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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 13 Sa 863/05
Rechtsgebiete: KSchG, TV Ratio


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 2
TV Ratio der Deutschen Telekom AG vom 29.06.2002
Stichwort: Versetzung zu Vivento; Verwirkung
1. Die Versetzung eines Arbeitnehmers der Deutschen Telekom AG in die "Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit Vivento" ist nicht auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts möglich. Dieses erlaubt nicht die Zuweisung einer Tätigkeit, die sich nicht - auch nicht im Sinne eines Annexes - als Arbeitsleistung einordnen lässt. Insbesondere kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht per Direktionsrecht verpflichten, an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitzuwirken.

2. Zu den Folgen eines erklärten Vorbehalts auf den Eintritt der Verwirkung.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 Sa 863/05

Verkündet am 21. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21.12.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nübold als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Rieger und den ehrenamtlichen Richter Kemmerlings

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. April 2005 - 7 Ca 9530/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Der Kläger war seit September 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zuletzt in der Zentrale der T-Com in E. als Softwareentwickler gegen ein Bruttomonatsgehalt von ca. 3.800,- € angestellt.

Die Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet der Arbeitsvertrag vom 27. August 1981, in welchem es u. a. heißt, die bei der Deutschen Bundespost (der Rechtsvorgängerin der Beklagten) abgeschlossenen Tarifverträge gälten in ihrer jeweiligen Fassung als vereinbart. Auf dieser Grundlage wenden die Parteien unstreitig die Haustarifverträge der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis an.

Aufgrund einer Sonderregelung zum Manteltarifvertrag (MTV) der Beklagten genießt der Kläger bereits seit Vollendung seines 41. Lebensjahres den besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer gem. § 26 MTV (Bl. 238 f. der Akte).

Die Beklagte sieht sich aufgrund der Marktsituation zu Effizienzsteigerungen gezwungen. Im Jahr 2003 entschloss sie sich im Rahmen einer Reorganisation der T-Com Zentrale, die zuletzt unter anderem vom Kläger durchgeführten Programmieraufgaben mit Wirkung zum 1. November 2003 auf das ebenfalls zum Konzern gehörende Unternehmen T-Nova zu übertragen. Über die Reorganisation vereinbarte sie unter dem 1. August 2003 mit dem zuständigen Betriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 207 ff. der Akte), der auf die Rahmenregelungen zur Umsetzung von Organisationsvorhaben (Bl. 212 ff. der Akte) Bezug nahm. Das auf der Grundlage der Rahmenregelungen gebildete, paritätisch besetzte Umsetzungsteam stellte fest, dass der Arbeitsplatz des Klägers sowie der auf gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten drei weiteren Arbeitnehmer durch die Neuorganisation iS einer Vollbetroffenheit nach § 3 Abs. 2 TV Ratio wegfalle. Im Juni/Juli 2003 wurde dem Kläger erfolglos ein Aufhebungsvertrag verbunden mit einem Arbeitsvertrag bei dem Unternehmen T-Nova angeboten.

Nach am 23. Oktober 2003 erklärter Zustimmung des Betriebsrats (Bl. 230 der Akte) versetzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 29. Oktober 2003, welches er - wie die Parteien zuletzt unstreitig gestellt haben - am 31. Oktober 2003 erhielt, aus "betrieblichen Gründen von der T-Com Zentrale zu Vivento". In dem Schreiben heißt es weiter, der Kläger sei im Rahmen eines Clearingverfahrens nach Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung ausgewählt worden. Auf den Inhalt des Schreibens (Bl. 19 f. der Akte) wird ausdrücklich Bezug genommen. Bei "Vivento" handelt es sich um eine rechtlich unselbstständige Organisationseinheit der Beklagten mit eigener Geschäftsführung und eigenem Betriebsrat. Sie dient der Weitervermittlung von Arbeitnehmern auf andere Arbeitsplätze im Unternehmen der Beklagten sowie auch der Möglichkeit einer Beschäftigung des Klägers bei anderen juristischen Personen als der Beklagten. Bis zu einer Beschäftigung auf einen Dauerarbeitsplatz wird versucht, den versetzten Arbeitnehmern temporäre Beschäftigungen auch bei anderen juristischen Personen als der Beklagten zuzuweisen.

