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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.12.2002
Aktenzeichen: 14 (4) Sa 1226/02
Rechtsgebiete: BUrlG idF ArbBeschFG 1996, TVAL II


Vorschriften:

BUrlG idF ArbBeschFG 1996 § 10 Abs. 1
TVAL II § 29
TVAL II § 33
§§ 29, 33 TVAL II in der ab dem 01.08.1997 geltenden Fassung standen einer Anrechnung von Tagen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Tarifurlaub nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 BUrlG in der vom 01.10.1996 bis 31.12.1998 geltenden Fassung nicht entgegen (im Anschluss an die Urteile des BAG vom 30.04.2002 - 9 AZR 434/98 - (demnächst AP Nr. 2 zu § 31 TVAL II), - 9 AZR 656/98 - n.v., - 9 AZR 657/98 - n.v.).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 14 (4) Sa 1226/02

Verkündet am: 06.12.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Sauerland als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Kühn und die ehrenamtliche Richterin Jait

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 23.04.1998 - 1 Ca 180/98 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Anrechnung von sechs Tagen einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf den Urlaub des Klägers.

Der Kläger ist seit April 1975 bei den britischen Stationierungsstreitkräften in Deutschland als Büroangestellter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Bestimmungen des Tarifvertrages für Arbeitnehmer bei den Stationierungskräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) anzuwenden.

In § 29 TVAL II in der ab dem 01.08.1997 geltenden Fassung ist unter der Überschrift "Krankenbezüge" u.a. bestimmt:

"1. Ist ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert, so hat er Anspruch auf

a) Entgeltfortzahlung gemäß Ziffer 2,

b) Krankengeldzuschuss gemäß Ziffer 3.

Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeldzuschuss entsteht nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten ist.

2. a) Der Arbeitnehmer behält für die Zeit, in der er wegen Arbeitsunfähigkeit an seiner Arbeitsleistung gehindert ist, den Anspruch auf Arbeitsentgelt bis zur Dauer von sechs Wochen.

b) Handelt es sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit, die der Arbeitnehmer sich in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei den Stationierungsstreitkräften desselben Entsendestaates zugezogen hat, so behält er den Anspruch auf Arbeitsentgelt abweichend von Abschnitt a) bis zur Dauer von zwölf Wochen.

c) Wird der Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von zwölf Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so hat er Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nur bis zur Dauer von insgesamt sechs - im Falle des Abschnitts b) zwölf - Wochen. War er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit jedoch mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig, so hat er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit wiederum Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bis zur Dauer von sechs - im Falle des Abschnitts b) zwölf Wochen.

d) Das Arbeitsentgelt im Sinne der Abschnitte a) bis c) ist der regelmäßige Arbeitsverdienst (§ 17). ...

3. a) Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung nach Ziffer 2 hat der Arbeitnehmer nach einer anrechenbaren Beschäftigungszeit (§ 8) von einem Jahr (Wartezeit) Anspruch auf Krankengeldzuschuss bis zu einer Dauer von höchstens zwölf Wochen.

b) Innerhalb eines Kalenderjahres wird der Krankengeldzuschuss längstens für die nach Abschnitt a) geltende Höchstdauer gezahlt.

c) (1) Der Krankengeldzuschuss entspricht dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder den entsprechenden Leistungen eines sonstigen Sozialleistungsträgers und dem Nettobetrag des regelmäßigen Arbeitsverdienstes (§ 17).

(2) In den ersten sechs Wochen des Anspruchszeitraums auf Krankengeldzuschuss erhöht sich der Zuschuss um einen Betrag in Höhe von 70 v. H. des nachgewiesenen Arbeitnehmeranteils an den auf das Krankengeld entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen.

(3) Arbeitnehmer, die nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, erhalten Krankengeldzuschuss in gleichem Umfang wie Versicherungspflichtige Arbeitnehmer.

d) Der Anspruch auf Zahlung des Krankengeldzuschusses endet mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis.

5. Die vorstehenden Bestimmungen geltend entsprechend für die Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation. Als Maßnahmen im Sinne dieser Ziffer geltend die in § 9 Entgeltfortzahlungsgesetz beschriebenen Maßnahmen."

Der Kläger befand sich vom 08.09. bis 29.09.1997 in einer von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Hierauf rechneten die britischen Stationierungsstreitkräfte mit Schreiben vom 07.10.1997 dem Kläger unter Hinweis auf § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 BUrlG in der vom 01.10.1996 bis 31.12.1998 geltenden Fassung sechs Urlaubstage an. Damit war der Kläger nicht einverstanden.

Mit seiner im Januar 1998 erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, der Anrechnung von "Kur-Tagen" stehe § 29 Abs. 5 TVAL II entgegen. Die Verpflichtung der britischen Stationierungsstreitkräfte, ihm für die Dauer einer bewilligten Kur die tariflichen Krankenbezüge fortzuzahlen, schließe eine Anrechnung auf den Urlaub aus.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm aus dem Jahr 1997 noch sechs Urlaubstage zu bewilligen, hilfsweise festzustellen, dass ihm für das Jahr 1997 noch sechs Urlaubstage zustehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit dem Hauptantrag durch Urteil vom 23.04.1998 stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, während der Kläger um deren Zurückweisung bittet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

I. Die zutreffend gegen die Beklagte als Prozessstandschafterin für den Entsendestaat gerichtete Leistungsklage (vgl. BAG, Urteil vom 15.05.1991, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, m.w.N.) ist entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts unbegründet. Die britischen Stationierungsstreitkräfte waren berechtigt, sechs Tage der Maßnahme der Rehabilitation auf den Urlaub des Klägers anzurechnen, so dass der geltend gemachte Urlaubsanspruch aus § 33 Abs. 1 a TVAL II insoweit erloschen ist. Ersatzansprüche für den erloschenen Urlaubsanspruch kommen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.

1. Rechtsgrundlage für die Anrechnungserklärung der britischen Stationierungsstreitkräfte war § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.1996 (BGBl. I S. 1476, künftig: BUrlG idF ArbBeschFG), das zum 01.10.1996 in Kraft getreten und durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843) mit Wirkung zum 31.12.1998 aufgehoben worden ist. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

"Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation

(1) Der Arbeitgeber ist berechtigt, von je fünf Tagen, an denen der Arbeitnehmer infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (§ 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes) an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, die ersten zwei Tage auf den Erholungsurlaub anzurechnen. Die angerechneten Tage gelten als Urlaubstage; insoweit besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Satz 1 gilt nicht

1. bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes,

2. für Maßnahmen, deren unmittelbarer Anschluß an eine Krankenhausbehandlung medizinisch notwendig ist (Anschlussrehabilitation); als unmittelbar gilt auch, wenn die Maßnahme innerhalb von 14 Tagen beginnt,

3. für Vorsorgekuren für Mütter nach § 24 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie für Müttergenesungskuren nach § 41 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,

4. für Kuren von Beschädigten nach § 11 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes.

(2) Durch Anrechnung nach Absatz 1 dürfen der gesetzliche Jahresurlaub nach § 3 Abs. 1, § 19 des Jugendarbeitsschutzgesetzes und den §§ 53, 54 des Seemannsgesetzes sowie der Zusatzurlaub nach § 47 des Schwerbehindertengesetzes nicht unterschritten werden.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken können gegen die Wirksamkeit von § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden.

Nach dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 03.04.2001 (- 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293) war die Vorschrift für die Dauer ihrer Geltung mit dem Grundgesetz vereinbar. Die dem Arbeitgeber eingeräumte Anrechnungsbefugnis griff zwar in die den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie ein. Die Regelung war aber durch die mit ihr verfolgten Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geeignet und verhältnismäßig. Das hat das Bundesverfassungsgericht für alle Gerichte verbindlich (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) festgestellt. Ist danach das Gesetz bereits für Tarifverträge wirksam, die zur Zeit des Inkrafttretens des ArbBeschFG zum 01.10.1996 bereits bestanden, so gilt dies erst recht für diejenigen Tarifverträge, die - wie die vorliegende Neufassung des TVAL II - erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen wurden. Diesbezüglich hatten es die Tarifvertragsparteien nämlich in der Hand, eine günstigere Bestimmung vorzusehen und die Anrechnung von Tagen einer medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers auszuschließen.

