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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.07.2003
Aktenzeichen: 14 Sa 522/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 522 Abs. 1
ArbGG § 55 Abs. 1 Nr. 4
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 64 Abs. 7
ArbGG § 66 Abs. 2
1. Zu den Anforderungen an eine Berufungsbegründung im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach der Neuregelung des Verfahrensrechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 17.05.2001.

2. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat auch bei Säumnis des Berufungsklägers durch die Kammer unter Einschluss der ehrenamtlichen Richter zu erfolgen.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25.07.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Sauerland als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Gutzmann und den ehrenamtlichen Richter Velvendick

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 07.04.2003 ­ 5 Ca 9/03 ­ wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Ausbildungsverhältnisses.

Der am 23.09.1982 geborene Beklagte schloss mit der Klägerin für die Zeit ab dem 10.08.2001 einen Ausbildungsvertrag für den Beruf eines Industriekaufmanns. Nachdem der einzige Ausbildungsberechtigte im Betrieb der Klägerin Ende Mai 2002 ausgeschieden war, versuchte diese zunächst, für den Beklagten eine neue Ausbildungsstelle zu finden. Als diese Bemühungen gescheitert waren, kündigte die Klägerin das Ausbildungsverhältnis wegen eines fehlenden Ausbilders mit Schreiben vom 20.11.2002 ,,fristgerecht" zum 31.12.2002. Der darauf angerufene Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein stellte in seiner Sitzung vom 19.12.2002 durch Säumnisspruch fest, dass das Ausbildungsverhältnis fortbestehe.

Die Klägerin hat am 02.01.2003 Klage beim Arbeitsgericht Krefeld eingereicht. Sie hat geltend gemacht, sie sei nicht in der Lage, entsprechend den gesetzlichen Vorschriften dem Beklagten einen geeigneten und zugelassenen Ausbilder zu stellen. Der Beklagte müsse sich selbst nach einer neuen Lehrstelle umsehen.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass

der Berufsausbildungsvertrag vom 16.08.2001 zwischen den Parteien fristgerecht zum 31.12.2002 beendet ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Krefeld hat die Klage durch Urteil vom 07.04.2003, auf das im Einzelnen Bezug genommen wird, abgewiesen. Gegen das ihr am 16.04.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.04.2003 Berufung eingelegt und diese am 13.06.2003 begründet.

Im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer am 25.07.2003 ist für die Klägerin niemand erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist unzulässig und damit gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG zu verwerfen, da es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung fehlt.

1. Nach der Neuregelung des Verfahrensrechtes durch das Zivilprozessreformgesetz vom 17.05.2001 (BGBl. I S. 1887) mit Wirkung ab dem 01.01.2002 kann eine Berufung gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Damit korrespondiert der notwendige Inhalt einer Berufungsbegründung nach den Bestimmungen in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 ZPO. Danach muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben, oder die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine neue Feststellung gebieten, enthalten. Diese Anforderungen an eine Berufungsbegründung gelten gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren (vgl. ErfK/Koch, Aufl., § 66 ArbGG Rn. 13; Schmidt/Schwab/Wildschütz, 3. NZA 2001, 1220; einschränkend: GMP/Germelmann, 4. Aufl., § 66 Rn. 4; noch weitergehend ders., § 64 Rn. 54 a f.). Wie bereits unter der Geltung des bisherigen Prozessrechtes muss in der Berufungsbegründung eine Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung stattfinden. Die Begründung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungsführer das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15.06.2000, NJW 2001, 228; BAG, Urteil vom 15.08.2002, EzA Nr. 14 zu § 519 ZPO). Dabei muss die Rechtsmittelbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Wenn das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen stützt, muss die Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie unzutreffend sein soll; andernfalls ist das gesamte Rechtsmittel unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.1996, NJW-RR 1996, 582; BGH, Urteil vom 16.12.1999, NJW-RR 2000, 685 f.; BAG, Urteil vom 29.11.2001, EzA Nr. 13 zu § 519 ZPO; zum neuen Prozessrecht: Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rn. 37 a.; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 520 Rn. 38).