Die Grundlage von "Vivento" bildet der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (nachfolgend TV Ratio) vom 29. Juni 2002. Dieser greift bei Änderungen der Aufbauorganisation, Änderungen der Ablauforganisation, Maßnahmen zur Nutzung des technischen Fortschritts sowie anderen personalwirtschaftlichen Maßnahmen, soweit dadurch der Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird. Der mittels eines tarifvertraglich geregelten Verfahrens als betroffen identifizierte Arbeitnehmer wird in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit Vivento versetzt. Betriebsbedingte Kündigungen waren zunächst bis 31. Dezember 2004 (zwischenzeitlich verlängert bis Ende 2008) ausgeschlossen. Vivento erstellt die für die Vermittlung auf einen dauerhaften Arbeitsplatz erforderlichen Qualifizierungsprogramme und führt die entsprechenden Maßnahmen durch. Bis zur Weitervermittlung auf einen dauerhaften Arbeitsplatz erfolgen vorübergehende Beschäftigungen, auch in Form der Zeit- beziehungsweise Leiharbeit im Sinne des AÜG innerhalb und außerhalb des Konzerns der Beklagten. Vivento ist nach dem Selbstverständnis der Beklagten als "Förderer und Forderer" zu versehen. Die Rolle des "Forderers" umfasst ua. das Einfordern der Pflichten der versetzten Mitarbeiter, insbesondere deren Eigeninitiative, ihre ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, ihre Kooperation bei konkreten Maßnahmen wie zum Beispiel Qualifizierung oder konkreten Jobangeboten.

Der TV Ratio in der im Zeitpunkt der Versetzung geltenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:

§ 3 Identifizierung ...

(2) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden, so sind alle auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer betroffen und werden in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit (Vivento) versetzt.

(3) Wenn im Falle des Abs. 1 und 2 innerhalb der Organisationseinheit andere gleiche Arbeitsplätze bestehen, die nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 betroffen sind, so können die darauf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen werden. Die erforderlich werdende Auswahl (Identifizierung) richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

...

Protokollnotiz:

Bei der nach den Abs. 3 und 4 vorzunehmenden Auswahlentscheidung handelt es sich nicht um eine soziale Auswahl i.S.d. § 1 KSchG.

...

§ 5 Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit (Vivento)

(1) Der nach den §§ 3 und 4 identifizierte Arbeitnehmer wird in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit (Vivento) versetzt. Diese Versetzung ist zumutbar und gleichwertig." ...

(3) Bis zur Weitervermittlung auf einen dauerhaften Arbeitsplatz erfolgen vorübergehende Beschäftigungen, auch in Form der Zeit- bzw. Leiharbeit i. S. d. AÜG, innerhalb und außerhalb des Konzerns Deutsche Telekom. Die Beschäftigungseinsätze in Leih- und Zeitarbeit erfolgen im Regelfall wohnortnah und/oder berufsbildbezogen. Die bei vorübergehenden Beschäftigungen hierbei jeweils auszuübende Tätigkeit ist für den Arbeitnehmer zumutbar und gleichwertig; Einschränkungen können sich lediglich aus den Absätzen 4 bis 7 ergeben."

...

§ 7 Gleichwertige und zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz

(1) Die deutsche Telekom AG ist verpflichtet, den nach den §§ 3 und 4 identifizierten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen anderen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb der Deutschen Telekom AG bzw. der Beteiligungsunternehmen nach Anlage 7 anzubieten (interne Vermittlung).

(2) Soweit dies nicht möglich ist, ist die Deutsche Telekom AG verpflichtet, dem betroffenen Arbeitnehmer einen anderen zumutbaren Dauerarbeitsplatz (interne Vermittlung) mit geringerer Bezahlung anzubieten. Davon betroffene Arbeitnehmer haben einen vorrangigen Anspruch auf unverzügliche Wiederverwendung auf einen gleichwertigen Dauerarbeitsplatz ... .

(3) Außerdem bietet die Deutsche Telekom AG diesen Arbeitnehmern auch zumutbare Dauerarbeitsplätze außerhalb der Deutschen Telekom AG bzw. der Beteiligungsunternehmen nach Anlage 7 an (externe Vermittlung).

(4) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, einen ihm angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz anzunehmen und sich ggf. einer Qualifizierungsmaßnahme zu unterziehen. Lehnt der Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme bei der Deutschen Telekom AG bzw. einem Beteiligungsunternehmen nach Anlage 7 ab, so verliert er die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag. Lehnt der Arbeitnehmer auch ein zweites zumutbares internes Vermittlungsangebot ab, so ist dies ein wichtiger Grund im Sinne des § 25 Abs. 4 und 26 MTV, der zu einer Kündigung führen kann. Lehnt der Arbeitnehmer ein zweites externes zumutbares Angebot ab, so verliert er die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag. Lehnt der Arbeitnehmer das dritte zumutbare externe Vermittlungsangebot ab, so ist dieses ein wichtiger Grund im Sinne des § 25 Abs. 4 und 26 MTV, der zu einer Kündigung führen kann. Derartige Einzelfälle sind einer von der Vivento festzulegenden Stelle mitzuteilen, die eine Regelung des Einzelfalls mit der Tarifvertragspartei oder einer von ihr bestimmten Stelle vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist herbeiführt.

...

§ 11 Betriebsbedingte Beendigungskündigungen

(1) In der Zeit vom 1. Oktober 1997 bis zum 31 Dezember 2004 scheiden aus Anlass von Maßnahmen im Sinne von § 1 betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus. Dies schließt jedoch Änderungskündigungen nicht aus.

(2) Der Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen gilt nicht für Arbeitnehmer,

...

b) die ein zumutbares Arbeitsplatzangebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme ablehnen.

