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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.04.2001
Aktenzeichen: 13 Sa 1804/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 618 | |
BGB § 619 |
Entgegenstehende Vereinbarungen sind gemäß § 619 BGB unwirksam. Die unabdingbaren Pflichten zu Schutzmaßnahmen gegen Gefahren für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers erstrecken sich auch auf Arbeitsschutzmaßnahmen, die aus hygienischen Gründen erforderlich sind.
Der Arbeitnehmer hat daher auch dann einen Anspruch auf Aufwendungsersatz für die Reinigungskosten, wenn die Arbeitskleidung ihm übereignet worden ist.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 13 Sa 1804/00
Verkündet am: 26.04.2001
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26.04.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Funke als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Murach und den ehrenamtlichen Richter Brandenstein
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 16.11.2000 -1 Ca 2221/00 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Aufwand für die Reinigung ihrer Berufskleidung zu ersetzen.
Die Klägerin ist Mitglied des Betriebsrats bei der Beklagten und seit 15.01.1993 bei ihr tätig. Sie arbeitet an der Fleisch- und Käsetheke.
Am 12.10.1998 schloss die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine "Gesamtbetriebsvereinbarung Berufs- bzw. Image-Kleidung".
Danach stellt die Beklagte allen Mitarbeitern "zum Zwecke eines einheitlichen Erscheinungsbildes der Märkte" Berufskleidung mit dem Logo des Unternehmens kostenlos zur Verfügung. Reinigung und Pflege dieser Kleidungsstücke ist Aufgabe der Mitarbeiter, die mit der ersten Wäsche Eigentum an den Kleidungsstücken erwerben sollen.
Am 20.12.1999 wurde der Klägerin Berufskleidung, bestehend aus fünf Schürzen und Arbeitskitteln, ausgehändigt. Mit Schreiben vom selben Tag wies die Klägerin darauf hin, dass sie nicht bereit sei, die Reinigungskosten für die Kleidung zu tragen. Aufgrund ihrer Tätigkeit muss die Klägerin allein schon aus hygienischen Gründen die Schürzen täglich und die Kittel alle zwei Tage wechseln.
Nach Erhalt der Berufskleidung brachte die Klägerin die Kleidungsstücke mehrfach zur Reinigung. In den ersten Monaten zahlte sie hierfür Reinigungskosten in Höhe von 54,30 DM.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 54,30 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Reinigungskosten für die der Klägerin zur Verfügung gestellte Berufskleidung zu tragen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung sei mit der ersten Reinigung das Eigentum an den Kitteln und Schürzen auf die Klägerin übergegangen. Schon aus diesem Grunde sei sie für Reinigung und Pflege der Kleidungsstücke selbst verantwortlich.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Berufung zugelassen. Gegen seine Entscheidung richtet sich die Zulässigkeitsrüge der Beklagten hinsichtlich des Feststellungsantrages.
Den Zahlungsanspruch hält die Beklagte für unbegründet, da die Parteien bereits bei der Einstellung eine vertragliche Absprache getroffen haben, dass der Klägerin von der Arbeitgeberin die Arbeitskleidung, insbesondere Kittel gestellt werden, sie die Reinigungskosten dafür jedoch selbst zu tragen habe. Diese Vereinbarung sei zwar nicht schriftliche fixiert worden, jedoch schon seit 1970 bei der Arbeitgeberin praktiziert worden und damit betriebliche Übung. Die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.10.1998 habe den bestehenden Rechtszustand lediglich festgeschrieben. Die Verpflichtung, einheitliche Berufskleidung zu tragen, sei auch nicht durch die Gesamtbetriebsvereinbarung eingeführt worden. Sie habe schon immer bestanden. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, mit der Gesamtbetriebsvereinbarung würde den Arbeitnehmern eine Kostentragungspflicht aufgebürdet, sei unrichtig. Die Klägerin habe auch einen Nutzungsvorteil, da sie die Arbeitskleidung bei häuslichen Arbeiten tragen könne, auch wenn diese mit dem Emblemen der Beklagten gekennzeichnet sei. Das sehe ja niemand. § 22 Abs. 3 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel NRW stehe nicht entgegen. Nach dieser Regelung übernehme der Arbeitgeber die Reinigung, wenn die Kleidung in seinem Eigentum stehe. Im Umkehrschluss seien die Reinigungskosten dann von der Arbeitnehmerin zu tragen, wenn sie das Eigentum erhalte.
Die Klägerin als Betriebsratsmitglied sei schon aus dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens gehindert, sich auf die angebliche Unwirksamkeit der Vereinbarung zu berufen, da sie an der Gesamtbetriebsvereinbarung mitgewirkt habe.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält den Standpunkt der Beklagten schon deshalb für unhaltbar, weil die Sehriftformklausei des Arbeitsvertrages mündliche Abänderungen und Nebenabreden ausschließe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Reinigungskosten für die zur Verfügung gestellte Berufskleidung zu tragen, steht außer Zweifel, da die getroffene Feststellung einer Vielzahl von zukünftigen Streitigkeiten zwischen den Parteien vorbeugt. Die vom Arbeitsgericht getroffen Feststellung ist daher aus dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit geboten.
