Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.01.2002
Aktenzeichen: 14 Sa 1339/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 611
Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann auch bei Sonderzahlungen des Arbeitgebers an Betriebsrentner entstehen (im Anschluss an BAG, Urteil vom 23.04.1963, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation, sowie BAG, Urteil vom 30.10.1984, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung; offen gelassen in BAG, Urteil vom 16.04.1997, AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 14 Sa 1339/01

Verkündet am: 18.01.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Sauerland als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Breuer und den ehrenamtlichen Richter Beumann für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 22.06.2001 oe 5 Ca 920/01 oe abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 127,82 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin als Betriebsrentnerin für das Jahr 2000 ein Weihnachtsgeld zusteht.

Die am 25.05.1932 geborene Klägerin war von 1957 bis 1993 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Rohstoffhandel GmbH, beschäftigt. Seit ihrem Ausscheiden bezieht die Klägerin eine Betriebsrente nach der Leistungsordnung A- des Essener Verbandes. Diese betrug zuletzt 853,56 DM brutto. Im Betrieb der Rohstoffhandel GmbH hatte die Mehrzahl der Arbeitnehmer eine Betriebsrentenzusage nach einer Pensionsordnung-, die in der Fassung vom 02.01.1990 pro Dienstjahr eine Rente von 5,-- DM vorsah. Besser verdienende Arbeitnehmer wie die Klägerin hatten dagegen eine Zusage nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes.

Schon seit mehreren Jahrzehnten zahlte die Rohstoffhandel GmbH an alle Betriebsrentner, unabhängig von der Höhe der jeweiligen Versorgung, am Ende des Jahres einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 250,-- DM brutto. In den Verdienstabrechnungen wurde der Betrag stets als Weihnachtsgeld bzw. Sonderzuwendung ausgewiesen. Ein besonderes Anschreiben oder eine Mitteilung an die Betriebsrentner erfolgte in diesem Zusammenhang nicht. Auch die Klägerin erhielt nach ihrem Ausscheiden jährlich diesen zusätzlichen Betrag.

Die Beklagte teilte der Klägerin dann im November 1999 in einem Schreiben Folgendes mit:

..mit Wirkung vom 01.01.1999 sind die Rohstoffhandel GmbH und die T. K. Stahl AG verschmolzen worden. Die aktive Belegschaft der Rohstoffhandel GmbH ist in diesem Zusammenhang gemäß § 613 a BGB auf die T. K. Stahl AG übergegangen.

Zum gleichen Zeitpunkt sind auch Sie oeals Pensionär bzw. Witwe eines Pensionäres der Rohstoffhandel GmbH oe in den Werksrenten- Bestand der T. K. Stahl AG übernommen worden. Bisher haben Sie im Dezember von der Rohstoffhandel GmbH freiwillig Weihnachtsgeld in Höhe von DM 250,-- für Rentner bzw. DM 150,-- für Witwen erhalten. Die Rentner der T. K. Stahl AG beziehen dieses Weihnachtsgeld bereits seit mehreren Jahren nicht mehr. Da wir Sie nicht besser stellen können als die übrigen Werksrentner müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir Ihnen diese Sonderzahlung aus Gründen der Gleichbehandlung nicht weiter gewähren können. Dennoch möchten wir Ihnen das Weihnachtsgeld auf freiwilliger Basis im Dezember 1999 noch einmal zahlen. Ab dem Jahr 2000 wird die Sonderzahlung dann entfallen.

Wir bitten um Verständnis für diese Entscheidung und wünschen Ihnen und Ihrer Familie eine schönes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr...-

Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung verpflichtet, an sie das Weihnachtsgeld von 250,-- DM (= 127,82 ) brutto auch für das Jahr 2000 zu zahlen. Das Arbeitsgericht Duisburg hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Berufung, die form und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung ist begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat die Klägerin aufgrund betrieblicher Übung gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Rohstoffhandel GmbH einen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2000 in Höhe von 127,82 brutto.

I. Die Klägerin kann sich auch als Betriebsrentnerin grundsätzlich auf eine betriebliche Übung als Anspruchsgrundlage stützen.