Auf den vollständigen Inhalt des TV Ratio nebst seiner Anlagen in der Fassung vom 1. Oktober 2003 wird Bezug genommen (Bl. 179 ff. der Akte).

Mit Schreiben vom 17. November 2003 (Blatt 166 f. der Akte) wandte sich ein vom Kläger beauftragter Rechtsanwalt an die Beklagte. In dem Schreiben heißt es:

... nehmen wir Bezug auf Ihr an unseren Mandanten gerichtetes Schreiben vom 29. Oktober 2003.

Unser Mandant akzeptiert die Versetzung unter Vorbehalt und wird die ihm übertragenen Tätigkeiten durchführen.

Damit wir überprüfen können, ob die von ihnen vorgenommene Versetzung rechtmäßig ist, bitten wir kurzfristig zunächst um den Nachweis der ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrates.

In Ihrem Schreiben führen sie aus, der Betriebsrat sei beteiligt worden und habe der Versetzung zugestimmt.

Wir erbitten einen entsprechenden Nachweis.

Unter dem 19. November 2003 beantwortete die Beklagte das Schreiben unter Beifügung einer Kopie der schriftlichen Zustimmung des Betriebsrats. Auf den Inhalt des Schreibens im Übrigen (Blatt 168 der Akte) wird verwiesen.

Am 14. November 2003 erhielt der Kläger ein Angebot für eine zeitweilige Beschäftigung bei der Beklagten in C.. Unter Berücksichtigung persönlicher Umstände des Klägers trat er mit Duldung durch Vivento diese Beschäftigung nicht an. Im November 2003 bewarb sich der Kläger auf eine Stellenausschreibung beim Zollkriminalamt sowie auf eine Stellenausschreibung bei der Beklagten sowie im März 2004 auf ein Stellenangebot der Zollverwaltung in Düsseldorf. Die Bewerbungen blieben ohne Erfolg. Vom 1. April 2004 bis zum 30. April 2005 war der Kläger bei einem anderen Tochterunternehmen der Beklagten eingesetzt.

Mit seiner am 17. Dezember 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 6. Januar 2005 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Versetzung gewendet. Sie bedeute den ersten Schritt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er hat gerügt, die Beklagte habe ihn unter Verstoß gegen die Regeln der Sozialauswahl zur Versetzung ausgewählt. In seiner früheren Abteilung bei der Beklagten in der T-Com Zentrale seien nach wie vor Arbeitnehmer in Funktionen beschäftigt, welche er ebenfalls wahrnehmen könnte. Auch werde ihm durch die Versetzung zu Vivento der besondere tarifliche Kündigungsschutz entzogen. Es sei zudem im Rahmen tariflicher Regelungen nicht möglich, Arbeitnehmer zu zwingen, sich bei irgendwelchen Dritten zu bewerben. Die vom TV Ratio hingenommene mindestens teilweise Beschäftigungslosigkeit bei Vivento verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Eine Verwirkung seiner Rechte komme schon wegen des erklärten Vorbehalts nicht in Betracht. Er habe gehofft, einen neuen Arbeitsplatz finden zu können beziehungsweise von der Beklagten einen Dauerarbeitsplatz zu erhalten. Nach über 20 erfolglosen Bewerbungen halte er dies jedoch nun für aussichtslos. Im Übrigen habe ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Beklagten bereits deshalb nicht entstehen können, weil sie ihn - nach ihren eigenen Angaben - bezogen auf die Durchführung eines Clearing-Verfahrens fehlerhaft informiert habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die als Versetzung zu Vivento bezeichnete Maßnahme, welche ihm am 1. Dezember 2003 zuging, unwirksam ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Softwareentwickler/ Programmplaner in ihrer Niederlassung in Düsseldorf weiterzubeschäftigen,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 2

3. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, eine Bewerbungsmappe zu erstellen und sich um einen Arbeitsplatz zu bewerben, wiederum hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 3

4. die Beklagte zu verurteilen, ihm einen den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechenden Heimarbeitsplatz einzurichten sowie

5. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, Bewerbungsmappen und Bewerbungen für andere als die Beklagte zu erstellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, das Klagerecht des Klägers sei verwirkt. Nachdem der Kläger sich auf ihre Antwort vom 19. November 2003 hin zunächst nicht mehr gemeldet habe, sei sie davon ausgegangen, dass er mit der Versetzung einverstanden gewesen sei. Die Aussage im Versetzungsschreiben, es sei ein Clearingverfahren durchgeführt worden, beruhe auf einem Fehler bei der Erstellung des Schreibens. Als Transfermitarbeiter des Betriebes Vivento sei der Kläger zur aktiven Mitwirkung bei seiner Vermittlung auf einen Arbeitsplatz oder bei einer Qualifizierungsmaßnahme verpflichtet. Dazu zähle unter anderem auch das Fertigen von Bewerbungsmappen, die Vereinbarung bzw. Durchführung von Vorstellungsgesprächen oder eine Stellenrecherche.

