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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.06.2001
Aktenzeichen: 14 Sa 491/01
Rechtsgebiete: MTV Groß- und Außenhandel NRW, BGB


Vorschriften:

MTV Groß- und Außenhandel NRW § 7 Abs. 1
BGB § 119 Abs. 1
1. Die Einhaltung der Schriftform ist beim Widerruf eines Aufhebungsvertrages gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 MTV Groß- und Außenhandel NRW Wirksamkeitserfordernis.

2. Zum Nachweis eines Inhaltsirrtums gemäß § 119 Abs. 1 BGB.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

14 Sa 491/01

Verkündet am: 22.06.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Sauerland als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter van Beek und den ehrenamtlichen Richter Kralj

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 14.02.2001 - 5 Ca 4403/00 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.

Der 48 Jahre alte, schwerbehinderte Kläger afrikanischer Herkunft war seit dem 04.05.1981 in dem Betrieb der Beklagten in E. zu einer durchschnittlichen Monatsvergütung von zuletzt ca. 3.700.-DM brutto als Lagerarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW in der Fassung ab dem 01.01.1997 (MTV) kraft Allgemeinverbindlichkeit Anwendung. Auf diesen Tarifvertrag wurde im Übrigen ergänzend auch im zuletzt maßgeblichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 26.01.1982 verwiesen.

Der Kläger war seit Juni 1999 wegen eines Herzleidens arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Versuch einer stufenweise Wiederaufnahme seiner Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsplanes vom 17.08.2000 für den Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.2000 scheiterte. Ein Arzt bescheinigte dem Kläger in einem Befundbericht im Oktober 2000, dass berufliche Belastungen mit körperlichen Arbeiten nicht mehr möglich seien und eine deutliche Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege. Nachdem der Kläger am 07.11.2000 mit dem Betriebsratsvorsitzenden G. gesprochen hatte, setzte sich dieser anschließend mit der Personalleiterin M. der Beklagten in Verbindung. Frau M. legte dem Kläger dann bei einer Vorsprache in der Personalabteilung am 08.11.2000 ein Schriftstück mit der Überschrift "Aufhebungsvertrag" vor. Darin heißt es in den hier interessierenden Teilen:

"1. Das zwischen dem Arbeitnehmer und dem Unternehmen bestehenden Arbeitsverhältnis wird aus gesundheitlichen Gründen (Erwerbsunfähigkeit) einvernehmlich zum 03.12.00 beendet. Das Arbeitsverhältnis wird ordnungsgemäß abgewickelt.

2. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt das Unternehmen dem Arbeitnehmer eine Sozialplanabfindung gemäß §§ 9 und 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von DM 3.000,-. Dieser Betrag ist steuerfrei. Die Abfindung wird am 03.12.00 fällig.

Die vorstehenden Regelungen las Frau M. dem Kläger vor. Anschließend unterzeichnete dieser das Schriftstück. Eine Übergabe des Vertrages erfolgte zunächst nicht. Nachdem der bei dem Vorgang nicht anwesende Geschäftführer B. den Aufhebungsvertrag ebenfalls unterzeichnet hatte, wurde das Schriftstück dem Kläger am 10.11.2000 zustellt. Am 13.11.2000 teilte der Kläger der Personalleiterin der Beklagten bei einem Telefonanruf mit, dass er sich beim Unterzeichnen des Vertrages geirrt habe und seine Erklärung widerrufe. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.11.2000 erklärte er die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen eines Erklärungs- bzw. Inhaltsirrtums und machte zusätzlich geltend, der Vertrag sei wegen Verstoßes gegen § 623 BGB rechtsunwirksam.

Der Kläger hat behauptet, da er der deutschen Sprache nicht besonders mächtig sei, habe er nicht verstanden, dass er einen Aufhebungsvertrag unterzeichne; er habe geglaubt, er vereinbare eine vorläufige Suspendierung des Wiedereingliederungsplanes. Er sei außerdem nicht über die nachteiligen Folgen eines Aufhebungsvertrages belehrt worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten nicht durch den Aufhebungsvertrags vom 08.11.2000 zum 03.12.2000 endet, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den Ablauf des 03.12.2000 hinaus fortbesteht.

