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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.11.2000
Aktenzeichen: 13 TaBV 23/00
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO
Vorschriften:
BetrVG § 76 | |
ZPO §§ 41 ff. |
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
Geschäftsnummer: 13 TaBV 23/00
Verkündet am: 02.11.2000
In dem Beschlussverfahren
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. jur. K.emper, Obere Saarlandstraße 2, 45470 Mülheim an der Ruhr hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Anhörung vom 02.11.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Funke als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Brandenberg und den ehrenamtlichen Richter Janssen
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2000 5 BV 149/99 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Betriebspartner streiten darüber, ob der Spruch der Einigungsstelle vom 13.10.1999 über die Abänderung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung wirksam ist.
Die Einigungsstelle hat über die Zustimmung zum Widerruf erteilter Versorgungszusagen und die Erteilung neuer Versorgungszusagen aufgrund eines neuen Verteilungsplanes entschieden. In der siebten Sitzung der Einigungsstelle hat der Gesamtbetriebsrat den Vorsitzenden wegen Befangenheit abgelehnt. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Ablehnungsantrag begründet war und die Begründetheit der Ablehnung im Rahmen der Anfechtung des Spruches geltend gemacht werden kann.
In der Sitzung der Einigungsstelle vom 13.10.1999 stellte der Vorsitzende den ihn betreffenden Ablehnungsantrag zur Abstimmung. Nachdem der Ablehnungsantrag im ersten Abstimmungsdurchgang keine Mehrheit fand, wurde eine weitere Abstimmung durchgeführt, in der der Vorsitzende für die Ablehnung des Antrages mitstimmte. Der vom Beteiligten zu 1 danach gestellte Antrag, das Verfahren der Einigungsstelle bis zur gerichtlichen Klärung der Befangenheit des Vorsitzenden auszusetzen, wurde ebenfalls, nachdem die Abstimmung im ersten Durchgang keine Mehrheit erbracht hatte, mit der Stimme des Vorsitzenden abschlägig entschieden. Der Beteiligte zu 1 beanstandet Verfahrensmängel und rügt Ermessensüberschreitung beim Spruch der Einigungsstelle.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat durch Beschluss vom 15.02.2000 festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle über die Abänderung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vom 13.10.1999 rechtsunwirksam ist. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Mitwirkung des Vorsitzenden der Einigungsstelle an der Abstimmung über den die eigene Person betreffenden Ablehnungsantrag sei in jedem Fall, auch in Eilfällen, rechtsfehlerhaft. Die Mitwirkung an der Abstimmung in eigener Sache verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und sei geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden hervorzurufen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 2 macht mit ihrer Beschwerde geltend, die arbeitsgerichtliche Entscheidung sei rechtsfehlerhaft. Entscheidend sei, dass sich in der ersten Abstimmung keine Mehrheit zugunsten des Ablehnungsgesuches ergeben habe. Die zweite unzulässige Abstimmung sei ein rechtliches Nullum gewesen. Die Teilnahme des Einigungsstellenvorsitzenden an der zweiten Abstimmung sei auch nicht der Anlass oder eine Begründung für den Befangenheitsantrag gewesen. Auf der Grundlage der Auffassung des Arbeitsgerichts müsse ein Befangenheitsgrund dadurch entstanden sein, dass sich der Vorsitzende an einer zweiten rechtlich irrelevanten Abstimmung beteiligt habe. Dies sei nur dann nachzuvollziehen, wenn diese zweite Abstimmung mit Beteiligung des Vorsitzenden etwas an dem weiteren Verfahren in der Einigungsstelle geändert hätte. Hinzu komme, dass die Betriebsratsseite selbst die Beteiligung des Vorsitzenden an der zweiten Abstimmung nicht im Sinne einer möglichen Befangenheit gewertet habe. Nach der Ablehnung des Aussetzungsantrages habe die Betriebsratsseite erklärt, sie halte das weitere Verfahren vor der Einigungsstelle für rechtsfehlerhaft und lasse sich nur unter diesem Vorbehalt auf die Fortsetzung des Verfahrens ein. Das könne nur heißen, dass die Arbeitnehmerseite das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt als rechtlich einwandfrei angesehen habe. Würde die Arbeitnehmerseite in der zweiten Abstimmung mit dem Vorsitzenden einen Anlass zur zusätzlichen Besorgnis der Befangenheit gesehen haben, so wäre ein zusätzlicher weiterer Antrag auf Besorgnis der Befangenheit notwendig gewesen, der nicht gestellt worden sei. Spekulationen des Arbeitsgerichts darüber, ob durch die Fortsetzung des Einigungsstellenverfahrens durch den Vorsitzenden nach Ablehnung des Befangenheitsantrages eine Besorgnis der Befangenheit zu sehen sei, seien verfehlt. Selbst ein Befangenheitsantrag führe nicht zwangsläufig dazu, dass das Einigungsstellenverfahren ausgesetzt werden müsse bis zur gerichtlichen Entscheidung über dessen Begründetheit. Die Ablehnung des Aussetzungsantrages durch die Einigungsstelle könne also kein Grund für die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden sein. Selbst wenn man aber aufgrund der BAG-Entscheidung vom 09.05.1995 der Rechtsauffassung sei, eine Aussetzung des Einigungsstellenverfahrens hätte erfolgen können, sei davon auszugehen, dass in eilbedürftigen Fällen eine Fortsetzung des laufenden Einigungsstellenverfahrens notwendig sei. Eine weitere Verzögerung des Spruchs der Einigungsstelle hätte dazu geführt, dass die Arbeitgeberbelastungen immer höher werden und damit das beabsichtigte Einsparpotential an Versorgungsmitteln sich verkleinerte.