Mit Urteil vom 25. April 2005 hat das Arbeitsgericht den Hauptanträgen stattgegeben. Es hat angenommen, der TV Ratio stelle keine wirksame Grundlage für eine Versetzung in den Bereich Vivento dar. Insoweit verstoße er gegen den im Kündigungsschutzgesetz geregelten Bestandsschutz. Dies gelte insbesondere, als der Tarifvertrag die Möglichkeit von Leiharbeit im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes einräume. Aufgrund der Unwirksamkeit der Versetzung sei die Beklagte verpflichtet, den Kläger an seinem alten Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen. Gesichtspunkte, die gegen die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung sprächen, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Das Klagerecht des Klägers sei auch nicht verwirkt. Die Beklagte habe kein entsprechendes Vertrauen bilden können, da der Kläger die Versetzung ausdrücklich nur unter Vorbehalt akzeptiert habe. Auch sei nicht erkennbar, welche konkreten Dispositionen die Beklagte vorgenommen oder unterlassen habe.

Gegen das ihr am 1. Juni 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 27. Juni 2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1. September 2005 mit einem am 31. August 2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt mit vertiefenden Ausführungen ihre Auffassung, das Klagerecht sei verwirkt. Der vom Kläger erklärte Vorbehalt habe mit zunehmendem Zeitablauf an Bedeutung verloren. Im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Versetzung habe sie langfristige Verträge mit Fremdfirmen abgeschlossen, welche nunmehr sämtliche Programmiertätigkeiten erledigten. Im Übrigen verstoße der TV Ratio nicht gegen höherrangiges Recht. Im Vergleich mit dem Zustand von Arbeitslosigkeit seien die mit der Versetzung zu Vivento verbundenen Umstände das deutlich kleinere Übel.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. April 2005 - 7 Ca 9530/04 - abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er verweist zudem darauf, dass sein Arbeitskollege K. unstreitig wieder in seiner früheren Abteilung und - nach Behauptung des Klägers - auf dem alten Arbeitsplatz beschäftigt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die streitgegenständliche Versetzung des Klägers zu Vivento ist unwirksam. Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer einerseits den Zugang des Versetzungsschreibens am 31. Oktober 2003 unstreitig gestellt haben, andererseits der Streitgegenstand trotz des insoweit fehlerhaften Datums im erstinstanzlichen Tenor hinreichend eindeutig beschrieben ist, hat die Kammer auf eine Anpassung der Formulierung verzichtet.

Die Beklagte hat den Kläger als Softwareentwickler/Programmplaner weiterzubeschäftigen.

1. Die Klage ist zulässig.

a)

Der Kläger greift die Versetzung gemäß dem Schreiben vom 29. Oktober 2003 an. Wie sich insbesondere auch an seinen Hilfsanträgen zeigt, wehrt er sich damit nicht nur dagegen, aus der T-Com Zentrale entfernt und der Vivento zugeordnet worden zu sein. Vielmehr begreift er zutreffend die Versetzung zu Vivento als eine einheitliche Maßnahme, durch welche die Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis der Parteien umfassend nach den Maßgaben des TV Ratio verändert werden sollen. Sein Begehren umfasst damit die Prüfung der Wirksamkeit der Gesamtheit der sich aus dem TV Ratio ergebenden Änderungen. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt daraus, dass die Parteien die Frage der Wirksamkeit unterschiedlich beurteilen und der Kläger - um sich vertragsgerecht verhalten zu können - bereits jetzt eine Klärung nur durch eine gerichtliche Entscheidung zu erlangen vermag.

b)

Das Klagerecht des Klägers ist nicht verwirkt.

Bei der Frage der Verwirkung von Rechten ist zwischen der Verwirkung der materiellen Rechtsstellung und der sogenannten Prozessverwirkung zu unterscheiden. Eine Prozessverwirkung liegt nur vor, wenn es dem Gegner aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht zumutbar ist, sich auf die Klage einzulassen (vgl. nur BAG 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 -). Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ist dies nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Tatsachen, die es der Beklagten unzumutbar machten, sich mit dem materiellen Begehren des Klägers in einem Rechtsstreit auseinanderzusetzen, hat diese nicht vorgetragen. Soweit sie sich darauf beruft, sie habe im Vertrauen darauf, der Kläger habe die Versetzung akzeptiert, langfristige Verträge abgeschlossen, ist dies ein allein ihre materielle Rechtsstellung betreffendes Argument. Die Beklagte verkennt zudem, dass es keineswegs vordringliche Aufgabe des Arbeitnehmers ist, bei einem Streit über die Wirksamkeit einer Versetzung die Gerichte für Arbeitssachen anzurufen. Die von der Beklagten angezogenen Urteile des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 26. April 2006 (- 3 AZR 185/05 und 372/05 -) rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Die Beklagte übersieht, dass diese Entscheidungen maßgeblich auf den Besonderheiten des Rechts der betrieblichen Altersversorgung beruhen.

2.