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu Ziffer 1 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Essen hat die Klage durch Urteil vom 14.02.2001, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, abgewiesen. Gegen das ihm am 21.03.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.04.2001 Berufung eingelegt und diese am 04.05.2001 begründet.

Der Kläger wendet sich mit tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen gegen das angefochtene Urteil.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts vom 14.02.2001 abzuändern und nach den erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist teilweise bereits unzulässig. Soweit die Berufung sich gegen die Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrages richtet, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung im Sinne von § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

1. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen aufzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalles durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Danach muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden konkreten Fall zugeschnitten sein. Sie muss zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im Einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1997, NJW 1998, 1081 f.; BGH, Urteil vom 24.01.2000, NJW 2000, 1576 f.; BAG, Urteil vom 11.03.1998, EzA Nr. 10 zu § 519 ZPO).

Eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung muss sich grundsätzlich mit allen Teilen des angefochtenen Urteils befassen. Sind mehrere Ansprüche betroffen, so muss zu jedem einzelnen Anspruch dargelegt werden, warum die Entscheidung der Vorinstanz für unrichtig gehalten wird. Diese Anforderung kann nur dann nicht gestellt werden, wenn ein Anspruch in seinem Bestehen unmittelbar und allein von einem anderen Anspruch abhängt. Es genügt dann, dass sich die Berufungsbegründung mit den Ausführungen in dem arbeitsgerichtlichen Urteil zum Grundanspruch befasst (vgl. BAG, Urteil vom 02.04.1987, EzA Nr. 108 zu § 626 BGB n. F.; vgl. auch BGH, Urteil vom 27.01.1994, NJW 1994, 2289 ff; Germelmann/ Matthes/ Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 64 Anm. 57).

2. Diesen Rechtsgrundsätzen entspricht die Berufungsbegründung des Klägers nur in dem Teil, der die Abweisung des Feststellungsantrags betrifft. Der Kläger setzt sich darin zum einen mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Anfechtung des Aufhebungsvertrages auseinander und macht deren Wirksamkeit geltend. Weiterhin beruft er sich im zweiten Rechtszug nunmehr auch darauf, den Aufhebungsvertrag gemäß § 7 Abs. 1 MTV wirksam widerrufen zu haben. Ob diese Angriffe der Berufung schlüssig oder vertretbar sind, ist für das Vorliegen einer formell ordnungsgemäßen Berufungsbegründung unerheblich. Soweit die Vorinstanz den Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen hat, ist die Berufungsbegründung jedoch unzureichend. Sie erschöpft sich nämlich in dem Satz, der Weiterbeschäftigungsantrag sei aufgrund der wirksamen Anfechtung des Aufhebungsvertrages begründet. Dies stellt keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung dar, weil die Vorinstanz ihre Entscheidung zusätzlich darauf gestützt hat, dass der Kläger auch wegen seiner fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit keine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen verlangen könne. Es handelt sich dabei um eine gegenüber dem Gesichtspunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängige, selbständig tragende rechtliche Begründung. Bei einem einheitlichen Streitgegenstand muss der Berufungskläger aber dann, wenn das Gericht seine Entscheidung derart auf mehrere Erwägungen stützt, in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht trägt, andernfalls das Rechtsmittel unzulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1996, NJW-RR 1996, 572; Urteil vom 16.12.1999, NJW-RR2000, 685 f.; BAG, Urteil vom 11.03.1998, a.a.O. m. w. N.).

II. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Feststellungsklage zu Recht in der Sache abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund des Aufhebungsvertrages zum 03.12.2000 beendet worden.