Das Arbeitsgericht hat auch im Übrigen richtig entschieden.
Die Klägerin ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehalten, auf eigene Kosten ihre Berufskleidung zu reinigen. Vielmehr hat sie den von der Vorinstanz angenommenen Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 675, 670 BGB, soweit sie eigenes Vermögen im Interesse des Arbeitgebers einsetzt. Entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Klägerin Eigentümerin der Arbeitskleidung geworden ist. Die Beklagte kann gesetzliche Verpflichtungen und unternehmerische Lasten nicht durch Vertrag auf die Arbeitnehmer abwälzen. Der Beklagten kann auch nicht entgegengehalten werden, die Klägerin habe einen gebrauchswerten Vorteil, weil sie die mit dem Logo der Beklagten versehene Arbeitskleidung zu Hause tragen könne. Es mag sein, dass die Werbewirkung der im häuslichen Bereich getragenen Arbeitskleidung der Beklagten entfällt, andererseits ergibt sich für die Klägerin auch kein ins Gewicht fallender Gebrauchsvorteil. Zum einen ist das Tragen von Kitteln und Schürzen im häuslichen Bereich weitgehend außer Übung gekommen. Zum einen dürfte wohl niemand wegen eines minimalen Gebrauchsvorteils Wert darauf legen noch im häuslichen Bereich als Reklameträger für den Arbeitgeber zu fungieren.
Reinigungskosten von monatlich 54,30 DM sind zudem nicht unerheblich und resultieren, soweit ersichtlich, ausschließlich aus der beruflichen Nutzung der Arbeitskleidung.
Die Beklagte kann sich nicht auf eine betriebliche Übung berufen. Gesetzlichen Vorschriften entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam. Die dem Arbeitgeber nach den §§617, 618 BGB obliegenden Verpflichtungen können nicht durch Vertrag aufgehoben und beschränkt werden. Zu den nicht abwälzbaren Schutzpflichten aus § 618 BGB gehören auch Arbeitsschutzmaßnahmen, die dem Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Nr. 230 BGB, §618 Rdz. 17). Das Tragen der Schutzkleidung ist aus hygienischen Gründen vorgeschrieben. Demgemäß regelt §22 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel NRW, dass der Arbeitgeber die Kosten der Reinigung zu tragen hat. Mit Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung unwirksam ist, soweit sie gegen vorrangiges entgegenstehendes Recht verstößt. Tarifverträge regeln Mindestarbeitsbedingungen. Ihre Vorschriften gehen daher - soweit nicht erkennbar abdingbar gestaltet- betrieblichen Absprachen vor. Im Übrigen steht die tarifliche Regelung im Einklang mit unabdingbaren gesetzlichen Vorschriften.
Eine wirksame einzelvertragliche Vereinbarung, derzufolge die Klägerin die Reinigungskosten für die Arbeitskleidung selbst zu tragen hätte, besteht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält ein konstitutives Schriftformerfordernis für Änderungen und Ergänzungen.
Die Klägerin ist schließlich nicht aus dem Gesichtspunkt des § 242 BGB gehindert, ihren Anspruch durchzusetzen. Die entgegenstehende Auffassung der Berufung ist schon deshalb verfehlt, weil die Gesamtbetriebsvereinbarung ausdrücklich die gesetzlichen Bestimmungen und die Hygieneverordnungen bezüglich der Schutzkleidung keiner abändernden Vereinbarungen unterwerfen wollte (vgl. Ziffer 7 der Gesamtbetriebsvereinbarung, Bl. 20 d. A.). Die Beklagte selbst muss sich fragen lassen, ob sie nicht die Mitglieder des Betriebsrats über ihre wahren Ziele im Unklaren gelassen hat, da die Betriebsvereinbarung keineswegs expressis verbis eine Kostenübernahme für die Reinigung der Berufskleidung durch die Arbeitnehmer regelt, sondern lediglich die Bestimmung enthält, die Reinigung und Pflege der verschmutzten Kleidung erfolge durch die Mitarbeiterinnen selbst (Ziffer 6.2). Erst die zusätzliche Überlegung aus der Übereignung der Berufskleidung folge die Pflicht der Mitarbeiter, die Reinigungskosten zu tragen, eröffnet der Beklagten den Weg zu der angestrebten Kostenverlagerung.
Nach allem war wie geschehen mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zu erkennen.
Ein Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht. Insbesondere besteht keine Diskrepanz zu der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die eine geringfügige Kostenbeteiligung an den Kosten für die einem Maurer übereigneten Sicherheitsschuhe gebilligt hat. Insoweit besteht zumindest ein erheblich größerer Nutzungsvorteil für den Arbeitnehmer. Auch ist aus der Entscheidung nicht ersichtlich, dass die Schuhe mit Emblemen des Arbeitgebers versehen gewesen wären und damit diesem zugemutet worden wäre, unentgeltlich als Werbeträger zu fungieren.
Wegen der Möglichkeit und Voraussetzungen der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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