Das Feststellungsbegehren des Klägers ist begründet. Die Versetzung ist unwirksam, da es ihr an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehlt.

a)

Die Beklagte hat die Versetzung einseitig und ohne Ausspruch einer Änderungskündigung vorgenommen. Entgegen ihrer Ansicht ist sie jedoch nicht von ihrem Direktionsrecht gedeckt.

(1)

Unter dem Direktionsrecht versteht man gemeinhin das Recht des Arbeitgebers, in den Grenzen der gesetzlichen Vorschriften, des Kollektiv- und Einzelarbeitsvertragsrechts die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung nach Zeit, Ort und Art zu bestimmen (vgl. nur BAG 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - AP § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 61 = NZA 2001, 780).

(2)

Mit der streitgegenständlichen Versetzung verlangt die Beklagte vom Kläger Handlungen, die sich nicht mehr - auch nicht im Sinne eines Annexes - als Arbeitsleistung einordnen lassen.

Mit der Versetzung zu Vivento meint die Beklagte den Kläger verpflichten zu können, an der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mitzuwirken. Dies ergibt sich bereits aus der in § 7 Abs. 4 Satz 1 TV Ratio normierten Pflicht des Arbeitnehmers, einen ihm angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz anzunehmen und der auch bei externen Arbeitsplatzangeboten eintretenden Rechtsfolge, anderenfalls einen wichtigen Grund zur Kündigung zu liefern. Es entspricht im Übrigen auch der Rolle von Vivento als "Forderer", die ihr nach dem Selbstverständnis der Beklagten zukommt. Wie sich aus ihrer Auffassung ergibt, die Hilfsanträge seien unbegründet, hält die Beklagte den Kläger beispielsweise für verpflichtet, Bewerbungsmappen und Bewerbungen auch bezogen auf fremde Unternehmen zu erstellen. Die Argumentation der Beklagten, bei Vivento stehe nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern das Bemühen um eine dauerhafte Weiterbeschäftigung bei ihr im Raum, verfängt nicht. Hintergrund der Vereinbarung des TV Ratio ist nach der eigenen Darstellung der Beklagten ein betriebsbedingter Wegfall von 40.000 Arbeitsplätzen. Angesichts des massiven Personalabbaus ist nach der Versetzung zu Vivento auch der endgültige Verlust eines Arbeitsplatzes bei der Beklagten eine realistische, ernst zu nehmende Option. Handlungen, die allein darauf gerichtet sind, der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dienen, lassen sich auch bei großzügigem Maßstab nicht als Arbeitsleistung im Rechtssinn auslegen. Daran ändert auch ein eventuelles Rückkehrrecht des Arbeitnehmers nichts.

b)

Die beklagtenseits vorgenommene Versetzung ist auch nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil sie im Vergleich zu einer ansonsten auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung einen verhältnismäßig geringeren Eingriff darstellt. Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine entsprechende Rechtsfolge begründen kann. Denn jedenfalls hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger selbst wirksam hätte betriebsbedingt gekündigt werden können. Zwar mögen in der T-Com Zentrale Arbeitsplätze weggefallen sein. Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Kläger bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl nach den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes zur Kündigung angestanden hätte. Bei der "Identifizierung" des Klägers im Rahmen des TV Ratio hat die Beklagte die Auswahl auf "gleiche Arbeitsplätze" in der Abteilung begrenzt. Nach dem Kündigungsschutzgesetz hingegen wäre die Auswahl tätigkeits- und betriebsbezogen erfolgt.

c)

Selbst zugunsten der Beklagten unterstellt, die durch eine Versetzung nach Vivento begründeten Pflichten könnten grundsätzlich Gegenstand des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts sein, erweist sich die Versetzung als unwirksam. Es fehlt der Versetzung insoweit an einer Rechtsgrundlage.

(1)

Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine Regelung zu einem Versetzungsrecht der Beklagten. Ein Recht zu einer einseitigen Maßnahme, mit der die Beklagte die Pflichten des Klägers wie oben beschrieben ändern könnte, gibt er ihr auch nach eigener Auffassung nicht.

(2)

Eine tragfähige Grundlage für die Versetzungsmaßnahme folgt auch nicht aus den Bestimmungen des TV Ratio. Dieser verstößt gegen den auch tarifvertraglich nicht abdingbaren Kernbereich des Schutzes nach §§ 1 und 2 KSchG.

Mit dem Landesarbeitsgericht Köln (3. Mai 2006 - 7 (5) Sa 1584/05 -) ist die erkennende Kammer der Ansicht, dass dies bereits aufgrund des der Beklagten mit der Versetzung zu Vivento eingeräumten Rechts gilt, den Kläger "bis zur Weitervermittlung auf einen dauerhaften Arbeitsplatz ... vorübergehend ... auch in Form der Zeit- bzw. Leiharbeit i. S. d. AÜG" (§ 5 Abs. 3 TV Ratio) zu beschäftigen. Wie sich an den Regelungen des AÜG zeigt, stellt Leiharbeit grundsätzlich eine besonders schutzbedürftige Form der Tätigkeit dar. Bei der Arbeitnehmerüberlassung wird der Leiharbeitnehmer dem Direktionsrecht eines Dritten unterstellt. Eine derartige Auswechslung eines der wesentlichsten Rechte der Arbeitgeberstellung ist nur möglich, wenn diese Form der Arbeit vertraglich als zulässig vereinbart wurde. Der Ausnahmefall des § 1 Abs. 3 Satz 1 AÜG ist fraglos nicht gegeben.

Darüber hinaus folgt der Verstoß gegen den Bestands- und Inhaltsschutz des Kündigungsschutzgesetzes daraus, dass es ausdrücklich zum Ziel des TV Ratio gehört, den Arbeitnehmer notfalls auf Arbeitsplätze in anderen Unternehmen des Konzerns bzw. sogar auf externe Arbeitsplätze zu vermitteln.

Dabei verfängt die Argumentation der Beklagten nicht, die Versetzung sei nicht an kündigungsschutzrechtlichen Maßstäben zu messen, da mit ihr eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht einhergehe. Es handelt sich nämlich um eine Versetzung in einem Pseudobetrieb, in welchem dem Arbeitnehmer nur noch die Aufgabe der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zukommt. Die aufgrund des TV Ratio Vivento zugewiesenen Arbeitnehmer verrichten innerhalb des" Betriebs Vivento" keine Arbeitstätigkeit. Für sie sind bei Vivento keine Arbeitsplätze vorhanden. Ein Betrieb mit von Arbeitnehmern besetzten Arbeitsplätzen im Rechtssinne besteht bei Vivento nur insofern, als es um die Erfüllung der Vivento zugewiesenen Aufgaben geht. Arbeitnehmer in diesem Betrieb sind beispielsweise die mit der Qualifizierung und Vermittlung der sogenannten Transferkräfte betrauten Mitarbeiter der Beklagten. Die Transfermitarbeiter hingegen gehören nicht zu diesem Betrieb, sondern sind Gegenstand seines Zwecks. Wenn die Beklagte formuliert, "das Auswahlverfahren des TV Ratio ziele darauf ab, innerhalb des Betriebs Vivento einsatzfähige Einheiten zu schaffen" (S. 34 des Schriftsatzes vom 7. März 2005), geht dies an der Realität vorbei. Der Kläger ist nicht Akteur, sondern Gegenstand des Einsatzes von Vivento.

Die gesetzlichen Rechte auf die Durchführung einer Sozialauswahl gehen dem Kläger bereits mit der Versetzung verloren. Bei Vivento ist er nicht in einen Betrieb eingegliedert, auf den sich eine Sozialauswahl beziehen könnte. Im Übrigen befindet er sich nach der Versetzung nur noch unter Mitarbeitern, welche keinen Arbeitsplatz mehr innehaben.

Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf § 1 Abs. 4 KSchG beruft, verkennt sie, dass die Abweichung gegenüber dem Gesetz nicht darin besteht, welche sozialen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind und wie diese im Verhältnis zueinander zu bewerten sind. Vielmehr meint die Beklagte, die Auswahl gegen die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht betriebsbezogen treffen zu müssen, sondern hier im Fall des Klägers auf eine einzelne Abteilung beschränken zu dürfen. Auch beschränkt § 3 TV Ratio die Auswahlentscheidung auf "gleiche Arbeitsplätze". Die Beklagte selbst hat als Anlage 14 zum Schriftsatz vom 7. März 2005 (Bl. 225 f. der Akte) das Protokoll der Sitzung des Umsetzungsteams vom 12. August 2003 vorgelegt. Dort heißt es: "Der Grad der Solidarität aller Beschäftigten der Abteilung IP54 anstelle der Vollbetroffenheit ein Clearing über die ganze Abteilung durchzuführen, konnte aufgrund der Urlaubszeit nicht ermittelt werden." Es liegt deshalb auf der Hand, dass Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit, welche der Kläger hätte ausfüllen können, im Betrieb der T-Com Zentrale verblieben sind. Im Übrigen stellt die "Identifizierung" nach § 3 Abs. 3 und 4 TV Ratio ausdrücklich keine Sozialauswahl im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes dar.

Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es der Versetzung nicht bereits deshalb an kündigungsrechtlicher Relevanz, weil sie "von Arbeit in Arbeit" erfolge. Bei Vivento selbst hat der Kläger wie dargelegt keine Arbeitsleistung im Rechtssinn zu erbringen. Soweit die Maßnahme unter anderem auch darauf zielt, den Kläger auf einen Arbeitsplatz bei einem anderen Konzernunternehmen oder sogar außerhalb des Konzerns zu vermitteln, ist zwangsläufig Voraussetzung die Aufhebung des kündigungsrechtlich geschützten Arbeitsverhältnisses der Parteien. Die Beklagte beruft sich selbst darauf, die Versetzung zu Vivento sei zulässig, weil sie gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung das mildere Mittel sei. Sie verhält sich damit widersprüchlich, wenn sie dennoch bei der Auswahl des zur Versetzung anstehenden Arbeitnehmers Maßstäbe angelegt, die von den zwingenden Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes abweichen.