1. Die Parteien haben nach dem übereinstimmenden Sachvortrag in rechtswirksamer Weise einen Vertrag geschlossen, mit dem der bestehende Arbeitsvertrag aufgehoben wurde.

a) Mit der Unterzeichnung des von der Personalleiterin M. vorbereiteten Vertragsexemplares hatte der Kläger am 08.11.2000 rechtlich gesehen selbst ein Angebot zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 03.12.2000 abgegeben. Da der Geschäftsführer B. der Beklagten, dem der Vertrag noch zur Unterzeichnung vorgelegt werden musste, bei der Unterredung nicht zugegen war, handelte es sich um ein Angebot unter Abwesenden, das bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden konnte, in welchem der Kläger den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten durfte (§§ 146, 147 Abs. 2 BGB). Dies geschah mit der Zustellung des mit der Unterschrift des Geschäftsführers B. versehenen Aufhebungsvertrages an den Kläger am Nachmittag des 11.10.2000. Da die Annahme binnen zwei Tagen erfolgte, steht ihre Rechtzeitigkeit nicht in Zweifel. Eine dahingehende Rüge wird auch vom Kläger nicht erhoben.

b) Die gesetzliche Schriftform für Auflösungsverträge gemäß § 623 BGB ist eingehalten, da die Parteien den Vertrag auf derselben Urkunde eigenhändig unterzeichnet haben (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die im vorgerichtlichen Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.11.2000 geäußerte gegenteilige Rechtsauffassung entbehrt jeder Grundlage.

2. Der Kläger hat den mit der Beklagten abgeschlossenen Aufhebungsvertrag nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 MTV fristgerecht widerrufen.

a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 MTV kann jede der Arbeitsvertragsparteien einen Aufhebungsvertrag bis zum Ende des darauf folgenden Arbeitstages durch schriftliche Erklärung widerrufen. Der Widerruf stellt die Rücknahme einer bereits existenten, aber noch nicht endgültig wirksamen Willenserklärung dar, die den Eintritt der gewollten Rechtsfolge mit rückwirkender Kraft verhindert. Die Wirksamkeit der Willenseinigung der Parteien des Aufhebungsvertrages wird um einen bestimmten Zeitraum hinausgeschoben und kann innerhalb dieses Zeitraums durch eine Erklärung mit rückwirkender Kraft beseitigt werden (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.1985, EzA Nr. 3 zu § 4 TVG Einzelhandel; Urteil vom 30.09.1993, AP Nr. 37 zu § 123 BGB) Dem Kläger stand dieses Gestaltungsrecht bis zum 13.11.2000 zu. Die Widerrufsfrist begann, da maßgebend allein der Vertragsschluss sein kann, mit dem Zugang der Annahmeerklärung der Beklagten am Freitag, dem 10.11.2000. Die Frist lief sodann bis zum 13.11.2000 (Montag). Unter "Arbeitstag" im Sinne der Tarifnorm kann nur ein solcher Tag gemeint sein, an dem im Betrieb überhaupt gearbeitet wird. Dies war am dazwischen liegenden Samstag und Sonntag unstreitig nicht der Fall.

b) Innerhalb der tariflichen Frist bis zum 13.11.2000 hat der Kläger den mit der Beklagten geschlossenen Aufhebungsvertrag nicht wirksam widerrufen.

aa) Die vom Kläger gegenüber der Personalleiterin M. am 13.11.2000 telefonisch abgegebene Erklärung stellt, da sie nur mündlich erfolgte, keinen wirksamen Widerruf dar. Bei dem in § 7 Abs. 1 Satz 2 MTV vorgesehenen schriftlichen Widerruf handelt es sich um eine gesetzliche Schriftform im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages sind als Gesetze im Sinne von Art. 2 EGBGB anzusehen (BAG, Urteil vom 09.02.1972, AP Nr. 1 zu § 4 BAT; Urteil vom 14.06.1994, EzA Nr. 11 zu § 125 BGB). Ein Widerruf, der die gesetzliche Schriftform nicht einhält, ist nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Mag auch eine tarifliche Schriftformklausel vorwiegend zu Beweiszwecken dienen, so ist hier mitzuberücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien eine schnelle und eindeutige Klärung der Rechtslage gewollt haben. Das rechtliche Schicksal eines Aufhebungsvertrages soll, wie die kurze Widerrufsfrist deutlich macht, nicht unnötig lange in Zweifel stehen. Der Vertragspartner soll letztlich sichere Kenntnis davon erhalten, ob es bei dem ursprünglich Vereinbarten bleibt. Mit dieser Zwecksetzung des Tarifvertrages wäre es unvereinbar, wenn zunächst über den Inhalt mündlicher Erklärungen in gerichtlichen Verfahren Beweise erhoben werden müssten. Die tarifliche Schriftform kann von daher nur in dem Sinne verstanden werden, dass sie Wirksamkeitserfordernis des Widerruf ist (vgl. auch BAG, Urteil vom 14.06.1994, a.a.O., zu § 7 Abs. 1 MTV: Bell/ Mache/ Oetter, Kommentar für die betriebliche Praxis, Rdn. 6).