1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG, Urteil vom 12.01.1994, AP Nr. 43 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG, Urteil vom 06.09.1994, AP Nr. 45 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG, Urteil vom 28.02.1996, AP Nr. 192 zu § 611 BGB Gratifikation). Aus diesem als Willenserklärung zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf üblich gewordene Leistungen. Bei der Anspruchentstehung ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers ausschlaggebend, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen musste und durfte. Will der Arbeitgeber verhindern, dass aus der Stetigkeit eines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. In welcher Form dies geschieht, etwa durch Aushang oder Rundschreiben oder durch Erklärung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer ist nicht entscheidend. Erforderlich ist nur, dass der Vorbehalt klar und unmissverständlich kundgetan wird (BAG, Urteil vom 12.01.1994, a.a.O.). Ob aus einem wiederholten tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers eine betriebliche Übung mit Anspruch auf eine zukünftige Gewährung entsteht oder ob aus dem Verhalten des Arbeitgebers nur eine Vergünstigung für das jeweilige Jahr abzuleiten ist, ist in den Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 17.09,1970, AP Nr. 9 zu § 242 BGB betriebliche Übung; BAG, Urteil vom 12.01.1994, AP Nr. 43 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Auch ein Gratifikationsanspruch des Arbeitnehmers ist aufgrund betrieblicher Übung dann gegeben, wenn der Arbeitgeber eine Gratifikation wiederholt vorbehaltslos zahlt und hierdurch für die Arbeitnehmer ein Vertrauenstatbestand entsteht, der Arbeitgeber wolle sich diesbezüglich auch für die Zukunft binden. Ein derartiger Vertrauenstatbestand ist nach der Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen im Allgemeinen nach dreimaliger Zahlung anzunehmen, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen (vgl. BAG, Urteile vom 04.10.1956 und 17.04.1957, AP Nr. 4 und 5 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG, Urteil vom 23.04.1963, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG, Urteil vom 30.10.1984, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung; BAG, Urteil vom 28.02.1996, a.a.O.; Röhsler, AR-Blattei SD, Stichwort -Gratifikation- Rdnr. 58 ff.; Lipke/Vogt/Steinmeyer, Sonderleistungen im Arbeitsverhältnis, 2. Aufl. 1995, Rdnr. 58 f.) Der richterrechtlich gesetzte Maßstab macht deutlich, dass die Bindungswirkung der betrieblichen Übung ihren Ursprung nicht allein in der Vertragstheorie, sondern vor allem auch in dem Prinzip des Vertrauensschutzes hat. Im Hinblick auf die langjährige, im Arbeitsleben allgemein anerkannte Praxis kann bereits von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Rechtsinstituts der betrieblichen Übung gesprochen werden (vgl. ErfK/Preis, 2. Aufl., § 611 BGB Rdnr. 276 mit weiteren Nachweisen).

2. Entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Ansicht kommen die vorgenannten Grundsätze auch für das Ruhestandsverhältnis zur Anwendung. Das Entstehen eines Gratifikationsanspruches aufgrund betrieblicher Übung ist nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass sich die Empfänger der Leistung nicht mehr in einem aktiven Arbeitsverhältnis befunden haben.

a) Der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits in seiner Entscheidung vom 23.04.1963 (AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation) die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur betrieblichen Übung auch auf freiwillige (zusätzliche) Zahlungen des Arbeitgebers an Pensionäre angewandt. Er hat dazu ausgeführt, in einem wie in dem anderen Fall werde die Weihnachtszuwendung im Rahmen eines vertraglichen Rechtsverhältnisses gewährt, und es finde sich kein Grund, warum nicht unter auch im Übrigen entsprechenden Voraussetzungen Arbeitnehmer und Pensionäre aus dem gleichen Verhalten des Arbeitgebers die gleichen Schlüsse ziehen dürften. In beiden Fällen werde durch das Verhalten des Arbeitgebers ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu einer Bindung des Arbeitgebers führe. In seiner Entscheidung vom 30.10.1984 (AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung) hat der 3. Senat die bisherige Rechtsprechung in einem Fall, in dem der Arbeitgeber über eine längere Zeit an die Versorgungsberechtigten ein in der Versorgungsordnung nicht vorgesehenes 13. Ruhegehalt gezahlt hatte, fortgesetzt (vgl. auch BAG, Urteil vom 19.05.1981, AP Nr. 13 zu § 16 BetrAVG, unter II 2 der Gründe; zur betrieblichen Übung bei Anpassung von Renten an die Lohn- und Preisentwicklung: BAG, Urteil vom 03.12.1985, AP Nr. 18 zu § 16 BetrAVG). Das Schrifttum ist der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bis auf wenige Gegenstimmen gefolgt (vgl. Brox, SAE 1963, 212 f.; Isele in Anm. zu AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation; Beitzke, SAE 1986, 3 ff.; MünchArbR/Richardi, Bd. I 2. Aufl., § 13 Rdn. 22; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl., § 78 II 5; Höfer, BetrAVG, Bd. I, Stand August 2001, ART Rdnr. 56). Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat allerdings in einer Entscheidung vom 16.04.1997 (AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = EzA Nr. 39 zu § 242 BGB Betriebliche Übung) offen gelassen, ob sich der eine Weihnachtsgratifikation begehrende Kläger als Betriebsrentner überhaupt auf eine betriebliche Übung als Anspruchsgrundlage stützen könne, da diese Frage letztlich nicht entscheidungserheblich war.