2. Den vorstehenden Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin, worauf bereits mit Beschluss vom 16.07.2003 hingewiesen wurde, nicht gerecht.

a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung auf drei von einander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt. Es hat zum einen angeführt, dass die Kündigung der Beklagten vom 20.11.2002 gemäss § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG rechtsunwirksam sei. Danach könne das Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit vom Arbeitgeber nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden. Eine solche Kündigung habe die Klägerin nicht ausgesprochen. Die ausdrücklich als ,,ordentliche" Kündigung bezeichnete Kündigung der Beklagten könne nicht gemäß § 140 BGB in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist umgedeutet werden. Die Vorinstanz hat unabhängig davon (,,daneben") die Ansicht vertreten, es liege auch kein wichtiger Grund im Sinne von § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG vor. Wer einen Berufsausbildungsvertrag abschließe, sei nach dem Grundsatz ,,pacta sunt servanda" gehalten, dafür zu sorgen, dass es für die Dauer der Ausbildung zumindest einen Mitarbeiter im Betrieb gebe, der die Ausbildereignerprüfung erfolgreich absolviert habe. In einer weiteren unabhängigen, selbständig tragenden Erwägung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass auch die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 BBiG nicht gewahrt sei. Das Ausscheiden des einzigen zur Ausbildung berechtigten Mitarbeiters sei der Klägerin bereits wesentlich länger als zwei Wochen vor dem Ausspruch der Kündigung bekannt gewesen.

b) Die Unzulässigkeit der Berufung der Klägerin ergibt sich bereits daraus, dass zu der ersten Begründung, mit der das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung verneint hat, jegliche Auseinandersetzung fehlt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die ausdrücklich fristgerecht erklärte Kündigung der Klägerin trotz des in der Entscheidung angesprochenen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG dennoch zulässig sein könnte. Die Berufung übergeht die dazu gemachten Ausführungen der Vorinstanz vollständig. Obwohl es darauf letztlich nicht mehr entscheidend ankommt, ist der Berufungsbegründung im Übrigen auch hinsichtlich der weiteren selbständig tragenden Erwägungen des Urteils keine hinreichende Auseinandersetzung zu entnehmen. Sie erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens. Die Klägerin geht weder auf die Ausführungen der Vorinstanz zum wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung unter dem Aspekt der mit dem Berufsausbildungsvertrag übernommenen Verpflichtungen näher ein noch befasst sie sich auch nur ansatzweise mit der Frage der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 BBiG.

3. Die Verwerfung der Berufung der im Verhandlungstermin säumigen Klägerin hat im Wege des streitigen (kontradiktorischen) Prozessurteils durch die Kammer unter Einschluss der ehrenamtlichen Richter zu erfolgen, da in diesem Fall eine Alleinentscheidungskompetenz des Vorsitzenden nicht besteht. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG i.V.m. § 64 Abs. 7 ArbGG entscheidet der Vorsitzende im zweiten Rechtszug zwar bei Säumnis einer Partei allein. Dies gilt aber nicht in den Fällen, in denen eine Berufung durch Urteil als unzulässig zu verwerfen ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Kammerzuständigkeit sich damit begründen lässt, dass die Entscheidung nicht wegen sondern trotz der Säumnis des Berufungsklägers erfolge (vgl. insoweit zur Verwerfung des unzulässigen Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil: GK-ArbGG/Schütz, Stand: Febr. 2002, § 55 Rn. 18; GMP/Germelmann, a.a.O., § 55 Rn. 17 m.w.N.; a.A. z.B. Griebeling, NZA 2002, 1075 f.). Gegen eine Alleinentscheidungskompetenz des Vorsitzenden spricht nämlich bereits § 66 Abs. 2 Satz 2 2.Halbs. ArbGG. Wenn danach die ehrenamtlichen Richter schon bei einer Verwerfung der Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zwingend zu beteiligen sind, muss das erst recht für eine entsprechende Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung gelten, mag der Berufungskläger dieser auch ferngeblieben sein. Wesentlich ist allein der in der Vorschrift hinreichend zum Ausdruck kommende Willen des Gesetzgebers, über die Verwerfung der Berufung in jedem Falle die Kammer und nicht den Vorsitzende allein befinden zu lassen (vgl.: Hauck/Helm, ArbGG, 2. Aufl., § 66 Rn. 21; so wohl auch: GKArbGG/Vossen, Stand Dezember 2001, § 66 Rn. 152; GMP/Germelmann, a.a.O., § 66 Rn. 35).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Voraussetzungen einer Divergenzrevision nicht ersichtlich sind, besteht keine Veranlassung, die Revision an das Bundesarbeitsgericht zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.



Ende der Entscheidung

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