bb) Im Anfechtungsschreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.11.2000 könnte möglicherweise zwar auch (konkludent) die schriftliche Erklärung eines Widerruf gesehen werden. Das Schreiben ist der Beklagten jedoch außerhalb der tariflichen Widerrufsfrist zugegangen.

c) Der Beklagten ist es entgegen der Ansicht des Klägers nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform zu berufen. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs könnte durchgreifen, wenn die Beklagte den Kläger vom formgerechten Widerruf abgehalten oder zumindest ihm den Eindruck vermittelt hätte, den mündlichen Widerruf akzeptieren zu wollen. Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Der Umstand, dass die Personalleiterin M. den Kläger nicht über die Schriftformklausel des Tarifvertrages belehrt hat, begründet noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Grundsätzlich gilt, dass es im Eigeninteresse des tarifgebundenen Arbeitnehmers liegt, sich selbst über den Inhalt der tariflichen Bestimmungen zu informieren. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber die Informationsgewinnung übermäßig erschwert hätte (vgl. BAG, Urteil vom 14.06.1994, a.a.O.). Dafür hat der Kläger jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen.

3. Es liegt auch keine wirksame Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB wegen eines Inhaltsirrtums des Klägers beim Abschluss des Aufhebungsvertrages vor.

a) Der Kläger behauptet nicht, dass der Aufhebungsvertrag durch Drohung oder arglistige Täuschung herbeigeführt worden sei. Er beruft sich allein darauf, bei seiner Unterschrift unter den Vertrag am 08.11.2000 davon ausgegangen zu sein, eine Vereinbarung über die Suspendierung der laufenden Wiedereingliederungsmaßnahme zu treffen. Damit macht der Kläger einen Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB geltend. Ein solcher ist anzunehmen, wenn der äußere Erklärungstatbestand dem Willen des Erklärenden entspricht, dieser aber über die Bedeutung und Tragweite der Erklärung irrt (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 119 Rdn. 11). Da er die Anfechtbarkeit seiner Willenserklärung geltend macht, trägt der Kläger die Beweislast dafür, dass der von ihm angeführte Irrtum tatsächlich vorlag (vgl. BGH, WM 1959, 348 f.; MünchKomm BGB/Kramer, 4. Aufl., § 119 Rdn. 142).

b) Der Vorinstanz ist jedoch darin beizutreten, dass der Kläger den von ihm behaupteten Inhaltsirrtum nicht bewiesen hat.