b) Den von der Vorinstanz gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angeführten Erwägungen vermag die Berufungskammer nicht beizutreten. Die Besonderheiten eines Ruhestandsverhältnisses rechtfertigen es nicht, das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung bei Sonderzahlungen des Arbeitgebers an Pensionäre nicht oder nur eingeschränkt anzuwenden.

aa) Das Arbeitsgericht meint, dass insbesondere die unterschiedlichen Interessenlagen im aktiven Arbeitsverhältnis und im Ruhestandsverhältnis für eine differenziertere Rechtsanwendung sprächen.

Eine Leistung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Form von Entgeltaufbesserungen und sonstigen Vorteilen gewähre, stelle sich bei lebensnaher Betrachtung- regelmäßig als Leistungs- und Motivationsanreiz dar. Der Arbeitnehmer, der daraufhin seine Leistung entsprechend erbringe oder gar steigere, könne jedenfalls bei erkennbarer Regelmäßigkeit der Sonderleistungen davon ausgehen, dass diese nicht nach Gutdünken gewährt oder entzogen würden, sondern bindender Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden seien. Die Interessenlage im Ruhestandsverhältnis sei demgegenüber eine völlig andere. Der Betriebsrentner habe seine Arbeitsleistung bereits erbracht und könne somit nur das erwarten und beanspruchen, was ihm der Arbeitgeber schon seinerzeit im Rahmen der gesetzlich gesicherten Versorgungszusage versprochen habe. Mit der Gewährung einer in der Versorgungszusage nicht verabredeten Sonderleistung könne der ehemalige Arbeitgeber keine Einflussnahme im Sinne von Leistungs- und Motivationsanreizen mehr bezwecken wollen. Vom Empfängerhorizont des Pensionärs müsse klar sein, dass eine zusätzliche Annehmlichkeit oder ein Geschenk vorliege und damit eine Verpflichtung zur zukünftigen Leistungsgewährung nicht bestehe.

Weiterhin ist das Arbeitsgericht der Ansicht, dass auch nicht außer Acht gelassen werden könne, dass sich der Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung von einer einmal begründeten Leistungsverpflichtung nur ungleich schwerer wieder lösen könne als dies in einem aktiven Arbeitsverhältnis der Fall wäre. Auch dieser Unterschied zwischen einem aktiven Arbeitsverhältnis und einem Ruhestandsverhältnis sei bei der Bewertung des Arbeitgeberverhaltens zu berücksichtigen. Je gravierender die Rechtsfolgen für den Erklärenden seien, desto unwahrscheinlicher sei die Schlussfolgerung, der Erklärende wolle diese gleichwohl unausgesprochen nur durch schlüssiges Verhalten rechtsverbindlich herbeiführen statt durch ausdrücklich und exakt definierte und formulierte Vertragsabsprachen.

bb) Die Einwände der Vorinstanz gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vermögen die Berufungskammer nicht zu überzeugen.