Hingegen vermochte die Kammer sich nicht der beklagtenseits vorgelegten Rechtsprechung zum TV Ratio anzuschließen. Soweit das Landesarbeitsgericht Brandenburg (3. Mai 2005 - 2 Sa 702/04 -) die Auffassung vertritt, es liege kein Eingriff in den gesetzlichen Kündigungsschutz vor, da das Gesetz anwendbar bleibe, wird eine solch formale Betrachtung nach Ansicht der Kammer den tatsächlichen Folgen der Versetzung nicht gerecht. Es erscheint der erkennenden Kammer angesichts der oben dargelegten Unterschiede auch nicht überzeugend, wenn das Landesarbeitsgericht Brandenburg meint, das Clearingverfahren sei in der Sozialauswahl nachgebildet. Die Kammer vermochte sich auch nicht der Argumentation des Sächsischen Landesarbeitsgerichts in den Entscheidungen vom 1. März 2005 (- 7 Sa 362/04 und 363/04 -) anzuschließen, wonach die Regelung des § 125 InsO dafür spreche, im Vergleich mit den Betriebsparteien den Tarifvertragsparteien erst Recht einen großen Spielraum einzuräumen. § 125 InsO erlaubt den Betriebsparteien bezogen auf die hier maßgeblichen Fragen nämlich keine Abweichung vom gesetzlichen Kündigungsschutz. Im Übrigen ist die Beklagte unstreitig nicht insolvent.

Darauf, dass dem Kläger nach § 7 Abs. 4 TV Ratio sogar der Verlust seines besonderen tariflichen Kündigungsschutzes droht, wenn er der Änderung bzw. Aufhebung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses nicht zustimmt, kommt es deshalb nicht mehr an.

Die Kammer verkennt nicht, dass der TV Ratio vereinbart worden ist, um einen erforderlichen Stellenabbau möglichst sozialverträglich zu gestalten. Über die gesamte Arbeitnehmerschaft der Beklagten betrachtet, stellt er auch nach Auffassung der Kammer eine vorzugswürdige Alternative zu Massenentlassungen dar. Das Kündigungsschutzgesetz hat jedoch individualschützende Wirkung. Die dem Kläger hiernach zustehenden Rechte können nicht mittels einer auf die Gesamtbelegschaft bezogenen Argumentation eingeschränkt werden.

Die Versetzungsmaßnahme ist nicht etwa nur teilunwirksam. Da die Verpflichtung, sich um einen anderen Arbeitsplatz zu bemühen, den wesentlichen Kern der Versetzung ausmacht, verbleibt kein sinnvoll aufrechtzuerhaltender Inhalt.

d)

Das Recht des Klägers, sich auf die Unwirksamkeit der Versetzung zu berufen, ist nicht verwirkt.

Der Verwirkungseinwand als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB, dient dem Vertrauensschutz. Mit ihm wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Es müssen besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, welche es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig gewesen sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass sich der Verpflichtete darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 25. April 2001 - 5 AZR 497/99 - BAGE 97, 326 = AP Nr. 46 zu § 242 BGB Verwirkung = EzA § 242 BGB Verwirkung Nr. 1 = NZA 2001, 966).

Danach ist bereits das erforderliche Zeitmoment nicht erfüllt. Der Kläger hat schon binnen drei Wochen nach der Versetzung erklärt, dass er dieser nur unter Vorbehalt nachkomme. Dass sich der Vorbehalt auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bezog, musste die Beklagte bereits dadurch erkennen, dass im weiteren Text des Schreibens die Frage der Rechtmäßigkeit bezogen auf die Anhörung des Betriebsrats problematisiert wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Vorbehalt jedoch nicht auf die Frage der Betriebsratsanhörung begrenzt. In dem Schreiben vom 17. November 2003 wird nämlich ausdrücklich lediglich "zunächst" um Nachweis der Beteiligung des Betriebsrats gebeten. Erkennbar betrafen die Zweifel des Klägers damit noch wenigstens eine weitere Frage.