aa) Der Kläger vermag den erforderlichen Nachweis für das Vorliegen eines Irrtums (innere Tatsache) nicht durch Indiztatsachen zu führen. Die vorliegenden Umstände sprechen vielmehr eindeutig dagegen, dass der Kläger tatsächlich glaubte, nur eine Suspendierung des Wiedereingliederungsplanes vom 17.08.2000 zu vereinbaren. Der Kläger hat zum einen selbst dargelegt, vor dem Zusammentreffen mit der Personalleiterin M. den Betriebsratsvorsitzenden G. gefragt zu haben, ob ihm ein Geldanspruch zustehe, wenn er in Rente gehe. Dies geschah unter Vorlage einer Renten- und Wartezeitauskunft der LVA Rheinprovinz und des ärztlichen Befundberichts, wonach eine berufliche Belastung mit körperlichen Arbeiten aus Krankheitsgründen nicht mehr möglich sei. Da der Betriebsratsvorsitzende unmittelbar im Anschluss daran den Termin in der Personalabteilung vermittelte, dürfte dem Kläger hinreichend klar gewesen sein, um was es ging. Die Behauptung, er habe lediglich eine Suspendierung der Wiedereingliederungsmaßnahme vereinbaren wollen, ist mit der an G. gestellten Frage in keiner Weise in Einklang zu bringen. Wer gegen einen Geldbetrag in Rente gehen will, der beabsichtigt in der Regel nicht, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dies gilt hier umso mehr, als ein zukünftiger Einsatz des Klägers als Lagerarbeiter nach dem ärztlichen Befund aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich erschien. Der Kläger hat im Übrigen auch im zweiten Rechtszug keinen vernünftigen Grund nennen können, weshalb die Beklagte ihm aus seiner Sicht für die Suspendierung der Wiedereingliederung eine Abfindung hätte zahlen sollen. Da eine solche Maßnahme von der Krankenkasse finanziert wird, bestand keinerlei Interesse der Beklagten an einer Kostenersparnis. Auch erkennbare personelle Probleme waren mit der Wiedereingliederung des Klägers im Betrieb nicht verbunden. Die abweichende Darstellung des Klägers enthält hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Sie ist ebenso wenig nachvollziehbar wie der allgemeine Verweis auf "nicht ungewöhnliche" Sonderzahlungen, die einem Arbeitnehmer manchmal zur Erreichung eines Zugeständnisses gezahlt würden. Hinzu kommt, dass die Personalleiterin M. dem Kläger die beiden Ziffern des Aufhebungsvertrages, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Zahlung der Abfindung geregelt ist, vor dessen Unterschriftsleistung vorgelesen hat. Sprachprobleme des Klägers vermag die Berufungskammer in Übereinstimmung mit der Vorinstanz in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen. Es war in der letzten mündlichen Verhandlung problemlos möglich, sich mit dem Kläger ohne Hilfe eines Dolmetschers zu verständigen.

Der Kläger hat Fragen des Gerichts - z.B. nach der Herkunft seines Vornamens - vollständig aufnehmen und auch beantworten können. Dem entspricht es, dass der Kläger schon im ersten Rechtszug ausdrücklich zu Protokoll auf die Beiziehung eines Dolmetschers verzichtet hat (vgl. Bl. 26 d. A.). Der Text der Aufhebungsvereinbarung war im Übrigen einfach gehalten und bot in den hier in Rede stehenden Passagen keine besondere Schwierigkeiten. In welchem Umfang der Kläger deutsche Texte lesen und schreiben kann, ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht erheblich.

bb) Das Arbeitsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Kläger zu dem behaupteten Irrtum als Partei zu vernehmen. Die Voraussetzungen einer Parteivernehmung auf Antrag des Klägers gemäß § 447 ZPO liegen nicht vor. Die Beklagte hat schon im ersten Rechtszug die von Gesetzes wegen erforderliche Zustimmung nicht erklärt. In ihrem Schweigen lag keine Zustimmung. Das Gericht brauchte die Beklagte auch nicht zum Einverständnis aufzufordern. Die Zustimmung der Beklagten wurde trotz der Rügen des Klägers auch im Berufungsverfahren nicht erteilt. Die Vorinstanz hat es im Übrigen zutreffend abgelehnt, den Kläger gemäß § 448 ZPO von Amts wegen als Partei zu vernehmen. Es besteht keine Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit seiner Behauptung. Daran hat sich im zweiten Rechtszug nichts geändert.

4. Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe Aufklärungspflichten in Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages verletzt, könnte dies allenfalls Schadensersatzansprüche begründen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird hierdurch nicht betroffen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Voraussetzungen einer Divergenzrevision nicht vorliegen, besteht keine Veranlassung, die Revision an das Bundesarbeitsgericht zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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