Mitbestimmungsrechtlich relevante Ermessensfehler weise der Spruch der Einigungsstelle nicht auf. Mit dieser Frage habe sich im übrigen das Arbeitsgericht nicht befasst.
Die Beteiligte zu 2 stellt in der Beschwerdeinstanz den Antrag,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2000 5 BV 149/99 aufzuheben und den Antrag des Gesamtbetriebsrats zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
die gegnerische Beschwerde zurückzuweisen.
Er tritt den Ausführungen der Beschwerde entgegen und macht weitere Darlegungen zu der aus seiner Sicht begründeten Befangenheitsablehnung des Vorsitzenden. Ein weiteres Moment für die Befangenheit habe sich daraus ergeben, dass der Vorsitzende keine Gelegenheit zu Zwischenberatungen vor der Abstimmung gelassen habe und die Korrektur eines gegenteiligen Vermerks im Protokoll abgelehnt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 21.07.2000 (Bl. 140 ff. d. A.) Bezug genommen. Des Weiteren wird Bezug genommen auf die Erwiderung der Beteiligten zu 2 vom 30.08.2000 (Bl. 151 ff. d. A.).
II.
Die Beschwerde konnte keinen Erfolg haben.
Im Ergebnis zutreffend hat die Vorinstanz festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle aufgrund eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers unwirksam ist.
Entgegen abweichenden Autorenmeinungen kann sowohl der einvernehmlich als auch der gerichtlich bestellte Einigungsstellenvorsitzende wegen Befangenheit abgelehnt und in entsprechender Anwendung der §§ 42, 1032 ZPO abberufen werden, wenn seine Verhandlungsführung oder später bekannt gewordene Umstände dies rechtfertigen (vgl. BAG 09.05.1995, AP Nr. 2 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle; weitere Nachweise und zur abweichenden Auffassung Fundstellen bei Fitting-Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, 19. Aufl., § 76 Rdn. 21).