Was die angesprochenen Leistungs- und Motivationsanreize betrifft, übersieht das Arbeitsgericht, dass Sonderzahlungen des Arbeitgebers im aktiven Arbeitsverhältnis unterschiedliche Zwecke zugrunde liegen können. Es ist dabei keineswegs ungewöhnlich, durch derartige Zahlungen ausschließlich oder jedenfalls in erster Linie bereits geleistete Arbeit oder Betriebstreue abzugelten. Zusätzliche Leistungen an Pensionäre erfolgen ebenfalls nicht in einem rechtsfreien Raum. Zwar ist dieser Empfängerkreis nicht mehr im aktiven Dienst tätig, steht also nicht unmittelbar im Betriebsgeschehen. Der Arbeitgeber gewährt Zuwendungen gleichwohl um der in der Vergangenheit erbrachten Dienste und Betriebstreue willen. Es ist daher nicht zwingend, Sonderzahlungen an Betriebsrentner von vornherein den Entgeltcharakter abzusprechen und sie als bloße Geschenke oder Annehmlichkeiten zu betrachten. Das zugrunde liegende Ruhestandsverhältnis steht vielmehr als Nachwirkung des Arbeitsverhältnisses mit diesem in so engem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang, dass eine unterschiedliche Wertung desselben Arbeitgeberverhaltens gegenüber den aktiven Arbeitnehmern einerseits und den Pensionären andererseits nicht gerechtfertigt wäre. Der hinter dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung stehende Gedanke des Vertrauensschutzes, den die in einer betrieblichen Ordnung Stehenden genießen, muss auch hier zur Geltung kommen. Gibt der Arbeitgeber durch mehrfache, regelmäßige vorbehaltslose Zuwendungen zu erkennen, dass er diese auch in Zukunft erbringen will, so dürfen auch Pensionäre als ehemalige Arbeitnehmer darauf vertrauen, unter gleichbleibenden tatsächlichen Voraussetzungen künftig Gleiches zu erhalten (so zutreffend Brox, a.a.O.).

Der vorgenannte Befund kann entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht mit dem Argument in Zweifel gezogen werden, dass sich der Arbeitgeber von einer gegenüber den Betriebsrentnern bestehenden Verpflichtung nicht in gleicher Weise lösen könne. Es ist zwar richtig, dass nicht mittels Änderungskündigung oder durch ablösende Betriebsvereinbarung in Ansprüche von Betriebsrentnern eingegriffen werden kann. Diese Eingriffsmöglichkeiten stehen dem Arbeitgeber nur im aktiven Arbeitsverhältnis zur Verfügung. Das rechtfertigt aber keine im Grundsatz abweichende Beurteilung des hier in Rede stehenden Arbeitgeberverhaltens. Zu bedenken ist zum einen, dass ein Pensionär besonders schutzwürdig ist, gerade weil seine Existenzgrundlage wesentlich von den Bezügen aus dem Ruhestandsverhältnis bestimmt wird. Jede Schmälerung dieser Existenzgrundlage trifft ihn besonders hart, weil er keine Dispositionsmöglichkeiten zum Ausgleich geringerer Einkünfte mehr hat, wie sie dem Arbeitnehmer durch einen Arbeitsplatzwechsel gegeben sind (vgl. Brox, a.a.O.). Zum anderen erscheint auch die vom Arbeitsgericht aus den Rechtsfolgen der Verpflichtung gegenüber Pensionären abgeleitete Auslegungsregel verfehlt. Denn die erschwerte Abänderungsmöglichkeit dürfte es dem Arbeitgeber im Einzelfall umso mehr nahe legen, bei Sonderzahlungen an Betriebsrentner die fehlende Bindungswirkung unmissverständlich deutlich zu machen.

II. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer betrieblichen Übung liegen im Streitfall vor.

1. Die Rohstoffhandel GmbH hat durch regelmäßige Wiederholung desselben Verhaltens bei den versorgungsberechtigten Arbeitnehmern und Betriebsrentnern den Eindruck erweckt, es bestehe eine dauerhafte Bindung. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat nach dem unstreitigen Sachverhalt ihren Pensionären über mehrere Jahrzehnte hinweg jeweils zum Ende eines Jahres ein Weihnachtsgeld bzw. eine Sonderzahlung in gleichbleibender Höhe gewährt, ohne diese Leistung mit einem Vorbehalt zu verbinden oder in anderer Weise kenntlich zu machen, dass die Leistung, sei es jederzeit oder aufgrund besonderer Umstände, widerrufbar sei. Es existieren insbesondere keine Ankündigungsschreiben oder sonstige Mitteilungen der Rohstoffhandel GmbH, aus denen geschlossen werden könnte, dass es sich nur um eine auf das jeweilige Kalenderjahr beschränkte Leistung handeln und eine Weitergewährung im billigen Ermessen des Arbeitgebers stehen solle. Die Rohstoffhandel GmbH hat in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass sie sich vorbehalte, jährlich über die Zahlung oder Nichtzahlung neu zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts begründet ein solches Verhalten des Arbeitgebers einen Rechtsanspruch auf die üblich gewordene Leistung. Unerheblich ist, dass die Sonderzuwendung sich aus der für die Klägerin maßgebenden Versorgungsordnung nicht ergab. Die Klägerin hatte keinen Anlass zu der Annahme, die Zahlung des Weihnachtsgeldes solle widerruflich sein, nur weil sie in der Versorgungsordnung A- des Essener Verbandes nicht erwähnt war. Die Rohstoffhandel GmbH hätte unschwer durch einen klaren Vorbehalt Erwartungen der Arbeitnehmer verhindern und damit eine Bindung für die Zukunft ausschließen können. Die Unverbindlichkeit ihres Verhaltens lässt sich nicht aus dem bloßen Schweigen der Ruhegeldordnung herleiten (vgl. BAG, Urteil vom 30.10.1984, a.a.O.).