3. Die Anrechnungserklärung der britischen Stationierungsstreitkräfte erfüllt die gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

a) Die Anwendungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG sind erfüllt. Der Kläger hat an einer von einem Sozialversicherungsträger durchgeführten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation teilgenommen. Die britischen Stationierungsstreitkräfte haben nicht mehr als die jeweils ersten zwei Wochentage der insgesamt dreiwöchigen Rehabilitation angerechnet.

b) Es lag keiner der Ausschlusstatbestände des § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 4 BUrlG idF ArbBeschFG vor. Der Kläger war weder arbeitsunfähig erkrankt noch nahm er an einer der besonderen Rehabilitationsmaßnahmen teil, die eine Anrechnung nicht zulassen.

c) Der Tarifurlaub hatte eine Dauer von 30 Arbeitstagen (in der 5-Tage-Woche). Die Anrechnung der ersten zwei Wochentage der dreiwöchigen Rehabilitation auf sechs Urlaubstage hat den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen (§ 3 Abs. 1 BUrlG) nicht berührt.

d) Die britischen Stationierungsstreitkräfte haben auch von ihrer Berechtigung zur Anrechnung in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Sie haben gegenüber dem Kläger die Anrechnung erklärt. Diese Erklärung hat nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BUrlG idF ArbBeschFG bewirkt, dass die jeweils ersten zwei Tage der dreiwöchigen medizinischen Rehabilitation als Urlaubstage gelten. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte ihre Anrechnungserklärung erst abgegeben hat, nachdem der Kläger die Rehabilitationsmaßnahme bereits angetreten hatte. Zu § 10 Abs. 1 BUrlG idF ArbBeschFG hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass diese gesetzliche Regelung für die Anrechnungsbefugnis des Arbeitgebers keine zeitliche Begrenzung enthielt (vgl. z. B. Urteile vom 30.04.2002 - 9 AZR 434/98 - (demnächst AP Nr. 2 zu § 31 TVAL II), - 9 AZR 242/99 - (ZTR 2002, 593 ff.); Urteil vom 28.05.2002 - 9 AZR 430/99 - (demnächst AP Nr. 5 zu § 10 BUrlG Kur); Beschluss vom 18.07.2002 - 9 AZR 649/98 - n.v.).

4. Die Anrechnung war auch nicht tarifvertraglich ausgeschlossen.

a) § 10 BUrlG idF ArbBeschFG enthielt kein sogenanntes zweiseitig zwingendes Recht. Das ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, der von der Änderung des BUrlG nicht betroffen war. Die Tarifvertragsparteien konnten daher abweichend von der gesetzlichen Regelung des ArbBeschFG dem Arbeitgeber verbieten, Tage der Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf den Tarifurlaub anzurechnen. Ein solches Verbot ergibt sich indes weder aus der bis zum 31.07.1997 geltenden Fassung des TVAL II, wie das Bundesarbeitsgericht in Entscheidungen vom 30.04.2002 (- 9 AZR 434/98 - (demnächst AP Nr. 2 zu § 31 TVAL II), - 9 AZR 656/98 - n.v., - 9 AZR 657/98 - n.v.) bereits erkannt hat, noch aus der ab dem 01.08.1997 geltenden Neufassung.

b) Für die vergleichbaren Berechtigungen des Arbeitgebers zur Kürzung des Jahresurlaubs nach § 8 d MuSchG in der Fassung vom 25.01.1979 bei Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub sowie nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG bei Einberufung zum Grundwehrdienst hat das Bundesarbeitsgericht ein ausdrückliches tarifliches Verbot verlangt, wenn die Tarifvertragsparteien die Kürzung des Urlaubs ausschließen wollten (Urteil vom 15.02.1984, AP Nr. 1 zu §8 d MuSchG 1968; Urteil vom 14.01.1963, AP Nr. 2 zu §4 ArbPlSchG). Gleiches wird im Schrifttum für den Ausschluss der Anrechnungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG vertreten (Schwedes, BB 1996, Beilage 17 S. 2; Heise/Lessenich/Merten, Arbeitgeber 1997, 251; a. A. Buschmann, AuR 1996, 290; Giesen, RdA 1997, 193, 199). Wem zu folgen ist, kann offen bleiben. Auch wenn zu Gunsten des Klägers angenommen wird, der Ausschluss der Anrechnung könne sich aus dem Gesamtzusammenhang eines Tarifvertrages ergeben, verhilft ihm das nicht zum Erfolg. Mit der Änderung des § 10 BUrlG durch das BeschFG 1996 sollte in den über den Mindesturlaub des § 3 BUrlG hinausgehenden Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers eingegriffen werden. Die Arbeitgeber sollten, wie es einleitend in der Begründung des Gesetzesentwurfs heißt (BT-Drucksache 13/4612 S. 1), von "beschäftigungsfeindlichen" hohen Lohnzusatzkosten entlastet werden. Gegenstand der Anrechnung sollte nicht nur ein arbeitsvertraglich vereinbarter Mehrurlaub sein, sondern auch der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Tarifurlaub. Dem Zusammenhang eines Tarifvertrages lässt sich deshalb ein Anrechnungsverbot nur entnehmen, wenn hinreichend deutlich wird, dass die Tarifvertragsparteien eine Regelung treffen wollten, die dem gesetzlichen Eingriff entgegenwirken sollte. Auf einen solchen Willen kann nicht schon dann geschlossen werden, wenn die Urlaubsdauer oder die Bedingungen zur "Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Kuren" eigenständig ausgestaltet sind. Insbesondere aus einer tarifvertraglich festgelegten Dauer des Erholungsurlaubs oder aus Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation und Vorsorge lässt sich nicht ohne weiteren Anhalt herleiten, die Tarifvertragsparteien hätten auch einen gesetzlichen Eingriff in den Tarifurlaub abwehren oder ausschließen wollen, der darin besteht, den Arbeitgeber zu berechtigen, tarifliche Ansprüche durch Anrechnung anderer Leistungen zu mindern (vgl. BAG, Urteile vom 30.04.2002 und 28.05.2002, a.a.O.).

c) Aus dem für den Kläger geltenden Tarifrecht sind keine Anhalte für einen Ausschluss der Anrechnungsbefugnis zu entnehmen.

aa) § 33 TVAL II enthält lediglich Regeln über die Dauer des Urlaubs, seiner Berechnung und die Urlaubsvergütung. An sich wäre hier der Ort gewesen, wenn die Tarifvertragsparteien den ihnen zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses bekannten Eingriff in den Urlaubsanspruch durch § 10 BUrlG idF ArbBeschFG tatsächlich hätten ausschließen wollen. Darauf wird von der Beklagten zu Recht hingewiesen.

bb) Ein Anrechnungsverbot ergibt sich aber auch nicht im Zusammenhang mit den Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Rehabilitationsmaßnahmen nach § 29 Abs. 5 TVAL II. Die Vorschrift betrifft Höhe und Dauer der Entgeltfortzahlung bei den von einem Sozialversicherungsträger durchgeführten Kur-Maßnahmen. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit vorgesehen, dass die für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltenden Bestimmungen und damit auch die Regelungen zum Krankengeldzuschuss entsprechend heranzuziehen sind. Daraus ergibt sieht allein, dass die Tarifvertragsparteien Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation wie einen Fall der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und nicht als Urlaub behandeln wollten. Die Tarifvorschrift regelt nicht, wie sich dieser Anspruch zum Urlaubsanspruch verhält, insbesondere nicht, ob Tage der Arbeitsverhinderung wegen der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitation Urlaubsansprüche ersetzen oder vermindern können. Die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts zur bisherigen Fassung des TVAL II gelten hier ohne Einschränkung. Der Wortlaut der Neufassung, die das Ziel einheitlicher Bestimmungen für Arbeiter und Angestellte verfolgte, lässt eine abweichende Beurteilung nicht zu (vgl. BAG, Urteile vom 30.04.2002 - 9 AZR 434/98 - (demnächst AP Nr. 2 zu § 31 TVAL II),- 9 AZR 656/98 - n.v., - 9 AZR 657/98 - n.v.; - zu einer gleichgelagerten Fallgestaltung beim Tarifvertrag der Deutschen Bahn AG: BAG, Urteil vom 28.05.2002, a.a.O.).

II. Unterliegt damit der Hauptantrag der Abweisung, so gilt dies ebenso für den von dem Kläger gestellten Hilfsantrag, mit dem das Klagebegehren lediglich in prozessual anderer Form verfolgt wird.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Da das Bundesarbeitsgericht die Rechtsfrage eines Anrechnungsverbots für die Neufassung des TVAL II noch nicht entschieden hat, war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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