Die Einigungsstelle kann über die Begründetheit der Befangenheitsablehnung ihres Vorsitzenden selbst entscheiden, sofern Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, geltend gemacht werden und diese erst nach Eröffnung des Verfahrens aufgetreten sind. Bei Stimmengleichheit ist das Ablehnungsgesuch abgelehnt. In diesem Fall ist auf Antrag des in der Abstimmung unterlegenen Betriebspartners das Verfahren der Einigungsstelle zwingend auszusetzen und die Entscheidung des Arbeitsgerichts einzuholen. Ignoriert der Vorsitzende den Aussetzungsantrag oder nimmt er an der Abstimmung darüber selbst teil, liegt ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor, der im Anfechtungsverfahren vor Gericht geltend gemacht werden kann und zur Unwirksamkeit des Spruches der Einigungsstelle führt. Dies gilt auch dann, wenn zuvor die Mitglieder der Einigungsstelle allein abgestimmt haben und der Aussetzungsantrag bereits durch Stimmengleichheit abgelehnt war. Entgegen einer verbreiteten Meinung ist es mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar, den belasteten Betriebspartner hinsichtlich der Durchsetzung eines begründeten Ablehnungsgesuchs auf die Anfechtungsmöglichkeit im Zusammenhang mit dem Spruch der Einigungsstelle zu verweisen. Es ist auch weder durch die Interessen an einer frühzeitigen Rechtsklarheit noch an einer zügigen Erledigung des Streitfalles geboten, den Makel der Fehlerhaftigkeit des Einigungsstellenverfahrens das ganze Verfahren über ungeklärt mitführen zu müssen. Darüber hinaus wäre das gesamte Einigungsstellenverfahren neu aufzurollen, wenn die Zweifel an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden erst im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Überprüfung des Einigungsstellenspruches geltend gemacht werden könnten (so zutreffend: Nefft-Okker, Die Einigungsstelle im Betriebsverfassungsrecht, Rdn. 51; Germelmann/Mattes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 3. Aufl., § 98 Rdn. 30). Abweichende Auffassungen erweisen sich nicht als praktikabel (abzulehnen LAG Hamm, Beschluss vom 02.06.1992 13 TaBV 70/92 in BB 1992 Seite 1929; Pünnel/Isenhardt, Die Einigungsstelle des Betriebsverfassungsgesetzes 1972, Rdn. 102; demgegenüber Gaul, Die betriebliche Einigungsstelle, 2. Aufl., L I. Rdn. 12), der annimmt, über den vom Vorsitzenden zurückgewiesenen Vorwurf der Besorgnis der Befangenheit müsse in jeder Phase des Verfahrens das Arbeitsgericht entscheiden.
Da die Einigungsstelle kein neutraler Spruchkörper ist und die Befangenheit der Beisitzer vorgeplant ist" (so Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 232 II 2 c) und da ein Vertreter des abgelehnten Vorsitzenden nach § 45 ZPO nicht zur Verfügung steht, wird eine erfolgreiche Ablehnung des Vorsitzenden auch bei begründeter Veranlassung im Rahmen einer Beschlussfassung der Einigungsstelle in aller Regel nicht möglich sein. Aufgrund der Interessenpolarität wird dem Ablehnungsantrag eines Betriebspartners der andere in aller Regel widersprechen. Eine sachgerechte Entscheidung ist daher nur gewährleistet, wenn die Einigungsstelle für verpflichtet erachtet wird, einem Aussetzungsantrag des belasteten Betriebspartners zu entsprechen und die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Begründetheit der Befangenheitsablehnung einzuholen. Die Einigungsstelle könnte daher weder durch Stimmengleichheit ihrer Beisitzer noch durch die Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden die Entscheidung treffen, das Verfahren gegen den Willen des Beteiligten zu 1 fortzusetzen.
Die Beachtlichkeit des Aussetzungsantrages und das gefundene Ergebnis scheitern entgegen der Auffassung der Beteiligte zu 2 auch nicht an einer formell fehlerhaften Anbringung des Ablehnungsgesuches oder daran, dass weitere zunächst nicht thematisierte Ablehnungsgründe mit der Anfechtung des Spruches vorgebracht werden. Die in § 1037 Abs. 2 vorgeschriebene Schriftform für die Ablehnung eines Schiedsgerichts vor dessen Zusammentritt ist für das vorstehend in Rede stehende Ablehnungsgesuch nicht zu verlangen. Das wäre zum einen im Rahmen der Verhandlung der Einigungsstelle völlig unpraktikabel und zum anderen bestand hierfür angesichts des Verfahrens auch keine Gelegenheit.
Dem Beteiligten zu 1 kann es nach Überzeugung der Kammer nicht verwehrt werden, im vorliegenden Anfechtungsverfahren sämtliche Ablehnungsgründe geltend zu machen, auch soweit diese neu und in der Verhandlung der Einigungsstelle nicht zur Sprache gekommen sind. Der Beschwerdegegner kann mit solchen Gründen nicht präkludiert sein, da das Gericht im Anfechtungsverfahren alle möglichen Anfechtungsgründe zu überprüfen hat. Insofern ist auf die zutreffende Auffassung der Vorinstanz zu verweisen, dass die Mitwirkung des Vorsitzenden der Einigungsstelle an der Abstimmung über den die eigene Person betreffenden Ablehnungsantrag in jedem Fall rechtsfehlerhaft ist und als rechtsstaatswidrige richterliche Tätigkeit in eigener Sache aus der Sicht der Beschwerdegegnerin den Vorwurf der Befangenheit begründet erscheinen lässt, auch wenn es sich bei dem Abstimmungsvorgang um ein rechtlich irrelevantes Prozedere ohne Folgewirkungen handelte.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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