwand des Rechtsmissbrauchs als allgemeine Schranke der Rechtsausübung subjektive Rechte ebenso wie Rechtsinstitute und Rechtsnormen. Daher kann in besonderen Ausnahmefällen die Berufung des Betriebrats darauf, dass der Arbeitgeber die gesetzliche Mitbestimmung nicht eingehalten habe, eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Eine unzulässige Rechtsausübung kann vorliegen, wenn der Betriebsrat sich aus Gründen, die offensichtlich keinerlei Bezug zu der beabsichtigten mitbestimmungspflichtigen Maßnahme aufweisen, einer Einigung widersetzt und die Einleitung und Durchführung des Einigungsstellungsverfahrens zu verzögern bzw. zu vereiteln versucht (vgl. auch BAG vom 19.06.2007, 2 AZR 58/06, AP Nr. 1 zu § 74 LPVG Brandenburg [zur Konstellation des gesetzlichen Begründungszwangs für die Zustimmungsverweigerung bei einer Kündigung]).

Wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, ist für das Verlangen des Betriebsrats, dass die zusätzliche Kompensation Vergütung versprechen solle, ein nachvollziehbarer Sachbezug gegeben (vgl. LAG Nürnberg vom 06.11.1990, NZA 1991, 281, Hess. LAG vom 13.10.2005 ArbuR 2007, 315, Schoof, AuR 07, 289, 294 f., DKK/Klebe, BetrVG, 10. Aufl., § 87 Rz. 9). Anders wäre es etwa, wenn der die "an sich" von ihm befürwortete Maßnahme mit offensichtlich sachfremden Begehren, etwa dem Verlangen nach eigenen persönlichen Vorteilen verknüpft hätte. Das ist nicht der Fall.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht in diesem Zusammenhang unentschieden gelassen, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 22, nach der die nach 20.00 Uhr geleistete Arbeitszeit mit einer Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto und einem Zuschlag von 20 % auszugleichen ist, dem Betriebsrat einen rechtlichen Regelungsspielraum für eine andere (höhere) Kompensation lässt. Denn es ist jedenfalls nicht als rechtsmissbräuchlich zu beanstanden, wenn der Betriebsrat als Annex zu der Arbeitszeitveränderung spätestens in der Einigungsstelle über die Höhe der Gegenleistung sprechen will (vgl. ErfK/Kania. 7. Aufl., vor § 74 BetrVG). Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 87 Rz. 423 ff.). Dies gilt jedenfalls im Hinblick darauf, dass der MTV-Einzelhandel NRW, der die Arbeitszeit nach 20.00 Uhr als Nachtarbeit definiert und deren Abgeltung mit einem 40 %igen Zuschlag nach Maßgabe des § 6 Abs. 3, § 7 Abs. 6 und 7 vorsieht, mangels Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin oder Allgemeinverbindlichkeit nicht anwendbar und daher nicht die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sperrt. Die GBV Nr. 22 v. 08.06.2007 regelt zwar die Gegenleistung für Arbeit nach 20.00 Uhr, dies - im Hinblick auf II Nr. 2 und mangels anderer Anhaltspunkte - auch unternehmensweit. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine überbetriebliche Angelegenheit i.S.v. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt. Eine hierüber hinausgehende Zuständigkeit für den im Juni 2007 betriebsratslosen E.er Betrieb hatte der Gesamtbetriebsrat nicht.

Zumindest besteht hinsichtlich der Ausgestaltung eines zu gewährenden Freizeitausgleichs ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, denn es geht dabei um die regelungsfähige und regelungsbedürftige Verteilung und Lage der Arbeitszeit (BAG vom 26.04.2005, 1 ABR 1/04, AP Nr. 118 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).

c) Nach der BAG-Rechtsprechung kann dem Betriebsrat im Falle der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte unabhängig von § 23 Abs. 3 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zustehen (BAG vom 28.02.2006, 1 ABR 4/05, AP Nr. 127 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, vgl. Vossen, GK-ArbGG § 85 Rz. 44, Beneke/Mix, ZBVR 04, 255 ff., jew. mwN.). Daher ist von der Vorinstanz auch zutreffend erkannt worden, dass dem Betriebsrat bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Unterlassungsanspruch zusteht, ohne dass dieser von den - allerdings ebenfalls gegebenen - Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG abhinge.