2. Ein anderes rechtliches Ergebnis lässt sich entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht damit begründen, dass Zeitpunkt und Höhe der Zuwendung auf das Vorliegen eines Geschenkes- und damit auf das Fehlen eines Verpflichtungswillens hindeuteten.

a) Der Hinweis auf den Zeitpunkt der Zahlung führt schon deshalb nicht weiter, weil die aus Anlass und in zeitlichem Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest vom Arbeitgeber gezahlten Beträge im Arbeitsleben schon seit langem nicht mehr als bloße Wohltaten verstanden werden, die der Arbeitgeber beliebig einstellen könnte. Solche zusätzlichen Zahlungen werden vielfach als reguläres Einkommen erwartet und geleistet. Sie sind im öffentlichen Dienst und vielen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft durch tarifliche Regelungen für die Aktiven als Rechtsanspruch ausgestaltet. Von daher kann auch die Zahlung eines Weihnachtsgeldes an Pensionäre nicht als eine nur vom billigem Ermessen des Arbeitgebers abhängige und jederzeit widerrufliche Leistung betrachtet werden (vgl. BAG, Urteil vom 30.10.1984, a.a.O., unter II 2 der Gründe).

b) Auch wenn man die Höhe der jährlichen Zuwendung mit einbezieht, kann nicht zu Lasten der Klägerin von einer bloßen Annehmlichkeit seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgegangen werden. Es erscheint schon vom Grundsatz her außerordentlich problematisch, die rechtliche Einordnung davon abhängig zu machen, ob es sich um eine relativ geringen Betrag handelt, der den Lebensstandard des betroffenen Pensionärs nicht oder nicht wesentlich beeinflusst (vgl. dazu: Richard in Anm. zu EzA Nr. 39 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Die Kammer braucht diese Rechtsfrage hier nicht zu entscheiden. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Rohstoffhandel GmbH über mehrere Jahrzehnte hinweg bestimmte Festbeträge, unabhängig von der Höhe des jeweiligen Versorgungsanspruchs, an die Betriebsrentner bzw. deren Hinterbliebenen ausgezahlt hat. Für Versorgungsempfänger nach der Pensionsordnung waren dies - jedenfalls gemessen an den monatlichen Versorgungsbezügen - relativ hohe Beträge. Anders verhielt es sich möglicherweise bei denjenigen Arbeitnehmer, die wie die Klägerin eine günstigere Versorgungszusage nach der Leistungsordnung A- des Essener Verbandes hatten. Die pauschale Zahlungsweise der Rechtsvorgängerin der Beklagten schließt es nach Meinung der erkennenden Kammer von vornherein aus, die Unverbindlichkeit der Leistung an der Höhe des Zuwendungsbetrages festzumachen.

III. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Zahlung der Sonderzuwendung zum Ende des Jahres 1999 einzustellen. Der mit Schreiben im November 1998 gegenüber der Klägerin erklärte Widerruf ist rechtsunwirksam.

Jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes und der Einführung des gesetzlichen Insolvenzschutzes für Versorgungsansprüche und unverfallbare Versorgungsanwartschaften ist ein einseitiger Widerruf von Versorgungsleistungen nur bei einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers möglich. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die vom Arbeitgeber bisher gewährten Leistungen in einer ausdrücklichen Zusage oder in einer betrieblichen Übung ihren Rechtsgrund haben (vgl. BAG, Urteil vom 30.10.1984, a.a.O., unter II 1 a der Gründe). Die Beklagte behauptet selbst nicht, sich in einer ernsthaften wirtschaftlichen Lage zu befinden. Der Hinweis im ersten Rechtszug, dass wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Stahlindustrie mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Existenz des Unternehmens gesichert werden müsse, ist unzureichend. Soweit die Beklagte sich im Schreiben an die Klägerin aus November 1998 auf eine Gleichbehandlung mit den übrigen Werksrentnern des Unternehmens beruft, kann dies einen Widerruf der Leistung ohnehin nicht rechtfertigen.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück