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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 13 Sa 1910/07
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte/VKA § 16
Medizinische Verantwortung allein für eigenes ärztliches Handeln erfüllt die Voraussetzungen der Entgeltgruppe III des § 16 TV-Ärzte/VKA nicht. Bei einer Tätigkeit im Bereich der Patientenbehandlung im engeren Sinn bedarf es grundsätzlich der Übertragung von medizinischer Verantwortung auch für fremdes fachärztliches Tun.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 Sa 1910/07

Verkündet am 24. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 24.04.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nübold als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Clemens und den ehrenamtlichen Richter Schauf

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 18.10.2007 - 1 Ca 2000/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin ist langjährig in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus angestellt. Sie ist Fachärztin für Anästhesiologie und verfügt über die Zusatzbezeichnungen spezielle Schmerztherapie, Chirotherapie/Manuelle Medizin sowie Naturheilverfahren. Seit mindestens August 2006 ist sie Mitglied des Marburger Bundes. Die Beklagte ist Mitglied in der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildete zuletzt der Arbeitsvertrag vom 19. September 2003, dessen § 2 wie folgt lautet:

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden bzw. ändernden Tarifverträgen.

Auf den Inhalt des Vertrages im Übrigen wird verwiesen.

Die Klägerin ist in der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie tätig. Deren Schmerzambulanz befindet sich in der zweiten, die Schmerzstation in der sechsten Etage. Die Schmerzambulanz besteht aus den drei Räumen Empfang, Untersuchungs- und Behandlungszimmer sowie Schmerzeingriffsraum. Der Klägerin obliegt die Bearbeitung von Erstvorstellungen in der Schmerzambulanz. Die Klägerin legt die Weiterbehandlung fest und erstellt die erforderlichen Therapiekonzepte. Sie betreut darüber hinaus Patienten, die mit neuromodulativen Verfahren behandelt werden. Sie wendet intrathekale Medikamente einschließlich der Funktionskontrolle der implantierten Medikamentenpumpen sowie deren Programmierung und Befüllung an. Sie ist verantwortlich für die Anpassung der Schmerztherapie. Außerdem betreut sie Patienten, denen SCS-Systeme zur Behandlung spezieller Erkrankungen implantiert wurden. Hier führt sie zudem Kontrolluntersuchungen und Neuprogrammierungen durch. Auch entscheidet sie über die Durchführung notwendiger operativer Verfahren wie z. B. Wechsel des Impulsgenerators, Revisionsoperationen bei Dysfunktion und Dyslokation der implantierten Elektroden. Weiterhin ist sie für die Festsetzung der Begleittherapie verantwortlich. Sie ist Ansprechpartnerin für die niedergelassenen Ärzte beispielsweise bei der Festlegung von Therapiekonzepten. Zudem obliegt ihr die Organisation der Arbeitsabläufe in der Schmerzambulanz und die Kontrolle des Belegungsplans für die Station. Sie arbeitet außerdem im Bereich der Schmerzstation mit. Auch unterstützt sie die Implementierung des Psychotherapie-Teams zum Aufbau einer multimedialen Schmerztherapie. Daneben leitet sie die wöchentlichen Teambesprechungen zwischen Schmerztherapeuten, Physio- und Psychotherapeuten und die Arbeitsgruppe manuelle Therapie. Zudem ist ihr die Organisation der interdisziplinären Schmerzkonferenzen übertragen. Darüber hinaus erbringt sie konziliarärztliche Tätigkeit und dabei die selbstständige eigenverantwortliche Beratung bei der Schmerzbehandlung durch Ärzte anderer Fachrichtungen einschließlich der Überprüfung. Im Regelfall einmal wöchentlich hat die Klägerin im Anschluss an ihren Dienst Bereitschaft. In diesem Rahmen trägt sie die organisatorische und medizinische Verantwortung als Hintergrunddienst für vier diensthabende Fach- und Assistenzärzte. Während dessen Abwesenheit vertritt die Klägerin den Oberarzt der Schmerzstation. Schließlich hat die Beklagte der Klägerin auch den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit übertragen. In den Außendarstellungen der Beklagten, beispielsweise im Internetauftritt, ist die Klägerin als "Oberärztin" aufgeführt.

Unter dem 17. August 2006 schloss der Marburger Bund rückwirkend ab dem 1. August 2006 mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände den "Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände" (im Folgenden: TV-Ärzte) sowie den "Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts" (im Folgenden: TVÜ-Ärzte). Im Hinblick auf die tarifliche Neuregelung erstellte der Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie auf Bitten der Beklagten ein Organigramm seiner Klinik. In diesem ist die Klägerin als Leiterin der Schmerzambulanz, ihr Kollege Dr. M. als Leiter der Station C6AS (Schmerztherapie) aufgeführt.

Die Beklagte vergütete die Klägerin zunächst nach Entgeltgruppe 2 Stufe 4 des TV-Ärzte.

Die Klägerin hat behauptet, der Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie habe ihr die medizinische Verantwortung für die Schmerzambulanz mit Wirkung ab dem 1. September 2005 übertragen. Sie hat die Auffassung vertreten, bei dieser handle es sich um einen selbstständigen Teilbereich im Tarifsinn. Die Tätigkeiten in der Schmerzambulanz übe sie überwiegend selbst aus. Einzelaufgaben würden Fach- und Assistenzärzten übertragen. Auch dann obliege jedoch ihr die medizinische Verantwortung. Sie sei Vorgesetzte der in der Schmerzambulanz tätigen Schreibkraft.

Nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung einer Höhergruppierung in Entgeltgruppe III, Stufe 2, mit Wirkung ab dem 1. August 2006 (bis 30. September 2006 in Stufe 1) im Dezember 2006 hat die Klägerin mit der Klage die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr Vergütung nach Entgeltgruppe III des TV-Ärzte zu zahlen und außerdem Zahlung der Differenzvergütung von August 2006 bis August 2007 verlangt.

Die Beklagte hat behauptet, die medizinische Verantwortung für den gesamten Bereich der Schmerztherapie einschließlich der Schmerzambulanz sei dem Oberarzt Dr. M. übertragen worden. Die Schmerzambulanz werde ausschließlich von der Klägerin und Herrn Dr. M. betrieben. Weiteres Personal sei der Schmerzambulanz nicht zugeordnet. Die Klägerin arbeite lediglich 10,5 Stunden wöchentlich in der Schmerzambulanz. Die Schreibkraft, welche die Termine der Schmerzambulanz organisiere, sei nicht dieser, sondern der Schmerztherapie organisatorisch zugeordnet.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dem Sachvortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass sie wie tariflich verlangt, zu mehr als 50 % ihrer Tätigkeit Aufgaben eines Oberarztes durchführe. Auch fehle es an einer ausdrücklichen Übertragung seitens der Beklagten.

Gegen das ihr am 29. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. November 2007 Berufung eingelegt und diese mit einem am 12. Dezember 2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie hat die Klage ergänzt um die Ansprüche bis einschließlich Februar 2008 sowie um Differenzvergütung, welche unter Berücksichtigung der begehrten Höhergruppierung aus den in der Zeit von August 2006 bis Februar 2008 abgeleisteten 621,53 Bereitschaftsdienststunden herrührt.

Sie trägt vor, die medizinische Verantwortung für die Schmerzambulanz obliege ihr während ihrer gesamten Arbeitszeit. Für die Leitung der Schmerzambulanz sei eine herausgehobene fachliche Qualifikationen erforderlich, welche weit über einen fachärztlichen Standard hinausgehe. Sie behauptet, sie sei regelmäßig in der Schmerzambulanz zu folgenden Zeiten tätig:

Montag 8:15 Uhr bis etwa 15:00 Uhr

Dienstag 8:15 Uhr bis etwa 15:00 Uhr

Mittwoch 8:45 Uhr bis etwa 14:00 Uhr

Donnerstag 10:00 Uhr bis etwa 15:00 Uhr

Freitag 8:15 Uhr bis etwa 12:30 Uhr

Die Aufstellung der Therapiepläne und die Erstellung der Arztbriefe eingerechnet entfalle damit ein Umfang von 25 Stunden in der Woche auf Tätigkeiten in der Schmerzambulanz. Weitere fünf Stunden wöchentlich sei sie in der stationären Schmerztherapie insbesondere konsiliarärztlich tätig. Etwa acht Stunden entfielen auf die Abwesenheitsvertretung des Leiters der stationären Schmerzstation. Ihre im Zusammenhang mit der Leitung der Schmerzkonferenzen anfallenden Aufgaben beliefen sich auf etwa vier bis acht Stunden im Monat. Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2008 hat die Klägerin ihre Tätigkeiten in einer aus ihrer Sicht exemplarischen Arbeitswoche geschildert. Danach ergibt sich aus ihrer Sicht, dass sie insgesamt 16,25 Stunden in der Funktion als Leiterin der Schmerzambulanz tätig war. Auf die Darstellung im Einzelnen wird verwiesen. Zur Übertragung der Leitung der Schmerzambulanz behauptet die Klägerin ergänzend, bereits der Vorgänger des jetzigen Chefarztes habe ihr im März 2005 diese Aufgabe übertragen. Außerdem behauptet sie, in der Schmerzambulanz seien weitere Fachärzte tätig.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.502,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB auf 400 € seit dem 1. September 2006, auf weitere 400 € seit dem 1. Oktober 2006, auf weitere 700 € seit dem 1. November 2006, auf weitere 700 € seit dem 1. Dezember 2006, auf weitere 700 € seit dem 1. Januar 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. Februar 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. März 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. April 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. Mai 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. Juni 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. Juli 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. August 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. September 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. Oktober 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. November 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. Dezember 2007, auf weitere 700 € seit dem 1. Januar 2008, auf weitere 700 € seit dem 1. Februar 2008, auf weitere 700 € seit dem 1. März 2008 sowie auf weitere 1.802,44 € seit dem 14. April 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Den bereits erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag haben die Parteien in der Berufungsverhandlung vom 24. April 2008 übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte mit Wirkung ab dem 1. März 2008 eine Höhergruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe III Stufe 2 vorgenommen hat. Die Gesellschaftsanteile der Beklagten, welche sich ursprünglich in städtischem Besitz befanden, sind Anfang 2008 mehrheitlich von einem privaten Träger übernommen worden.

In der Berufungsverhandlung vom 7. Februar 2008 hat die Beklagte erklärt, sie habe es stets den Chefärzten überlassen, darüber zu entscheiden, an wen sie die ihnen zustehende medizinische Verantwortung weitergäben.

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Begehren der Klägerin, von August 2006 bis Februar 2008 Vergütung auf der Basis der Entgeltgruppe III zu erhalten, ist unbegründet.

1.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Vergütungsgruppe liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beim Arbeitnehmer, der eine Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe begehrt (vgl. nur BAG 15. Februar 2006 - 4 AZR 645/04 - AP §§ 22, 23 BAT-O Nr. 32).

2.

Danach konnte die Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil nicht feststellen, dass die Klägerin zwischen August 2006 und Februar 2008 die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III des TV-Ärzte erfüllt hat.

Nach § 15 Abs. 2 TV-Ärzte ist erforderlich, dass zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Merkmale der begehrten Vergütungsgruppe erfüllen.

§ 16 des TV-Ärzte enthält folgende Regelung:

Ärztinnen und Ärzte werden wie folgt eingruppiert:

a) Entgeltgruppe I:

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit.

b) Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit.

Protokollerklärung zu Buchstabe b):

Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.

c) Entgeltgruppe III:

Oberärztin/Oberarzt

Protokollerklärung zu Buchstabe c):

Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

Nach Auffassung der Kammer lässt sich für die Frage, was der TV-Ärzte unter oberärztlicher medizinischer Verantwortung versteht, wesentliches aus dem Aufbau der Entgeltgruppen entnehmen. Grundsätzlich trägt nämlich jeder Arzt medizinische Verantwortung für sein eigenes ärztliches Handeln. Der Begriff "Arzt" knüpft an die Bundesärzteordnung an und bezeichnet einen Arbeitnehmer mit ärztlicher Approbation. Mit der Bezeichnung "Facharzt" meinen die Tarifvertragsparteien laut Protokollerklärung einen Arzt, der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in seinem Fachgebiet tätig ist. Fachärzte sind weisungsbefugt gegenüber den Assistenzärzten wie auch dem Pflegepersonal, tragen also insoweit medizinische Verantwortung. Aus dem hierarchischen Aufbau der Entgeltgruppen folgt, dass die nach dem Tarifvertrag für eine Eingruppierung als Oberarzt erforderliche medizinische Verantwortung über diejenige hinausgehen muss, die jeder Facharzt hat. Aus Sicht der Kammer verlangt der Tarifvertrag im Bereich der durch Ärzte erbrachten Patientenbehandlung (also beispielsweise nicht im Laborbereich) deshalb, dass der Oberarzt medizinische Verantwortung für fremdes fachärztliches Tun trägt. In dem Teilbereich müssen daher andere Fachärzte tätig sein, für deren Tätigkeit der Arbeitgeber dem Oberarzt die medizinische Verantwortung übertragen hat.

Die Berufungskammer konnte auch auf der Grundlage des nach dem gerichtlichen Hinweisbeschluss ergänzten Klagevorbringens nicht feststellen, dass es sich bei der Schmerzambulanz um einen Teilbereich im Tarifsinn handelt, bei dem abgesehen von der qualifizierten fachärztlichen Tätigkeit der Klägerin medizinische Verantwortung anfällt, die die Klägerin bezogen auf anderweitige fachärztliche Tätigkeit zu tragen hat. Insoweit hat die Klägerin im Schriftsatz vom 9. April 2008 zwar behauptet, verschiedene Fachärzte seien unter ihrer Verantwortung in der Schmerzambulanz tätig bzw. tätig gewesen. Unstreitig waren diese jedoch der Schmerztherapie zugewiesen, von welcher die Klägerin selbst vorgetragen hat, dort trage Herr Dr. M. die medizinische Verantwortung. Indem die Klägerin behauptet, die genannten Fachärzte seien auf ihre Anordnung hin in der Schmerzambulanz tätig geworden, kann die Kammer keinen Sachverhalt feststellen, wonach die Beklagte ihr die medizinische Verantwortung für fremdes fachärztliches Tun übertragen hat.

Trotz der entsprechenden Begründung im angefochtenen Urteil und dem ergänzenden Auflagenbeschluss der Berufungskammer hat die Klägerin es darüber hinaus nicht vermocht, darzulegen, dass ihre behauptete Leitungstätigkeit in der Schmerzambulanz mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit ausmacht. In der ihrerseits als exemplarisch angesehenen Arbeitswoche kommt sie selbst lediglich auf 16,25 Stunden. Ihre Auffassung, Bereitschaftszeiten seien nicht mit einzuberechnen, findet in den tariflichen Regelungen keine Stütze. Vielmehr bestimmt § 12 TV-Ärzte ausdrücklich, dass Bereitschaftszeit zu näher festgelegten Sätzen als Arbeitszeit zu werten ist. Soweit sie an anderer Stelle pauschal einen Umfang von 25 Stunden in der Woche Tätigkeiten in der Schmerzambulanz behauptet, war dies einer gerichtlichen Feststellung nicht zugänglich. Im Übrigen lässt sich aus ihrem Vortrag nicht differenzieren, in welchem Anteil sie lediglich Verantwortung für ihr eigenes ärztliches Handeln trägt gegenüber dem Anteil, zu dem sie - wie sie behauptet - für das Handeln anderer in der Schmerzambulanz tätiger Fachärzte im Tarifsinn medizinisch verantwortlich ist. Der Kammer drängt sich auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der Eindruck auf, dass die Schmerzambulanz im Wesentlichen aus der Klägerin besteht, so dass ein hälftiger Anteil an Leitungstätigkeit nicht in Betracht kommt. Nach Auffassung der Kammer ist es mit der tariflichen Anforderung des Tragens medizinischer Verantwortung für einen Teilbereich nicht zu vereinbaren, dass die in dem fraglichen Bereich anfallende medizinische Verantwortung sich weitgehend allein auf das Handeln des Arztes selbst bezieht, mit anderen Worten die Klägerin letztlich nur ihr eigener Oberarzt wäre. Dabei stellt die Kammer nicht in Abrede, dass die Klägerin hoch qualifizierte Arbeit zu erbringen hat. Auf diese Art der Wertigkeit der Tätigkeit stellen die Tarifvertragsparteien jedoch nicht ab.

Soweit die Klägerin in anderen Abteilungen konziliarärztliche Tätigkeiten erbringt, fehlt es bereits daran, dass sie medizinische Verantwortung für einen selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich trägt. Die Klägerin hat nichts dazu vorgetragen und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass sie diese Tätigkeit innerhalb eines eigenständigen organisatorisch verselbstständigten Bereichs "Konsiliartätigkeit" erbringt. Vielmehr handelt es sich um Aufgaben innerhalb von Teil- und Funktionsbereichen, die von anderen Oberärzten geleitetet werden, wobei womöglich die Klägerin zwar für ihr eigenes Handeln, nicht jedoch für den fremden Bereich medizinisch verantwortlich ist.

Für die Tätigkeiten der Klägerin innerhalb der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, jedoch außerhalb der Schmerzambulanz war für die Kammer nicht feststellbar, dass ihr insofern medizinische Verantwortung seitens der Beklagten ausdrücklich übertragen worden ist. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, insoweit habe der Chefarzt - wie sich auch aus dem erstellten Organigramm ergibt - die medizinische Verantwortung anderen Oberärzten übertragen. Dass sie dem dort tätigen ärztlichen und nichtärztlichen Personal gegenüber weisungsbefugt ist, reicht nicht aus. Damit ist ihr nicht die medizinische Verantwortung im Tarifsinn für diesen Teilbereich übertragen. Entsprechendes gilt für die Abwesenheitsvertretung des Stationsoberarztes und den Bereitschaftsdienst.

Auch die Bezeichnung der Klägerin als Oberärztin im Arbeitsvertrag der Parteien aus dem Jahr 2003 verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass zu dieser Zeit die Bezeichnung als Oberarzt ohne jede Relevanz für die tarifliche Eingruppierung war. Entsprechend heißt es in der Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte:

Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31.07.2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als "Oberärztin/Oberarzt" nach § 16 TVÜ-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden.

Die klägerseits begehrte Eingruppierung folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin nach dem Gesellschafterwechsel nunmehr beklagtenseits nicht nur in Entgeltgruppe III, sondern direkt in deren Entgeltstufe 2 eingruppiert worden ist.

Zwar setzt dies tariflich voraus, dass die Klägerin bereits seit drei Jahren in der Funktion einer Oberärztin eingesetzt wird. Diese Widersprüchlichkeit führt aber nicht dazu, dass die Kammer die Eingruppierungsvoraussetzungen für den streitgegenständlichen Zeitraum entgegen dem im Übrigen feststellbaren Sachverhalt annehmen kann. Sie führt auch nicht zu einer Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast. Der Beklagtenvertreter hat in der Berufungsverhandlung insofern erklärt, es handle sich um eine Entscheidung des neuen Hauptgesellschafters ohne Rücksicht auf die Rechtslage. Eine derartige Höhergruppierung aus nahe liegenden Gründen, insbesondere zur Erhaltung eines guten Arbeitsklimas sowie der Motivation des Angestellten, ist durchaus plausibel, so dass es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, ein derartiges Verhalten zeige ein Arbeitgeber nur, wenn die Eingruppierungsvoraussetzungen tatsächlich gegeben sind.

Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, kann die Klägerin ihr Begehren auch nicht erfolgreich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Aus einer von der Kammer unterstellten falschen Eingruppierung eines Kollegen kann sie keine Rechte herleiten. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift nämlich nur bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, nicht hingegen beim bloßen Normenvollzug; ein Anspruch auf "Gleichbehandlung im Irrtum" besteht nicht (BAG 15. November 2006 - 10 AZR 736/05 - AP § 1 TVG Tarifverträge: Spielbanken Nr. 7; 2. August 2006 - 10 AZR 572/05 - EzA § 75 BetrVG 2001 Nr. 3; 26. April 2005 - 1 AZR 76/04 - NZA 2005, 892). An einem gestaltenden Verhalten der Beklagten fehlt es. Die Eingruppierung ist ein Akt der Rechtsanwendung. Dass die Beklagte zusätzlich zu den Tarifmerkmalen eine kollektive Ordnung geschaffen hat, nach welcher Fachärzte auch ohne Erfüllung der tariflichen Merkmale Vergütung nach der Entgeltgruppe III erhalten, und dass deren Merkmale auch die Klägerin erfüllt, hat diese nicht vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht bezogen auf die Zahlungsansprüche auf § 97 ZPO. Der Klägerin waren die Kosten auch insoweit aufzuerlegen, als die Parteien übereinstimmend die Erledigung der Hauptsache erklärt haben. Nach § 91 a ArbGG hatte die Kammer insoweit eine Entscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Nach den obigen Ausführungen war auch der übereinstimmend für erledigt erklärte Feststellungsantrag von Anfang an unbegründet.

Die Kammer hat die Revision für die Klägerin wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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