3. Das Arbeitsgericht hat ausgehend davon, dass bei der Befriedigungsverfügung der Verfügungsanspruch nicht den Verfügungsgrund indiziert (BAG vom 03.05.1994, 1 ABR 24/93, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972, Kammer-Beschluss vom 16.05.1990, NZA 1991, 29, LAG Hamm vom 08.10.2004, 10 TaBV 21/04, LAG Köln23.08.1996, 11 TaBV 53/96, Vossen, GK-ArbGG § 85 Rz. 56, a.A. LAG Baden-Württemberg vom 05.08.2005 AiB 2006, 38), die Notwendigkeit einer umfassenden Interessenabwägung unter Einbeziehung des Gewichts des drohenden Mitbestimmungsverstoßes und der Bedeutung der umstrittenen Maßnahme einerseits für die Arbeitgeberin und andererseits für die Belegschaft betont und hiernach zu Recht einen Verfügungsgrund angenommen.

a) Da die Arbeitgeberin nicht ausreichend entschuldigt hat, dass sie die Einigungsstelle nicht so rechtzeitig anrufen konnte, dass diese eine - zumindest vorläufige - Regelung über die veränderte Arbeitszeit in der (Vor-)Weihnachtszeit hätte treffen können, hat bei Erlass der Erlassungsverfügung ein Verfügungsgrund vorgelegen.

Die einseitige Veränderung der Arbeitszeit und Neuverteilung stellt einen Verstoß gegen die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar. Der Betriebsrat hat damit ein berechtigtes Interesse daran, dass der Arbeitgeber nicht durch die einseitig durchgeführte Maßnahme ein fait accompli schafft. Die Unterlassungsverfügung sichert daher die effiziente Ausübung des Mitbestimmungsrechts. Zu keinem anderen Befund führt die Berücksichtigung des Zwecks des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen (BAG vom 28.05.2002, 1 ABR 40/01, AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Die Mitbestimmung des Betriebsrats dient insoweit der gerechten Ausgestaltung der von der Arbeitgeberin angestrebten Veränderung und Verteilung unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer (vgl. § 5 Abs. 3 MTV-Einzelhandel NRW). Der Umstand, dass sich im E. er Betrieb genügend Arbeitnehmer finden, die bereit sind, freiwillig nach 20.00 Uhr eine weitere Stunde lang zu arbeiten, lässt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht entfallen, auch wenn das Einverständnis der betroffenen Mitarbeiter und die geringfügige Änderung der Arbeitszeit die für die Belegschaft drohenden Nachteile aus dem Mitbestimmungsverstoß relativieren. Allerdings hat auch die Arbeitgeberin wenig Substantielles dazu vorgetragen, welche betriebliche bzw. wirtschaftliche Bedeutung die verlängerten Ladenöffnungszeiten prognostisch für sie haben werden. Verständlich ist, dass die Arbeitgeberin im Hinblick auf die offenen Geschäfte in der Nachbarschaft und die Kaufhäuser ebenfalls an den fraglichen Tagen ihr Geschäft länger geöffnet halten will.

Versäumt - wie hier - der Arbeitgeber die rechtzeitige Einleitung des Einigungsstellenverfahrens, kann er im allgemeinen nicht erwarten, dass die Arbeitsgerichte seine mitbestimmungswidrig einseitige Durchführung der Maßnahme durch Zurückweisung des Unterlassungsantrages des Betriebsrats sanktionieren.

b) Die Dinge haben sich jedoch geändert, als die Arbeitgeberin am 04.12.2006 sich mit einer Einigungsstelle einverstanden erklärte. Ihr Vorschlag zur Person der Vorsitzenden und zur Besetzung mit zwei Beisitzern je Seite war der Sache nach angemessen, die Behandlung eilbedürftig. Der Betriebsrat hat der Kammer danach nicht vermitteln können, weshalb er sich erst am 10.12.2007 zu dem Vorschlag erklären konnte und dass es berechtigte Einwände gegen die vorgeschlagene Einigungsstellenvorsitzende geben und die Zahl der Beisitzer nicht ausreichend sein könnte. Angesichts der offenbaren Eilbedürftigkeit des Einigungsstellenverfahrens sowie des Umstandes, dass der - anwaltlich beratene - Betriebsrat selbst im Schreiben vom 21.11.2007 die Anrufung der Einigungsstelle angekündigt hatte, läuft die nach dem 04.12.2007 durch den Betriebsrat verzögerte Einberufung der Einigungsstelle dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) zuwider und führt dazu, dass der Mitbestimmungsverstoß keinen Verfügungsgrund mehr abzugeben vermag. Wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zur vorübergehenden Arbeitszeitveränderung mit der Verhandlung über die Gewährung von Vergünstigungen als Annexbedingung verknüpft, darf von ihm erwartet werden, dass er zügig an der Einleitung und Durchführung des angebotenen Einigungsstellenverfahrens mitwirkt. Die gerichtliche Unterlassungsverfügung muss dazu beitragen, dass die Betriebspartner sich einigen bzw. in das Einigungsstellenverfahren gehen und dort eine - zumindest vorläufige - Regelung getroffen wird. Indem sie in der vorliegenden Konstellation vonnöten ist, wenn und solange der Arbeitgeber sich dem Verfahren nach § 87 Abs. 2 BetrVG verweigert, bedarf es ihr nicht mehr, nachdem der Arbeitgeber die Einigungsstelle angerufen und der Betriebsrat nur zögerlich und unkonstruktiv reagiert hat.

C. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel statthaft.

Ende der Entscheidung

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