Der klägerseits erklärte Vorbehalt hat auch nicht mit der Zeit an Bedeutung verloren. Die entsprechende Argumentation der Beklagten ist bereits im Ansatz verfehlt. Sie verkennt, dass nicht etwa der Arbeitnehmer gezwungen ist, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Sieht sich ein Arbeitnehmer einer Maßnahme des Arbeitgebers ausgesetzt, welche er für unwirksam hält, geht sein Interesse in der Regel dahin, seine Rechte zu wahren, ohne den Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu riskieren. Er ist deshalb nicht verpflichtet, entweder die Arbeit zu verweigern oder eine Klage zu erheben. Ein Verfahren wie bei der Änderungskündigung nach § 2 KSchG sieht das Gesetz bezogen auf die Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber nicht vor. Ein vom Arbeitnehmer erklärter Vorbehalt kann deshalb wirksam auch außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens erklärt werden. Die Maßnahme der Beklagten ist rechtswidrig. Grundsätzlich kann der Kläger sich hierauf jederzeit berufen, auch ohne eine gerichtliche Klärung herbeigeführt zu haben. Fraglich ist nur, ob der Kläger durch sein Verhalten bei der Beklagten ein Vertrauen dahingehend bewirkt hat, dass er die Unwirksamkeit der Maßnahme nicht mehr geltend machen werde. Der Beklagten war bereits aufgrund der Vielzahl anderer Klageverfahren bekannt, dass Bedenken an der Rechtswirksamkeit der Versetzungen zu Vivento bestehen. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, wäre es auch deshalb an ihr gewesen, eine Klärung herbeizuführen, wenn sie die aufgrund des erklärten Vorbehalts eingetretene Ungewissheit nicht länger hinnehmen wollte. Es besteht kein Anlass dafür, der Beklagten Vertrauensschutz in dem Sinne zuzubilligen, dass der klägerseits erklärte Vorbehalt mit der Zeit an Bedeutung verliert. Es wäre für sie ein Leichtes gewesen, sich durch eine Rückfrage beim Kläger Klarheit zu verschaffen. Ihr Interesse an Rechtsklarheit bedarf deshalb nicht des Schutzes nach § 242 BGB.

Der Umstand, dass der Kläger bis zur Klageerhebung und darüber hinaus zunächst der Versetzung und den daraus folgenden Anforderungen nachgekommen ist, war nicht geeignet, bei der Beklagten den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe die Versetzung akzeptiert. Zu diesen Handlungen des Klägers musste die Beklagte nämlich den von ihm erklärten Vorbehalt hinzu denken. Einen Deutungsinhalt, er akzeptiere damit die Versetzung, konnte die Beklagte seinem Verhalten folglich nicht beimessen. Anders formuliert: Bereits mit dem Vorbehaltsschreiben hatte der Kläger angekündigt, die ihm durch die Versetzung übertragenen Aufgaben durchzuführen. Der bloßen Durchführung der Aufgaben konnte die Beklagte daher nicht entnehmen, der Kläger lasse seinen Vorbehalt fallen. Die Situation ist nicht anders zu bewerten als bei einem Arbeitnehmer, der einen ihm angebotenen zweiten befristeten Vertrag nur unter dem Vorbehalt annimmt, dass die erste Befristung wirksam ist. Wenn der Arbeitnehmer sodann auf der Grundlage des mit dem Vorbehalt versehenen zweiten Vertrages tätig ist, ist dieser Umstand nicht geeignet, den Vorbehalt infrage zu stellen. Die Auffassung der erkennenden Kammer stimmt insoweit mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Befristungskontrolle überein. Vor Inkrafttreten der Klagefrist des § 17 TzBfG hat das Bundesarbeitsgericht mehrfach entschieden, eine Erklärung, sich Schritte gegen eine Befristung vorzubehalten, verhindere den Eintritt der Verwirkung (vgl. BAG 7. März 1980 - 7 AZR 177/78 - DB 1980,1498; 24. Mai 1984 - 2 AZR 157/83 -nicht veröffentlicht; 9. Januar 1987 - 2 AZR 126/86 - nicht veröffentlicht).

Der Zeitablauf - hier zwischen der Versetzung und der Klageerhebung - allein ist nicht geeignet, das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment zu begründen (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. nur 28. Mai 1998 - 2 AZR 615/98 - NZA 1998, 1167 = DB 1998, 2168; 24. Mai 2006 - 7 AZR 365/05 -). Entgegen der Ansicht der Beklagten kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Beklagte den von ihr dargelegten Anlass für die Versetzung - nämlich die Übertragung der Aufgaben auf die Firma T-Nova - dem Kläger bereits vor dem Ausspruch der Versetzung bekannt gegeben hat. Erst mit der Versetzung hat die Beklagte den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses zu verändern versucht. Im Gegenteil war der Umstand, dass der Kläger im Rahmen der der Versetzung vorangegangenen Verhandlungen einen freiwilligen Wechsel zur T-Nova abgelehnt hatte, ein Indiz dafür, dass er eine Versetzung nicht widerspruchslos hinnehmen werde.

Darauf, dass die Beklagte den Kläger bezogen auf die Durchführung des Clearingverfahrens unstreitig fehlerhaft informiert hat, kommt es deshalb für die Frage der Verwirkung nicht mehr an.

3.

Auch das Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers ist begründet. Unstreitig hat die Beklagte einem Arbeitskollegen des Klägers im Rahmen eines Vergleichs vor dem Arbeitsgericht C. einen vergleichbaren Dauerarbeitsplatz zugewiesen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ihr dies bezogen auf den Kläger nicht möglich sein soll. Gegen die entsprechende Würdigung des Arbeitsgerichts hat die Beklagte im Berufungsrechtszug zudem keinerlei Einwände erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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